Until Us: Cece - K.D. Robichaux - E-Book

Until Us: Cece E-Book

K.D. Robichaux

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Beschreibung

Ein Neustart mit Hindernissen. Ein heißer Barbesitzer, der genau weiß, was er will. Zwei Welten, die mit einem Boom kollidieren. Cece Willimsons Leben bricht entzwei, als sie von der Affäre ihres Mannes erfährt. Als Mutter von drei Mädchen muss sie nach dem Tiefschlag wieder ganz von vorne beginnen. Unterstützung findet sie in ihrer Schwester Mia, aber auch in Winston, der nicht nur als lebensechter Held, sondern auch als Boss eine unglaublich gute Figur macht. Cece ergreift die Chance, die er ihr bietet, schwört sich jedoch, sich kein weiteres Mal zu verlieben. Doch Winston ist anders. Ein Mann, der seine Ziele verfolgt und eins davon scheint die Eroberung ihres Herzens zu sein. Doch auch er hat eine Vergangenheit und diese möchte ihr Happy End offenbar um jeden Preis verhindern ... "Until Us: Cece" ist der dritte Teil der Spin-Off-Serie aus der Welt der Mayson Familie und dem Boom Factory Verlag von Aurora Rose Reynolds.

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Seitenzahl: 435

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UNTIL US: CECE

K.D. Robichaux

© Die Originalausgabe wurde 2021 unter dem

Titel UNTIL CECE von K.D. Robichaux in Zusammenarbeit mit Bookcase Literary Agency veröffentlicht.

© 2021 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Yvonne Westphal

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © VitalikRadko

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-76-9

ISBN-EPUB:978-3-903278-77-6

www.romance-edition.com

1

Cece

»Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen, okay?«

Seine Worte – achtlos ausgesprochen, gefühllos, beinahe anklagend – hallen in meiner wunderschönen Küche wider. Oder vielleicht nur in meinem Kopf. Denn meine Küche mit ihren grauen Holzdielen, den Hochglanzfronten und makellosen Marmor-Arbeitsplatten ist nicht nur einem Magazin für Inneneinrichtung würdig, sondern auch gespickt mit gemütlichen Akzenten, Leckereien, Geschirr und Haushaltsgeräten; vor allem aber steckt sie voller Erinnerungen an Liebe und Lachen – zumindest war das bis vor einer Sekunde so. Wir haben unsere ehelichen Streitereien immer auf die Privatsphäre unseres Schlafzimmers beschränkt, wo unsere Töchter uns nicht hören konnten. Nein, in meiner Küche hallt es für gewöhnlich nicht. Die lauten Worte meines Ehemanns würden hier nicht so widerklingen, wie sie es unablässig in meinem Kopf tun.

Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen, okay?

Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen, okay

Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen ...

... mit einer anderen Frau geschlafen ...

... einer anderen Frau ...

Ich schlucke schwer, vollkommen erstarrt, nicht einmal im Stande meine Hand sinken zu lassen, mit der ich immer noch den Schneebesen umklammere. Mit dem anderen Arm halte ich eine Rührschüssel im Würgegriff, weil ich gerade dabei war, die Lieblingskekse meiner drei kleinen Mädchen zu backen: Erdnussbutterkekse mit Stückchen.

Und jetzt bin ich wie paralysiert. Unfähig, zu blinzeln. Habe ich ihn richtig verstanden? Der Ausdruck auf seinem Gesicht – eine Mischung aus Ärger und Resignation – sagt mir, dass es stimmt. In meinem Kopf sieht es jedoch anders aus. Während ich versuche, zu verarbeiten, was mir soeben eröffnet wurde, färbt sich der Bildschirm in meinem Innern blau und das Unheil versprechende Laderädchen dreht sich unaufhörlich. Ich brauche jemanden, der bei mir die richtigen Knöpfe drückt. Strg + Alt + Entf. Oder bin ich ein Mac? Bitte, irgendjemand, beende sofort alle Programme und starte mich neu. Mein gesamtes System reagiert nicht mehr und muss erneut hochgefahren werden.

Zur Hölle, ich fürchte, diese einfachen Tricks würden nicht ausreichen, um die Verwüstung aufzuhalten, die sich langsam durch mein Bewusstsein frisst. Es sieht ganz so aus, als bräuchte ich eine Rücksetzung auf meine Werkseinstellungen, denn ist das alles erst in meinen Verstand gesickert, werde ich mich wohl nie wieder davon erholen. Mich in eine Schüssel Reis zu legen, um die Informationen wie schädliche Feuchtigkeit rauszuziehen, wird ebenfalls kaum helfen.

Der Absturz ist bereits in vollem Gange. Warum ziehe ich diese ganzen Elektronikvergleiche? Ich bin eine Vollzeit-Mom, kümmere mich um unser Zuhause und umsorge unsere Kinder, wie ein verdammtes Heimchen am Herd. Wie man einen Computer neustartet, weiß ich nur, weil der Bildschirm meines Laptops beim Versuch eingefroren ist, einen Pinterest-Post darüber einzustellen, wie man am besten Kaugummi aus Teppichboden entfernt: mit einer Plastiktüte voller Eiswürfel. Sobald der Kaugummi erstarrt ist, kann man ihn leicht wegkratzen, um ihn anschließend mit Seife und einem Schuss Essig zu behandeln.

Ich höre meinen Namen.

»Cece ...«

Aber es klingt weit weg, als würde das Geräusch aus großer Entfernung zu mir dringen. Vielleicht auch gedämpft, wie wenn etwas das Mikrofon des Anrufers verdeckt.

»Cece ... hörst du mir zu?«, erklingt die Stimme erneut, aber ich kann nicht antworten. Mein Bewusstsein schließt noch zu Mikes Worten auf und entscheidet sich kurzerhand dazu, mich mit einer Diashow unserer gesamten Ehe zu bombardieren. Man sagt, kurz bevor man stirbt, zieht noch mal das ganze Leben an einem vorbei. Passiert das auch, wenn dir dein Ehetod bevorsteht?

Der Moment, an dem wir uns trafen. Ich, seit kaum drei Tagen frisch gebackene Highschoolabsolventin, und er kurz vor seinem College-Abschluss. Er war ein Traumtyp und auf mein achtzehnjähriges Ich – und auch meine Libido von damals – wirkte er so viel älter und weltgewandter.

Der Moment seines Heiratsantrags, auf einem Knie bei einem Dinner mit seinen Eltern.

Unsere wunderschöne Hochzeit, bezahlt von seiner wohlhabenden Familie, weil mein Vater leider ein Drecksack war, der meiner Schwester Mia und mir nichts als einen Vaterkomplex und Verlustängste hinterlassen hat. Und obwohl mein Stiefvater der großartigste Mann auf diesem Planeten ist, konnte er sich nicht annähernd die Extravaganz leisten, die von den Willimsons erwartet wurde, um ihren Etepetete-Eindruck aufrechtzuerhalten.

Wie ich direkt in unserer Hochzeitsnacht schwanger wurde – mit Zwillingen, natürlich. Neun Jahre ist es bereits her, dass sie zur Welt kamen, noch vor unserem ersten Hochzeitstag. Das Gerücht, wir hätten nur geheiratet, weil Mike mich geschwängert hatte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Klatschmäuler waren allerdings schnell mundtot gemacht. Immerhin hatten wir die pompöse Feier über Monate geplant, und jeder, der halbwegs rechnen konnte, erinnerte alle anderen daran.

Drei Jahre später kam unsere süße Unruhestifterin Ruby zur Welt, mit der unsere kleine Familie vollzählig war. Nun ja, für Mike war sie das. Er hatte gelesen, dass die Wahrscheinlichkeit auf männlichen Nachwuchs bei unter zwanzig Prozent lag, wenn ein Paar bereits zwei Töchter hatte, dasselbe galt natürlich auch andersrum. Und bei drei Kindern desselben Geschlechts sanken die Chancen sogar auf unter zehn Prozent. Angesichts dieser geringen Aussichten auf einen Sohn war das Thema Kinderkriegen für ihn abgehakt.

Ich hingegen hätte auch hundert Babys bekommen und jedes davon gewollt. Meine Töchter sind das Zentrum meines Universums, der Grund, warum ich lebe. Warum ich atme. Nur für sie. Und bestimmt nicht für meinen Ehemann, der sich schon so lange von mir fernhält.

Beschäftigt. Er sei beschäftigt gewesen.

Er arbeitet Vollzeit, sechzig Stunden pro Woche, um für seine Frau und drei Kinder zu sorgen. Außerdem für unser großes Haus, seinen Sportwagen und den Truck sowie meinen schicken Tahoe mit all dem Schnickschnack, weil Mike verdammt sei, wenn er etwas so ... Mittelständisches wie einen Minivan kaufen würde. Lieber stirbt er, als gesehen zu werden, wie er in etwas rumfährt, das nicht mindestens sechzig Riesen gekostet hat – seine Worte, nicht meine.

Und so war es an mir, mich um unser Heim und die Kinder zu kümmern. Was ich absolut liebe, keine Frage, aber das ist eher ein glücklicher Zufall. Würde ich es nicht lieben, eine Hausfrau zu sein und jede Sekunde mit meinen Mädchen zu verbringen, dann säße ich ziemlich in der Patsche, denn genau das hat Mike aus mir gemacht. Er brauchte eine Vorzeigegattin, eine perfekte Pinterest-Mom. Er wollte, dass ich Joanna Gaines in den Schatten stelle.

Ich schnaube innerlich.

Ja, klar. Als könnte irgendjemand diese Göttin in den Schatten stellen.

Mike brauchte das alles, weil seine Mutter genau das war. Damit wir den Anschein erweckten, das perfekte Fünfzigerjahre-Ehepaar zu sein. Ich habe direkt nach der Highschool geheiratet und wurde mit Zwillingen schwanger. Ich ging nie aufs College. Himmel, ich war in meinem ganzen Leben noch nicht einmal irgendwo richtig angestellt, mit Ausnahme dieses Kellner-Jobs während meiner letzten zwei Schuljahre. Was mittlerweile zehn Jahre zurückliegt und immer noch antworte ich mit Gern geschehen, wenn sich jemand bei mir bedankt.

Ich habe mich nie beschwert. Ich führe ein gutes Leben. Ich habe mir ein absolut anbetungswürdiges Heim eingerichtet. Ich habe jede Minute mit meinen Babys verbracht und keine einzige Sekunde ihres Lebens verpasst. Ich durfte meine Tage damit verbringen, neue Rezepte auszuprobieren, mit meinen Kindern zu malen und zu basteln sowie mir viele andere tolle Dinge auszudenken, um jene Stunden zu füllen, die Mike auf der Arbeit verbrachte. Wenn er abends nach Hause kam und kurz nach dem gemeinsamen Schlafenlegen unserer Mädchen um Punkt neun ins Bett fiel, war ich ebenso erschöpft.

»Cecilia!«

Nicht das Brüllen meines vollen Vornamens dicht vor meinem Gesicht lässt mich zusammenzucken; nicht deshalb erschrecke ich so sehr, dass mir die Glasschale voller Erdnussbuttermatsch aus den Fingern rutscht und zu Boden fällt, wo sie in abertausend Splitter und Spritzer explodiert.

Es ist Mikes Hand auf meinem Oberarm. Seine Berührung, die sich wie ein siedender Schmerz in mein Innerstes frisst und die Wahrheit seiner Worte endlich vollständig zu mir durchdringen lässt.

»Fass mich nicht an!«, zische ich, im Begriff, einen Schritt zurückzumachen. Und obwohl mein Ehemann offensichtlich ein fremdgehender Mistkerl ist, empfindet er scheinbar noch genug für mich, um meinen erstarrten Körper hochzuheben, bevor ich barfuß in eine Scherbe treten kann.

Er setzt mich auf der marmornen Arbeitsplatte ab, rückt aber von mir weg, als ich mit meinen Nägeln in sein Gesicht fassen will. Er tritt in den matschigen Teig, rutscht aus und bekommt gerade noch den Kühlschrankgriff zu fassen, bevor er auf dem Boden aufschlagen kann.

Schade eigentlich.

»Cece, ich weiß, du bist mitgenommen ...«

»Mitgenommen? Mitgenommen!«

»... aber das kann kein großer Schock für dich sein. Wir sind seit Jahren nicht mehr glücklich«, redet er weiter, als stünde ich nicht kurz davor, den Messerblock leerzuräumen und ihm alle Klingen gleichzeitig an den Kopf zu werfen.

»Oh, waren wir nicht? Das ist mir neu, Mike! Ich war nämlich ziemlich glücklich damit, dir das perfekte Heim zu geben, deine Babys aufzuziehen und mich einfach um alles zu kümmern, während du arbeiten gehst. Wo wir gerade davon sprechen, wann hattest du überhaupt Zeit, mit einer anderen zu schlafen? Soweit ich weiß, warst du nämlich immer entweder auf der Arbeit oder hier. Also wann?« Ich starre ihn nieder, und wenn Blicke töten könnten, müsste ich jetzt einen Gerichtsmediziner für meinen Ehemann herbestellen, mit dem ich zehn Jahre verheiratet war.

»Du hast recht«, sagt er und seine Mimik unterstreicht diese Worte.

»Du hast mit einer Kollegin geschlafen?«, schlussfolgere ich. Meine Stimme hat mittlerweile eine Oktave erreicht, die mit Sicherheit nur die Hunde meiner Schwester hören können. Ich schaue ihn voller Abscheu an. »Das ist einfach ... so ein beschissenes Klischee, Mike. Ernsthaft? Deine Kollegin vögeln, während deine Frau zu Hause dein Abendessen kocht? Du bist erbärmlich.« Ich drehe mich auf der blanken Arbeitsfläche um und springe auf der anderen Seite der Kücheninsel runter.

»Das mag sein, aber ich bin immer noch ein Mann, Cece. Ich habe Bedürfnisse. Und du hast nie Lust ...«

»Wag es nicht, mir die Schuld zu geben, Michael! Wenn du so dringend Sex mit deiner Frau haben wolltest, dann hättest du dir vielleicht ab und zu ein bisschen Mühe geben sollen. Damit sie sich nicht fühlt, als wäre sie nur deine Hausangestellte, Nanny und persönliche Köchin!«

»Was willst du denn noch? Ich sorge für dich und die Mädchen, und du hast alles, was du dir je wünschen könntest. Dir stehen unbegrenzt Mittel zur Verfügung, mit denen du dir kaufen kannst, was auch immer du willst!«, ruft er, aber ich schüttle den Kopf, noch bevor er diesen unfassbar idiotischen Gedankengang zu Ende führen kann.

»Wann hast du mich das letzte Mal ausgeführt? Wann hast du mich zuletzt beim Nach-Hause-Kommen mit einem Kuss begrüßt? Mir gesagt, dass du mich liebst? Oder mir einfach nur eine Nachricht geschickt, um zu fragen, wie mein Tag läuft?«

Sein Mund öffnet und schließt sich wie der eines Fisches. Mit Sicherheit sucht er nach einer Ausrede, aber ich gebe ihm nicht die Chance, sie mir aufzutischen. Ich bin fertig mit dieser Unterhaltung und will nur, dass er mir endlich aus den Augen geht.

»Raus. Sofort. Verschwinde aus diesem Haus, bevor du die Mädchen mit deiner absoluten Dämlichkeit aufweckst. Oder mich dazu zwingst, weil sie dann gleich hören, wie ich ihren Vater kastriere. Raus. Hier!«

Ich hebe seine Laptoptasche auf, die mir sonst wahnsinnig schwer vorkommt, wenn ich sie morgens mit meinen perfekt gepackten Lunchboxen gefüllt neben dem Eingang abgestellt habe. Doch dank meines Adrenalinrausches erscheint sie mir nun federleicht. Ich schleudere sie mit aller Kraft von mir. Er fängt sie panisch auf, und als sie gegen seine Brust prallt, stöhnt er leise auf.

Er sagt kein Wort mehr. Entschuldigt sich nicht einmal dafür, dass er nach Hause gekommen ist und meine Welt in Brand gesetzt hat. Ohne einen weiteren Blick in meine Richtung dreht er sich um und geht durch die Haustür, ehe er diese leise schließt. Dann höre ich, wie der elektronische Riegel hinter ihm absperrt.

2

Cece

Es ist jetzt eine Woche her, seit ich Mike rausgeschmissen habe. Eine Woche, in der ich meinen Töchtern eine heile Welt vorspielte, bloß um jeden Abend zusammenzubrechen, sobald sie in ihren Betten lagen. Bisher ist es mir gelungen, ihre Fragen nach ihrem Dad abzuwehren. Ich erklärte ihnen, dass ein ganz besonderes Projekt auf der Arbeit so viel seiner Zeit beanspruchen würde und dass er deshalb erst heimkam, wenn sie im Bett waren. Und morgens müsse er schon los, bevor sie aufstehen. Ich fühle mich unendlich schuldig, sie anzulügen, deswegen habe ich heute Morgen beschlossen, damit aufzuhören.

Warum um alles in der Welt beschütze ich den Mann, der mich betrogen und mein Leben zerstört hat?

Bevor ich ihnen jedoch die Wahrheit sagen kann, brauche ich Unterstützung. Ich werde das alles auf keinen Fall allein schaffen. Das ist eine ganz einfache Beobachtung, basierend auf Logistik und Einkommen.

Aus diesem Grund habe ich vergangene Nacht noch einmal mit Mike gesprochen. Fürs Erste wird er mir eine Summe überweisen, damit ich mich weiterhin um das Haus und die Mädchen kümmern kann. Ich habe ihm allerdings klargemacht, dass ich danach keinen Cent mehr von ihm will. Klassischer Fall von Stolz, der mit wehender Mähne protestierte, als Mike mir anbot, mir alles zu geben, was ich bräuchte. Ich bin eine verdammte Vollzeit-Mom. Wenn ich neun Jahre zu Hause mit Zwillingen und einer Ruby überleben kann, schaffe ich verflucht noch mal alles.

Okay, Mike ist derjenige, der sich immer mit den Rechnungen und den ganzen anderen Verpflichtungen rumgeschlagen hat. Daher habe ich keine Ahnung, was unser Lebensstil kostet. Dennoch ... Wie viel kann das schon sein? Ein kleiner Nebenverdienst aus einem Teilzeitjob zusätzlich zu dem Geld, das mir Mike auf mein brandneues Bankkonto überweisen wird – das erste, das ich jemals besaß –, sollte ausreichen. Mir ist klar, dass ich vermutlich bei einigen Dingen kürzertreten muss, zum Beispiel bei Friseurbesuchen, meiner ziemlich überteuerten Mitgliedschaft im Fitnessstudio und vielleicht gebe ich von nun an auch keine zwanzig Dollar mehr für einen Fingerhut voll Paprikagewürz im Sur la Table aus.

Was von allen notwendigen Ausgaben aber oberste Priorität hat, und damit unangefochten an der Spitze meiner Liste steht, die ich aufgesetzt habe, nachdem ich aus dem Ich kann nicht glauben, dass mir das wirklich passiert-Nebel aufgetaucht bin, ist die Kinderbetreuung. Bereits nach kurzer Recherche wurde mir klar, dass ich als erwerbstätige Mutter mit geregelten Arbeitszeiten eine Nachmittagsbetreuung brauchen werde. Eine, die mich selbst für die wenigen Stunden nach der Schule fast genauso viel kostet, wie ich bei meiner Qualifikation in einem Job verdienen könnte. Was daran liegt, dass ich kaum irgendwelche Erfahrung, geschweige denn einen Studienabschluss vorweisen kann. Daher brauche ich eine Alternative.

Eine vorübergehende Alternative.

Das hier ist nur ein kleines Schlagloch, bevor wir wieder voll auf Spur sind.

Neben meinen nächtlichen Heulkrämpfen habe ich mich stundenlang über Ehen und Untreue schlau gemacht. Mit genug Glauben an uns als Paar und der Hilfe eines Eheberaters besteht Hoffnung, dass wir wieder glücklich werden. Oder zumindest glücklicher, als wir es in den letzten Jahren waren. Ich habe unzählige Artikel und Erfahrungsberichte darüber gelesen, wie Paare selbst nach einem Seitensprung wieder zueinanderfanden und nach dem Trauerprozess und einer Paartherapie glücklicher waren als jemals zuvor. Das könnten wir auch schaffen, oder? Ist das hier vielleicht der Defibrillator, den wir gebraucht haben, um unsere Beziehung wiederzubeleben?

Mir vorzustellen, wie ich mit Mike Sex habe, nachdem er mit einer anderen im Bett war, macht mich krank. Ich bin aber sicher, über diese Sache hinwegkommen zu können, die – davon bin ich überzeugt – viel damit zu tun hat, dass ich Mike meine Jungfräulichkeit geschenkt habe. Er ist der einzige Mann, mit dem ich jemals zusammen war. Daher hat der Gedanke an meinen Ehemann mit einer anderen Frau natürlich einen kleinen Beigeschmack von ... Eifersucht? Keine Ahnung. Ich bin nicht eifersüchtig auf die andere Frau. Mehr auf die Tatsache, dass er Erfahrungen mit jemand anderes sammeln durfte, obwohl ich das nie konnte. Ich meine, er war definitiv keine Jungfrau mehr, als wir zusammenkamen, aber ... soweit ich wusste, gab es in den letzten zehn Jahren nur mich. Die anderen Frauen vor mir spielen keine Rolle für mich. Aber jetzt? Es ist verdammt unfair, dass er munter Schäferstündchen schieben kann, während ich mich kaum an mein letztes Mal erinnern kann. Ganz zu schweigen an meinen letzten Orgasmus. Denn das ist bei Weitem nicht jedes Mal passiert, wenn wir Sex hatten ... wann auch immer das war.

Es ist lächerlich, darüber nachzudenken. Über die Eifersucht, meine ich. Als ich Ruby bekommen habe, verlor ich den Großteil, wenn nicht meine gesamte Libido. Es half sicherlich nicht, dass Mike nicht unbedingt zu den Männern gehört, die mit Zärtlichkeit um sich werfen. Sobald unser drittes Baby da war, wollte ich nicht mehr berührt werden. Ich hatte unsere dreijährigen Zwillinge, Lola und Kate, die den ganzen Tag auf mir herumkletterten, und dazu ein Neugeborenes ... Wenn ich abends ins Bett fiel, war mein Bedarf an körperlicher Zuneigung mehr als gedeckt. Du bleibst auf deiner Seite und ich auf meiner. Ich wollte nur alle viere von mir strecken und um Himmels Willen in Ruhe gelassen werden, dann schlief ich auch innerhalb von Sekunden ein.

Wenn wir dann mal Sex hatten, fühlte es sich zu einhundert Prozent wie Arbeit an. Null Leidenschaft. Nicht einmal Lust, es wirklich zu tun, aber ich fühlte mich irgendwie ... verpflichtet. Unser Jahrestag. Vielleicht auch mal ein Geburtstag. Seiner, versteht sich. An meinem wollte ich einfach in Ruhe gelassen werden.

Daher konnte ich mir schon vorstellen, wie die Affäre zustande gekommen ist. Das ist aber keine Rechtfertigung dafür, und ich sollte definitiv nicht allein die Schuld dafür tragen. Er hätte etwas sagen können! Wir hätten uns einen Eheberater gesucht. Ich meine, es gibt diese Sex-Therapeuten schließlich nicht ohne Grund, oder? Egal wie, wir hätten es innerhalb unserer Ehe lösen müssen und nicht außerhalb. Das ist etwas, das der Ehemann und die Ehefrau hätten lösen müssen. Partner im Leben und allen anderen Dingen.

Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist es verdammt lang her, dass Mike und ich im selben Team spielten. Falls wir das je waren. Es hat sich seit jeher vielmehr so angefühlt, als wäre er die gesamte Mannschaft und ich nur das Mädchen fürs Wasser. Es war nie halbe-halbe aufgeteilt. Er hat mich nie als gleichgestellt betrachtet, und das hat mir wiederum das Gefühl gegeben, als wäre ich noch weniger wert.

Ich reiße mich von meinen Gedanken los und schaue auf das Handy in meiner Hand. Mein Finger schwebt über dem Kontakt meiner Schwester. Bisher habe ich noch kein Wort über das verloren, was letzte Woche passiert ist. Ich habe keine wirklichen Freundinnen. Ich war immer zu beschäftigt, um das Haus zu verlassen und Freundschaften zu schließen. Keine Ahnung, ob ich vielleicht zickig rüberkomme, aber wann immer ich mich diesen Müttertreffen anschließen wollte, haben mich die Frauen meist gemieden. Da ich allgemein nicht zu den geselligsten Menschen dieses Landes zähle – ich ziehe die Gesellschaft meiner Kinder der aller Erwachsenen vor –, war das Thema für mich schnell abgehakt.

Ich atme tief ein, wähle die Nummer auf dem Display, und während es zu klingeln beginnt, atme ich wieder aus und halte mir das Telefon ans Ohr.

Sie nimmt beim dritten Klingeln ab. »Hey, große Schwester.«

Zum ersten Mal seit einer Woche gilt mein Lächeln nicht ausschließlich meinen Babys, obwohl es sich beinahe fremd anfühlt. »Mia, wie geht es dir?«

»Ich kann mich nicht beschweren. Was ist mit dir? Alles gut? Du klingst ein bisschen niedergeschlagen.« Bei ihren Worten schüttle ich den Kopf. Nur Mia ist in der Lage, zu spüren, was ich so verzweifelt zu verstecken versuche. Schwesterliche Intuition, vermutlich.

»Ich ...« Ich schlucke, doch plötzlich schwillt der Kloß in meiner Kehle weiter an, bis ich glaube, zu ersticken. Tränen brennen mir in den Augen, obwohl ich mittlerweile ausgetrocknet sein müsste, und meine Lunge steht förmlich in Flammen, weil sie nicht genug Sauerstoff bekommt.

»Cece, was ist los? Geht es den Mädchen gut?« Mias Stimme ist jetzt voller Sorge, und ich hasse mich dafür, dass ich der Grund dafür bin.

Dann bricht alles auf einmal aus mir heraus. »Die Mädchen sind in bester Ordnung, sie sind in der Schule. Ich habe ihn rausgeschmissen, Mia. Er hat mich betrogen und ich habe ihn vor die Tür gesetzt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich schaffe das alles nicht allein. Ich muss die Mädchen in die Nachmittagsbetreuung geben, aber das würde genauso viel kosten, wie ich verdienen könnte, also wozu überhaupt ein Job? Was soll ich machen? Ich kann nichts, außer Hausfrau und Mutter zu sein. Ich war für die letzten zehn Jahre eine Vollzeit-Mom. Wie soll ich eine Stelle finden, wenn ich fast dreißig bin und nie gearbeitet habe? Mia, ich brauche dich. Ich habe sonst niemanden. Du musst mir helfen und herkommen, nur für ein paar Wochen. Nur so lange, bis ich mein Leben wieder halbwegs im Griff habe. Denn jetzt gerade kann ich das einfach nicht. Ich kann es nicht allein, und du bist die Einzige, die ich habe. Also bitte, bitte komm und hilf mir. Ich brauche dich.«

Stille. Totenstille.

Ich habe eine Flut von Fragen erwartet. Schock, Empörung um meinetwillen, Androhungen von körperlicher Gewalt, wie ich meine Schwester kenne. Aber alles, was nun vorherrscht, ist Stille.

Und dann ...

»Atme einfach weiter. Ich fahre sofort los. Ich liebe dich.«

Und dann ist die Leitung tot.

Meine Schwester hat keine Zeit verschwendet. Innerhalb einer Stunde schickte sie mir ihre Flugroute und hinterließ bei ihrer Arbeitsstelle eine Notiz, dass sie wegen eines dringenden Notfalls in der Familie für ein paar Wochen ausfallen wird. Um sieben Uhr abends war ich am Flughafen, um auf sie zu warten.

Mia:

Bin grad an der Gepäckausgabe angekommen.

Ich:

Ich warte gleich vor der Tür auf dich.

Begeisterung schießt durch meinen Körper. Ich habe meine Schwester seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen, obwohl es in Wahrheit nur ein paar Monate her ist, dass wir das letzte Mal zu Thanksgiving in Montana waren.

Ich lenke mein Auto von dem Besucherparkplatz und folge der Straße, die eigens für das Abholen von Passagieren reserviert ist und einmal um den Flughafen herumführt. Kaum dass ich vor dem Zugang zur Gepäckausgabe vorfahre, entdecke ich sie auch schon. Sie schiebt einen Gepäckwagen vor sich her, auf dem sich mehrere Koffer stapeln, deren Anblick mich erleichtert. Mia ist nicht der Typ Frau, die für einen Kurztrip eine Vielzahl unnötiger Sachen mitschleppt. Zu sehen, dass sie offenbar ihre gesamte Wohnung mitgebracht hat, zeigt mir, dass sie wirklich darauf vorbereitet ist, solange zu bleiben, wie ich sie brauche.

Ich ziehe die Handbremse an und steige aus, um den Wagen zu umrunden. Genau in diesem Augenblick kommt Mia von der anderen Seite und zieht mich stürmisch an sich. Ich sinke in ihre Umarmung, erlaube dieser tröstenden Geste von meinem Lieblingsmenschen, mich mit Erleichterung zu fluten. Plötzlich fühlt es sich an, als wäre die Hälfte des Gewichts von meinen Schultern genommen worden. Allein durch die Tatsache, dass meine Schwester jetzt da ist, um mir durch die schlimmste Zeit meines Lebens zu helfen.

»Schwesterherz, so sehr ich diese Umarmung auch liebe, aber der Parkaufseher grillt uns schon mit seinem Blick«, erklärt sie mit ächzender Stimme, die mir deutlich macht, dass ich sie beinahe zerquetsche. Schnell trete ich einen Schritt zurück.

»Sorry. Lass uns deinen Kram einladen«, antworte ich und öffne den Kofferraum. Kaum dass er offen ist, quietschen die Mädchen fröhlich vom Rücksitz.

»Mimiiii!« Bis zu diesem Moment waren sie damit beschäftigt, einen Film auf dem runterklappbaren Display zu schauen, das im Fahrzeugdach des Tahoes eingebaut ist. Sie hatten keine Ahnung, dass wir hier ihre Tante abholen würden. Ich dachte, sie könnten eine kleine Überraschung vertragen, bevor ich die Bombe platzen lasse.

»Hey, meine Lieblings-Zwerge!« Mia grinst breit, und nachdem wir ihre Koffer verladen haben und sie den Wagen zurückgebracht hat, fädle ich mich in den Verkehr ein, begleitet von einer wahren Fragenflut meiner Mädchen.

»Wir wussten gar nicht, dass du kommst.«

»Was machst du denn hier?«

»Wie lange bleibst du?«

»Schläfst du in meinem Zimmer?«

»Das ist nicht fair! Sie sollte in meinem Zimmer schlafen.«

»Nein, in meinem!«

Mia macht sich nicht einmal die Mühe, irgendetwas davon zu kommentieren, weil sich die Mädchen in ein Wortgefecht verstricken und ihr schon nicht mehr zuhören. Wir werden ohnehin eine lange Unterhaltung führen, sobald wir zu Hause sind, und all ihre Fragen beantworten. Stattdessen streckt Mia die Hand nach der Mittelkonsole aus und legt ihre Finger auf meine. Erneut erlaube ich der Wärme ihrer Haut, mein gebrochenes Herz zu heilen.

Eine Stunde später stapeln sich Mias Koffer im Flur an der Wand zwischen Lolas und Kates Zimmern, direkt gegenüber von Rubys Zimmer. Wir setzen uns unten zusammen an die Kücheninsel. Ich atme tief durch und zwinge mich dazu, ruhig und gefasst zu bleiben, wenn ich ihnen gleich alles erzähle. Wenn ich es schaffe, die Tränen zurückzuhalten und nicht preiszugeben, wie zerstört ich bin, werden sie vielleicht nicht so traurig sein.

»Also, Mädchen. Es gibt einen Grund, warum Tante Mia hier ist, und ich will, dass ihr wisst, wie sehr ich euch liebe, egal was passiert. Wir sind für euch da. Ihr könnt uns so viel fragen, wie ihr wollt, und über die Situation denken und fühlen, was auch immer ihr denkt und fühlt, okay?« Wie ich ihnen das so sage, die Hände im Schoß verkrampft, lese ich in ihren kleinen Gesichtern, wie sie versuchen, meinen Worten Sinn zu geben.

»Was ist los, Mommy?« Lola rutscht auf ihrem Stuhl herum.

»Tja ...« Ich sehe kurz zu Mia, die mich ermunternd anlächelt. »Dein Daddy ist fürs Erste von Zuhause ausgezogen. Er, ähm ...« Wie erkläre ich das meinen Kindern? Sie sind erst neun und sechs Jahre alt. Ich kann seine Untreue nicht offenbaren, ohne einen Tsunami von Fragen über Sex heraufzubeschwören. Bisher haben wir nie über ein solches Thema gesprochen.

»Ist er jetzt in sein Büro gezogen?« Süße, süße Ruby.

Angesichts der Tatsache, wie viel Zeit er im Büro verbracht hat, anstatt bei seinen Kindern zu sein, lassen mich ihre Worte hart schlucken. Und er hat das freiwillig gemacht. Seine Position in der Werbeagentur sollte eigentlich ein Vierzig-Stunden-Job sein, aber er übernimmt zusätzliche Arbeit und Dinge, die er eigentlich delegieren könnte. Was mich, wie mir jetzt auffällt, schon immer frustriert hat. Er bekommt sein Gehalt so oder so, und egal, wie viele Überstunden er leistet, er wird nicht höher bezahlt. Daher hat mir seine Ausrede, all diese Extrastunden würden dazu dienen, mich und die Mädchen zu versorgen, nie wirklich gefallen. Aber ich habe nichts gesagt, weil es mich glücklich gemacht hat, mit meinen Babys daheim zu sein.

»Nein, Süße. Er ist erst einmal zu Grandma und Grandpa gezogen«, antworte ich, unsicher, wie ich weitermachen soll.

»Für wie lange?«, hakt Lola nach.

»Warum?«, will Kate gleichzeitig wissen.

Ich schlucke schwer, während mir Mia über den Rücken streicht. »Tja ... ich weiß nicht, wie lange. Und, na ja, manchmal verstehen sich Mommys und Daddys nicht mehr so gut, also nehmen sie sich eine Auszeit voneinander.«

»Hat das was damit zu tun, dass ihr in eurem Zimmer immer schreit?« Ruby schaut mich an, den Kopf zur Seite geneigt, und ich rücke überrascht ein Stück zurück. Letzte Woche hatten wir uns in der Küche gestritten. Unser Schlafzimmer liegt jedoch auf der entgegengesetzten Seite des Hauses.

»Baby, hast du gehört, wie wir in unserem Zimmer laut wurden?« Meine Stimme ist nur ein Krächzen. Mein Atem kommt stoßweise, in einem jämmerlichen Versuch, die Fassung zu bewahren.

»Na ja, schon, Mommy. Oft. Aber meine Freundin sagt, ihre Eltern schreien auch immer in ihrem Zimmer rum, also habe ich mir nie Sorgen gemacht. So was tun Erwachsene einfach.« Sie zuckt mit den Schultern.

Ich beiße mir auf die Lippe, während ich mich frage, ob die Eltern ihrer Freundin in ihrem Schlafzimmer vor Lust schreien oder wie Mike und ich ausgewachsene Schreikämpfe darüber führen, wie viel mehr ich mit den Mädchen tun sollte, als ich ohnehin schon tue. Statt mit ihnen zu zeichnen und zu basteln, sollte ich ihnen die Grundrechenarten und so was beibringen, damit sie in höhere Leistungskurse aufsteigen können. Anstatt mit ihnen auf der Couch zu kuscheln und einen Film zu schauen, hätte ich sie zu mehr außerschulischen Aktivitäten anmelden sollen. Und ihnen den Spaß am Kochen und Backen näherzubringen, war offenbar auch falsch, weil sie stattdessen ihre Nase in Schulbücher stecken sollten, während ich sie bewirte, als wäre es nicht wichtig, dass sie sich einmal selbst versorgen können.

»Werdet ihr euch scheiden lassen?«, fragt Kate, und mein Blick huscht zu ihr.

»Nein, Baby. Ich meine, wir haben nie über eine Scheidung gesprochen. Gerade nehmen wir uns nur eine Auszeit, okay?«, versichere ich ihr, und das ist die Wahrheit. Keiner von uns hat ein Wort über Scheidung verloren. Kate weiß genauso viel wie ich, wenn es darum geht, meine Ehe mit Mike aufzulösen.

»Und wie lange bleibt Mimi hier? Ist sie da, um dir Gesellschaft zu leisten? Hast du dich ohne Daddy allein gefühlt?« Rubys Gesichtsausdruck wird traurig bei dem Gedanken daran, dass ich einsam sein könnte. Gott, ich liebe meine Kinder.

»Ich bleibe hier, solange eure Mom mich braucht«, versichert Mia mit einem breiten Grinsen.

»Und ich brauche sie, weil ich einen Job finden muss, damit ich mich um uns kümmern kann«, füge ich hinzu, als sich Verwirrung auf den Gesichtern der Kinder ausbreitet.

»Aber ich dachte, deswegen arbeitet Daddy so viel. Damit er sich um uns kümmern kann«, wirft Lola ein, und ich unterdrücke den Drang, mit den Augen zu rollen. Sie müssen den Grund nicht erfahren, aus dem ihr Dad immer Überstunden macht. Zumindest nicht, dass er in dieser Zeit wenigstens einmal eine Kollegin flachgelegt hat.

Stattdessen nicke ich. »Das stimmt, Baby. Aber für eine Weile werden es nur wir vier sein, also muss ich eigenes Geld verdienen, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Euer Vater wird nicht mehr für alles aufkommen. Aber das ist okay, denn wir Mädchen können auch ohne die Hilfe von stinkigen Jungs auf uns aufpassen, richtig?«

Kate und Ruby lachen, wie ich es beabsichtigt habe, aber Lola kann ich nicht hinters Licht führen. Sie war schon immer meine kleine intuitive Seele; sie hat stets gespürt, wenn etwas nicht stimmt, vor allem mit mir. Sie lässt ihren ruhigen Blick wandern, von mir zu Mia und wieder zurück. »Mimi, du kannst mein Zimmer haben. Ich schlafe bei Mommy.« Sie sagt es mit einer Überzeugung, die keinen Raum für Diskussion lässt, als wäre sie schon eine Erwachsene.

Ich will sie in diesem Augenblick so fest umarmen.

»Du kannst auf jeden Fall heute Nacht bei mir schlafen, aber dann werden wir dich bei Kate einquartieren, so wie wir es immer tun, wenn wir Gäste haben«, informiere ich sie trotzdem. Lola hat ein Queensize-Bett und Kate ein ebenso breites Stockbett, damit ihre Freunde hier übernachten können. Letzteres ist so groß, dass sich noch nie jemand beschwert hat. Die meiste Zeit verbringen meine Mädchen ohnehin in Kates Zimmer, wo sie am Wochenende zusammen spielen oder einen Film anschauen. Ich war immer so glücklich, dass meine Kinder genauso eng miteinander verbunden sind wie meine Schwester und ich.

»Habt ihr noch irgendwelche Fragen?«, erkundigt sich Mia. Die drei schütteln die Köpfe und wirken ... nicht uninteressiert, aber als wüssten sie nicht, was sie denken sollen.

Ruby springt von ihrem Sitz und rennt um die Kücheninsel herum, um Mia zu umarmen. »Ich bin so froh, dass du hier bist, Mimi. Jetzt wird Mommy vielleicht nicht mehr weinen.« Das Herz wird mir schwer. Ich dachte, ich hätte meine Gefühle gut verborgen, aber meine Kinder haben mich nur nicht darauf angesprochen.

»Ich bin auch froh, kleines Zwerglein. Und jetzt lasst uns ins Bett gehen. Ich bin hundemüde.« Mia wirft mir einen Blick zu, der sagt, dass sie die Mädchen unter Kontrolle hat, und ich nicke.

Während sie die Kleinen hochbringt, spüle ich die Auflaufform aus, die ich nach dem Abendessen eingeweicht habe, und stelle sie ins Abtropfgitter. Dann hole ich zwei Weingläser aus dem Schrank und die Flasche Moscato aus dem Kühlschrank, den ich früher am Tag zum Kühlen hineingestellt habe. Ich bin keine große Trinkerin, aber wenn ich mir einen Tropfen gönne, dann meist von einem süßen Wein. Zwar wollte ich schon immer mal andere Alkoholsorten probieren, aber ich habe so ziemlich alle üblichen Partyjahre im Leben verpasst. Anstatt zu feiern, war ich mit einundzwanzig zu Hause und habe auf zwei Neugeborene aufgepasst, während ich lernte, die perfekte Ehefrau zu sein. Und laut Mike besitzt eine Frau keinerlei Klasse, wenn sie etwas anderes als ein Glas Wein trinkt, also blieb mir nur der.

Der Gedanke ist jedoch interessant und bringt mich auf eine Idee, die ich ausspreche, als Mia wieder zurück in die Küche kommt. »Was ist mit einer Bar? Ich könnte doch kellnern, oder? Sicherlich braucht man keinen Hochschulabschluss, um Teller und Getränke zu servieren.«

Sie nickt. »Das wäre eine Idee. Obwohl es mich nicht wundern würde, wenn sie Gastronomieerfahrung voraussetzen, um dich zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.«

Ich fülle die zwei Gläser und schiebe eins davon über die Kücheninsel zu Mia. »Genau das Problem habe ich, wann immer ich die Ausschreibungen betrachte. Alle fordern Erfahrung, aber wie kann ich welche sammeln, wenn mich niemand anstellt? Ich habe mich für eine Empfangstätigkeit beworben, wo ich nur Anrufe annehmen musste, und selbst die haben mich abgelehnt, weil man dafür mindestens drei Jahre Berufserfahrung braucht. Drei Jahre. Nur, um ein dämliches Telefon zu bedienen?«

»Hast du dich übers Internet, per Handy oder persönlich beworben? Ich weiß, dass eine persönliche Bewerbung besser funktioniert, weil sie dich nicht ignorieren und wegschicken können. Zum Glück hatte meine Schule eine Kooperation mit der lokalen Pflegeeinrichtung. Ich musste mich gar nicht erst als Pflegerin bewerben, die kamen zu uns.« Sie trinkt einen Schluck aus ihrem Glas, bevor sie es abstellt. Sie ist selbst auch keine leidenschaftliche Trinkerin, aber der heutige Abend hat nach etwas Stärkerem verlangt als dem süßen Tee, den ich uns zuvor gekocht habe.

»Übers Telefon. Ich habe die Anzeige online entdeckt und dort angerufen. Ich war noch nirgendwo persönlich«, erkläre ich mit einem ungewohnten Anflug von Neid, weil meine Schwester nach der Highschool direkt aufs College gegangen ist. Sie wusste genau, was sie werden wollte. Da sie schon immer das Helfergen hatte, war es keine Überraschung, als sie eine zertifizierte Pflegefachkraft wurde.

»Wie wäre es hiermit: Morgen sehen wir zwei die lokalen Angebotsseiten durch. Da finden wir vielleicht eher Einstiegsjobs als auf den großen Karriereseiten. Wir machen eine Liste von allen Stellen, die dich interessieren, dann fahren wir hin und sprechen persönlich mit den Arbeitgebern. Genauer gesagt sprichst du persönlich mit ihnen. Ich warte im Auto. Ich glaube nicht, dass es den besten Eindruck macht, deine kleine Schwester mitzubringen, damit sie dir die Hand hält.« Sie grinst, und ich muss kichern.

Dann atme ich vor Erleichterung tief durch. Nun habe ich jemanden an meiner Seite, der mir hilft, den Kopf über Wasser und das Ziel vor Augen zu halten. Als ich jedes noch so kleine Detail allein überblicken musste, erschien die gesamte Situation völlig überwältigend und nicht machbar.

»Das klingt nach einem perfekten Plan. Ich bin so froh, dass du hier bist, Schwesterchen.« Ich hoffe, mein Gesichtsausdruck unterstreicht, wie ernst ich das meine.

»Immer«, antwortet sie, und nachdem sie mich ein letztes Mal fest umarmt hat, gehen wir beide ins Bett.

3

Winston

»Talia ist schwanger und hat sich zum dritten Mal diese Woche wegen der Morgenübelkeit krankgemeldet. Vonetta macht in einem Monat ihren Abschluss, danach wird sie sich mit ihrem Diplom einen entsprechenden Job suchen. Marcy kann nur tagsüber arbeiten, und ich komme hier wirklich ins Schwimmen, Winston. Wir müssen mehr Personal einstellen oder ich kriege einen verdammten Herzinfarkt!« Stephanies Stimme schrillt derart durch den Lautsprecher, dass ich das Handy von meinem Ohr weghalten und das Gesicht verziehen muss.

»Steph, atme einfach mal durch. Du hast meine Erlaubnis, so viel Personal einzustellen, wie du benötigst. Mach einfach. Ich vertraue dir. Aus diesem Grund habe ich dich zur Geschäftsführerin ernannt«, erkläre ich und höre sie erleichtert seufzen.

»Gott sei Dank. Also ist es für dich in Ordnung, wenn ich unsere Firmenkarte benutze, um eine Stellenanzeige aufzugeben? Ich kann das Inserat kostenlos auf den Lokalseiten einstellen, die großen Portale verlangen hingegen etwas dafür.«

»Wie wäre es, wenn wir es zuerst über die Lokalseiten versuchen, und wenn wir niemanden finden, können wir immer noch die großen Geschütze auffahren.« Nicht, dass ich mir eine solche Anzeige nicht leisten kann. Aber warum Geld ausgeben, wenn ich es vielleicht gar nicht muss? Und welche Kellnerin sucht auf den Karriereseiten nach einer Stelle in einer Grill-Bar? Kaum jemand, und nicht viele möchten für immer im Service arbeiten. Nur Stephanie ist schon seit Jahren dabei. Zuerst jobbte sie hier nebenbei, um ihr Studium zu finanzieren. Als sie ihr Wirtschaftsdiplom in der Tasche hatte, bot ich ihr eine Führungsposition mit festem Gehalt an. Sie hat die Chance ergriffen.

»Klingt gut, Boss. Ich melde mich später. Drück deinen kleinen Mann von mir«, sagt sie, und nachdem ich es ihr versprochen habe, beenden wir das Telefonat.

Ich sehe hinüber zu Nick, meinem sieben Jahre alten Sohn, der gerade das Omelette hinunterschlingt, das ich ihm zum Frühstück gemacht habe. Als er auch seinen Orangensaft leert – frisch gepresst, weil ich einer dieser Väter bin –, muss ich lächeln. Dann springt er von seinem Stuhl und wuchtet sich seinen Rucksack auf den Rücken, der größer ist als er selbst. Ich sehe ihm dabei zu, wie er seinen Teller und sein Glas nimmt, auf den kleinen Hocker vor dem Spülbecken steigt und das Geschirr sorgsam hineinlegt. Anschließend hüpft er wieder runter und landet in einer verrückten Ninja-Pose, bevor er mit Vollgas auf mich zurennt. Ich stehe auf, um ihn aufzufangen, und kann mich gar nicht an seinem Lachen satthören.

»Bereit für einen tollen Tag in der Schule?«, frage ich und küsse ihn auf die Schläfe, ehe ich ihn wieder auf die Füße stelle.

Er nickt übermütig. »Ja! Heute haben wir Sport, und wir spielen Völkerball.«

»Als ich so alt war wie du, habe ich Völkerball auch geliebt«, sage ich und raufe ihm durch die Haare, die genauso dunkel und kurz sind wie meine.

»Kann ich nach der Schule zurückkommen, Dad? Ich will bei dir bleiben.« Er sieht mich flehend an, und mein Herz bricht, wie jedes Mal, wenn er mich das fragt.

»Heute nicht, Kumpel. Aber du bist nächsten Montag wieder hier«, versichere ich ihm und hoffe insgeheim, dass Steph mehr Angestellte findet, damit ich keine Überstunden schieben muss, um das Arbeitspensum zu schaffen. Normalerweise übernehme ich die Tagschicht, während Nick bei mir ist, und die Nachtschicht an den Wochenenden. So kann ich die meiste Zeit mit meinem Sohn verbringen. Wenn er aber nicht bei mir ist, arbeite ich auch wochentags in der Nacht, weil es viel zu tun gibt und mich mein Team braucht. Es war verdammt anstrengend, diesen Zeitplan mit seiner Mom auszuhandeln, wie alles andere, das mit Corina zu tun hat. Wir teilen uns das Sorgerecht, und zwar genau fünfzig-fünfzig, was bedeutet, dass er jede zweite Woche bei mir verbringt. Immer von Montagabend an. Heute wird ihn seine Mom von der Schule abholen und wir werden uns für die nächsten sechseinhalb Tage nicht sehen.

Was einfach nur scheiße ist. Es gibt keine andere Art, die Situation zu beschreiben. Ich würde alles dafür geben, das volle Sorgerecht für Nick zu bekommen, aber im Moment ist das undenkbar. Nur noch drei Jahre, dann werde ich es wahrmachen. Das habe ich mir geschworen.

»Da kommt der Bus!« Nick umarmt meine Beine ein letztes Mal fest. Als er sich umdreht und zur Tür rennt, klopft der Rucksack im Takt seiner Schritte gegen seinen Rücken, und ich kann nicht anders, als zu lachen.

Der Bus hält vor meiner Einfahrt, und mit einer Hand auf dem Türgriff beobachte ich, wie Nick den Gehweg entlangeilt.

»Ich hab dich lieb, mein Sohn!«, rufe ich ihm nach, als er den Bus umrundet und einsteigt. Durch die Scheiben sehe ich, wie er in eine der Sitzreihen rutscht.

Er schiebt das Fenster runter und winkt durch die Öffnung. »Ich hab dich auch lieb!« Dann schließt er es wieder und plumpst in seinen Sitz.

Ich mache die Tür zu und gehe zum Spülbecken, wo ich Nicks Teller und Glas abwasche, bevor ich beides in die Spülmaschine stelle. Ich säubere die Pfanne, in der ich sein Omelett zubereitet habe und hänge sie an ihren Platz über dem Herd, der in die Kücheninsel eingelassen ist. Ich habe eine High-End-Küche und sie ist mein Lieblingsort in diesem Haus. Naheliegend als Koch und Restaurantbesitzer.

Nachdem ich mehrere Jahre dem Militär als Koch gedient habe, nutzte ich das Wiedereingliederungsprogramm für Veteranen, um die Gastronomieschule zu besuchen. Sobald ich Zugriff auf meinen Treuhandfonds hatte, eröffnete ich Winston’s Bar & Grill. Die Namenswahl ist vielleicht nicht sehr kreativ, aber erfüllt ihren Zweck.

Ich war dreiunddreißig, als ich einen dummen Fehler beging. Vielleicht sollte ich es nicht so hart formulieren, weil daraus mein Sohn entstanden ist, aber trotzdem. Ich traf diese Frau, Corina. Nichts Festes. Ich war viel zu beschäftigt für eine echte Beziehung. Mein Restaurant war die Nummer eins in meinem Leben und sie schien mit unserem Arrangement zufrieden. Sie kam abends zum Essen in meinen Laden, begleitete mich anschließend in meine damalige Wohnung und wir hatten Sex. Am nächsten Morgen ging sie nach Hause, mehr war nicht zwischen uns.

Bis sie schwanger wurde.

Ich konnte es nie beweisen, bin aber zu neunundneunzig Prozent sicher, dass sie absichtlich schwanger wurde, um mich an sich zu binden. Bevor sich dieser Gedanke jedoch manifestieren konnte, wollte ich das Richtige für mein Kind tun, also habe ich Corina geheiratet – welch dämlicher Idiot ich doch war. Ich meine, sie war ein nettes Mädchen. Anfangs zumindest. Sie war süß und hing stets an meinen Lippen, machte mir Mut und gab mir das Gefühl, alles schaffen zu können. Obwohl ich sie nicht liebte, war ich gern mit ihr zusammen.

Bis ich ihr diesen verdammten Ring ansteckte.

Dann zeigte sie ihr wahres Gesicht.

Sie ist eine verdammte Narzisstin. Das ist nicht nur so dahingesagt. Sie weist alle Symptome auf, und gäbe es eine Therapie für narzisstische Persönlichkeitsstörung, hätte ich sie schon lange ganz oben auf die Patientenliste dafür gesetzt. Unserem Sohn zuliebe, weil es einfach schrecklich ist, in ihrer Nähe zu sein.

Ein extremer Drang, ihre Person in den Mittelpunkt zu rücken? Check.

Fantasien über grenzenlosen Erfolg, Macht, Genie, Schönheit oder ideale Liebe? Check.

Der feste Glaube daran, besonders und einzigartig zu sein, weshalb sie sich nur mit eben solchen Menschen oder Institutionen umgeben können, weil nur diese sie verstehen? Check.

Ein unstillbares Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bewunderung? Check.

Glauben, sie haben einen Anspruch darauf, bevorzugt behandelt zu werden? Bei Gott ja, check.

Zwischenmenschliche Beziehungen zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen? Check. Frag jeden, der mich je zu einem Barbecue eingeladen hat und bei dem sie ungefragt aufgetaucht ist. Selbst nach unserer Trennung.

Fehlende Empathie für andere? Check.

Jemanden um etwas beneiden oder denken, dass andere neidisch auf sie sind? Check.

Verhalten sich oft arrogant oder hochmütig? Check und check. Und ich rede nicht von einem sexy losen Mundwerk. Ich rede davon, dass Corina die Definition eines Miststücks ist.

Führen meist gestörte Beziehungen? Verdammt, check!

Kein Wunder, dass Nick bei mir bleiben will, selbst in den Wochen, die eigentlich seiner Mom gehören. Mein einziger Trost ist, dass er die meiste ihrer gemeinsamen Zeit in Wahrheit bei ihren Eltern verbringt. Und die zwei sind ziemlich toll. Erstaunlich, dass ihre Tochter so geworden ist, denn ihre Familie ist völlig anders.

Jepp, Corina hat mich ziemlich an der Nase rumgeführt.

So sehr, dass ich den Frauen grundsätzlich abgeschworen habe. Sie bringen nichts als Ärger. Klar, in den Nächten, in denen ich meinen Sohn nicht bei mir habe, fühle ich mich manchmal einsam. Aber ich bin mit meiner Arbeit verheiratet. Nichts macht mir so viel Freude wie mein Restaurant – abgesehen von Nick. Und weil mich Corina in Beziehungsdingen traumatisiert hat, war unsere Abmachung gar nicht so schlecht. Klar, wir hatten seit ihrer Schwangerschaft keinen Sex mehr, aber ich genieße lieber traute Einsamkeit, als mit einem narzisstischen Miststück zu schlafen. Meine rechte Hand funktioniert einwandfrei, vielen Dank.

Da ich es leid bin, auch nur einen Gedanken an Corina zu verschwenden, gehe ich nach oben und nehme eine Dusche, um mich fertig zu machen. Ich muss vor meiner Schicht heute Abend noch ein paar Besorgungen erledigen. Mit etwas Glück hat Stephanie bis dahin ein paar neue Bewerberinnen, die ich in den nächsten Tagen einarbeiten kann.

4

Cece

»Wie wäre es hiermit?«, fragt Mia und deutet auf eine Facebook-Anzeige für unsere Gegend. »Ich habe den Radius auf zehn Meilen begrenzt, damit du nicht zu weit weg von den Mädchen bist, falls mal etwas sein sollte. Außerdem wurde der erst vor einer Stunde gepostet.«

»Servicepersonal für alle Schichten gesucht. Familiengeführter Bar & Grill. Mindestlohn plus Trinkgeld«, lese ich laut vor.

»Das klingt ziemlich gut. Normalerweise zahlen Restaurants nur zwei Dollar irgendwas die Stunde, und um den Mindestlohn zu erreichen, muss das Trinkgeld stimmen. Sollte das nicht hinkommen, gibt es ein Gesetz, das von dem Restaurant verlangt, die Differenz draufzulegen. Dass du bei diesem Angebot schon mit einem Mindestgehalt startest und das Trinkgeld obendrauf bekommst, ist großartig«, erklärt sie.

Ich hatte von all dem keine Ahnung. In diesem Moment bin ich froh, dass ich immer ein großzügiges Trinkgeld gegeben habe. »Familiengeführt ... Irgendwie mag ich diese Leute schon, bevor ich sie kenne. Vor allem, wenn sie so großzügig zu ihren Angestellten sind. Setz sie ganz oben auf die Liste«, bitte ich und beobachte, wie Mia die Adresse kopiert und in die Tabelle einfügt, die sie für mich erstellt hat. Es finden sich darauf bereits ein paar Stellen als Kellnerin, eine als Rezeptionistin in einem Autohaus sowie eine als Verkäuferin bei derselben Firma. Alle anderen bisherigen Anzeigen erforderten entweder jahrelange Erfahrung oder zumindest einen Assistenzposten.

»Willst du es bei denen hier versuchen, und wenn nichts daraus wird, sehen wir uns weiter um? Du hast noch ungefähr drei Stunden, bevor die Mädchen von der Schule kommen. Mehr als genug Zeit, um sich bei ein paar dieser Leute persönlich vorzustellen. Macht einen guten Eindruck in dieser digitalen Zeit.«

Ich nehme einen tiefen Atemzug und richte mich auf. »Okay. Ich bin so bereit, wie ich nur sein kann.«

Sie beäugt mich kritisch. »Nicht in den Klamotten.«

Ich sehe an mir hinunter. »Was passt dir daran nicht? Die Leggings sind von Lululemon und der Pulli von North Face. Hast du eine Idee, wie teuer die waren?«

Sie hebt eine Braue. »Sis, das wäre völlig okay, wenn du dich bei einem Fitnessstudio bewerben würdest, aber ...«

Ich schnappe hörbar nach Luft und unterbreche sie damit. »Schreib das auf die Liste! Warum habe ich nicht eher daran gedacht?«

»Und was genau würdest du in einem Fitnessstudio machen? Wasser predigen und Wein trinken?«

»Ich, äh ... könnte die benutzten Handtücher der Mitglieder waschen? Ich bin sicher, das allein ist eine Vollzeitbeschäftigung. Oder ich könnte im Kinderbereich arbeiten.« Ich zucke mit den Schultern. »Außerdem könnte ich dann vielleicht meine Mitgliedschaft behalten. Als Mitarbeiter-Bonus oder so.«

»Ich schätze, es kann nicht schaden, mal nachzufragen, ob sie jemanden suchen. Aber mach dir nicht allzu große Hoffnungen. Ich habe keine Ausschreibung von Fitnessstudios gesehen. Jetzt zieh dich um. Alltagskleidung, aber nett«, befiehlt sie mir, und ich mache mich grummelnd auf den Weg in mein Schlafzimmer.

Als ich ein paar Minuten später zurückkomme, nickt Mia zufrieden. »Viel besser.«

Ich blicke auf meine schwarze Skinny Jeans hinunter und streiche das kurzärmlige Oberteil mit einem Blumenprint glatt. Ich habe meine Tennisschuhe gegen flache schwarze Pumps getauscht und meine schrille Vera-Bradley-Tasche, ein Weihnachtsgeschenk meiner Mädchen, gegen eine kleine Lederhandtasche, die ich seit Jahren besitze, aber nie benutze.

»Na dann, los«, bekräftige ich, bevor noch mehr Nervosität durch meine Adern schießt und ich es mir anders überlegen kann.

Mia schickt die Tabelle von ihrem Laptop an ihr Handy und greift nach den Mappen mit den Kopien meines Lebenslaufes, den sie für mich angefertigt hat. Und der erschreckend kurz ausfällt. Wir haben jedoch diesen großartigen Artikel darüber gefunden, dass man die Erfahrungen als Hausfrau und Mutter auf jeden Fall auch angeben soll. Ich fühle mich richtig gut bei dem Gedanken, dass dort all die Fähigkeiten stehen, die ich mir als Vollzeit-Mom angeeignet habe.

Unsere erste Station ist das Autohaus. Dort erfahren wir, dass die Stelle als Rezeptionistin schon besetzt ist, sie aber immer noch nach einem Verkäufer suchen. Auch dafür haben sie bereits ein paar Bewerbungsgespräche vereinbart, aber sie behalten meine Unterlagen für den Fall, dass sie niemanden davon einstellen.

Die nächsten zwei Stationen sind bei überregionalen Restaurantketten, die nach Servicepersonal suchen. Ich weiß vom ersten Moment, dass das nichts für mich ist. Alle Mädchen, die hier arbeiten, sind kaum älter als zweiundzwanzig, und ich habe mich noch nie so alt gefühlt.

Letztlich machen wir bei dem familiengeführten Restaurant Halt, der letzte Punkt auf unserer Liste und jene Stelle, die am nächsten bei meinem Haus liegt. Das Gebäude sieht eher schlicht aus, strahlt aber eine häusliche Gemütlichkeit aus. Auf einem Schild steht in Großbuchstaben Winston’s Bar & Grill.

»Ich wollte hier schon immer mal essen, konnte Mike aber nie überreden. Es war ihm scheinbar nicht schick genug. Aber die Bewertungen sind super und ich habe gehört, dass das Essen fantastisch sein soll«, erkläre ich. In der Stellenanzeige stand kein Name, daher hatte ich keine Ahnung, dass es sich um das Winston’s handelt.

Plötzlich kann ich es kaum erwarten, hineinzugehen. Irgendetwas an diesem Ort zieht mich an, und ich hoffe sehr, dass mir meine Intuition nicht nur einen Streich spielt, um mich später zu enttäuschen. Ich schultere meine Handtasche, während Mia mir meine Mappe gibt, und steige aus dem Wagen.

»Viel Glück!«, ruft sie noch, ehe ich die Tür zumache und ihr durch die Windschutzscheibe zuwinke. Auf dem Parkplatz stehen nur drei andere Autos, aber vermutlich herrscht zwischen Mittag- und Abendessen kaum Betrieb. Mir bleibt eine Dreiviertelstunde, bevor die Mädchen aus der Schule kommen, und ich spiele mit dem Gedanken, hier etwas fürs Abendessen mitzunehmen.

Nimm das, Mike! Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich endlich tun kann, was ich will, ohne mir seine Meinung darüber anhören zu müssen.

Die Glocke über der Tür bimmelt, als ich eintrete und mich umsehe. Ringsum an den Wänden befinden sich große Sitznischen aus dunklem Holz und mit dunkelblauer Polsterung, die genug Platz für Familien bieten. In der Raummitte hingegen befinden sich Tische in allen Größen, von solchen für vier Personen bis zu einem, der aussieht, als könnte er eine ganze Mannschaft verköstigen. Am entgegengesetzten Ende ist die Bar, und links davon eine Schwingtür, durch die gerade eine Frau mit einem Tablett tritt. Ich nehme an, dahinter liegt die Küche.

»Such dir einen Platz aus, Liebes, ich bin sofort bei dir«, ruft sie mir zu, und ich gehe zur Bar, um dort auf sie zu warten. Nachdem sie ihre Gäste bedient hat, kommt sie mit einer Menükarte zu mir. »Bist du alleine, Liebes?«

»Ähm, um ehrlich zu sein, bin ich wegen der Stellenanzeige gekommen. Aber die Menükarte nehme ich trotzdem gern, ich wollte hier nämlich schon immer mal essen«, antworte ich.

Sie mustert mich, ehe sie sanft lächelt. »Warte eine Sekunde, ich hole Stephanie. Sie ist unsere Geschäftsführerin, und ich glaube, sie hat heute Morgen die Anzeige gepostet. Du hast also Glück.«

»Vielen Dank«, sage ich und öffne die Speisekarte, um mir die Gerichte anzusehen. Wenig später läuft mir wegen all der Köstlichkeiten bereits das Wasser im Mund zusammen. Als mich eine andere weibliche Stimme erreicht, sehe ich auf. Erst da wird mir klar, dass ich mit meinen neunundzwanzig Jahren jünger als die Angestellten hier bin. Was sofort dafür sorgt, dass ich mich wohler fühle als in dem anderen Restaurant. Auch die Frau, die jetzt auf mich zukommt, ist etwas älter als ich, aber jünger als die Kellnerin zuvor.

»Hey, ich bin Stephanie. Wie kann ich dir helfen?«, fragt sie, und ich strecke ihr meine Hand entgegen.