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In vielen Klassenzimmern mangelt es am Engagement. Die Forschung zeigt, dass engagierte Schüler weitaus häufiger gute Schulnoten bekommen und weitaus häufiger hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Die besten Pädagogen bemühen sich daher, gut geführte Klassenzimmer zu schaffen, die das Engagement, das Vertrauen, den Respekt, die Verantwortlichkeit und die Konzentration der Schüler fördern.
"Unterrichte wie ein Champion" vermittelt wirksame Lehrtechniken, die Lehrenden, vor allem denjenigen in den ersten Jahren, dabei helfen, wahre Champions im Klassenzimmer zu werden. Diese wirkungsvollen Techniken sind konkret, spezifisch und lassen sich leicht und direkt am nächsten Tag in die Tat umsetzen. Trainingsaktivitäten am Ende jedes Kapitels helfen dem Pädagogen, sein Verständnis durch Reflexion und Anwendung der Ideen auf seine eigene Praxis zu vertiefen.
In einem "fruchtbaren Zyklus" wurden die Techniken in diesem Buch in fast zehn Jahren weltweit und regelmäßig verbessert.
Begleitet wird das Buch durch einen Zugang zu über 100 Videos aus der Praxis, die die praktische Anwendung der Techniken zeigen.
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Seitenzahl: 1196
Veröffentlichungsjahr: 2023
Bibliografische Informationder Deutschen Nationalbibliothek
Das englischsprachige Original erschien 2021 unter dem Titel »Teach Like a Champion 3.0. 63 Techniques that Put Students on the Path to College. Third Edition«.
© 2023 Wiley-VCH GmbH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Germany
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Copyright © 2021 by Doug Lemov.
All Rights Reserved.
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Print ISBN: 978-3-527-51117-4ePub ISBN: 978-3-527-84461-6
Umschlaggestaltung: Torge Stoffers, LeipzigUmschlagfoto: Mediteraneo - stock.adobe.com
Gedruckt auf säurefreiem Papier.
Projektmanagement und Lektorat: Evelyn Boos-Körner, boos for books, Schondorf am Ammersee
Für Mike und Penny Lemov, meine ersten Lehrer
Dieses Buch hätte ohne die Leute, deren Arbeit sich in fast jeder Zeile widerspiegelt, nicht entstehen können. Meine Kollegen bei Teach Like a Champion (TLAC) haben unglaublich viel dazu beigesteuert, sowohl direkt als auch indirekt. Hunderte ihrer Ansichten zu Videos und Techniken finden sich in diesem Buch – und in der restlichen Arbeit, die wir machen. Aber sie haben auch etwas beigetragen, das schwieriger zu definieren ist: Wenn sie genau die richtigen Worte finden, um zu beschreiben, was eine Lehrkraft tut; wenn wir zusammen ein Video auswerten und zurückspulen, weil sie in der Antwort eines Schülers etwas Faszinierendes entdeckt haben – das sind absolut wertvolle Momente. Und zwar ebenso wertvoll wie jene, in denen sie sich über etwas kaputtlachen, das sie gesagt haben, oder in denen sie die Bemühungen eines Teamkollegen anerkennen oder jemand anderem eine clevere Bemerkung zuschreiben. Sie sind kluge, wohlwollende, lustige, bescheidene und kritische Kollegen, die unsere gemeinsame Aufgabe, das Unterrichten zu untersuchen und zu erforschen, lohnend und herausfordernd machen und mit Freude erfüllen.
Wenn wir Lehrer und Schulleiter zu Fortbildungen zusammenbringen – persönlich oder jetzt auch virtuell –, ist unser Ziel immer, Menschen zu dienen, indem wir ihnen dabei helfen, sich bei ihrer so wichtigen Arbeit zu verbessern, und ihnen so viel wie möglich beibringen. Dabei sollen sie aber auch Spaß haben – damit Unterrichten zu einem Teamsport wird, der sich durch Freude und Kameradschaft auszeichnet. Lehrer verdienen es, in so einer Umgebung zu arbeiten, und das weiß ich, weil ich das Glück habe, unmittelbar davon zu profitieren.
Zum Team gehören Emily Badillo, Jaimie Brillante, John Costello, Colleen Driggs, Dillon Fisher, Kevin Grijalva, Kim Griffith, Brittany Hargrove, Joaquin Hernandez, Tracey Koren, Jasmine Lane, Hilary Lewis, Rob Richard, Jen Rugani, Hannah Solomon, Beth Verilli, Michelle Wagner, Darryl Williams und Erica Woolway. Ich danke ihnen allen, wobei ein paar von ihnen bei der Bearbeitung dieses Buchs eine Rolle spielten, die gesondert erwähnt werden muss.
Die Videos in diesem Buch – und alle Videos, die wir bei unseren Trainings und Analysen benutzen – wurden von Rob Richard und John Costello produziert. Sie haben hier sowohl technische als auch intellektuelle Arbeit geleistet – und nicht nur gezeigt, was ein Lehrer getan hat, sondern das dann für die Zuschauer anschaulich aufbereitet, indem sie den Fokus auf entscheidende Details legten, ohne die Realität in den Klassen zu verfälschen. Erreicht haben sie das zum Beispiel dadurch, dass sie den Moment herausschnitten, in dem das Telefon im Klassenzimmer läutet oder einem Kind in der dritten Reihe alles herunterfällt, was auf seinem Schreibtisch liegt; an anderer Stelle entschieden sie sich, lieber zwei herausragende Beispiele zu zeigen, wie ein Lehrer den Cold Call anwendet, als fünf ganz gute Beispiele. Jedes Video ist eine Art visuelles Gedicht und John und Rob haben diese Gedichte verfasst, während sie gleichzeitig ein System einrichteten, um Tausende davon zu ordnen. Stellen Sie sich einen Augenblick lang vor, was es heißt, Aufzeichnungen aus 20 Jahren so zu organisieren, dass jemand aus dem Team sagen kann: »Wisst ihr noch, das Klassenzimmer in der Schule in Tennessee, das wir vor vier oder fünf Jahren gesehen haben …«, und etwas später sehen wir uns das alle gemeinsam noch mal an.
Hannah Solomon ist für vieles in unserem Team zuständig – und bei diesem Buch war sie als Redakteurin damit betraut, die Konzeptionierung und Entstehung zu begleiten. Hier ging es nicht gerade darum, einen Sack Flöhe zu hüten, denn es gab nur einen Floh, und »hüten« impliziert, dass er einigermaßen folgsam war oder sich zumindest bemühte und höchstens mal einen Schubser brauchte, um wieder in die Spur zu kommen. Hannahs Arbeit umfasste das Projektmanagement – mich bei der Sache zu halten ist schwer genug, und wenn Sie dann noch den Überblick über alle Aufgaben behalten müssen, ganz zu schweigen von den zahllosen Entwürfen, wird das Ganze noch eine ganze Spur anspruchsvoller. Stellen Sie sich einfach vor, Sie machen das mit Ihrem chaotischsten und am leichtesten ablenkbaren Schüler, der Ihnen immer wieder versichert, dass er alles bis Mittwoch fertig hat, wobei Sie tief in Ihrem Innern wissen … Hannah lieferte auch immer wieder freundliches und aufrichtiges Feedback, sammelte und entwarf Hilfsmaterialien, half bei der Auswahl von Videos und bot hundertfach guten Rat an. Es gab dunkle und hoffnungslose Stunden beim Schreiben dieses Buchs. Doch dann bekam ich meinen Entwurf zurück und sie hatte sich die Zeit genommen, mir so hilfreich wie möglich ganz genau aufzuschreiben, warum ihr ein Satz oder Absatz gefiel, und so machte ich weiter. Ich bin ihr dafür zutiefst dankbar und auch für die vielen Male, bei denen sie mir den Impuls gab, meine Denkmuster zu verändern, wenn wir Techniken überarbeiteten.
Auch Emily Badillo spielte eine wichtige Rolle beim Schreiben dieses Buchs. Wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt, liegt das daran, dass auch ihre Videos im ganzen Buch vorkommen. Sie leistete unschätzbar wertvolle Arbeit beim Lesen und Korrigieren der Entwürfe – und beim Erarbeiten von Absätzen und dem Aufstöbern hilfreichen Materials sowie beim Sichten und Auswählen der Videos. Ruhig und bescheiden bringt sie in jeder Aufgabe ihre Intelligenz zum Einsatz und ist selbst eine herausragende Autorin.
Während ich dieses Buch schrieb, boten mein Team und ich Tausenden Lehrern in den USA und überall in der Welt Trainings und Kurse an. Anders gesagt: Wir mussten eine Organisation leiten. Jeder Geschäftsführer bringt seine eigenen einzigartigen Fähigkeiten ein. Meine Führungsqualitäten umfassen das monatelange Nicht-Beantworten von E-Mails, was schon oft für peinliche Einstiege in Meetings sorgte, von denen mitunter nicht mal alle wussten, dass sie stattfinden würden. Ebenso: tagelanges Verschanzen in meinem Büro, um über einem Absatz zu brüten, während die Deadline immer näher rückt. Deshalb verdienen die anderen beiden Geschäftsführer bei TLAC, Chief Academic Officer Erica Woolway und mein Co-Geschäftsführer Darryl Williams, ein doppeltes Dankeschön und auch einige Lorbeeren – für ihre Ideen und Einsichten, für ihr tiefes Verständnis für die Tätigkeit des Lehrens sowie für ihre Fähigkeit, rund um meine »Fähigkeiten« herum den Laden zu führen. Ich könnte mir keine besseren Partner vorstellen. Die Qualität unserer Arbeit und der gute Zustand unserer Organisation ist hauptsächlich ihr Verdienst.
Schreiben kann ein langwieriger Prozess sein, aber der Prozess, dieses Buch zu schreiben, war besonders herausfordernd, denn es geschah, während große Veränderungen nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch die Klassen(-zimmer) und Schulen umformten.
Amy Fandrei und Pete Gaughan bei John Wiley & Sons waren die ganze Zeit unheimlich verständnisvoll, um nicht zu sagen: unerschütterlich. Ich hoffe, das Ergebnis ist nur ansatzweise das Kopfzerbrechen wert, das ich ihnen bereitet habe.
Rafe Sagalyn leitet und unterstützt weiterhin als Anwalt und Agent meine Arbeit und ich bin froh, dass mir jemand die Richtung zeigt, dessen Ziel es ist, mir zu helfen, meine Vision vom Schreiben zu finden und sie Wirklichkeit werden zu lassen.
Dieses Buch spiegelt auch die Einsichten einer größeren Lehrer- und Bildungscommunity wider – in den USA und in England und eigentlich überall auf der Welt –, die ihre Erkenntnisse und Beobachtungen mit mir und miteinander teilen. Oft denke ich, die sozialen Medien sind die Pest für unsere Zivilisation, aber durch sie hatte ich – dank der Tausenden Lehrer, die sie positiv und konstruktiv als Instrument zur Verbreitung von Wissen und Einsichten betrachten – die Möglichkeit, unheimlich viel in unheimlich kurzer Zeit zu lernen. Ich habe versucht, ein paar der Lehrer zu zitieren, deren Kommentare mich besonders beeindruckt haben. Ich beschreibe ein paar Fälle, in denen ich in schwierigen Augenblicken meinen Kollegen via Twitter eine Frage stellte und das Glück hatte, an ihrer Weisheit und Einsicht teilhaben zu dürfen. Danke hierfür an alle, die unterrichten und somit die wichtigste Arbeit in der Gesellschaft machen, und doppelter Dank an alle, die ihr berufliches Wissen mit mir geteilt haben.
Und schließlich sind meine drei Kinder, während ich drei Bände dieses Werks geschrieben und wieder umgeschrieben habe, erwachsen geworden. Ich muss nicht extra erwähnen, wie sehr ich sie liebe und wie stolz ich darauf bin, wer sie sind und was sie erreicht haben. Sie sind jetzt größer, doch es gibt kein Opfer, das ich nicht für sie bringen würde. Aber das wussten Sie bereits und ich erwähne das hier, weil meine Arbeit immer mit meiner Erziehung zusammenhing. Manchmal wache ich nachts auf, weil mich Sorgen über meine Rolle als Vater überkommen. Ich kenne andere Eltern, die nachts wach liegen, oft mit größeren Problemen, als ich sie habe. Ich denke oft an andere Eltern an anderen Orten, die ihre Kinder so sehr lieben wie ich meine, aber nicht die Möglichkeit haben, sie in Schulen und Klassen zu schicken, die ihnen den angemessenen Respekt entgegenbringen und ihnen alle Möglichkeiten bieten, die sie ihnen bieten sollten. Dieses Buch ist eine Bemühung, überall den bestmöglichen Unterricht zu gewährleisten – für meine und alle anderen Kinder.
Zum Abschluss geht mein größter Dank an meine Frau Lisa, mit der ich die wichtigste Arbeit meines Lebens geteilt habe: unsere Kinder großzuziehen. Oft hat sie mehr als die Hälfte übernommen, damit ich schreiben konnte oder reisen, um mich mit anderen Lehrern zu treffen. Trotzdem genügt es nicht, wenn ich ihr dafür danke, dass sie dieses Buch möglich gemacht hat, denn es gibt noch tausendmal mehr, wofür ich dankbar bin. Also, Lisa, danke für den Sonnenschein, der, neben anderen Dingen, das Licht spendet, bei dem ich schreiben kann.
Doug Lemov ist Geschäftsführer bei Uncommon Schools und leitet das Teach-Like-a-Champion-Team, das die Arbeit hervorragender Lehrer analysiert und auf Grundlage dessen Fortbildungen entwickelt und umsetzt. Er war vorher Leiter der Uncommon Schools in Upstate New York. Davor war er verantwortlicher Vize-Präsident am State University of New York Charter Schools Institute sowie Gründer, Lehrer und Leiter der Academy of the Pacific Rim Charter School in Boston. Er hat an Universitäten, Highschools und Mittelschulen Englisch und Geschichte unterrichtet. Lemov hat das Hamilton College mit einem B. A. abgeschlossen und hat einen M. A. von der Indiana University sowie einen M. B. A. von der Harvard Business School. Besuchen Sie ihn auf der Website www.teachlikeachampion.com (in englischer Sprache).
Unsere Mission bei Uncommon Schools ist es, herausragende öffentliche Schulen zu gründen und zu leiten, Bildungsgerechtigkeit zu fördern und Schüler aus prekären Verhältnissen aufs College vorzubereiten. In den letzten 20 Jahren haben wir durch Versuch, Irrtum und Anpassung viel darüber gelernt, was im Klassenzimmer wirklich funktioniert. Wenig überraschend haben wir festgestellt, dass Erfolg beim Unterrichten eng mit unserer Fähigkeit zusammenhängt, gute Lehrer und Schulleiter anzustellen, fortzubilden und zu halten. Das hat uns dazu bewegt, umfassend in die Fortbildung von Lehrern und den Aufbau von Systemen zu investieren, die Schulleiter beim Leiten, Lehrer beim Unterrichten und Schüler beim Lernen unterstützen. Wir brennen dafür, neue Methoden zu finden, mit denen unsere Schüler heute mehr lernen als gestern, und arbeiten hart dafür, denn jede Minute zählt.
Wir wissen, dass Lehrkräfte, Schulen und das Schulsystem dasselbe Ziel haben wie wir – praktische Lösungen für den Unterricht bereitzustellen, die tatsächlich funktionieren und die für jeden zugänglich sind. Wir hatten das Glück, großartige Lehrkräfte, die allen Schülern helfen, auf hohem Niveau erfolgreich zu sein, beobachten und von ihnen lernen zu können – sowohl in unseren Schulen als überall in den USA. Ihnen bei der Arbeit zuzusehen, hat uns ermöglicht, konkrete und praktische Erkenntnisse über hervorragenden Unterricht zu gewinnen, zu entschlüsseln und zu filmen. Wir haben uns sehr gefreut, diese Erkenntnisse in den Büchern Unterrichte wie ein Champion (und dem Begleitband Field Guide), Practice Perfect, Driven by Data, Leverage Leadership sowie Great Habits, Great Readers verbreiten zu können.
Seit der Erstausgabe von Unterrichte wie ein Champion haben Doug Lemov und das Team von Teach Like a Champion (TLAC) immer weiter die Arbeit von Lehrkräften analysiert, die tolle Ergebnisse bei Uncommon Schools, Partnerorganisationen und Schulen im ganzen Land erzielen. In unzähligen Stunden der Beobachtung und der Analyse haben Doug und das TLAC-Team die besten Praktiken, welche die effektivsten Lehrer teilen, identifiziert und entschlüsselt.
Unterrichte wie ein Champion ist die überarbeitete Neuausgabe und baut auf der bahnbrechenden Arbeit der ersten Ausgaben auf, um diese Lehrern und Schulleitungen zur Verfügung zu stellen, die sich verpflichtet haben, positiv auf die Entwicklung ihrer Schüler einzuwirken. Wir danken Doug und dem ganzen TLAC-Team für ihre unermüdliche und aufschlussreiche Arbeit, mit der sie Lehrer überall auf der Welt unterstützen. Wir hoffen, alle Erkenntnisse und Einsichten, die wir in diesem Buch teilen, werden Ihnen, Ihren Schülern und unserer gesamten Gemeinschaft helfen.
Brett PeiserChief Executive OfficerUncommon Schools
Uncommon Schools ist ein Non-Profit-Netzwerk von 55 staatlichen Schulen, die mehr als 21.000 Schüler in New York, New Jersey und Massachusetts auf den College-Abschluss und damit auf die Universität vorbereiten. Eine CREDO-Studie zeigt, dass der Besuch einer Schule, die zum Uncommon-Schools-Netzwerk gehört, für Schüler aus Familien mit niedrigem Einkommen »die negativen Auswirkungen komplett aufhebt, die mit der Herkunft aus prekären Verhältnissen einhergehen«. Uncommon Schools erhielt zudem den Broad Prize for Public Charter Schools, weil das Netzwerk »in den letzten Jahren die herausragendste Gesamtleistung und Leistungsverbesserung von Schülern in den USA« erzielte, und das »bei gleichzeitigem Ausgleich von Benachteiligungen von Schülern aus einkommensschwachen oder anderweitig sozial benachteiligten Familien«. Um mehr über Uncommon Schools zu erfahren, besuchen Sie unsere Website www.uncommonschools.org (in englischer Sprache). Sie können uns auch auf www.facebook.com/uncommonschools und auf Twitter und Instagram unter @uncommonschools folgen.
Ich habe diesen Eröffnungsteil der Neuausgabe des Buchs »Vorwort« genannt, aber nur, weil ich ihn irgendwie nennen musste. Meistens überblättere ich Vorworte – und vielleicht tun Sie das auch.
Aber bitte: Überblättern Sie dieses nicht. Ich erzähle Ihnen die Geschichte der Beziehung dieses Buchs zu einer sich schnell verändernden Welt: wie es zu übergeordneten Fragen von Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit passt. Wie es an neue Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft bezüglich des Lernens anknüpft.
Egal ob Sie ein TLAC-Spezialist oder -Neuling sind, das Vorwort wird Ihnen helfen, alles zu verstehen, was Sie in diesem Buch lesen werden.
Im Sommer 2019 überarbeitete ich Unterrichte wie ein Champion das zweite Mal. Das hatte ich schon einmal getan, um weiterzugeben, was ich aus neuen Untersuchungen und aus den Erfahrungen von Lehrern gelernt hatte, die die ursprünglichen Techniken ausprobiert hatten. Ich sah ihnen beim Unterrichten zu und stellte fest: »Daran hätte ich nie gedacht« oder: »Wie konnte ich diesen Aspekt übersehen?« Und so entstand Version 2.0.
Auch dieses Mal wollte ich wieder von diesem Wissen profitieren, aber ich wollte auch eine größere Änderung umsetzen. Ich wollte die Ergebnisse der Kognitionspsychologie einbeziehen, die uns ständig mehr Wissen darüber zur Verfügung stellt, wie das menschliche Gehirn und wie Lernen funktioniert. Es war nicht mehr denkbar, die Verknüpfungen mit dieser Forschung nicht herauszustellen oder nicht anzuwenden. Nicht nur, um besser zu verstehen, was im Unterricht wichtig ist (und was nicht), sondern auch, warum es so ist. Wenn ich alles so erklären könnte, dass es sich mit der Wissenschaft des Lernens verbindet, wäre der Zweck der Techniken einleuchtender.
»Toller Unterricht beginnt immer mit einer klaren Vision und einem vernünftigen Ziel«, schreibt Adeyemi Stembridge in Culturally Responsive Education in the Classroom. »Der Lehrer, der das verinnerlicht hat, ist in der Lage, auch aus der banalsten Strategie etwas Großartiges zu machen.« Aber wenn ein klares Ziel simple Strategien brillant macht, kann ein Mangel an Klarheit auch eine effektive Strategie zum Scheitern bringen. Wenn wir wissen, warum das so ist, kommen wir dem Wissen darüber, was wirklich im Unterricht funktioniert, einige Schritte näher.
Dem wollte ich nachgehen. Wenn Sie wissen, dass – wie Daniel Willingham es ausdrückt – Schüler sich an das erinnern, worüber sie nachdenken, könnten Sie bewusst selbstständige Schreibaufgaben und Cold Calls anwenden, damit jeder intensiv über den Inhalt der Stunde nachdenkt; wenn Sie wissen, dass Schüler ein Gefühl von Sicherheit brauchen, damit sie gut zu lernen imstande sind, könnten Sie bewusst die Aufmerksamkeitsgewohnheit verwenden, um eine Kultur zu schaffen, in der die Schüler ständig unterstützende Botschaften ihrer Mitschüler erhalten.
So nahm Version 3.0 Formen an. Ich ersetzte das Kapitel über die Stundenplanung durch eines über die Stundenvorbereitung. Diese beiden Dinge sind natürlich nicht dasselbe. Vorbereitung ist das, was man macht, nachdem der Plan – von Ihnen oder jemand anderem – geschrieben wurde. Die Zeit, die ich in Schulen verbracht habe, überzeugte mich davon, wie unheimlich wichtig die Vorbereitung ist – und wie oft das übersehen wird. Die erste Technik in diesem Buch ist die Planung von Musterlösungen – Sie schreiben die idealen Antworten auf, die Sie von Schülern auf wichtige Fragen, die Sie im Unterricht stellen werden, hören wollen.1 Das mag Ihnen wie eine überflüssige Arbeit erscheinen. Vielleicht denken Sie: »Ich habe doch schon ein gutes Gefühl dafür, was die Schüler sagen sollten.« Aber das Aufschreiben hilft dabei, wie ich feststellte, Ihr Arbeitsgedächtnis zu entlasten, was ein sehr wichtiger Effekt ist.
Ich gehe in Kapitel 1 näher auf das Arbeitsgedächtnis ein – kurz gesagt handelt es sich dabei um das, worüber Sie bewusst nachdenken –, aber wenn Sie über irgendetwas intensiv nachdenken und Ihr Arbeitsgedächtnis voll ist, reduziert das die Qualität und Intensität Ihrer Wahrnehmung. Wenn Sie beim Autofahren telefonieren, ist es viel wahrscheinlicher, dass Sie die Geschwindigkeit eines sich nähernden Fahrzeugs falsch einschätzen und einen Unfall haben. Nicht weil Ihre Hände nicht frei sind, sondern weil Ihr Arbeitsgedächtnis es nicht ist. In bestimmten Augenblicken setzt das Ausüben einer Tätigkeit voraus, einer anderen Tätigkeit nicht nachzugehen. Das stimmt sowohl für Schüler als auch für Lehrer. Wenn Sie versuchen, sich daran zu erinnern, welche Antwort Sie von Ihren Schülern hören wollten, während sie Ihnen antworten, hören Sie nicht ganz genau, was sie sagen. Schreiben Sie die Antwort jedoch auf, wird das einen Riesenunterschied machen, selbst wenn Sie am Ende nur einen kurzen Blick darauf werfen: Sie werden die Äußerungen der Schüler deutlicher hören.
Die Kognitionspsychologie bringt auch immer klarere Ergebnisse zur Bedeutung von Hintergrundwissen und Langzeitgedächtnis hervor. Daher habe ich ein paar neue Techniken hinzugefügt, die darauf basieren, wie Lehrer die Wiederholungsübungen und Lapbooks anwenden. Dylan William hat die Cognitive Load Theory (Theorie der kognitiven Belastung) »die wichtigste Sache, die Lehrer wissen müssen« genannt und Sie werden ihre Relevanz im ganzen Buch und insbesondere in Technik 21, Eins nach dem anderen, sehen. Dann habe ich mich entschlossen, ein neues Kapitel 1 dazuzunehmen, das die Schlüsselprinzipien eines starken mentalen Modells für den Unterricht zusammenfasst – mentale Modelle wurden von Kognitionspsychologen als grundsätzlich notwendig zur Entscheidungsfindung identifiziert.
Es war unvermeidlich, das Buch zu verändern – nicht nur wegen der nützlichen und manchmal brillanten Anpassungen, sondern auch wegen unglücklicher Vorgehensweisen, die ich beim Umsetzen der Techniken durch Lehrer sah.
Manche Klassen, die ich besuchte, begeisterten mich und in anderen wandte ein Lehrer zwar die Techniken an, aber mir gefiel nicht, was ich sah. So kam ich ins Nachdenken. Wie konnte es sein, dass zwei Lehrer in nicht weit voneinander entfernten Räumen die gleichen Techniken benutzten und der eine mich stolz und euphorisch machte und der andere mir Kummer bereitete?
Ich sage das, ohne zu urteilen. Eine der großen Lektionen im Leben, die ich von tollen Lehrern gelernt habe, findet sich in Technik 59 (Positives Framing) und insbesondere in dem Abschnitt Vom Besten ausgehen, in dem es um die Vermeidung des Drangs geht, einer Handlung eine negative Absicht zu unterstellen, es sei denn, diese ist eindeutig erkennbar. Wenn Schüler beispielsweise Ihre Anweisungen nicht befolgen, könnten Sie, wenn Sie vom Besten ausgehen, sagen: »Leute, ich habe nicht klar formuliert, was ihr tun sollt; ich möchte, dass ihr leise arbeitet.« Oder: »Pause. Ein paar von uns haben vergessen, dass das eine stille Aufgabe sein sollte. Lasst uns das jetzt richtig machen.« Vom Besten auszugehen – »Ich habe mich wohl nicht klar ausgedrückt« oder »Ihr habt es wahrscheinlich vergessen« versus »Es ist euch egal« oder »Ihr habt die Anweisungen ignoriert« – baut nicht nur stärkere, positivere Beziehungen auf, sondern veranlasst Sie auch, Ihre Klasse – und den Rest der Welt – anders wahrzunehmen –, denn was Sie zu sehen üben, ist am Ende das, was Sie sehen werden. In Das Happiness-Prinzip nennt Shawn Achor dieses Phänomen den Tetris-Effekt: Wenn Sie lange genug Tetris spielen, sehen Sie überall die leuchtenden bunten Formen herunterfallen. Wenn Sie sich angewöhnen, jeden Tag ein paar Dinge zu benennen, für die Sie dankbar sind, werden Sie eine Welt voller Dinge sehen, die Dank verdienen. Wenn Sie üben, von guten Absichten auszugehen, sehen Sie eine Welt, die nur Gutes anstrebt, und das macht Sie glücklicher und optimistischer und wahrscheinlich zu einer besseren Lehrkraft.
Das Gleiche gilt übrigens für Schüler. Wenn wir ihnen helfen, das Verhalten ihrer Mitschüler so mild wie möglich zu interpretieren – »Bist du sicher, dass sie dich schubsen wollte?«, »Bist du sicher, dass er das als Kränkung gemeint hat?« – verbessern wir ihre Welt. Wie John Haidt und Greg Lukianoff hervorheben, geht gesünder durchs Leben, wer eine freundliche, positive und optimistische Einstellung hat.2
All das mag eine kleine Abschweifung sein – zumindest, wenn es als Abschweifung gilt, über das Wohl der Schüler nachzudenken. Mein Punkt ist der: Lehrer müssen sich daran erinnern, vom Besten auszugehen und zu den Schülern zu sagen: »Meine Anweisungen waren wohl nicht eindeutig genug« statt: »Ein paar von euch haben die Anweisungen ignoriert«. So können Sie den fundamentalen Attributionsfehler3 vermeiden und stattdessen fragen: »Hm, waren meine Anweisungen deutlich genug? Vielleicht nicht.«
Als ich in Unterrichtsstunden saß, in denen von mir beschriebene Techniken so angewendet wurden, dass sie sich nicht richtig anfühlten, fragte ich mich: Sind meine Anweisungen deutlich genug? Aus welchen Gründen vergessen Leute dieses und jenes? Liegt es an dem, was ich geschrieben habe, dass Techniken gelegentlich falsch angewendet werden – oder an dem, was ich nicht geschrieben habe?
Unterrichten ist eine komplexe Arbeit, die unter komplexen, herausfordernden und schwierigen Bedingungen ausgeübt wird. Es wäre unmöglich, alles richtig zu machen – für einen Lehrer und sicher auch für jemanden, der beschreiben möchte, was Lehrkräfte getan haben oder tun könnten.
Auf dieses Thema komme ich später nochmals zu sprechen, jetzt beschreibe ich nur eine daraus resultierende Neuerung in der vorliegenden Ausgabe des Buchs: Grundlagenvideos. Das sind lange Videos (meist etwa zehn Minuten), die eine längere Sequenz aus einer Stunde zeigen, in der Lehrer mehrere Techniken miteinander kombinieren und anwenden. Sie vermitteln besser, wie Kultur und Ethos in einem außergewöhnlichen Unterricht aussehen und wie Techniken miteinander kombiniert werden und interagieren. Ich habe sie hinzugefügt, weil eine Technik klar und nachvollziehbar zu zeigen manchmal eine Form von Fokus braucht, die die Arbeit der Lehrkraft gleichzeitig enthüllt und verzerrt.
Nehmen wir Christine Torres: Sie werden mehrere Videos von ihrem Unterricht in diesem Buch finden. Das erste Mal erlebte ich ihren Unterricht bei einem Besuch an der Springfield Prep in Springfield, Massachusetts, und ich war sofort begeistert. Ihre Stunden waren hervorragend vorbereitet. Ich würde den Begriff akademisch verwenden, um zu beschreiben, wie präzise der Inhalt und die Ideen waren, die ihre Schüler entwickelten. Alles, was sie tat, drückte ihren Glauben an die herausragenden Fähigkeiten der Schüler aus, und während sie Anstrengung und Konzentration von den Schülern erwartete, waren auch Liebe, Freude und sogar Verspieltheit erkennbar.
Ich hatte beobachtet, wie einer ihrer Schüler unhörbar flüsterte und von der Klasse wegschaute, während er einen für seine Mitschüler bestimmten Kommentar abgab. »Sprich nicht mit der Wand, denn der Wand ist es egal«, antwortete Christine in einer Art Singsang. Der Schüler drehte sich um und lächelte vorsichtig, er bemerkte die aufmunternden Blicke seiner Klassenkameraden, die zu ihm schauten. Der Wand war es vielleicht egal, aber sie sagten ihm mit ihren Blicken, dass es ihnen nicht egal war. Er riss sich zusammen und äußerte stockend, aber deutlich seine Ansichten zu dem Roman und hinterher war zu erkennen, dass er zufrieden war – und vielleicht ein bisschen überrascht. Er hatte es geschafft; er konnte es. Das war eine Form von Unterricht, die ihn aufblühen ließ – sie brachte das Beste in ihm zum Vorschein.
Christines Unterricht war, um einen Begriff zu verwenden, auf den ich noch zurückkommen werde, ein guter Spiegel. Sie spiegelte ihre Schüler und enthüllte und schätzte, wer sie bereits waren, aber genau das veränderte die Schüler auch, indem es Dinge hervorbrachte, die vorher nicht sichtbar gewesen waren. Christine gab ihnen nicht nur die Gelegenheit, sie beeinflusste die Schüler auch bewusst dahin gehend, sich produktiv einzubringen, was sie ohne die Atmosphäre in dieser Klasse vielleicht nicht gewagt hätten. Jede Umgebung beeinflusst die Menschen, die sich in ihr bewegen, wenn es darum geht, gewisse Entscheidungen zu treffen und gewisse Verhaltensweisen an den Tag zu legen, erklären Cass Sunstein und Richard Thaler in Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt. Es gibt nur Fälle mit mehr oder weniger ausgeprägter Intention. Eine Klasse, in der die Schüler den Beiträgen ihrer Mitschüler mit Desinteresse begegnen, ist nicht »natürlicher« als eine wie Christines, in der sie aufmunternd reagieren. Eine der beiden Klassen ist nur schwerer zu erschaffen.
Später filmten wir in Christines Klassenzimmer und schnitten eine Reihe kleiner Augenblicke heraus, in denen Christine so ähnlich agierte wie in dem Moment, als sie sagte: »Sprich nicht mit der Wand, denn der Wand ist es egal«, und ihre Schüler dazu anregte, deutlich und vor allem miteinander zu sprechen. »Laut und selbstbewusst«, sagte sie meistens.
Es wäre schwer zu begreifen, wie sie das macht – hinsichtlich Sprechtempo, Tonfall, Abwandlung in den Sätzen, die sie verwendet –, ohne eine schnelle Folge von Beispielen zu sehen. Es braucht einen Zusammenschnitt – mehrere sauber aneinandergereihte Augenblicke, in denen sie so agierte. Doch wenn man nur den Film sieht, ergibt sich daraus kein Gesamteindruck. Es gehört noch etwas von dem dazu, was ich an diesem ersten Morgen hinten in Christines Klassenzimmer gesehen und gefühlt hatte – ein Gefühl dafür, wie präzise gestaltet ihr Unterricht war und welche Zuneigung ihre Schüler von ihr bekamen und für sie empfanden. Nur dann kann man verstehen, wie ihre Anwendung von Eine Frage der Form (Technik 18, zu der gehört, die Schüler zum lauten und deutlichen Sprechen zu bringen) mit anderen Dingen, die sie tat, zusammenspielte. Daher haben wir die Grundlagenvideos hinzugefügt, zu denen Sie in der Einleitung die Beschreibungen lesen können. Sie wurden oft in Klassenzimmern aufgezeichnet und es gibt auch kürzere, stärker fokussierte Clips, die eine bestimmte Technik demonstrieren; meine Hoffnung ist, dass Sie sich erst das Video ansehen, um den Zusammenhang zu erfassen.
* * * * * * *
An dem Punkt befand sich die vorliegende Version des Buchs, als das Jahr 2020 kam.
Selbstverständlich hatte die durch COVID-19 entstandene Unterbrechung tiefgreifende Auswirkungen auf Schulen und Unterricht. Manches ist in diesem Buch reflektiert – ich habe Randbemerkungen mit Beispielen von Techniken eingefügt, die online angewendet werden können, weil ich davon ausgehe, dass Fernunterricht in gewisser Weise noch eine Rolle spielen wird, auch wenn die Schulen wieder normal (oder normaler) funktionieren.4
Aber der wachsende Druck der Bewegung für soziale Gerechtigkeit und Veränderung explodierte ebenfalls 2020, nach der gewaltsamen Tötung von George Floyd durch die Polizei in Minneapolis5 – eines der jüngsten Beispiele für das fürchterliche Muster der Ermordung von People of Color durch staatliche Gewalt. Und natürlich rief das die lange Geschichte systemischer Ungleichheiten in anderen Institutionen wie Schulen in Erinnerung. Das bewog mich und meine Kollegen, die Rolle deutlicher zu definieren, die wir im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft spielen wollten.
Ich möchte so direkt wie möglich sagen, dass Unterrichte wie ein Champion immer ein Buch über soziale Gerechtigkeit war und auch bleiben wird. (Die inhärente Ungleichheit des amerikanischen Bildungssystems war schon lange vor 2020 offensichtlich für jeden, der sich damit auseinandergesetzt hat.) Schüler, die nicht privilegiert aufwachsen – oft People of Color –, verdienen eine Schule und einen Unterricht, die ihnen nicht nur die Gelegenheit geben, etwas zu leisten, und ihnen aufzeigen, dass sie viele Möglichkeiten haben, wenn sie sich dafür entscheiden – obwohl viel zu viele von ihnen Schulen besuchen, die diese Kriterien nicht erfüllen. Es reicht nicht aus, ihnen Klassenzimmer zu öffnen, in denen sie sich schulischen Herausforderungen stellen können. Soziale Gerechtigkeit bedeutet (zumindest für mich, und ich hoffe, für alle, die dieses Buch lesen) das Recht aller Schüler, in Klassen zu lernen, die ihnen ermöglichen, ihre Träume zu verfolgen und Wissenschaftler, Ingenieure oder Künstler, Vorstände von Banken und Firmen oder Regierungschefs zu werden. Sie verdienen Schulen, die sie ermutigen und dazu anregen. Und sie verdienen etwas, das der Autor und Bildungsexperte Alfred Tatum »disziplinäre Gleichheit« nennt.
»Es gibt viele auf Universitätslevel unterrichtete Fächer, bei denen man meinen könnte, es gäbe einen Schwarz-Radierer«, schrieb Tatum kürzlich. Es ist zwingend erforderlich, dass »alle Disziplinen allen Gruppen gehören«6, stellte er fest, aber es gibt dieses Gefühl des Wegradiert-Werdens (zum Beispiel im Ingenieurwesen, in den Computerwissenschaften und der Biochemie), weil das »Fundament, das in den unteren und mittleren Klassen errichtet wird, nicht ausreicht«. Dieses Fundament erfordert akademische und kulturelle Stärke – einen Spiegel, der Schüler widerspiegelt und in den Mittelpunkt rückt.
Als Christines Schüler sich zögernd umdrehte und in den Raum blickte – nicht sicher, ob er etwas Sinnvolles beitragen könnte –, sah er nicht nur die Ermutigung und Unterstützung in den Augen seiner Mitschüler, sondern auch eine soziale Norm, die sich widerspiegelt. Diese Norm besagte: Wir sind mit Begeisterung in Ms Torres Klassenzimmer; wir nutzen unsere intellektuellen Fähigkeiten ohne Zurückhaltung, und daraufhin traute er sich etwas zu – ein Moment sozialer Gerechtigkeit.
Wenn die Kultur nicht so stark ist und es nicht die Norm ist, positives und produktives Engagement zu fördern, machen Lehrer Kompromisse. Das hauptsächliche Element eines Plans für die Stunde muss dann sein, die Aufmerksamkeit der Schüler mit etwas Interessantem zu erregen, wenn noch nie von ihnen erwartet oder der Grundsatz kultiviert wurde, dass sie aufpassen. Die Frage »Wie genau muss ich diese Stunde planen?« beantwortet sich damit von selbst.
Dieser Kompromiss ist keineswegs auf gewisse Schulen begrenzt. Während Sie das lesen, sitzen zigtausend Schüler aus so gut wie allen Schichten der amerikanischen Gesellschaft in Klassenzimmern mit verschieden hohen Kompromiss-Levels, in denen eine stille Tyrannei – mehr oder weniger unsichtbar, aber dennoch mächtig – herrscht. Der TNTP-Report7 von 2018 – The Opportunity Myth – berichtet davon, wie endemisch diese stille Tyrannei ist. Nachdem TNTP fast 4000 Schüler in fünf verschiedenen Schulsystemen begleitet hatte, zeigte sich, dass die Schüler auch dann nicht ihre gesteckten Ziele erreichten, wenn sie die ihnen aufgegebenen Arbeiten erledigt hatten, sich bemüht hatten, ihr Bestes zu geben, und ein weiterführendes Studium anstrebten. Die Arbeit, die sie in der Schule erledigten, war nicht herausfordernd oder anspruchsvoll genug. Auch diejenigen mit guten Noten waren nicht vorbereitet. »Ihr Leben«, schrieben die Autoren, »entgleitet ihnen jeden Tag mehr, ohne dass sie oder ihre Familien es wüssten – nicht, weil sie mit Herausforderungen nicht umgehen können, sondern weil sie kaum eine wirkliche Chance bekommen, es zu versuchen. Schüler verbringen mehr als 500 Stunden pro Schuljahr mit Aufgaben, die ihrem Wissensstand nicht entsprechen, und mit Unterricht, der sie nicht genug fordert – das ist mit sechs Monaten verschwendeter Zeit im Klassenzimmer in jedem Kernfach gleichzusetzen.«
Soziale Gerechtigkeit bedeutet für mich radikal besseren Unterricht, einen Unterricht, der schulische Leistung fördert und jeden Schüler darauf vorbereitet, seine Träume zu verwirklichen. Wenn Unterricht nicht so funktioniert, als wären die jungen Leute darin zu Großem fähig, wird es niemals eine sozial gerechte Klasse sein. Das bedeutet nicht, sich bei den Schülern anzubiedern. Es bedeutet, junge Menschen genug zu lieben, um sie warmherzig und menschlich anzutreiben, härter zu arbeiten, als sie es vielleicht von sich aus tun würden. Es bedeutet, sie genug zu lieben, um Grenzen zu setzen – natürlich menschlich, beständig und zuverlässig. Diejenigen unter uns, die Eltern sind, wissen durch ihre eigenen Kinder, dass das stimmt.8
Mir ist bewusst, dass der Begriff soziale Gerechtigkeit für jeden etwas anderes bedeutet. Unterschiedliche Lehrer werden guten Gewissens dem Ruf nach Gleichheit auf unterschiedliche Weise nachkommen9, aber wenn Schulen im Lesen und Schreiben, in den Naturwissenschaften und in Mathe nicht das Bestmögliche aus ihren Schülern herausholen und sie also nicht darauf vorbereiten, auf einem von ihnen ausgewählten Gebiet zu brillieren, haben wir keine sozial gerechtere Welt geschaffen, egal wie sehr wir dazu entschlossen sind. Gleichheit beginnt mit Taten.
Außerdem, wie es eine der besten unter den Schulleiterinnen und -leitern, die ich kenne, festgestellt hat10: Wenn unsere Schüler nicht ihr Wissen und ihre analytischen Fähigkeiten in die Debatte um soziale Gerechtigkeit einbringen, laufen wir Gefahr, gefährlichen Entwicklungen Raum zu geben – schlecht durchdachten besten Absichten, die mehr Schaden anrichten, als Gutes tun. 2021 erhielten Lehrkräfte in Oregon ein offizielles Dokument, das Folgendes besagte: Wenn sie Schüler bitten, ihre Lösungen von Mathematikaufgaben zu zeigen, sei das eine Form von »weißer Überlegenheit«. Ein Freund teilte eine Online-Diskussion mit mir, in der Lehrkräfte argumentierten, Hausaufgaben und Benotung seien »kolonialistische Konstrukte«. Es lässt sich nicht genau sagen, wie viele Leute fadenscheinigen Argumenten glauben, es liege ein Widerspruch gegenüber nicht weißen Kulturen darin oder es sei nur Weißen vorbehalten, Erfolg, Leistung und Exzellenz anzustreben. Es ist alarmierend, sich auch nur darüber Gedanken machen zu müssen. Dieses Buch ist in dem Glauben geschrieben, dass solche Ideen nicht nur falsch, sondern auch schädlich sind und dass akademischer Erfolg der Motor ist, der Gleichheit und soziale Gerechtigkeit ermöglicht.
Einer der denkwürdigsten Texte, die ich in den letzten paar Jahren gelesen habe, ist Damon Tweedys Black Man in a White Coat, die Memoiren des Autors über seine Erfahrungen als schwarzer Mann im Medizinstudium und als praktizierender Arzt. Wenn die COVID-Pandemie etwas gezeigt hat, dann dass wie bei fast jeder anderen Leistung in unserer Gesellschaft auch hochwertige medizinische Versorgung ungleich verteilt ist. Für alle, die Tweedys Buch gelesen haben, ist das keine Überraschung. Wenn wir eine gerechte und faire Gesellschaft wollen, sind unzählige Ärzte jeglichen Backgrounds vonnöten und umso mehr Ärzte in Gemeinden mit einem hohen Anteil von nicht weißen Personen, die medizinisch schlecht versorgt sind. Soziale Gerechtigkeit baut langfristig ebenso darauf, dass wir ein vielfältiges Spektrum an Ärzten und Ingenieuren, Wissenschaftlern und Anwälten, Künstlern, Bankiers und Unternehmern ausbilden.
Ein Beispiel: Während der Pandemie gaben Pulsoximeter – Geräte zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut – bei schwarzen Menschen dreimal häufiger unkorrekte Werte an als bei weißen, berichtete The Economist kürzlich.11 Verursacht wurde das dadurch, dass die Geräte für durchscheinendere, helle Haut entwickelt wurden. Viele nicht weiße Patienten wurden fälschlicherweise aufgrund dieser fehlerhaften Bauweise nach Hause geschickt. Selbstverständlich gibt es überall fehlerhafte Ausrichtungen und das wird wohl so lange so weitergehen, bis es unter den Ingenieuren, die medizinische Geräte entwickeln und herstellen, mehr Diversität gibt. Das bedeutet nach Alfred Tatums Aussage »disziplinäre Gleichheit«: hoch qualifizierte und gut vorbereitete nicht weiße Studenten in anspruchsvollen Naturwissenschafts- und Mathekursen – und in jedem anderen Bereich.
Wenn also für Sie soziale Gerechtigkeit bedeutet, an Protestmärschen teilzunehmen, bin ich bei Ihnen. Viele Ihrer Schüler werden vielleicht mit Ihnen gehen. Aber halten Sie sich vor Augen, dass manche stattdessen Informationssysteme konstruieren möchten, was ebenfalls wichtig ist. Andere möchten sich in der Farbgebung und Komposition des Bildes verlieren, das sie malen. Auch das ist wichtig. Es ist ihr Recht, von unseren Schulen und Klassenzimmern darauf vorbereitet zu werden, dass sie alles schaffen können, was sie sich vornehmen. Auch das gehört zu sozialer Gerechtigkeit: Jeder junge Mensch kann seinen eigenen Traum definieren und verfolgen. Ist es noch nötig, darauf hinzuweisen, dass dies für die Mehrheit der schwarzen, der nicht weißen Kinder, der Kinder aus prekären Verhältnissen – womöglich für die Mehrheit aller Kinder – nicht unbedingt der Fall ist?
Auch wenn das Thema Unterricht in einer gerechten und fairen Gesellschaft meine Leidenschaft ist, sollte ich anmerken, dass dieses Buch in meinem Verständnis nicht davon handelt, »arme« oder »nicht weiße« Kinder zu unterrichten. Kinder sind Kinder, auch wenn die Schulen nicht immer das sind, was sie verdienen. Das Buch handelt davon, besser zu unterrichten – obwohl es stimmt, dass ich das, was ich gelernt habe, durch das Analysieren von Lehrern im für mich persönlich wichtigsten Teil des Bildungssektors gelernt habe.
Doch ich bin nicht so naiv zu glauben, dass ich die Erfahrungen der Communitys, die ich unterstützen will, voll und ganz verstehe, nur weil ich bei diesem Aspekt sozialer Gerechtigkeit stark mitfühle. Daher beinhaltete das Schreiben dieses Buchs unter anderem einen monatelangen Lern- und Beobachtungsprozess, bei dem ich oft, aber nicht immer, von meinen Kollegen des TLAC-Teams begleitet wurde. Meine Quellen, die ich bei den Recherchen heranzog, behandelten zum Beispiel Sozialtheorie, soziale Gerechtigkeit und kultursensibles Unterrichten. Auf einige der Autorinnen und Autoren, deren Werke ich in dieser Zeit las, nehme ich in diesem Buch Bezug: Zaretta Hammond, Lisa Delpit, Alfred Tatum, Rudine Sims-Bishop und Adeyemi Stembridge.
Alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nahmen auch an einer internen Überprüfung unserer Arbeit unter Leitung meines Co-Geschäftsführers bei TLAC, Darryl Williams, teil. Es ist nicht einfach, sein eigenes Denken zu hinterfragen – und wir erhielten Feedback und Ansichten aller Vollzeitkollegen sowie Partner und Direktoren, die TLAC in Institutionen und Schulen anwenden. Die Techniken und Begriffe in diesem Buch wurden ausführlich diskutiert, damit wir den richtigen Ton treffen und die Beschreibungen die Wahrscheinlichkeit verringern, dass etwas falsch interpretiert oder angewendet wird. Wir sahen uns sorgfältig Videoaufnahmen an, wieder und wieder, und achteten genau darauf, wie die Techniken darin präsentiert wurden, sodass Lehrer sie erfolgreich übernehmen und anwenden können, um Schülern respektvoll und motivierend zur Seite zu stehen und sie voranzubringen. Um ehrlich zu sein, es kam vor, dass ein Video oder einer meiner Texte nicht genau das einfing, was wir vermitteln wollten. Was dann dazu führte, dass ich Abschnitte neu schrieb, Techniken oder Konzepte innerhalb von Techniken umbenannte und einige Videos entfernte.
Mir ist bewusst, dass Sie als Anwender unserer Techniken vielleicht schon mal Kritik zu manchen davon gehört haben – zum Beispiel zu Eine Frage der Form. Und ich war ziemlich überrascht, als ich bei der Überarbeitung des Buchs meine Ausgabe von Unterrichte wie ein Champion 2.0 öffnete, um das Buch noch mal zu lesen, und feststellte, wie wenig ich bei manchen Techniken darüber geschrieben hatte, warum ich an sie glaubte. All diese Abschnitte habe ich ausgiebig überarbeitet, um das hinreichend darzustellen, und Lehrkräfte können die Techniken getrost einsetzen, um ihre Schüler zu fördern. Ich möchte das deutlich sagen – ich glaube, dass diese Techniken, richtig angewendet, essenzielle Hebel für Erfolg und soziale Gerechtigkeit sind. Sie konnten das in Christines Klasse sehen und werden es noch in Dutzenden anderen sehen. Diese Techniken sind auch starke Werkzeuge, daher ist es wichtig, sie richtig zu verwenden. Kritiker, die behaupten, sie wären ein Mittel, um Dominanz auszuüben oder »nicht weiße Schüler zu kontrollieren«, wurden falsch informiert oder haben etwas missverstanden. Ideen von Schülern werden bewusst aufgenommen und reflektiert, weiterentwickelt und verfeinert. Ich sage das, obwohl ich auch schon an einem Unterricht teilgenommen habe, in dem sich die Anwendung falsch anfühlte. Doch eine unsaubere Anwendung färbt nicht auf ein gesundes Prinzip ab – sie erinnert uns aber gleichwohl daran, wie wichtig eine bessere und reaktionsfähige Anwendung ist.
Auch andere Abschnitte wurden überarbeitet. Als ich mein ursprüngliches Werk las, entdeckte ich hier und da negativ hervorgehobene Beispiele und manchmal Beschreibungen, die nicht das Beste von den Schülern annahmen. Das sehe ich jetzt klarer, was natürlich gut ist. Eine teilweise Erklärung ist meine große Wertschätzung für Lehrer. Mein Wunsch für dieses Buch ist, dass es Lehrkräfte auf die herausforderndsten Szenarien, in denen sie sich wiederfinden können, vorbereitet – ich meine diejenigen, die ihren Glauben an einen Erfolg des Ganzen zerstören können und Menschen dazu veranlassen, ihren Beruf aufzugeben. Es soll sie auch auf die fröhlichen und sonnigen Zeiten vorbereiten, die sie inspirieren werden und die Unterrichten zum schönsten Beruf der Welt machen. Daher habe ich hin und wieder Beispiele gewählt, die zeigen, wie Schüler ihre Lehrer fordern. Ich gehe nicht davon aus, dass junge Menschen »normalerweise« so sind. Mein Ausgangspunkt ist immer, dass Lehrer selbstverständlich die Heranwachsenden lieben, selbst oder insbesondere, wenn sie ihnen Grenzen setzen und Strukturen vorgeben. Aber ich verstehe, dass manche Beispiele sich auch anders deuten lassen. Ich bin alles noch mal durchgegangen und habe versucht, jede Andeutung, Schüler wären darauf aus, sich schlecht zu benehmen, abzuschwächen (das habe ich auch nie unterstellt). Doch es ist auch wichtig, ehrlich zu sein. Schüler in jeder Klasse, egal wo, repräsentieren einen Querschnitt der menschlichen Natur. Jede einzelne Klasse ist voll von Stärke und Schwäche, Tugend und Albernheit, Weisheit und Dummheit. Das macht den Beruf so schwierig. Ich bin dankbar, wenn Sie als Leser verstehen, dass ich manchmal Beispiele herausfordernden Verhaltens gebe, weil sie eine Realität zeigen, mit der Lehrer zu tun haben – zu oft im Stillen und ohne systematische Unterstützung.
Schließlich hat mir der Prozess der Selbstreflexion und Prüfung geholfen, klar auszudrücken, woran ich glaube. Und ich glaube, dass soziale Gerechtigkeit untrennbar mit dem Unterrichten verbunden ist und dass es zwingend zur Schule gehört, in jeder Klasse bewusst eine Kultur zu entwickeln, die jungen Menschen die bestmögliche Unterstützung bietet.
Manche Menschen fühlen sich damit nicht wohl. Für sie ist es mit Zwang verbunden, solche Kulturen zu schaffen, sie sehen darin eine Zurschaustellung von Macht und Autorität. Aber ich komme noch mal auf den sogenannten fundamentalen Attributionsfehler zurück. Wir schreiben das Verhalten anderer Menschen »dauerhaften persönlichen Eigenschaften« zu und »minimieren den Einfluss der Situation, in der sie sich befinden«. Wir sehen permanente Charaktereigenschaften – »Ihm ist alles egal« – statt einer Person, die sich vielleicht in einem anderem Kontext durchaus um ihre Angelegenheiten gut kümmern würde. Wir denken nicht genug über die Umgebung nach – »Wie schaffe ich Bedingungen, die ihn dazu bringen, sich um seine schulischen Angelegenheiten zu kümmern?« – und unterschätzen, wie Menschen auf Zeichen und Normen reagieren.
Ein anderes Gebiet der Wissenschaft, das mich beim Schreiben dieses Buchs beeinflusst hat, ist die Evolutionsbiologie. Deren Quintessenz ist, dass Menschen im Laufe der Evolution erfolgreich waren, weil sie in Gruppen zusammengearbeitet haben. Daher waren sie auch bereit, sich so zu verhalten, dass sie in die Gruppe aufgenommen wurden – aus evolutionärer Sicht ist das überlebenswichtig. Zuallererst sind wir Kulturgeschöpfe und überaus empfänglich für soziale Normen, und jeder junge Mensch verdient es, eine Klasse mit so positiven und konstruktiven Normen wie möglich zu betreten.
Lassen Sie mich anhand eines Augenblicks im Leben einer Schülerin beschreiben, was ich meine. Wir nennen sie Asha. Sie sitzt im Biologieunterricht und hat gerade eine Idee gehabt. Sie ist noch nicht zu Ende gedacht – es ist noch nichts weiter als eine Ahnung –, aber Asha fragt sich, ob sie an etwas gedacht hat, das die anderen übersehen haben. »Vielleicht ist das klug.« Sie hat ein bisschen Angst, laut zu sagen, was sie denkt. Ihre Idee könnte falsch oder – was ebenso schlimm wäre – bereits für alle anderen offensichtlich sein. Vielleicht interessiert sich sonst niemand für DNA-Rekombination und das Licht, das diese plötzlich in ihrem Kopf angeknipst hat. Vielleicht wird man zu diesem Streberkind, wenn man etwas Ernsthaftes beziehungsweise Leidenschaftliches über DNA-Rekombination sagt – zu diesem Kind, das sich zu oft meldet, sich zu sehr bemüht, das den sozialen Code bricht. Diese Gedanken haben Asha bisher dazu bewogen, sich an die Philosophie Behalt es für dich, lass niemanden deinen Intellekt sehen; geh kein Risiko ein, pass dich an zu halten. Aber in diesem Augenblick ist der Wunsch, ihren Gedanken auszusprechen, größer als ihre Angst. Sie meldet sich und wird aufgerufen.
Was als Nächstes passiert, ist von großer Bedeutung für Ashas Zukunft: Wird ihre Idee ihre Klassenkameraden interessieren? Wird sie das in ihren Gesichtern erkennen? Werden sie nicken und ihre Anerkennung zum Ausdruck bringen? Eine Folgefrage stellen? Etwas notieren? Oder werden sie gelangweilt dasitzen, sich abwenden, einen Blick auf ihre Handys werfen, sodass ihre Körpersprache ihre Gleichgültigkeit ausdrückt? »Oh, hast du etwas gesagt?« Darauf ein hämisches Grinsen. Wird der nächste Kommentar ihre Idee ignorieren? Wird es überhaupt einen nächsten Kommentar geben oder werden ihre Worte in einer Stille verebben, die ihr sagt, dass es niemanden interessiert hat, ihre Worte anzuerkennen oder Asha auch nur anzusehen, nachdem sie gesprochen hat?
Diese Fragen sind richtungsweisend für Ashas Reise. Sie werden die Beziehung beeinflussen, die sie zwischen sich, der Schule und ihren Zielen wahrnimmt. Sie ist ein lebhaftes Mädchen, voller Ideen, die sie für gewöhnlich mit niemandem teilt, und im Stillen fragt sie sich, ob jemand wie sie Ärztin werden könnte. Sie kennt niemanden, der das geschafft hat, aber manchmal denkt sie darüber nach.
Natürlich zerbrechen nicht all ihre Träume in diesem Augenblick, aber wir sollten seine Relevanz nicht übersehen. Er könnte der erste Schritt in Richtung Medizinstudium sein. Oder das letzte Mal, dass sie sich in diesem Schuljahr gemeldet hat.
Ja, es spielt eine Rolle, ob ihre Lehrerin ermutigend auf ihren Beitrag reagiert – aber vielleicht nicht so sehr wie das, was das soziale Umfeld, was Ashas Mitschüler kommunizieren. Wenn ihre Lehrerin ihren Beitrag inmitten von Verachtung und nachhallender Stille lobt, dämpft das den positiven Effekt. Die Fähigkeit der Lehrerin, in Ashas Klasse Normen zu prägen, ist mindestens ebenso wichtig wie ihre Fähigkeit, persönlich mit ihr in eine Beziehung zu treten. Beziehungen sind wichtig, aber wahrscheinlich sind die sozialen Normen, die wir schaffen, noch wichtiger. Es ist schwer, das anzuerkennen. Aber in diesem Anerkennen steckt auch eine Menge Potenzial. In vielen Klassen gibt es kein Modell von sozialen Normen, die gelten, während Asha spricht oder nachdem sie gesprochen hat und ihre Worte noch in der Luft hängen. Oder vielleicht gibt es zwar ein Modell, aber das sind nur Worte – ihre Lehrerin und vielleicht die ganze Schule glaubt nicht daran, dass in ihrer Kontrolle liegt, was in einer Klasse passiert. Ist es wirklich das Problem der Lehrkraft, ob die Mitschüler an dem interessiert sind, was die anderen sagen? Stellen Sie sich die Kopfschmerzen vor, wenn man das mit Hunderten von Schülern realisieren wollen würde, von denen es vielen »total egal« ist! Letzten Endes wird das, was in diesem und tausend anderen solchen Augenblicken geschieht, wahrscheinlich dem Zufall überlassen sein: Es kann gut laufen oder weniger gut, vielleicht ergibt sich ein Klima der Unterstützung, vielleicht aber auch ein durch und durch destruktives – so oder so sind die Folgen für Asha und ihre Klassenkameraden immens.
Doch eine annähernd ideale Kultur, in der Ashas Mitschüler mit Augenkontakt und Körpersprache kommunizieren: »Wir hören zu«; »Wir respektieren deine Idee«; »Sie interessiert uns«; »Melde dich wieder« – so eine Kultur entsteht nicht von selbst oder zufällig. Sie entsteht, wenn Erwachsene dafür sorgen, dass sie entsteht.
Lassen Sie mich zum Schluss eine kurze Parabel über etwas erzählen, das ich das Heftpflaster-Paradox nenne.
Zu Beginn seines Buchs Denken hilft zwar, nützt aber nichts: Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen, einer Studie darüber, »warum Menschen die Konsequenzen ihres Verhaltens missverstehen und daher immer wieder falsche Entscheidungen treffen«, erzählt Dan Ariely, Professor für Verhaltensökonomik und Psychologie an der Duke University, eine Geschichte über Verbände.
