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"Frau König, was genau machen Sie eigentlich hier. Sie haben doch überhaupt keine Ahnung von Digitaler Transformation." Autsch. Der Start in meinen ersten Kundeneinsatz als Unternehmensberaterin vor 12 Jahren war mehr als holprig. Lag das nun tatsächlich an meinem vermeintlich fehlenden Wissen? Oder vielmehr an der Situation, dass ich als externe Beratung und dann auch noch als Frau es wagte, in eine Männerdomäne vorzudringen? Welche Reaktion ich auf diese Konfrontation gewählt habe und noch viele Einblicke mehr in die Welt als Frau in der Unternehmensberatung finden sich in diesem Buch. Der Beratungsjob bietet auch im Jahr 2022 ein weites Feld an anspruchsvollen, inspirierenden und manchmal auch zweifelsohne unangenehmen Herausforderungen. Für viele Außenstehende und neue Berater und Beraterinnen selbst sind die Inhalte der täglichen Arbeit einer Unternehmensberatung darüber hinaus teilweise immer noch ein Mysterium. Wer also mit dem Beratungsjob liebäugelt oder gerade eingestiegen ist, wird sich vermutlich Fragen stellen wie Welche Art von Menschen arbeitet in einer Unternehmensberatung? Wie bewerbe ich mich idealerweise? Welche Fähigkeiten benötige ich, um erfolgreich zu sein? Wie mache ich dort längerfristig (als Frau) Karriere? Wie vermeide ich typische Fettnäpfchen? Wie behalte ich meine Persönlichkeit und das nötige Quäntchen Humor? Mit vielen dieser Fragen und einigen der Mysterien wird in diesem Buch aufgeräumt. Es bietet eine Übersicht für all jene, welche mit dem Gedanken eines Einstiegs in die Unternehmensberatung spielen. Und darüber hinaus auch für alle, die bereits in diesem Job arbeiten und einen Erfahrungsaustausch oder eher noch - eine Selbsthilfegruppe - suchen.
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Seitenzahl: 544
Veröffentlichungsjahr: 2022
Über die Autorin
Johanna K. König, geboren 1985, ist Unternehmensberaterin, freiberufliche Autorin und Mutter. Sie hat zwei Universitätsabschlüsse im Bereich Betriebswirtschaft (Diplom), sowie Unternehmensorganisation und -führung (M. Sc.) und arbeitet derzeit in einer internationalen Managementund Technologieberatung.
Seit einigen Jahren ist sie neben der Projektarbeit auch für Geschäftsentwicklung und die Führung ihres eigenen Teams verantwortlich. Die bunten Facetten und Erfahrungen bei der Entwicklung von Nachwuchs-Unternehmensberatern und vor allem -beraterinnen, sowie der Blick hinter die Kulisse beim Manövrieren der eigenen Karriere in einer immer noch deutlich männlich geprägten Branche, spiegeln sich in diesem Buch wider. Sie lebt derzeit mit ihrer Familie in Hamburg.
J. K. König
UNTERNEHMENSBERATERIN
Der etwas andere Ratgeber für Frauen rund um Arbeit und Karriere in der Unternehmensberatung
© 2022 Johanna K. König
Umschlag, Illustration: Johanna K. König
Lektorat, Korrektorat: Renate Ahrens
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Paperback
978-3-347-67178-2
Hardcover
978-3-347-67182-9
e-Book
978-3-347-67183-6
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
1 Die Arbeit als Unternehmensberaterin
1.1 Charakteristiken und Facetten der Beratungstätigkeit
1.2 Die eigenen Beweggründe
1.3 Das passende Unternehmen finden
1.3.1 Die großen Beratungen
1.3.2 Die mittelständischen Beratungen
1.3.3 Die kleinen Beratungen
1.3.4 Die persönliche Disposition
1.4 Die Bewerbung
1.5 Das Vorstellungsgespräch
1.5.1 Die Vorbereitung und der Ablauf
1.5.2 Das Gesprächsklima positiv beeinflussen
1.5.3 Tipps und Tricks oder: Bitte dringend beachten!
1.6 Die Vertragsverhandlungen
1.7 Das Handwerks-Zeug: Bootcamp versus Eigenvorbereitung
1.7.1 Das Bootcamp
1.7.2 Die Eigenvorbereitung
1.8 Die Probezeit richtig für dich nutzen
1.9 Deine eigene Arbeitsweise entwickeln
1.10 Der Dresscode
1.11 Das eigene Team
1.11.1 Die Führungskraft
1.11.2 Die Teamkollegen und -kolleginnen
1.11.3 Das Teammeeting und Teambuilding
1.12 Das Reise-Einmaleins
1.12.1 Die Veränderung des Reiseverhaltens im Jahr 2020 und Ausblick
1.12.2 Die Ausstattung
1.12.3 Die Packliste
1.12.4 Die Anreise
1.12.5 Der Hotelaufenthalt
1.12.6 Zu deinem Schutz
1.13 Beruf und Privatleben
1.13.1 Was erzähle ich bei der Arbeit – und was nicht
1.13.2 Soziale Netzwerke und Arbeits-Netzwerke
1.13.3 Work-Life Balance: Schenk die Wochenenden deiner Firma?
1.13.4 Gesundheit und Krankheit aufgrund von Büro-Tätigkeit
1.13.5 Dating in der Firma
1.13.6 Drogenkonsum zur Leistungssteigerung – alles nur Fiktion?
1.13.7 Interne Veranstaltungen meistern
1.14 Die Situation als Frau in der Unternehmensberatung
1.14.1 Die eigene Situation bewerten
1.14.2 Vielfalt-Eskalationen vermeiden oder managen
1.14.3 Gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten
1.14.4 Karriere und Familie unter einen Hut bringen
1.14.5 Exkurs: Das Hochstapler-/Impostor-Syndrom
2 Karriere in der Unternehmensberatung
2.1.1 Wie du deine Führungskraft und die Organisation nutzen kannst, um erfolgreich zu sein
2.1.2 Selbstmarketing: Wie du die besten Voraussetzungen für dich als individuelle Person schaffst
2.1.3 Mentoring
2.1.4 Diese Einstellung zur Arbeit und diese Fähigkeiten machen dich erfolgreich
2.1.5 So meisterst du Mitarbeitenden-Gespräche
2.1.6 (Gute) Gründe für einen Ausstieg, mögliche Stolperfallen und ein beispielhaftes Vorgehen
3 Beraterinnen: Typen
3.1.1 Der Prolet, oder auch: Ich öffne Champagner nur mit dem Säbel
3.1.2 Der Surfer
3.1.3 Die Spießerin
3.1.4 Die Sport-Poserin
3.1.5 Die Start-Up Gesinnte
3.1.6 Der beste Freund
3.1.7 Der Fan oder Stalker
3.1.8 Der Möchtegern
4 Der Service-Gedanke (Kundensicht)
4.1 Die Berateridentität
4.1.1 Das Verhalten beim Kunden
4.1.2 Die Integration und Kommunikation beim Kunden
4.1.3 Kunde versus Führungskraft: Die Priorisierung zwischen externen und internen Aufgaben
4.1.4 Der Umgang mit Fehlern
4.2 Typische Kundensituationen
4.2.1 Die Angebotspräsentation
4.2.2 Das Vorstellungsgespräch beim Kunden
4.2.3 Der Kundenkontakt – das Einmaleins der Interaktion
4.2.4 Der Business Lunch
4.2.5 Das Projekt-Kick-off Meeting
4.2.6 Die halb-geschäftliche Kundeneinladung
4.2.7 Das erste Sch***-Projekt
4.2.8 Der Konflikt und Konfliktmanagement: Weitere besondere Situationen
4.2.9 Der Projektabschluss
5 Kundentypen
5.1 Der Psychopath
5.2 Der Narzisst
5.3 Der Ex-Berater
5.4 Der „hier bin ich geboren, hier bleibe ich“ Typ
5.5 Der Mentor (und Freund)
5.6 Der Griesgram
6 Gedanken zum Finden deines eigenen (Unternehmensberaterin-) Stils
Nachweise und Literatur
Prolog
„Ich zahle Ihnen den doppelten Fahrpreis, wenn Sie mich trotzdem fahren!!“ brüllte ich den Taxifahrer an. Mein Gesicht war hitzig und rot, mein Puls klopfte mir bis zum Hals und ich hatte soeben offensichtlich jegliche Zurückhaltung und gute Kinderstube verloren. Ja, ich war mir bewusst wie dämlich die Aufforderung schien: Ich wollte lediglich 200 verdammte Meter mit dem Taxi von der U-Bahn-Station zum Ziel gefahren werden. Nur verstand der taxifahrende Mensch denn nicht, dass das bei den aktuellen Witterungsbedingungen in Kombination mit meinen Schuhen die einzige Option für mich war?!
Gestatten, Johanna, 23 Jahre jung, frisch von der Universität. Aktuell noch kein Seminar zu Deeskalations- und Aggressionsmanagement im Lebenslauf. Aber geschniegelt bis zum Letzten mit Halstüchlein, Bleistiftrock und Blazer sowie 12cm-High-Heels auf dem Weg zu einem ihrer ersten Vorstellungsgespräche bei einer Unternehmensberatung. Im Februar. In München. Bei Blitzeis. Großartige Sache.
Der Taxifahrer murrte irgendetwas glücklicherweise Unverständliches in seinen Bart und fuhr dann doch endlich los. „Dem Glück sei Dank“ dachte ich und lehnte mich zurück in den Sitz auf der Rückbank; wenigstens bestand jetzt noch die Chance, dass ich zum einen pünktlich und zum anderen ohne gebrochenen Fußknöchel und plakativ aufgeschlagener Oberlippe beim Vorstellungsgespräch ankommen würde.
Drei Minuten und 200 Meter später drückte ich dem Fahrer seinen versprochenen doppelten Lohn in die Hand, welcher sich daraufhin doch noch zu einem zerknirschten Lächeln durchrang. Ich glaube beim Türschließen zwar noch ein „spinnt doch“ gehört zu haben. Aber egal. Ich drückte meine Arbeitstasche an mich, während ich unbeholfen versuchte mir gleichzeitig eine Strähne Haar aus dem Gesicht zu pusten und den Rock gerade zu zupfen. Und mich erstmal zu sammeln. Ich war immerhin rechtzeitig da. Nach einer verspäteten Bahn, einemU-Bahnausfall und diesem krönenden Taxifahrtabschluss war ich eigentlich schon durch mit den Nerven und dem Tag. Der Tag war allerdings noch nicht durch mit mir, wie ich noch lernen sollte. „Nur… schön… langsam“ murmelte ich zu mir selbst, während ich auf meinen tickeltickel Schuhen zur Klingel des Haupteingangs des Unternehmens schlurfte. Welches Unternehmen war es noch mal…
…und warum war ich hier?
Was du in diesem Buch findest
Die Berufswahl ist eine interessante und aufregende Herausforderung im Leben eines Menschen und führt unweigerlich zu starkem Herzklopfen. Diese Herausforderung ist im Jahr 2022 nicht unbedingt einfacher geworden. In den volatilen Zeiten und zwischen Extremen von unglaublichen technologischen Fortschritten, einer Degenration unseres Erdklimas und neuen Viruserkrankungen, welche ebenfalls nicht vor der Globalisierung halt machen, ist die Verunsicherung mit Blick auf eine verlässliche Zukunfts- und Berufsplanung groß. Wenn dann auch noch das Verständnis für bestimmte Berufe und die Arbeit dahinter fehlt, wird eine richtige Entscheidung für einen der tausend möglichen Wege schwierig.
Dieses Buch ist aus dem Wunsch heraus entstanden dieser Verunsicherung in Bezug auf den Mikrokosmos Unternehmensberatung entgegenzuwirken. Es soll einen Einblick in die Welt der Unternehmensberatung und vor allem der Unternehmensberaterin geben und ein realistisches Bild von Anforderungen und Gegebenheiten zeichnen, um dir die Entscheidung für oder gegen einen Job-Einstieg (oder einen Verbleib) in diesem Berufsumfeld, beziehungsweise dieser Branche, zu erleichtern.
Dafür spiegelt dieses Buch meine Erfahrungen aus mehr als zwölf Jahren Leben und Arbeit als Unternehmensberaterin und Führungskraft – und vor allem als Frau in diesem Umfeld – wider.
Dieser Einblick soll jedoch auf keinen Fall Angst machen. Die Beratung hat mir wundervolle Erfahrungen ermöglicht. Ich durfte viele inspirierende Menschen und visionäre Persönlichkeiten treffen. Ich habe Freunde und Freundinnen gewonnen. Ich habe mich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich durch die kontinuierlichen Herausforderungen stetig und schnell entwickeln können. Dafür bin ich dankbar. Aber ja. Auf der anderen Seite habe ich nichtsdestotrotz eben auch einige unangenehme und unschöne Erfahrungen gemacht und die Schattenseiten des Geschäfts kennengelernt. Und auf diese war ich nicht gut vorbereitet. Aus diesem und vielen anderen Gründen hätte ich mir zu meinem Einstieg damals einen Ratgeber gewünscht, welcher mich besser auf die Situationen, Anforderungen und Herausforderungen, sowie nicht zuletzt Menschen vorbereitet, welchen ich in den folgenden Jahren begegnen würde. Denn wenn er mir auch nur dabei geholfen hätte, dass ich nicht in jeder kritischen Situation in meinem ersten Jahr aus Überforderung erstmal knallrot angelaufen wäre – dann hätte er bereits einiges an Mehrwert für mich gehabt.
Dieses Buch ist somit dir gewidmet – der zukünftigen oder bereits tätigen Unternehmensberaterin.
Viele Themen sind generisch (m/w/d) anwendbar; mein Einblick ist hier aus der weiblichen Perspektive. Dieses Buch kann dir im besten Fall einen (Wissens-) Vorsprung, die nötige Gelassenheit und vor allem Souveränität und Humor verschaffen, welche der Job unweigerlich verlangt. So dass du dich vor deinen Kolleginnen und Kollegen, deinen Vorgesetzten und/oder deinen Kunden bestmöglich präsentieren, behaupten und positionieren kannst. Dazu gebe ich Einblicke und Hilfestellungen zu den unterschiedlichsten fachlichen und persönlichen Themen, Tipps und Hinweise zur Bewältigung oder Gestaltung dieser und beleuchte die guten und schlechten Seiten des Beratungsalltags.
Als Frau in der Beratung gibt es des Weiteren noch ein paar besondere Faktoren, welche dieses Buch ebenfalls abdeckt. Viele Situationen mit einer Vielfältigkeitskomponente entfalten sich meiner Erfahrung nach in ähnlichen Mustern und Situationen. Wenn diese rechtzeitig erkannt werden, kann ihnen viel einfacher aktiv und positiv begegnet werden. Und manchmal hilft es auch schlichtweg zu wissen, dass Situationen nicht immer etwas mit einem persönlich zu tun haben und dass sie nicht einmalig sind, sondern es vermutlich anderen auch schon ähnlich ergangen ist.
Im Folgenden erwarten dich somit nicht nur Hinweise zum nötigen Handwerkszeug und Verhaltensweisen in der Beratung, sondern auch Anekdoten aus meinem Werdegang als Beraterin und Führungskraft mit Mitarbeitendenverantwortung, welche einen persönlichen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Selbst wenn es dann nicht die Beratung für dich werden sollte: Die beschriebenen Fähigkeiten und Ratschläge können ebenfalls wunderbar in anderen Arbeitssituationen, sozialen Interaktionen am Arbeitsplatz oder ganz einfach im Privatleben hilfreich sein.
Mir war es wichtig den Beratungsalltag und wiederkehrende Themen so zu adressieren, dass dieses Buch eine Art Taschen-Mentoring ermöglicht und in jeder Lebenslage kurz (digital oder manuell) gezückt werden kann, um sich rückzuversichern oder Tipps zu holen. Das Buch kann somit in Gänze oder kapitelweise gelesen werden. Sollte für bestimmte Kapitel eine weitere Passage für das Verständnis wichtig sein, ist dies entsprechend durch Verweise gekennzeichnet. Ich wünsche dir, dass du nach dem Lesen des Buchs besser auf den Beratungsjob in allen seinen Facetten vorbereitet bist als ich. Und du somit eventuell weniger häufig schlecht-gelaunt schwarze Kreise auf das Papier neben deinem Laptop malst, weniger Stunden in einer kollegialen Selbsthilfegruppe verbringst oder auch einfach nur weniger Gin-Tonics zur Verarbeitung nach Feierabend benötigst.
Was du von diesem Buch nicht erwarten solltest
100% Abdeckung: Dieses Buch hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit der behandelten Inhalte. Es soll einen Überblick über Situationen, Menschen, Anforderungen und im Besonderen die Herausforderungen des Beratungsjobs (insbesondere für Frauen) geben. Die Voraussetzungen und das echte Leben variieren somit sicherlich von Beratung zu Beratung und Person zu Person. Des Weiteren kann ich als Frau lediglich die Sicht einer Frau widerspiegeln. Zusätzlich habe ich festgestellt, dass viele Themen sich mit ein paar wesentlichen Punkten und recht oberflächlichem Wissen bereits gut greifen lassen. Dieses Buch hilft dir, die breite Menge an Themen der Unternehmensberatung zu bewältigen. Für eine entsprechend tiefere Auseinandersetzung mit einzelnen Bereichen empfehle ich dir weiterführend die Nutzung dedizierter Sachbücher und wissenschaftlicher Referenzen. Dazu erhältst du einige Hinweise.
100% Neutralität: Die Inhalte sind durch meine persönliche Darstellung zu meinen (echten) Erfahrungen mit Leben gefüllt und nicht primär dazu gedacht einen wertfreien Eindruck zu vermitteln.
100% Beweislast: Wenn ich andere Quellen zur Untermauerung der Aussagen und dargestellten Inhalte herangezogen habe, sind diese entsprechend gekennzeichnet. Da dieses Buch keinen abschließenden wissenschaftlichen Anspruch haben soll und viel Wissen aus dem Online-Universum nutzt, sind beispielsweise keine Seitenzahlenverweise inkludiert. Im Umkehrschluss sind alle Informationen, welche nicht anderweitig gekennzeichnet sind, aus meiner persönlichen Historie und Erfahrung entstanden, stellen meine Meinung dar und sind somit sicherlich als subjektiv zu bewerten.
100% Stringenz und Wiederholungsfreiheit: Der Inhalt ist zum Schmökern und Durchatmen gedacht. Er soll mehr einer Erzählung gleichen und Inhalte durch regelmäßige Wiederholung der wichtigsten Punkte der Kapitel vorsichtig in das Gedächtnis massiert werden. Die Inhalte hängen am Ende alle miteinander zusammen und sind auf keinen Fall überschneidungsfrei – in diesem Buch und in der Realität. Dieses Buch ist ein Werk, welches sich nicht an Vorgaben oder literarische Traditionen hält. Es spiegelt meine Persönlichkeit wider, ist offen und direkt und nicht frei von Subjektivität oder immer Gender-neutral in der Sprache. Ich bin sicher, du wirst damit umgehen können.
100% Realität der Personas: Ähnlichkeiten zu lebenden Personen und existierenden Unternehmen sind wahrscheinlich. Die Beschreibungen wurden daher in Bezug auf Parameter wie Zeit, Ort, Namen und weitere Details anonymisiert.
Kapitel 1
1 Die Arbeit als Unternehmensberaterin
Karriere und Beruf? Das sind zwei Dinge, welche auf einem direkten Weg ohne Schleifen und Ablenkungen stringent und akribisch verfolgt werden. Und einem perfekten Masterplan unterliegen. Oder so dachte ich. Mein Weg zur Unternehmensberaterin selbst ist auf einigen Umwegen zustande gekommen. Zwei Jahre zuvor hatte ich mir unter keinen Umständen vorstellen können einen Berufsweg in der Beratung einzuschlagen. Unternehmensberatungen schienen damals für mich das personifizierte Böse zu sein und mein Lebensentwurf sah eine langfristige, solide und wenig aufregende Karriere in einem Technologiekonzern vor.
Wie und warum kam es also zu diesem Sinneswandel? Wie war ich im übertragenen Sinne und in der Realität mit dem Taxi an diesem „Ort“ in meinem Leben angekommen?
Wer sich mit einer Karriere in einer Unternehmensberatung beschäftigt oder bereits in einer Beratung tätig ist, wird vermutlich sehr ähnliche Antworten auf das Warum liefern. Die Jobinhalte des Beratertums umwehen dabei viele Mysterien und Vorurteile. Es gibt vermutlich auch bei dir eine Vorstellung und eventuell noch größere Bedenken. Was für Personen arbeiten dort? Halten diese sich für etwas Besseres? Sind sie alle uniform und austauschbar? Sind sie nur dazu da, Geld einzusparen und Menschen wegzurationalisieren? Könnten Roboter den Job übernehmen? Und tragen sie alle die gleichen langweilen Anzüge und Kostüme? Kommt der mürrische Gesichtsausdruck und die Gel-Frisur mit der Werkseinstellung oder gibt es dafür spezielle Trainings?
Du kannst es dir nach der Ausführung sicherlich denken. Meine ersten Berührungen mit Unternehmensberatern und -beraterinnen waren nicht besonders erheiternd. Der erste Kontakt insbesondere. Sie kamen plötzlich und wie die Heuschrecken in mein damaliges Unternehmen, um Geschäftsprozesse zu optimieren. Zu einem Zeitpunkt, an welchem sowieso bereits große Verunsicherung bezüglich der Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen im Unternehmen bestand. Die emotionslosen Mienen der Lackschuh- und Gelfrisurenträger-Fraktion haben darauf dann auch keinen besonders positiven Effekt gehabt.
In meiner damaligen Abteilung gab es des Weiteren größtenteils keine Einzelbüros für die eigenen Mitarbeitenden; und so saßen wir alle auf der Fläche des Großraumbüros direkt mit den Berater-Fuzzies, wie wir sie nannten, zusammen. Das ließ mir einiges an Raum und Zeit für die Beobachtung und Bewertung und letztendlich eine vernichtende (und vermutlich wenig objektive oder gar faire) Verurteilung durch mich. Die Berater und Beraterinnen taten allerdings auch wenig, um diesen Verurteilungen entgegenzuwirken. Ihr Verhalten war von vorne bis hinten nicht sehr sozial. Wenn es beispielsweise in Deutschland zum guten Ton gehört sich im Unternehmen morgens mit einem freundlichen „Hallo“, „Guten Morgen“ oder wahlweise nach Herkunft auch „Moin“ zu begrüßen, dann ist das nichts Außergewöhnliches. Für die damaligen Gäste war es das anscheinend schon. So reagierte die Fraktion der Fuzzies in so einem Moment auf ein Hallo – einfach gar nicht. Ob das Vorgabe aus deren Management oder deren Unternehmens-spezifischen Compliance Richtlinien war, weiß ich bis heute nicht. Ich kann es mir jedoch nicht vorstellen. Und vielleicht möchte ich auch einfach glauben, dass sie eben von Natur aus so charakterlos und unmenschlich waren, wie ich sie erinnere. Mein Interesse und Spieltrieb hingegen waren auf jeden Fall geweckt und ich machte es mir zu einer täglichen kleinen Freude, die Damen und Herren aktiv in das soziale Leben einzubinden, welches sie so sehr zu meiden schienen.
Ich saß passender Weise einige Zeit lang direkt gegenüber einer der Beraterinnen, welche mir insbesondere durch ihre dunkelblonde 80-iger Jahre Dauerwellen-Frisur in Erinnerung geblieben ist. Sie trug im überwiegenden Fall schwarze Rock-Blazer-Kombinationen und hatte einen wirklich beeindruckend regungslosen Ausdruck im Gesicht. Und ich kann das wertschätzen, ich bin selbst Besitzerin eines ungewollt hervorragenden Resting- Bitch-Face1.
Ich habe mir über die Zeit also den Spaß gegönnt, die Dame jeden Tag freundlich zu begrüßen, ihr Tee, Kekse oder wahlweise etwas aus der Cafeteria anzubieten, sie zu fragen, ob sie noch spannende Pläne für das Wochenende hätte, sowie ihr am Tagesende einen schönen Feierabend zu wünschen. Sie musste sich somit mehrmals am Tag sehr beherrschen, um nicht doch aus Versehen in eine Plauderei zu verfallen oder gar eine Verbindung und Resonanz zu mir aufzubauen. Mit der Zeit habe ich dann auch endlich irgendwann Reaktionen von ihr erarbeiten können; wobei sie vermutlich beim Wünschen eines guten Abends innerlich mit den Augen rollte. Ihr Abend war zu dem Zeitpunkt sicherlich nicht um 18 Uhr, sondern erst um 23 Uhr vorbei.
„Berater…“ seufzte ich selbst augenrollend-resignierend in Richtung meines Studienkollegen Philipp, während ich an einem dieser Abende den Fahrstuhlknopf im fünften Stock des Büros mehrmals hintereinander drückte. „Die sind doch mit Absicht so unfreundlich. Bloß keine emotionale Verbindung aufbauen. Könntest du dir vorstellen so zu arbeiten? Immer der Feind sein?“ fragte ich und schaut ihm in das verdutzte Gesicht.
„Hmmm schwierig zu sagen“ erwiderte er. „Ich vermute, wenn du einzig und allein dazu da bist, das Management zu unterstützen Mitarbeitende zu feuern, ist die Art und Weise auch egal… Du feuerst dazu weniger gerne Personen, die du irgendwie kennst, oder? Denke ich mir zumindest“, fügte er stirnrunzelnd hinzu. „Im Übrigen würde ich weiterhin so viel auf den Knopf drücken, der Fahrstuhl kommt dadurch sicherlich schneller“ grinste er mich den Gesprächsinhalt abschließend an.
Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob zu diesem Zeitpunkt nicht genau die Grundlage für mich als Beraterin geschaffen wurde. Zumindest zwang mich die Begegnung dieser Art dazu, dass ich mich mit dem Job-Bild und Thema auseinanderzusetzen begann. Ich weiß, dass sich über die Zeit im Studium und meines Traineeprogramms die Faszination für das Berufsfeld auf jeden Fall entgegen dieser Grenz- und emotionalen Nahtod-Erfahrung weiter gesteigert hat. Und irgendwann ist die Faszination größer als die Abneigung geworden.
Wenn du heutzutage einen Berater oder eine Beraterin fragst, warum er/sie gerne in der Beratung arbeitet, wirst du in 99% der Fälle sehr ähnliche Antworten bekommen. Das Berater-/Beraterinnen-Dasein bringt seine ganz eigenen Charakteristiken und Herausforderungen mit sich und alle positiven und negativen Aspekte zusammen münden in einer bunten Mischung an Chancen und Optionen für deinen Karriereweg.
Im Folgenden verwende ich die Begriffe Unternehmensberatung, Beratung und Beratungshaus im Übrigen synonym.
1.1 Charakteristiken und Facetten der Beratungstätigkeit
Beratungsarbeit ist in der Regel vor allem durch die folgenden, ausgewählten Charakteristiken gekennzeichnet. Dabei ist es fast egal, ob es um kleine, mittelständische oder große Beratungen geht.
■ Dauerhaftes Streben nach Anerkennung:
Der Beratungsjob ist im Kontext dieses Buchs bewusst als Job gekennzeichnet, da die Bezeichnung „Unternehmensberater“ oder „Unternehmensberaterin“ in Deutschland tatsächlich kein eingetragener Beruf ist.2 Das trägt seit Jahren die Konsequenz mit sich, dass die Anerkennung für diesen Job sehr variiert. Berufsbezeichnungen wie „Ingenieur“ genießen allein durch die positive Besetzung des Begriffs einen Vorschuss an Achtung und Respekt. Für den Begriff „Beratung“ oder „Beraterin“ als eine weitverbreitete und verwässerte Bezeichnung in Kombination mit schlecht spezifizierbaren und extrem generalisierbaren Inhalten (beispielsweise durch fehlende branchen- oder fachbereichsbezogen normierte Einstiegskriterien oder Ausbildungswege) gewinnst du erstmal keinen großen Respekt oder gar einen Blumentopf. Meistens ist das Gegenteil der Fall.
Der Job ist in Faktoren wie Inhalt, Qualität und Umfang kaum zu bewerten ist. Ähnlich unterschiedlich ist somit auch immer noch die Wahrnehmung bei Geschäftspartnern und Kunden. Wer sich als außenstehende Person mit dem Beratungsjob nur oberflächlich beschäftigt hat, kann meistens wenig handfeste Sachverhalte aus der Erfahrung vorweisen und bringt tendenziell Vorurteile mit.
Diese lästige Facette des Berater-Daseins sollte dir bewusst sein. Du wirst dich ständig in einer Situation befinden, in welcher es gilt, sich für deine Aufgaben und den Nutzen deiner Arbeit zu rechtfertigen. Anerkennung und Wertschätzung für diese Tätigkeit (wie beispielsweise neben Ingenieuren noch vermehrt für Doktoren der Humanmedizin üblich) sind hier nicht inhärent gegeben.
■ Vielfältige, anspruchsvolle Aufgaben:
Im Berateralltag finden sich selten gleichförmige und dauerhaft wiederholende Aufgaben. Es gibt immer wieder Neues zu entdecken und zu entwickeln. Die Anforderungen in Projekten, bei der internen Arbeit oder im Vertrieb ändern sich kontinuierlich und somit ist eine dauerhafte Lernkurve möglich beziehungsweise notwendig. Ich würde schätzen, dass ca. 50% der täglichen Arbeit in den ersten drei bis fünf Jahren nach dem Einstieg durch weiteres Lernen geprägt sind, um den (Expertisen- und Methoden-) Vorsprung vor den Kunden, der Konkurrenz und teilweise auch den Kollegen zu behalten.
Danach sind es vermutlich immer noch solide 15-20%. Wer sich in der Beratung nicht mehr weiterentwickelt, hat aufgehört gut zu sein.
■ Unterschiedliche Kundenumgebungen und Reifegrade von Kundenorganisationen:
Die Heterogenität der Branchen und damit Kunden sowie deren Unternehmensbereiche ist groß. Die damit einhergehenden Einblicke in unterschiedliche Arbeitswelten und verschiedene Arbeitszeitalter von kompletter Steinzeit mit wenig „EDV“3 bis hin zur hyper-digitalisierten Zukunft, in welcher Wissen, Daten und virtuelle Kollaboration dominieren und Papier und Drucker nicht mehr existieren, sind großartig und vielfältig. Und all diese unterschiedlichen Umgebungen gilt es dort zu verbessern, wo sie mit ihrer spezifischen, tagesaktuellen Entwicklung stehen.
Das kann auch mal bedeuten, dass ein Unternehmen 15 Jahre Entwicklung aufzuholen hat. Manchmal reicht dafür eine einfache Prozessdigitalisierung im Einkaufsbereich, in anderen Fällen bedarf es dafür einer neuen Strategie für das Datenmanagement und die Analyse und Interpretation zur Schaffung von zukunftsvorhersagenden Ergebnissen sowie der Kollaboration über Ländergrenzen hinweg, um ein Inkubatorenumfeld zu befähigen. Was ich mit der Aneinanderreihung von Begriffen sagen will: Die Spanne an Beratungsinhalten und -feldern ist riesig.
■ Leistungsorientierung:
Wer für Einsatz belohnt werden will, der hat in der Beratung das richtige Anreizsystem vorliegen. Hier kann über exzellente, überdurchschnittliche Leistung eine hervorragende und zügige Entwicklung durchlaufen werden. Und das sowohl bei der internen Karriere als auch bei der Nutzung des Jobs als Sprungbrett hin zu anderen Unternehmen. Da heißt im Gegenzug jedoch auch, dass die Wettbewerbsorientierung zwischen Kollegen und Kolleginnen häufig sehr hoch ist.
■ Selbstständigkeit und Proaktivität:
In der Beratung können eigene Ideen und Ansätze eingebracht und mit wachsender Zugehörigkeit die Verantwortung für die Entwicklung neuer Themenbereiche übernommen werden. In vielen zukunftsorientierten Beratungshäusern (und weniger beispielsweise der Wirtschaftsprüfung) ist ein Start-Up ähnliches Mindset und damit die Suche nach und Entwicklung von neuen Themen vorzufinden, da diese Unternehmen mit einem gewissen Teil ihrer Ressourcen kontinuierlich an der Marktrelevanz arbeiten (müssen); und somit Geschäftsentwicklung zum Tagesgeschäft gehört.
Wer also als Mitarbeitender nah am Kunden dran ist und dessen Schmerzen und Bedarfe in (kaufbare) Lösungsangebote umwandeln kann, macht sich unentbehrlich für sowohl den Kunden als auch letztendlich das eigene Beratungsunternehmen.
Daher sind Berater und Beraterinnen angehalten, proaktiv und eigenständig dieses Gespür für Weiterentwicklung zu lernen und in die tägliche Arbeit zu integrieren.
■ Ergebnisorientierung:
Das Geschäftsmodell der Beratung mit dem Grundsatz der entgeltlichen und meist nicht zu knapp kompensierten Dienstleistungen für Dritte bedingt hinter jeder Aktivität verpflichtend einen sichtbaren Nutzen. Berater rechtfertigen sich über die vereinbarten und zu liefernden Ergebnisse und die Mehrwerte, welche dadurch (für den Kunden) erzeugt werden.
Es gibt in der Beratung zumindest theoretisch kaum redundante Arbeiten oder Aufgaben, da diese kontinuierlich auf ihren Mehrwert hin überprüft, gemessen und ausgerichtet werden.
Die schöne Seite daran ist, dass in der Regel nicht umsonst beziehungsweise für die Tonne gearbeitet wird und jederzeit sichtbar ist, dass etwas Definiertes erreicht wurde (z. B. erfolgreicher Projektabschluss, marktfähiges Produkt, Kostensenkung um 30%, Reduktion der Mitarbeitendenanzahl). Das Anstrengende daran ist wiederum die notwendige fortlaufende Rechtfertigung der täglichen Arbeit jedes einzelnen.
■ Reisetätigkeit und Flexibilität bezüglich des Arbeits- und Einsatzorts:
Flexibilität und Reisefähigkeit wird durch die notwendige Verfügbarkeit an diversen Einsatzorten gefordert und durch eine gute technische Ausstattung mit Internet-fähigen Endgeräten gefördert. Der Einsatz des Beraters/der Beraterin muss überall und jederzeit möglich sein. Die Freiheiten in der Bewegung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit ihrem Arbeitsplatz (sprich Laptop, Mobiltelefon, Arbeitstasche) sind im Vergleich zu anderen Berufen und Jobs überragend und fast unbegrenzt, solange es Strom und verfügbares Datennetz gibt.
■ Unterschiedliche Menschen:
Sowohl intern als auch extern beim Kunden ist die Arbeit in der Beratung mit einer Vielzahl an Kontaktpunkten zu Menschen unterschiedlichster Art gegeben. Wer sich gerne mit anderen umgibt und soziale Aspekte im Arbeitsalltag sucht, der ist hier richtig. Im Gegenzug kann der Umfang der persönlichen Kontaktpunkte sicherlich auch manchmal überfordern oder stören, wenn Ruhe bevorzugt wird oder die eigene Tendenz eher etwas introvertierter ist. Eine empathische und soziale Ader wird auf die ein oder andere Art bei Beratern und Beraterinnen gefordert werden und notwendig sein, um sich dauerhaft im Alltag wohlzufühlen.
■ Ein Marathon, kein Sprint:
Um einen bildhaften Vergleich zu wählen: Die Arbeit in der Beratung ist in der Regel von ihrem Anspruch her ein längerer Marathon und kein kurzer Sprint. Auch wenn die zeitliche und inhaltliche Taktung sehr hoch ist und gerade in den ersten Jahren die Lernkurven sehr steil sein werden. Es gilt sich darauf einzustellen, die eigene Energie nicht sofort zu verbrauchen, sondern diese einzuteilen so gut es eben geht. Wer das nicht schafft, wird möglicherweise krank oder unglücklich. Oder beides. Burnout als Krankheitsbild ist in der Beratung keine Seltenheit. Eine gute Balance zu finden ist hier ebenso wichtig wie in allen anderen Lebensbereichen oder Berufen auch.
■ Ein Sprungbrett:
Bei der Entscheidung für einen Einstieg in die Beratung schwingt des Weiteren häufig die Aussicht auf das Leben danach mit – beispielsweise auf einen großartigen und gut bezahlten Job in der Industrie nach ein paar Jahren als Berater/Beraterin. Beratungen werden häufig als Sprungbrett gesehen, welche einen vermeintlichen höherwertigen Einstieg und schnelleren Aufstieg in anderen Unternehmen ermöglichen sollen. Daher ist es gar nicht so selten, dass der Grundsatz für den Einstieg bei Neulingen zwar nüchtern, aber durchaus legitim ist: „Ich mache zwei, drei Jahre Beratung und danach wechsle ich in ein anderes Unternehmen mit einem Job ohne Reiseaktivität, mit weniger Wochenstunden, für noch besseres Geld“. Dieser Absprung ist aus meiner Beobachtung nicht immer so erfolgreich wie erhofft, dennoch sicherlich sehr gut möglich.
Es gibt definitiv noch mehr Perspektiven. Die zuvor aufgezählten sollten jedoch Folgendes vermitteln: Zusammengefasst bietet die Arbeit in der Beratung eine hervorragende Plattform, um mit immer wieder neuen Aufgaben, Herausforderungen und Menschen betraut zu werden. Neben dem Erleben von Projekten unterschiedlichster Art kann durch die unterschiedlichen Menschen, Organisationen und Kulturen sowie Führungsstile die eigene fachliche Erfahrung, Kompetenz und auch die persönliche Entwicklung in diesem Job hervorragend vorangetrieben und vergrößert werden. Und das hilft letztendlich, dass du deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse besser erkennst und verstehst, sowie entsprechend auch (in Bezug auf deine Karriere) zu gestalten vermagst.
1.2 Die eigenen Beweggründe
Wenn du dich intensiv mit dem Job als Berater oder Beraterin beschäftigst, dann empfehle ich dir unbedingt die aktive Reflektion deiner eigenen Bedürfnisstruktur. Warum das so wichtig ist, werde ich an meinem Beispiel erläutern. In meinem Fall war die letztendliche Wahl des Werdegangs folgende. Durch mein duales, vier-jähriges Studium auf Diplom mit Stipendium inklusive Traineeship bei einem großen deutschen Konzern konnte ich gleichzeitig im Rahmen von sechs- bis achtwöchigen Einsätzen im Unternehmen Einblicke in verschiedene Unternehmensbereiche gewinnen. Die Arbeit im Unternehmen hat mir prinzipiell gut gefallen und einen essenziellen Vorsprung an praktischen Einblicken und Erfahrung vor anderen, reinen Universitätsstudenten verschafft (auch wenn ich neidisch zugucken musste, wenn meine Freundinnen gefühlt ständig Semesterferien hatten, während ich arbeiten und für freie Zeit mein sechs-Wochen-Urlaubskontingent nutzen musste). Der essenziellste Vorsprung war, dass ich nach den vier Jahren einen guten Eindruck davon hatte, wie ich mir meinen zukünftigen Arbeitsplatz und ersten richtigen Job vorstellte. Und vor allem, wie nicht.
Bei der Arbeitsweise vor 15 Jahren sind die Themen flexible Arbeitszeiten, Überstunden-Regelungen und Heimarbeit/Homeoffice (ab sofort synonym verwendet) offensichtlich nur bedingt im Fokus gewesen. Das hatte für mich die Konsequenz, dass eine tägliche Anwesenheit am Unternehmensstandort an fünf Tagen pro Woche, am immer gleichen Schreibtisch, im immer gleichen Großraumbüro, mit den gleichen sich häufig wiederholenden Tätigkeiten und einer gemeinsamen Mittagspause mit den immer gleichen (geliebten und auch nicht geliebten) Kollegen und Kolleginnen oder Vorgesetzten… mir das Leben nicht nur eingeschränkt, sondern mich persönlich auch sehr unzufrieden gemacht hat.
Die Vorstellung, dass mein Leben ab sofort die nächsten zehn bis fünfundvierzig Jahre auf diese Art und Weise laufen sollte, war deprimierend für mich. Nach den vier Jahren war für mich also klar, dass ich viel wollte, aber nicht DAS. Um mich selbst und meine Lebensfreude zu schützen, mich zu motivieren, meine Leidenschaft für die Arbeit zu wecken und so einen wirklichen Mehrwert für ein Unternehmen meiner Wahl zu generieren, musste die Arbeit einfach anders aussehen.
Als ich dann die genannten/gewünschten Parameter wie Flexibilität des Arbeitsortes, Eigenverantwortung und Reiseaffinität angesetzt habe, war die Auswahl der auszuübenden Berufe schon deutlich reduziert. Auch eine Selbstständigkeit oder Gründung war zu dem Zeitpunkt für mich nicht relevant, da ich mein theoretisches Handwerkszeug aus der Universität und meine rudimentären, praktischen betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten gerne in der Praxis weiter reifen und verproben lassen wollte. Mein Wunsch umfasste dazu das (vermeintlich geschütztere und sicherere) Umfeld einer Festanstellung. Mit Vorgesetzten, welche mich inspirieren würden und von welchen ich im Idealfall noch eine Menge lernen könnte. Welche mir jedoch umgekehrt auch das ausreichende Vertrauen bei der Arbeit entgegenbringen und mir räumliche sowie inhaltliche Freiräume lassen würden. Wenn ich dazu die Freiheit hätte bei guter bis sehr guter Leistung auch regelmäßig von zuhause zu arbeiten, mir meine Mittagspause nach Wetter und Wunsch auch mal länger einzuteilen und dafür abends Arbeit nachzuholen, sowie kurzfristig auch spontan vom Starbucks nebenan aus arbeiten zu können…, dann, war meine Annahme, würde ich mich vermutlich deutlich weniger eingeengt und vom Job belastet fühlen.
Erst dieser Erfahrungsschmerz und der daraus resultierenden, bewussten Auseinandersetzung mit meinen Bedürfnissen und den Auslösern/Triggern für meine Motivation hat mich dazu gebracht, die Job-Optionen in der Beratung noch einmal genauer zu prüfen. Ich hatte meinen Universitätsabschluss fast in der Tasche und war hungrig auf Abenteuer. Dazu absolut leistungsbereit. Ich hatte den großen Wunsch meine Energie und Motivation in meinen Job zu stecken und mich zu entwickeln, Karriere zu machen… und war auch sonst nicht der Typus Mensch, der Herausforderungen scheute. Kurzum: Mein Wunschszenario war bekannt. Meine Eigenschaften auch. Alles Eigenschaften, welche mir damals in den Stellenanzeigen für Junior-Berater begegneten und auch heute noch vorzufinden sind. Und was ich aus den Stellenanzeigen auch noch rauslas: Berater waren prinzipiell ständig unterwegs, in immer anderen Städten, bei immer anderen Kunden, an immer anderen Arbeitsplätzen, mit immer wechselnden Themen… wenn der Computer zu jederzeit und an jedem Ort einsatzbereit war, dann ginge ja sicherlich auch der ein oder andere Tag Homeoffice oder das verlängerte Wohnzimmer bei Starbucks? Eine Vision war geboren. Und meine Erfahrungen mit der Dauerwellen-Beraterin weit in den Hintergrund gerückt.
Mit der Herausarbeitung meiner Arbeits-Vision war der erste Schritt getan. Daher an diesem Punkt die Frage an dich: Hast du deine Beweggründe schon verstanden? Daraufhin ist es dann „nur noch“ notwendig diese zu konkretisieren und zu entscheiden, auf welchem Weg und mit welchem Inhalt diese umzusetzen sind. Als essenzieller Faktor kam bei mir damals die Unternehmenswahl ins Spiel. Im Folgenden schildere ich, mit welchem Hintergrund.
1.3 Das passende Unternehmen finden
Wie näherst du dich also am besten der Unternehmenswahl? Als Startpunkt ist es hilfreich zu verstehen, dass das Segment Beratung sehr heterogen ist und eine Vielzahl an unterschiedlichen Arten der Beratung existieren.
Das zugrundeliegende Geschäftsmodell der Unternehmens- und Managementberatung beruht auf dem Angebot von spezialisierten Dienstleistungen.
Beratungen offerieren laut einer aktuellen Beschreibung von Statista aus 2020 „anderen Unternehmen externes Fachwissen als Dienstleistung […]. Oft geht es dabei um die Optimierung unternehmensinterner Abläufe.“4 Unternehmen kaufen diese Dienstleistungen in der Regel ein, wenn sie selbst intern das notwendige Fachwissen, die Fähigkeiten/Kompetenzen oder Ressourcen nicht besitzen.
Der Beratungsmarkt in Deutschland umfasste im Jahr 2020 insgesamt 20.000 Unternehmen, von jenen ungefähr 200 Stück einen Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro pro Jahr erwirtschaften.5 Beratungen kommen des Weiteren nicht nur in unterschiedlichen Unternehmensgrößen, sondern auch in unterschiedlichen thematischen Fokussierungen. Das Angebot erstreckt sich von der später dargestellten kleinsten Form der 1-Person-Beratung in selbstständiger Form mit einem Nischenthema bis hin zu multinationalen Konzernen mit tausenden von Mitarbeitenden und ganzheitlichen Vollsortimenter-Beratungsangeboten.
Ein grundlegender Punkt bei der Wahl des richtigen Beratungshauses als Arbeitnehmer ist neben den klassischen Parametern wie Inhalt der Arbeit/Schwerpunkt, Gehalt und Karriereoptionen die Kenntnis über die eigenen Fähigkeiten, persönlichen Bedürfnisse und Wünsche, wie im vorigen Kapitel generisch angesprochen. Spezifischer betrachtet heißt das, du solltest dir zu bestimmten Facetten der geforderten Arbeitsart Gedanken machen. Dabei können dir die folgenden grundsätzlichen Fragen eine erste Indikation geben:
1. Selbstständige Arbeitsweise: Fühle ich mich bei klaren Anweisungen und der Abarbeitung von klaren Aufgabenpaketen nach Vorgaben am wohlsten?
2. Feste Arbeitszeiten und -regelungen: Brauche ich eine klare Organisation und Struktur in meiner 5-Tage-Woche und wiederholende Tätigkeiten in meinem Alltag, um in meiner Komfortzone zu sein?
3. Klare Hierarchien und Vorgaben: Ist mir Hierarchie wichtig und brauche ich klare unternehmerische Strukturen und transparente, sowie eindeutige, geradlinige, langfristige Entwicklungspfade, um zu wissen, wo mein Platz zukünftig sein wird? Und sind mir die Vorgabe von festen, langfristig ausgelegten Anforderungen pro Hierarchieebene/Job-Level wichtig, damit ich meinen Weg auch vorausschauend planen kann?
4. Enge Führung/Micro-Management: Ist es wichtig für mich, dass meine Vorgesetzten mich eng führen, kontrollieren und mir in einer väterlich/mütterlich-autokratischen Art die Vorgaben für meine Arbeit und Entwicklung machen?
Wenn du all diese Fragen mit einem klaren Ja beantworten kannst, dann würde ich dir raten die Beratung als Job-Option für dich zu streichen. Oder zumindest deinen Wunsch nach einer Beratungstätigkeit kritisch zu hinterfragen. Oder dir als Ziel ausschließlich eine der großen Beratungen empfehlen, welche sehr viel Struktur bezüglich der Entwicklung ihrer Mitarbeitenden ansetzt und eine hohe Konformität und Anpassung verlangt. Und gerade in den ersten Jahren wenig Freiräume bietet (mehr dazu im folgenden Kapitel).
Solltest du bei den Fragen oben hingegen aufgestellte Nackenhaare bekommen und innerlich ein Nein manifestiert haben, dann lohnt es sich für dich, die Beratung weiter als Option zu verfolgen. Gegebenenfalls solltest du diese noch mit den anderen offensichtlichen Frei-Denker Positionen wie bei Start-ups oder einer eigenen Selbstständigkeit vergleichen.
Die aufgeführten Fragen haben alle dasselbe Bild adressiert: Eine sehr enge und strikte Führung durch die Führungskraft mit wenigen Freiheiten bei der Gestaltung der eigenen Arbeit und Karriere. Kleine und mittelständische Beratungen sind hier deutlich offener gegenüber eigenständigen Mitarbeitenden, wenn nicht sogar darauf angewiesen, dass diese mitdenken, gestalterisch einwirken und ihren eigenen Werdegang aktiv mitgestalten.
In jedem Fall lohnt es sich zu verstehen, welche unterschiedlichen Typen von Unternehmensberatungen es gibt und welcher wirklich zu dir passt. Innerhalb des Segments gibt es wie erwähnt deutliche Unterschiede in der Größe und in ihren Beratungsfeldern6. Wie erwähnt berät nicht jede Beratung als Generalist oder als Spezialist. Häufig ist es eine Mischform. Hier ein paar Beispiele:
Einige Unternehmen beraten auf Top-Management Ebene und widmen sich klassisch den Themen
■ Strategie-Beratung
■ Management-Beratung
Andere große Beratungsfelder (auch in Kombination) können Spezialisierung in den folgenden Bereichen haben:
■ Organisation und Personalmanagement/Human Resources (HR)
■ Prozesse
■ IT/Technologie/Digitalisierung
■ Produkte (in Bezug auf z. B. spezielle Software, Hardware, Produkte/Leistungen des Unternehmens)
■ Wirtschaftsprüfung i.w.S.
■ …
All diese Ausprägungen existieren gegebenenfalls sogar als Inhouse-Beratung in größeren Unternehmen. Während ein allgemeines betriebswirtschaftliches Studium für das Gros der Themen häufig ausreicht, ist eine Spezialisierung und/oder Umschulung/Weiterentwicklung während des ersten Jobs für Fokusbereiche wie IT oder Produkte sicherlich notwendig. Das sollte dich jedoch nicht davon abhalten auch weniger offensichtliche Optionen zu prüfen. Warum? Mit Blick auf den Kampf um Fachkräfte in Deutschland lohnt es sich für Unternehmen mittlerweile auch weniger perfekt passende oder gar heterogene Profile für denselben Auftrag einzustellen und die Arbeitskräfte strukturiert zu entwickeln.
Mit einem nüchternen Ausblick auf den Arbeitsmarkt gibt es Stand 2020 laut Aussage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Deutschland zwar noch keinen „flächendeckenden Fachkräftemangel, allerdings können schon heute in bestimmten Regionen und Branchen offene Stellen nicht mit geeigneten Fachkräften besetzt werden“7. Diese Lücken müssen also selbst durch die Entwicklung eigener Fachkräfte gefüllt werden. Seit 2022 sieht die Lage noch prekärer aus.
Dazu ist es offen gesprochen so, dass die Verknappung von qualifizierter Arbeitskraft und vor allem von Experten/Expertinnen in vielen Bereichen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland und Europa derzeit dazu führt, dass – aus meiner persönlichen Erfahrung als Führungskraft mit Recruiting-Aktivität heraus – auch durchschnittlich gute Bewerber und Bewerberinnen deutlich häufiger die Möglichkeit für Vorstellungsgespräche und offizielle Vertragsangebote erhalten als noch vor fünf Jahren.
Die Logik dahinter ist relativ einfach: Wenn Unternehmen die Wahl haben, zwischen
1. keinemneuen guten bis sehr guten Mitarbeitenden, um die Bedarfe zu decken
und
2. einemmittelmäßigen neuen Mitarbeitenden (in welchen sie Zeit und Geld investieren können, um diesen wenigstens zu einem guten Mitarbeitenden zu machen), um die Bedarfe zu decken
…dann wird in den letzten Jahren diese Abwägung zwischen Investition und Potenzial mit einer Tendenz für die Einstellung des mittelmäßigen Mitarbeitenden häufiger gemacht als früher. Nichtsdestotrotz wirst du mit mittelmäßigen Noten und ohne relevante Erfahrung in Praktika, durch Zertifikate oder als Werkstudent selten eine Chance gegen die anderen Mitbewerber/Mitbewerberinnen in der Beratung haben. Die Selektion ist und bleibt dort unabhängig von der Unternehmensgröße sehr stark.
Die Größe der Beratung spielt dazu noch eine Rolle in Bezug auf die vorliegende Flexibilität und Kultur im Unternehmen. Die Unternehmensgröße ist ein sehr guter Parameter zur Differenzierung von dich erwartenden Voraussetzungen für beispielsweise die Karriere in den Unternehmensberatungen.
Im Folgenden erläutere ich daher anhand der Größe meine Einblicke. Ich habe dazu weitere relevante Dimensionen wie Entwicklungspfade, Führungsstrukturen und Kultur angeführt. Die Abgrenzung der Größe wird auf Basis der angegebenen Parameter Umsatz und Mitarbeitendenanzahl durchgeführt. Die Einschätzungen beruhen zum überwiegenden Teil auf Gesprächen mit Beteiligten/Betroffenen der Kategorien und nicht auf repräsentativ erhobenen Daten – so weit nicht anders gekennzeichnet.
1.3.1 Die großen Beratungen
Umsatz: > 200 Mio. Euro
Mitarbeitenden-Anzahl: > 800
Wenn du dich mit der Welt der Unternehmensberatungen auseinandersetzt, fällt zügig auf, dass die sogenannten „Big 4“8 den Markt der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften weltweit weiterhin sehr gut im Griff haben. In Deutschland veröffentlicht Lünendonk9 regelmäßig Ranglisten zu den führenden Unternehmensberatungen mit Fokus auf Deutschland. Diese Listen geben einen guten Anhaltspunkt zu den dominierenden Unternehmen im Markt bezüglich Marktdurchdringung (im In- und Ausland), Umsatz, Mitarbeitenden-Anzahl und deren thematischer Versatilität. Ich empfehle diese Listen einmal durchzuschauen.
Die dort aufgeführten, teilweise sehr großen Stammhäuser und zugehörige Tochterunternehmen, welche Spezialisierungen in beispielsweise IT/Technologie/Digitalisierung, HR oder bestimmten Branchen (z. B. Banken) haben, bieten in fast jedem Bereich einen möglichen Einstieg für Universitätsabsolventen und -absolventinnen unterschiedlicher Fachrichtungen an.
Die notwendigen Voraussetzungen belaufen sich neben einem guten bis sehr guten Notendurchschnitt vor allem auf relevante Vorerfahrung wie Praktika, Zertifikate oder anderweitige Arbeitsnachweise im anvisierten Bereich.
Die Vorgaben der Entwicklungspfade nach einem Einstieg sind häufig sehr strikt und können, positiv formuliert, eine Menge Sicherheit in Bezug auf die eigene Entwicklung und folgenden möglichen Karriereschritte bieten. Die Führungsstrukturen dieser Unternehmen spannen beispielsweise vom Junior Berater bis zum Prinzipal/Senior Manager oder Partner/Direktor.
Die Begrifflichkeiten und verwendete Sprache, sowie der zugehörige Umfang der Aufgaben oder Verantwortungsbereich variieren je nach Unternehmen im Übrigen nach meiner Erfahrung stark. Diesen Unternehmen liegt darüber hinaus meistens eine Leverage-Struktur10 zugrunde. Es hilft sich deutlich zu machen, dass die Anzahl an Positionen im Laufe der Zeit von Junior zu Senior beziehungsweise mit jedem Beförderungsschritt deutlich ausgedünnt wird (Up-or-out Prinzip11). Du solltest dir also bewusst sein, dass es ein andauernder, harter Wettbewerb sein wird, dich über die Jahre hinweg im Unternehmen zu beweisen und die verschiedenen Karrierestufen zu erreichen.
Die Kultur ist nach Auskunft von ehemaligen und aktiven Kontakten in diesen Unternehmen im überwiegenden Fall geprägt von Hierarchiedenken und Ellenbogen-Mentalität, da bewusst der Wettbewerb zur Synthese der Besten stattfindet. Die Übernahmemöglichkeit von echter Verantwortung auf den Stufen Junior und Senior Berater Level ist begrenzt. Der Teamgeist zwischen den Mitarbeitenden wiederum wurde als grundsätzlich gut geschildert, solange es sich nicht um direkte Konkurrenzsituationen handelt. Die Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten variiert nach Aussage des Weiteren sehr in Abhängigkeit von der Führungskraft und ihrer Persönlichkeit/Fähigkeit selbst und kann nicht pauschalisiert werden.
Die Gehälter für Einsteiger sind im Schnitt etwas höher als bei den kleinen und mittelständischen Beratungen. Für eine Indikation empfehle ich hier die üblichen, jährlichen Gehaltsstudien und Veröffentlichungen einzusehen.
Einstellen solltest du dich bei diesen Unternehmen auf eine sehr hohe Arbeitslast und eine notwendige, hohe Verfügbarkeit. Eine reine Arbeitszeit von zehn bis vierzehn Stunden pro Tag sind keine Seltenheit. Ebenso kommt Wochenendarbeit regelmäßig vor.
1.3.2 Die mittelständischen Beratungen
Umsatz: 50 bis 200 Mio. Euro
Mitarbeitenden-Anzahl: 100 bis 800
Mittelständische Beratungen sind häufig spezialisierte Beratungsunternehmen, welche sich auf eine Branche oder eine Disziplin (z. B. Projektmanagement, Technologie, Digitalisierung) fokussieren.
Die vorgegebenen Entwicklungspfade sind grundsätzlich vorhanden, jedoch nicht ganz so starr gelebt wie in den großen Beratungen. Das gibt Flexibilität bezüglich der Projekt- und Schwerpunkt-Wahl und ermöglicht (gut begründete) Richtungsänderungen während der Karriere.
Die mittelständischen Beratungen basieren ihren Erfolg deutlich mehr darauf, dass Mitarbeitende ihre eigene Persönlichkeit, eigene Schwerpunkte sowie sehr viel proaktive Einsatzbereitschaft und Interesse an Geschäftsentwicklung mitbringen. Bereits auf Junior oder Senior Berater Level kann aktiv mitgestaltet und Innovation mitbetrieben werden. Gute Ideen und neue Ansätze finden normalerweise Gehör und es wird willkommen geheißen, wenn bereits junge Mitarbeitende sich proaktiv positionieren. Dies ist besonders sinnvoll bei aufkommenden neuen Technologien, in welchen die Beratungen selbst bisher nicht aktiv sind. Ich denke beispielsweise an die Zeit zurück als 2016 Kryptowährungen und die Blockchain das erste Mal für Unternehmen als Technologie und neues Paradigma so richtig interessant geworden sind. Damals waren es vor allem junge, technikaffine Personen, welche die Expertise und das Interesse in diesem Bereich in die Unternehmen tragen konnten.
Du solltest dir hier somit im Klaren darüber sein, dass diese vorhandenen Freiheitsgrade genutzt werden können und vor allem sollen. Das zugrundeliegende Maxim Führung zur Selbstführung bietet viel Potenzial für deine Entwicklung und eine gute Chance dich zu orientieren und deinen ganz eigenen Weg zu gehen. Das kann auf der anderen Seite sicherlich ebenso zu Unsicherheiten führen, wenn dir dieser Ansatz nicht liegt. Du bist in diesen Unternehmen zügig selbst in der Verantwortung für deine Projekte, die Kommunikation mit dem Kunden und möglicherweise interne Themenentwicklung. Damit einhergehend ist unternehmerisches Denken und Einsatzbereitschaft maßgeblich für eine zügige Karriere.
Ein hilfreicher Klärungspunkt während eines möglichen Vorstellungsgesprächs ist das Thema Wachstum: Die etwas familiäreren Unternehmen sind tendenziell häufiger auf ein Wachstum ausgelegt, das den Aufbau von eigenen Mitarbeitenden als Nachwuchs(führungs)kräfte zum Unternehmensziel hat und eine Verbreiterung in der mittleren Managementebene zulässt (und dafür nicht per se einen Einkauf von Experten und Managern von außen befürwortet). Sie haben im Umkehrschluss seltener ausgeprägte Leverage-Strukturen als die großen Beratungshäuser.
Das heißt, deine Kollegen und Kolleginnen werden im Idealfall eine ähnliche Entwicklung wie du durchlaufen und ihr werdet vermutlich sogar parallel ins Management-Level aufsteigen können. Die Ellenbogen-Mentalität ist weniger ausgeprägt und die Unternehmenskultur aufgrund dessen sicherlich familiärer als in den großen Beratungen.
Insbesondere aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass der Teamgeist für eine langfristige Motivation im Team ein wichtiger Faktor ist und aus Kollegen/Kolleginnen über die Zeit sogar Freunde werden können. Die etwas kuscheligere Atmosphäre mag am einen oder anderen Punkt dann zu Lasten eines offenen, direkten Feedbacks gehen. Am Ende steht jedoch das gemeinsame Erreichen von Zielen und Erfolgen im Vordergrund und diese Einstellung der Mitarbeitenden sowie Führungskräfte schlägt sich sehr positiv auf die eigene Motivation und die Zufriedenheit mit der Arbeit nieder.
Im harten Vergleich schneiden diese Beratungen bezüglich Gehaltszahlungen im Einsteigerbereich etwas schlechter ab als die großen Beratungshäuser. Meistens wird das niedrigere Gehalt allerdings durch eine geringere Arbeitsbelastung mehr als kompensiert. Diese variiert nach Aufgabe und Projekt zwischen acht und zehn Stunden pro Tag. Wochenendarbeit ist eher die Ausnahme. Auch Teilzeit-Modelle für Eltern oder unternehmerisch-angehauchte Personen, welche parallel noch ein eigenes Start-up betreuen wollen, finden hier in der Regel die richtigen Voraussetzungen und die notwendige (Teilzeit-) Flexibilität.
1.3.3 Die kleinen Beratungen
Umsatz: < 50 Mio. Euro12
Mitarbeitenden-Anzahl: < 100
Die kleinen und Boutique-Beratungen beraten häufig in Bezug auf fokussiertes, abgegrenztes Fachwissen oder bestimmte Nischen-Segmente. Das kann beispielsweise eine spezielle Branche (z. B. Automobilbranche) oder einen Unternehmensbereich/-inhalt sein (z. B. Geschäftsstrategie, eine Technologie, ein Geschäftsprozess/ein abgegrenzter Ausschnitt der Wertschöpfungskette). Diese Beratungen sind entweder Kleinstunternehmer (eine Person) oder Kleinunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. Euro13. Darunter fallen auch nicht-kommerzielle Beratungsinstanzen wie Vereine, welche hier allerdings nicht im Fokus stehen sollen.
Die Kultur in den kleinen Beratungen ist in der Regel durch ein enges Zusammenarbeitsverhältnis und Vertrauen geprägt. Die Anforderungen an Erfahrung/Expertise und Verantwortungsübernahme sind häufig sehr hoch, was sich in der Regel in einer für die Branche relativ hohen Anzahl an senioren Mitarbeitenden und einer geringeren Quote an Einsteigern und junioren Mitarbeitenden spiegelt. Die Unternehmensziele sind dementsprechend weniger auf Wachstum der Mitarbeitendenanzahl als auf Wachstum von Umsatz bei gleichzeitiger Gewinnmaximierung ausgelegt, denn in der Regel sind fast alle langjährigen Mitarbeitenden mit Unternehmensanteilen ausgestattet. Und somit am Erfolg (oder Misserfolg) beteiligt. Dementsprechend ist die Harmonie auf der persönlichen Ebene der Kollegen und Kolleginnen sehr wichtig und Geschäft und Privatleben verschwimmen bei den Beteiligten häufig.
In den kleinen Beratungen variiert das Gehalt insbesondere mit Blick auf das Beratungsumfeld bzw. -segment deutlich. Während Strategie- und Managementberatungen sehr hohe Tagessätze bei Kunden aufrufen können, ist die Kompensation für spezialisierte Beratung für bestimmte Produkte oder technische Dienstleistungen häufig etwas niedriger angesetzt. Das liegt meist am Wirkungsgrad der entsprechenden Themen (z. B. Software-Einsatz versus Unternehmensstrategie). Entsprechend variiert die Vergütungshöhe und tendenziell auch -form sehr und eine Abbildung über eine unternehmensspezifische Kombination aus Gehalt und Erfolgsbeteiligung ist gegebenenfalls sogar für jede Person unterschiedlich vertraglich geregelt.
Die Stärke der Arbeitsbelastung ist im Schnitt grob zwischen der mittelständischen Unternehmensberatung und der großen Beratung anzusetzen. In der Regel kannst du zu einem Einstieg hin mit zehn bis zwölf Stunden-Tagen rechnen. Mit zunehmender Seniorität ermöglichen sich hier gegebenenfalls individuelle Spielräume bezüglich Teilzeitarbeitsmodellen.
1.3.4 Die persönliche Disposition
Mit Blick auf die Optionen möchte ich gerne eine persönliche Einschätzung zur Wahl des Unternehmens und der Beratung mitgeben. So attraktiv die Beratung als Arbeits- und Lernfeld erscheint, so stetig ist die Herausforderung und damit letztendlich die kontinuierliche Anstrengung auf der anderen Seite. Die Anforderungen an Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, Motivation für und Interesse an überdurchschnittlicher Leistung sowie einer Bereitschaft/Affinität sich bereitwillig in unbekannte Situationen zu stürzen und in Projekten, im Arbeitsalltag intern und extern beim Kunden, eigentlich zu jeder Zeit, flexibel auf neue Situationen und Anforderungen reagieren zu wollen und zu können, sind essenziell und hoch.
Das heißt zum einen, dass du nicht mehr erwarten kannst, dass dir dein Weg und deine konkrete Entwicklung per se vorgegeben wird (wie beispielsweise im Studium). Die Ziele sind sicherlich grob gesteckt, jedoch nicht unbedingt festgesetzt (damit kann zum einen auf Mitarbeitendenwünsche und zum anderen auf Marktveränderungen reagiert werden). Ich habe einige Personen in meinem Team praktisch umerziehen müssen, um sie aus der gemütlichen Konsumentenhaltung zu holen und sie zu selbstständig denkenden und proaktiven Mitarbeitenden zu entwickeln: Damit sie selbst explorativ unterwegs sind und neue Wege für sich und das Unternehmen oder Kunden einschlagen. Eine passive Haltung wird in der Beratung auf Dauer nicht förderlich oder sogar Karriere-verhindernd sein, zumal die Konkurrenz nicht schläft und derweil an dir vorbeizieht.
Es sollte grundsätzlich eine Bereitschaft bei dir bestehen, die Herausforderungen des Beratungsjobs anzunehmen – unabhängig von der oben geschilderten Unternehmensgröße. Kontinuierliches Lernen durch immer neue Situationen, Menschen und Inhalte gehört dazu. Wenn du dich also wie eingangs mit Fragen gespiegelt prinzipiell in wiederkehrenden Aufgaben wohler fühlst, dann kann der Job als Berater sehr schnell nicht nur herausfordernd, sondern überfordernd für dich werden.
Burnout als Symptom ist wie erwähnt keine Seltenheit in dieser Branche. Du (und auch deine Führungskraft) sind dazu angehalten zu beobachten, zu reflektieren und im besten Fall zu steuern, wie gut du mit den Anforderungen zurechtkommst. Wer feststellt, dass er sich selbst und seine Disposition für diesen Job falsch eingeschätzt hat, sollte nicht zu hart zu sich sein und es zulassen, sich diese Erkenntnis einzugestehen. Zumindest vor sich selbst sollte die Option eines gefühlten Scheiterns oder einer Reorientierung als Möglichkeit zugelassen werden. Das ist nicht schlimm. Nicht jeder Mensch ist für jede Aufgabe gemacht oder bereit den gleichen, harten Weg zu gehen.
Diese Art der Selbsterkenntnis hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern vielmehr damit, sich selbst zu verstehen und die eigene Persönlichkeit und Kompetenzen besser zu erkennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du früher oder später so oder so gespiegelt bekommst, dass der Job eventuell nicht für dich passt, ist hoch. Gib dir die Chance diese Passfähigkeit zwischen Job-Anforderungen und deinen Voraussetzungen und Wünschen zu hinterfragen und bei deutlichen Ergebnissen auch Konsequenzen zu ziehen. Und dann den Job/die Beratungsbranche bewusst nicht zu wählen oder einen neuen Weg einzuschlagen.
Ich persönlich würde immer wieder den Weg der Arbeit in einer mittelständischen Beratung wählen, da die Anonymität, Macht- und Wettbewerbsorientierung in den großen Beratungen nicht zu meinem persönlichen Wunsch nach einer grundsätzlich positiven Arbeitsatmosphäre und einem damit einhergehenden Gemeinsamkeits- und Teamgefühl passt. Diese Entscheidung muss jeder für sich persönlich treffen.
Ein Tipp, falls du bereits im Job bist: Diese Erkenntnis des Moments der finalen Überforderung ist nicht leicht. Besonders, wenn du selbst die betroffene Person bist. Eine gewisse Forderung, teilweise (kurzzeitige) Überforderung und dauerhafte Herausforderung gehört bei jeder Größe der Beratung dazu. Die Grenzen verschwimmen in der Regel. Wie du erkennen kannst, ob die Überforderung dauerhaft zu hoch ist und wie dann damit umgegangen werden kann, erläutere ich in Kapitel 1.13.
1.4 Die Bewerbung
Ich werde im Folgenden nicht vollumfänglich auf das Thema der formalen, layoutseitigen oder inhaltlichen Gestaltung einer guten Bewerbung eingehen. Dafür gibt es dedizierte Ratgeber zu kaufen oder teilweise frei verfügbar im Internet zu finden. Eine empfehlenswerte Auseinandersetzung für die inhaltliche Vorbereitung von Bewerbungsgesprächen und Assessment Centern bietet zum Beispiel „Das Insider Dossier“ von Menden (2006)14 oder der Bewerbungsratgeber von Hatz (2018)15. Hier finden sich unter anderem sogar ausgewählte Beratungsfälle zur Übung.
Ich werde im Folgenden jedoch ein paar essenzielle Faktoren aus der praktischen Erfahrung benennen, welche dir helfen, grundlegende Fehler zu vermeiden und im ersten Schritt eine „sympathische“ und für den Arbeitgeber attraktive Bewerbung einzureichen. Dazu zählen folgende Aspekte:
1. Rechtschreibung und Grammatik
Rechtschreibung und Grammatik sind das A und O. Wenn ich Bewerbungen erhalte, welche im Anschreiben oder Lebenslauf Fehler enthalten, dann erzeugt das keine guten Assoziationen mit dem Bewerber/der Bewerberin. Dieser Aspekt ist ein absoluter Hygienefaktor. Lass deine Bewerbung daher am besten unbedingt vor Versand von einer anderen Person Korrektur lesen und prüfen.
2. Individualisierung auf das Unternehmen
Bewerbungen ohne offensichtlichen Bezug zum angeschriebenen Unternehmen und der ausgeschriebenen Stelle wirken in der Regel automatisiert und begeistern die Personalabteilung wenig. Hier gilt es nicht nur die Stellenbezeichnung richtig zu übernehmen, sondern sich ebenfalls die Mühe zu machen durch Recherche auf der Webseite des Unternehmens oder auf einschlägigen sozialen Netzwerken noch weitere Anknüpfungspunkte für die Bewerbung zu finden. Anknüpfungspunkte zum Aufgreifen können beispielsweise aktuelle, vom Unternehmen beworbene Themen, Artikel oder Trends sein, um diese mit den richtigen Schlagworten auch in deinem Lebenslauf aufzugreifen. Oder eine einfache Bezugnahme zu ausgelobten Veranstaltungen und der Expertise des Unternehmens in deinem Anschreiben.
3. Layout
Gute Layout-Tipps erhältst du in den oben genannten Quellen. Grundsätzlich sollten die Bewerbungen offensichtlich sehr übersichtlich und strukturiert aufgebaut und nicht mit komplett schwarzen oder dunklen, großen Flächen versehen sein, welche beim Drucken der Unterlagen unschön grimmig wirken und Toner verschwenden. All das kann gegebenenfalls beim Personaler/der Personalerin oder der Führungskraft ungewollt die falsche Aufmerksamkeit erzeugen.
4. Persönliches
Es lohnt sich einen Abschnitt mit persönlichen Informationen beizufügen. Hier können Sympathiepunkte gesammelt werden. Es hilft allerdings nicht unbedingt bis ins kleinste Detail zu gehen oder vermeintlich konträr diskutierte Hobbys anzugeben. Ich hatte mal eine Bewerbung, wo als Freizeitbeschäftigung Großwild-Jagd in Afrika drinnen gestanden hat. Das hat bei mir sofort Assoziationen mit seltenen, vom Aussterben bedrohten Nashörnern und schießwütigen Hobby-Jägern hervorgerufen und mich nicht unbedingt positiv gegenüber dem Bewerber gestimmt. Durchdenk vorher, welche Vor- und Nachteile und Assoziationen bestimmte Inhalte mit sich bringen könnten.
5. Kompaktes Format
Übersichtliche, knackige Bewerbungen mit einer Seite Anschreiben und maximal zwei Seiten Lebenslauf (eher eine Seite, wenn du Berufseinsteiger/Berufseinsteigerin bist) sind Personalern/Personalerinnen und Führungskräften sehr recht. Versuch die Inhalte nicht durch ausufernde Texte zu überladen. Gerade im Lebenslauf reichen Stichpunkte und einschlägige Begriffe, welche sich dann im Gespräch sauber zu einer guten (wahren) Geschichte fügen sollten.
1.5 Das Vorstellungsgespräch
Ich war nun mittlerweile erfolgreich am Standort des Unternehmens für mein Vorstellungsgespräch angekommen und hatte das Glatteis hinter mir gelassen. Fröstelnd stand ich vor dem Eingangsbereich der Beratung im achten Stock und drückte die Klingel. Fünf Sekunden später gingen die schweren Mahagoni-Türen wie von Geisterhand bewegt auf. Kein Quietschen. Kein Knarzen. Und lediglich ein seichtes „Pfumm“ war zu hören, als sie sich hinter mir wieder schlossen. Ich stand in dem großen, hellen und freundlich dekorierten Foyer und war – beeindruckt.
Das Eindrucks-Management ist eine Paradedisziplin von Beratungen. Es geht auf der Internetseite los, wo gut gekleidete, junge und dynamisch wirkende Menschen mit einem süffisanten oder auch offenen, breiten Lächeln den Weg in die Beraterwelt geleiten. Eine heile Welt, wo alle Mitarbeitenden wahnsinnigen Spaß an der Arbeit haben und in Licht-durchflutenden Büros gemeinsam an einem Whiteboard oder in der Kaffeeküche stehen und wunderschöne, komplizierte Diagramme malen.
Dass es sich in der Vielzahl der Fälle um völlig unbeteiligte Stock-Fotomodelle handelt, welche vermutlich nicht mal ansatzweise ein Verständnis für das Unternehmensthema oder ein Angestelltendasein haben und nicht wissen, für welche Werbeplattform sie gerade ausgesucht wurden, interessiert erstmal nicht. Mit ihrem weitüberdurchschnittlich guten Aussehen und positiver Ausstrahlung vermitteln sie eine glitzernde, frohe Welt, in welcher jeder sich mit jedem versteht und die Arbeit als Produkt ganz einfach von der Hand geht. Die gleichen Gesichter der Webseite begrüßten mich also im Foyer des Unternehmens wieder. Wiedererkennungswert erfolgreich geschaffen, ich fühlte mich gleich ein wenig mehr zuhause.
Und das war vermutlich auch die Absicht hinter jener Bewerber-Reise, auf welche ich hier geschickt worden war. Ob es mich zu dem Zeitpunkt als Beeindruckte gestört hat? Nein. Man möchte sich ja auch irgendwie manchmal beeindrucken lassen und diese heile Vision der Arbeitswelt herbeieifern. Wie schön könnte das Arbeitsleben sein, wenn das immer die Realität wäre.
Eine dunkelhaarige Dame kam mir aus einem der angrenzenden Büros entgegen. „Hallo Frau König“, trällerte sie mir entgegen, „Ich freue mich, dass Sie bei uns sind!“.
„Guten Morgen, vielen Dank, Frau…?“ erwiderte ich. „Ich bin Susanne. Ich bringe Sie gleich mal in den Warteraum“, sprach sie, während mir die Hand geschüttelt wurde und sie derweil eine gekonnte Kehrtwendung auf dem Absatz vollzog. „Sind Sie gut angekommen? Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Das Wetter ist ja scheußlich, das ganze Glatteis…“.
„Danke der Nachfrage, alles völlig problemlos“ antwortete ich und verbog die Wahrheit geringfügig, um nicht gleich mit schlechten Themen zu starten. Das lief doch schon mal rund bisher.
Ich hatte es mir also im Warteraum halbwegs gemütlich gemacht, nachdem ich noch schnell das gegenüberliegende Bad aufgesucht hatte. Ich empfinde es auch heute noch als beruhigend, wenn ich mir vor dem Start eines wichtigen Termins, einer Präsentation oder eines Vortrags die Chance und die Zeit gebe, noch einmal fünf bis fünfzehnMinuten durchzuatmen und mich zu sammeln. Die einen laufen dafür draußen um den Block oder ein paar Treppen rauf und runter (wie ich), die anderen brauchen die Privatsphäre einer eigenen Badezimmer-Kabine und Musik auf den Ohren. Da sich ein kurzer Lauf um den Block hier nicht anbot, nahm ich mit einem ausführlichen Händewaschen und Zurechtzupfen des Kostüms vorlieb. Die rote Gesichtsfarbe der Taxifahrt hatte sich glücklicherweise wieder zurückentwickelt und ich sah für eine Aufsteh-Zeit von vier Uhr morgens eigentlich auch noch ganz ok aus. Augenringe hatte ich sowieso immer. Zwei Herren in dunklen Anzügen kamen lachend und quatschend in den Warteraum.
„Frau König!“, rief der erste. „Kommen Sie mit, wir haben eine Besprechungsraum vorbreitet. Mein Name ist im Übrigen Matthias Heidendahl. Das ist mein Kollege Valentin Vadalefczek.“
„Nennen Sie mich Valentin“, stimmte der zweite ein, als wir uns die Hände schüttelten.
„Hallo Herr Heidendahl. Hallo Herr Vade-lef-zeck – …haben Sie mir gerade das DU angeboten?“.
„Nein!“, erwiderte Herr Vadalefczek verschmitzt und guckte gespielt entrüstet. „Da mein Nachname allerdings nicht ganz einfach ist, geht Valentin in Ordnung“.
„Verstehe“, antwortete ich, während ich mir insgeheim dachte was für ein blödes Fettnäpfchen ich mir da ausgesucht hatte – und, dass ich den Namen dann ja gar nicht so doll hätte üben müssen. Die Gesichtsfarbe kündigte sich heimlich wieder an.
Zu meinem Glück hatten wir eine kurze Fahrstuhlfahrt vor uns und kamen ins Plaudern. Ich hatte mir ein paar Fragen bezüglich des Standortes zurechtgelegt, so dass ich die Herren im ersten Moment dazu brachte, mehr von sich zu erzählen als selbst erzählen zu müssen. Das half mir, mich noch einmal zu sammeln.
Im Besprechungsraum angekommen scannte ich die Ausstattung und mein Blick blieb auf der Kanne Kaffee hängen.
„Kann ich Ihnen einen Kaffee oder ein Wasser anbieten?“ brach es aus mir raus.
„Frau König, danke, Sie müssen uns nicht bedienen“ lachte mich der zweite Herr an. „Setzen Sie sich, ich schenke ein. Milch oder Zucker?“.
1.5.1 Die Vorbereitung und der Ablauf
Vorstellungsgespräche in der Beratung laufen nach meinen Erfahrungen (sowohl als Bewerberin als auch mittlerweile als selbst einstellende Managerin) in der Branche verhältnismäßig ähnlich ab. Lediglich die Maximalvariante kompletter Assessment Center mit mehreren Bewerbungsrunden haben neben dem Bewerbungsgespräch noch einen Anteil mit weiteren Inhalten wie umfangreiche Fallstudien, Gruppenarbeit und Situationen mit sozialer Interaktion. Im klassischen Vorstellungsgespräch selbst gibt es in der überwiegenden Anzahl der Fälle vier Abschnitte im Ablauf:
1. Kennenlernen und gegenseitige Vorstellung, sowie eine kurze Vorstellung des Lebenslaufs durch den Bewerber/die Bewerberin
2. Tieferer, inhaltlicher Einstieg in den Lebenslauf und einzelne relevante Stationen des Bewerbers/der Bewerberin
3. Fallstudie oder eine andere, praxisnahe Prüfung von Fachwissen in Bezug auf die gesuchten fachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen
4. Organisatorisches und Administratives zum möglichen Einstiegsszenario, z. B. Festlegung Startzeitpunkt und -ort, Gehalt, das weitere Vorgehen im Bewerbungsprozess
Auf alle vier genannten Punkte kannst du dich grundsätzlich sehr gut vorbereiten. Einen beispielhaften Ablauf und die Struktur eines Gesprächs aus der Praxis habe ich im folgenden Abschnitt abgebildet. Die dort beschriebenen praktischen Vorbereitungen empfehle ich als Grundlage für jedes Bewerbungsgespräch als Minimum durchzuführen. Es hilft zusätzlich, diese simple, aber effektive Struktur vorher schriftlich in Stichpunkten auszuarbeiten und dann zu verinnerlichen.
1.5.1.1 Das Kennenlernen und die persönliche Vorstellung
Die Situation des Erstkontakts und die Einleitung in das Gespräch kann von deiner Seite als Bewerber/Bewerberin wie folgt aussehen:
■ Erste 30-Sekunden-Vorstellung: Name, aktuelle Position/Studium und Schwerpunkt Position/Studium, ggf. Heimatort
■ Erster 3-Minuten-Einblick in die wichtigsten Schwerpunkte auf Nachfrage:
1. „Die Schwerpunkte meiner Tätigkeit/meines Studiums in größerem Detail sind…“
2. „Zu Nebenaktivitäten und -fächern im Rahmen meines Studiums gehören…“
(Individuelle Story erarbeiten, hier können differenzierende Merkmale wie Tutoren-Tätigkeit, Beteiligungen an relevanten Vereinen und Institutionen/ehrenamtliche Tätigkeiten, Seminare, Vorträge, usw. benannt werden)
3. „Zusätzlich arbeite ich in/verantworte ich bei meinem derzeitigen Unternehmen/an der Universität den Bereich…“
(Individuelle Punkte nach ausgeschriebener Stellenausschreibung herausstellen, z. B. Schwerpunkt Digitalisierung und Business Innovation)
■ Auf eine detaillierte Studiums- oder Arbeits-Historie solltest du zunächst verzichten, soweit nicht explizit bereits danach gefragt wird
1.5.1.2 Der tiefere Einstieg in deinen Lebenslauf
In diesem Teil des Gesprächs gilt es den eigenen Lebenslauf so prägnant und publikumswirksam wie möglich vorzustellen. Dafür hilft es im Übrigen, wenn du deine Zielgruppe kennst. Recherchiere deine Ansprechpartner und -partnerinnen im Vorfelde, um möglichst viele Informationen über sie zu haben und ihre arbeitsbezogenen Schwerpunkte zu kennen. Überleg dir im Vorfelde ebenfalls, auf welche Erfahrungen und Stationen du besonders stolz bist und/oder welche die Ansprechpartner beeindrucken/interessieren könnten. Oder welche deinen Werdegang maßgeblich prägen. Was sind dazu deine Stärken, was zeichnet dich aus und differenziert dich? Was macht dich zum idealen Bewerber/Bewerberin für die ausgeschriebene Stelle?
Annahme und Voraussetzung ist, dass du hier die Wahrheit erzählst. Grundsätzlich ist meine Erfahrung, dass authentische Vorstellungen wesentlich runder und überzeugender wirken. Solltest du aus Gründen der Dramatik Inhalte dazu erfinden oder verschönern, achte darauf, dass diese Zusätze sich möglichst nah an der Wahrheit orientieren. Dann kommst du bei Rückfragen nicht so leicht in Schwierigkeiten. Bewusste Falschaussagen und Lügen haben die Tendenz auf eine dumme Art und Weise aufzufallen. Unrunde Geschichten tendieren dazu Nachfragen zu erzeugen, welche dich mit ziemlicher Sicherheit in eine Lügen-Spirale verwickeln werden. Das ist dann kein guter Start. Punkt.
Der tiefere Einstieg kann die folgenden Punkte enthalten:
■ Prägnante Vorstellung des eigenen Lebenslaufs nach chronologischen Stationen, zeitlich vorwärts oder rückwärts:
o Akademischer Hintergrund: Lediglich Nennung des Studiums-Hintergrunds, keine ausufernden Ausführungen zur Schulzeit
o Akademische Schwerpunkte: Vorstellung des eigenen Tätigkeits-/Studiumsschwerpunkts auf der Metaebene: „Ich habe in den letzten Jahren die Schwerpunkte A und B gesetzt…“, „Mein Fokus/Interesse/Können ist…“
■ Tiefergehende Erläuterung von ausgewählten Praktikums-/Berufserfahrungen, welche besonders gut passen:
o „Ich interessiere mich vor allem für die Herausforderungen von Industrie-Unternehmen bei der Digitalisierung und mögliche Bewältigungsstrategien von Mittelständlern in Deutschland, ähnlich wie es nach Durchsicht Ihrer Website die Fallstudie zum Kunden XY thematisiert…“
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