Unser Kunterboot - Sommer der Geheimnisse - Stephanie Schneider - E-Book

Unser Kunterboot - Sommer der Geheimnisse E-Book

Stephanie Schneider

4,4
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie heißen Faule Paula, Lorella, Flitzpiepe oder Kunterboot – die Schiffe der kleinen Hausbootkolonie, wo Jonna und ihre Freunde zu Hause sind. Jeden Tag gibt es da ein neues Abenteuer zu erleben. Und es gibt Elfen, wie auf Island. Das weiß Jonna ganz genau! Doch dann soll die alte Lorella verschrottet werden und Jonnas bester Freund Karl in eine moderne Wohnung an Land umziehen. Das darf einfach nicht wahr sein, findet Jonna! Nie und nimmer! Doch im richtigen Leben funktionieren die Dinge eben oft ganz anders als in den Geschichten, die Jonna so liebt. Oder werden die Elfen ein Einsehen haben und tatsächlich Wünsche erfüllen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 130

Bewertungen
4,4 (16 Bewertungen)
10
3
3
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Illustrationen von Nina Dulleck

Das sind wir

Auf dem Kunterboot wohnen fünf Leute. Mama, Papa, Tomek, Greta und ich. Das sind ganz schön viele für ein einziges Hausboot, und deshalb wird es manchmal ziemlich eng bei uns. Zum Beispiel, wenn man mal eben acht Kinder zu seinem Geburtstag einladen will. Oder wenn Greta sich eine Höhle unter dem Esstisch baut.

Ansonsten ist unser Kunterboot genau richtig so, wie es ist. Ich nenne es immer Villa Kunterboot, so wie bei Pippi Langstrumpf. Keines seiner Fenster ist wie das andere. Eine schmale Treppe mit schnörkeligem Geländer führt hinauf aufs Oberdeck. Und überall an Bord gibt es Ecken und Verstecke.

„Auf einem Boot zu wohnen, das ist etwas Besonderes“, sagen Mama und Papa. Für mich fühlt es sich einfach nur normal an.

Jeden Tag kommen Jogger und Spaziergänger an der alten Fabrik vorbei. Wenn sie die vier Hausboote dort am Kanal liegen sehen, dann bleiben sie stehen, um zu gucken. Und manchmal machen sie ein Foto.

Letztes Jahr war sogar mal jemand da, der einen Film über uns machen wollte. „Eine Reportage“ hat er das genannt und sich alles ganz genau angeschaut.

Aber Mama und Papa und Krösus und die anderen wollten nicht ins Fernsehen! Und das ist ganz schön schade. Wenn die Erwachsenen damals „Ja“ gesagt hätten, dann wären wir jetzt vielleicht sogar berühmt.

So wie Pippi Langstrumpf in ihrer Villa Kunterbunt. Die kennt ja wirklich jeder. Jedes Jahr an Heiligabend kommen die Filme im Fernsehen. Dann gehen Tomek und Greta und Karl und ich rüber zu Mascha in die Flitzpiepe und vertreiben uns dort die Wartezeit bis zur Bescherung. Maschas Hausboot ist leider nämlich das einzige mit Fernsehen.

Berühmt zu sein wäre cool. Und praktisch, denn wenn es einen Film über uns geben würde, dann könntet ihr euch den jetzt angucken und ich bräuchte hier nicht so viel zu erklären.

„Du kannst ja Bilder von uns malen“, hat Papa vorgeschlagen, aber das dauert mir viel zu lange. Sachen, bei denen man so lange rumsitzen muss, machen mir ziemlich schnell schlechte Laune. Da könnte ich ja gleich zu einem von Mamas Kursen in die Kunstschule gehen. Nein danke! Ich habe eine viel bessere Idee: Ich hole Papas Handy und mache Fotos.

Die Villa Kunterboot ist gelb und weiß und blau und rosa und rot. Oben auf dem Sonnendeck hat Tomek seine Bohnenzuchtstation aufgebaut. Und darüber hängt eine Schnur mit lauter bunten Fähnchen.

Ein Äffchen wie bei Pippi Langstrumpf haben wir leider nicht an Bord. Aber Greta hat einen Stoffhund mit Motor im Bauch. Sie nennt ihn „Hü“. Ich finde ja, das passt besser zu einem Pferd. Aber letztes Jahr, als Greta Hü gekriegt hat, da war sie erst drei. Da wusste sie das ja vielleicht noch nicht.

Wenn man an einem Schalter dreht, dann kann Hü laufen. Und nach ein paar Schritten bleibt er stehen und bellt.

„Hü kann laufen und hühn“, sagt Greta dann jedes Mal zufrieden und küsst Hü auf seinen Batterienbauch.

Im Hausboot gleich nebenan wohnt meine Freundin Mascha. Das ist sehr praktisch. Wenn ich ihr etwas Wichtiges erzählen will, dann kann ich mich oben aufs Bohnendeck unter die bunten Fähnchen stellen und es rufen. Oder ich laufe eben schnell über den Steg. Ich könnte sogar mit unserem kleinen Boot rüber rudern und mit dem Paddel gegen das Bullauge klopfen.

Aber das mit dem Boot, das mache ich nicht wirklich. Mama will nicht, dass wir es benutzen, wenn keiner von den Erwachsenen dabei ist.

Mascha erkennt man jetzt im Sommer übrigens ganz leicht am grünen T-Shirt. Grün ist nämlich typisch Mascha. In Smillas Eisladen bestellt sie sich immer Waldmeister oder Pistazie. Letztens hat sie sogar ihre Unterhosen grün gefärbt, mit so einem Pulver für die Waschmaschine. Ich wette, Mascha würde sich auch noch ihre vielen Zottelzöpfchen grün färben, wenn ihre Mutter einverstanden wäre.

Meine anderen beiden Freundinnen heißen Luzie und Florentine.

Die wohnen beide in der Birkundenstraße um die Ecke und gehen auch in meine Klasse. So oft es geht, kommen sie zum Spielen zu uns an den Kanal.

Leider muss Florentine nachmittags oft zum Training. Sie will nämlich mal Kung-Fu-Meisterin werden. Dabei sieht sie eigentlich eher aus wie so ein typisches Ballettmädchen. Aber das Dünne und Kleine ist nur Tarnung. Florentine ist die Stärkste von uns allen.

Luzie möchte lieber Reporterin werden. Deshalb übt sie schon mal und sucht ständig nach irgendwelchen Sensationen. Zum Glück muss man dafür nicht extra zu einem Training fahren wie Florentine. Reporterin sein kann man ganz einfach nebenbei.

Luzies und Florentines Zuhause muss ich ja nicht extra fotografieren. Wohnungen kennt ja schließlich jeder. Da mache ich lieber ein Bild von Maschas Boot. Die Flitzpiepe ist zwar nicht so schön bunt wie unsere Villa Kunterboot, aber ein bisschen besonders ist sie trotzdem. Sie hat nämlich zwei Haustüren. Hinter der blauen Tür wohnt Mascha mit ihrer Mama. Die heißt Lisa und ist sehr nett. Nur wenn sie Nachtschicht in ihrer Wohngruppe hatte, lässt man sie lieber in Ruhe. An solchen Tagen schläft sie bis zum Mittagessen. Später sitzt sie dann mit einer Tasse Kaffee in der Hand und ganz kleinen Augen auf dem Vorderdeck.

Wenn man aber an der blauen Tür vorbei geht, dann kommt weiter hinten noch ein zweiter Eingang. Dort, hinter der weißen Tür mit dem Goldanker, wohnt Oma Gabi. Ich sage Oma, obwohl sie natürlich nicht meine, sondern nur Maschas Oma ist. Aber bei Gabi muss man das „Oma“ einfach dazu sagen. Sonst merkt man nicht, dass sie eine ist. Gabi trägt Turnschuhe und Pullis mit Kapuze. Und dauernd schaut sie auf ihr Handy, weil sie wissen will, ob es gutes Wetter zum Joggen gibt.

Ich glaube, Mascha ist es manchmal ein kleines bisschen peinlich, wenn Gabi in ihren mädchenpinken Sportsachen am Kanal entlangjoggt. Aber Mama und Papa und die anderen Erwachsenen finden das gut. „Die Gabi tut was für sich“ sagen sie, wenn sie zusammen an der Feuerstelle sitzen und grillen. Dann verkünden sie wieder mal, dass sie morgen endlich auch mal Sport machen. Aber kurz danach kommt Matze mit den fertigen Würstchen und sie vergessen die Sache mit dem Sport schnell wieder.

Unser Grillplatz liegt vorne, direkt an der alten Fabrik. Es ist keine echte Fabrik. Das war sie früher mal. Jetzt sind dort Mamas Kunstschule und Matzes Tischlerei und ein paar Büros und das Lager und die Waschküche.

Eigentlich müsste sie deshalb Tischlerei-Kunstschulen-Lagerraum-Waschküchen-Feuerstellen-Haus heißen, aber bei so langen Wörtern kriege ich ja gleich schlechte Laune. Deshalb sage ich lieber einfach nur „Fabrik“.

An unserer Feuerstelle wird aber nicht nur gegrillt. Manchmal machen wir Stockbrot und halten aufgespießte Marshmallows über die Flammen, bis sie außen braun und innen ganz weich werden. Oder wir wickeln Kartoffeln in Alufolie und legen sie in die heiße Asche.

Ja, an der Feuerstelle ist es ziemlich gemütlich. Da setzt sich sogar Krösus manchmal dazu. Krösus ist der mit dem Kratzebart und dem kleinen, grauen Pferdeschwänzchen.

Das Hausboot von Krösus heißt „Faule Paula“. Es liegt ganz hinten an der Mauer, dort wo schon die Brennnesseln anfangen. Sein Schiff erkennt man sofort an den vielen Blumentöpfen. Überall an Deck und auf dem Dach stehen irgendwelche Pflanzen und Kräuter rum.

Dann gibt es noch Tomeks besten Freund Karl und seinen Papa Bodo. Die beiden wohnen auf der Lorella. Die ist schon ganz schön alt. Überall am Dach und an der Reling blättert die Farbe ab. Der Mast und die Schrauben sind rostig und das Geländer wackelt. Letztes Jahr hatte die Lorella ein Loch in der Wand. Das hat Bodo geflickt, indem er einfach eine alte Platte darüber genagelt hat. Das sieht ziemlich hässlich aus.

„Aber das stört nicht. Dafür sind ja die Menschen, die auf der Lorella wohnen, umso hübscher“, sagt Bodo immer und grinst dabei.

Natürlich gibt es noch viel mehr Interessantes bei uns. Aber vom Rest müsst ihr euch einfach überraschen lassen. Mit Fotografieren ist für heute nämlich Schluss.

Leider findet Mama, dass es Zeit ist, in die Koje zu kriechen. Dabei kann ich sowieso nicht einschlafen. Stattdessen werde ich stundenlang in meinem Bett liegen und durch das kleine Bullauge auf den Kanal gucken. Und die ganze Zeit werde ich nur an eines denken können: Bald sind endlich, endlich Ferien!

Wir sehen uns!

Eure Jonna

Eine Klasse geht aufs Klo und Frau August geht baden

Am letzten Tag vor den Zeugnissen findet auf der Wiese das große Abschlussgrillen unserer Klasse statt. Karls Papa hat alle zu uns eingeladen.

Als die ersten Kinder und Eltern durch das Tor kommen, zeigt der Wecker auf unserem Küchenregal kurz vor vier. Durch das kleine Bullauge über der Spüle beobachte ich, wie ein paar Eltern die Partybänke rund um die Feuerstelle aufstellen. Fatma, Adrian und Florentine decken den Tisch und verteilen bunte Servietten.

Mama schmeckt ein letztes Mal den Kartoffelsalat ab.

„Perfekt“, sagt sie zufrieden, legt den Löffel in die Spüle und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Dabei ist gar nichts perfekt.

„Warum müssen wir das Sommerfest ausgerechnet hier bei den Hausbooten feiern? Das geht garantiert schief“, beschwere ich mich.

„Was soll denn schief gehen? Also, ich find’s nett, dass Karls Papa eure Klasse zu uns auf die Wiese eingeladen hat.“

„Du kennst eben unsere neue Lehrerin nicht“, murmle ich und werfe besorgt einen Blick aus dem Fenster. Ich mag die verwilderten Ecken und das kunterbunte Durcheinander rund um die alte Fabrik. Aber Leute wie die blöde Frau August finden ja immer und überall was zu meckern.

Mama stupst mit ihrem Zeigefinger gegen meine Nase.

„Macht dir nicht so viele Gedanken, Zaubermaus. Es ist gut so, wie es ist.“ Dann nimmt sie die Salatschüssel und wir gehen raus zu den anderen. Tja, Erwachsene haben gut reden.

Draußen züngeln schon die ersten Flammen unter dem großen Grillrost.

„Cool hier bei euch“, sagt Fatma und grinst mich so an, dass ich ganz verlegen werde.

Da kommt auch Frau August durch das große Tor auf die Wiese. Wie immer mit so einer ganz feinen Bluse und ihren glitzergoldenen Ohrringen. Und zum ersten Mal in meinem Leben freue ich mich, als ich sie sehe. Heute ist Frau August nämlich nicht alleine.

„Frau Prinz!“, schreit Florentine und läuft auf die hellblonde Frau zu. Tatsächlich, Frau August hat unsere richtige Lehrerin von früher mitgebracht. Jetzt gibt es kein Halten mehr. Alle Kinder stürzen auf Frau Prinz zu und umringen sie.

„Schmeißt mich nicht um“, ruft Frau Prinz lachend und lässt sich umarmen und begrüßen, und wer mag, darf sogar ihren kugelrunden Baby-Bauch anfassen.

Es ist fast ein bisschen wie früher, denke ich glücklich.

Später, als die ersten Würstchen auf dem Grill liegen, steigt Bodo auf die Gartenbank und klopft an eine leere Limonadenflasche.

„Liebe Gäste“, ruft er, „herzlich willkommen auf unserem Klassenfest.“ Die Erwachsenen applaudieren, aber Bodo bittet um Ruhe.

„Bevor wir uns auf die Würstchen stürzen, habe ich noch eine Bitte. Unsere Lorella ist nämlich schon ziemlich alt und hat deshalb ein paar Besonderheiten. Ein paar quietschende Türen oder lose Bretter zum Beispiel. Seid also bitte vorsichtig, wenn ihr aufs Schiff geht. Außerdem gelten für die Lorella ein paar besondere Kloregeln“, fährt Bodo fort.

Und dann erklärt er den Gästen ganz genau, worauf sie zu achten haben. Wie man das eingerostete Türschloss überlistet. Dass es auf der Lorella ein spezielles Schiffsklopapier gibt. Und dass auch die Spülung bei einem Hausboot-Klo etwas anders funktioniert als bei Toiletten an Land.

„Kloregeln. Wie peinlich ist das denn! Ich würde ja lieber sterben, als so zu wohnen“, verkündet Liviane. Extra so laut, dass ich es hören kann. Dann dreht sie sich um, zupft an ihrer Haarsträhne und sagt mit einem zuckersüßen Grinsen: „Eure Schiffe sind ja echt putzig.“ Ich beachte sie gar nicht und gehe lieber rüber zu Mascha und den anderen.

1. Auflage 2016

© 2016 cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Cover- und Innenillustrationen: Nina Dulleck

Umschlaggestaltung: init|Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen

CK • Herstellung: AJ

Reproduktion: ReproLine Mediateam, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 9783-641-17705-8

www.cbj-verlag.de

V001