Until Us: Mitchell - Emma Louise - E-Book

Until Us: Mitchell E-Book

Emma Louise

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Beschreibung

Ein entschlossener Baseballspieler. Eine tierliebe Krankenschwester. Zwei Welten, die mit einem Boom kollidieren. Als Mitchell in der Notaufnahme in das Gesicht der hübschen Krankenschwester blickt, kann er nicht anders, als ihr seine Liebe zu gestehen. Sein Verhalten könnte an dem Baseball liegen, den er auf den Kopf bekommen hat, aber die Wahrheit sieht anders aus. Es ist dieses einzigartige Gefühl, das ihn bei jeder Berührung wie ein Blitz trifft. Bailey mag pessimistisch sein, wenn es um die Liebe geht, aber selbst sie kann die Verbindung zu dem umwerfenden Kerl nicht leugnen, den sie gerade versorgt. Dass Baseballspieler auch außerhalb des Stadions gerne Risiken eingehen, war ihr bewusst. Nicht gerechnet hat sie mit der Entschlossenheit, die ein Sportler aufbringen kann, wenn er eine Frau erobern möchte. Zwischen einer kleptomanischen Katze, sich einmischenden Familien und übereifrigen Fans scheint Bailey Mitchells persönlicher Grand Slam zu sein. Und er ist ein wahres Ass darin, sämtliche Curveballs auf diesem Weg einzusammeln. Until Us: Mitchell ist Teil der Until-Welt von Aurora Rose Reynolds. Wenn du Until You: December geliebt hast, dann wirst du auch Until Us: Mitchell lesen wollen.

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Seitenzahl: 342

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UNTIL US:Mitchell

EMMA LOUISE

© Die Originalausgabe wurde 2022 unter dem

Titel UNTIL MITCHELL von Emma Louise in Kooperation mit Boom Factory Publishing LLC veröffentlicht.

© 2023 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Jennifer Kager und Corinna Lerchbacher

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © sergelee (depositphotos)

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903413-73-3

ISBN-EPUB:978-3-903413-74-0

www.romance-edition.com

Prolog

Mitchell

Während ich meinen Dad dabei zusehe, wie er Decembers Hand ergreift, um sie auf die Tanzfläche zu führen, ziehe ich meinen jüngeren Bruder Max an meine Brust. Damit er mir nicht gleich wieder entwischt, lege ich meinen Arm um ihn.

»Dad sieht glücklich aus, oder?«, fragt er und klingt dabei viel reifer, als er das mit seinen vierzehn Jahren sollte.

»Ja, Max. Das tut er«, bestätige ich ihm das Offensichtliche. Wir beobachten beide, wie unser Dad December in seine Arme nimmt und sich mit ihr hin und her wiegt. Als ich sehe, wie er mit seiner Hand sanft den Bauch meiner neuen Mom streichelt, wo meine kleine Schwester heranwächst, wird die Freude in mir riesengroß.

»Seid ihr Jungs bereit dafür?« Als ich mich umdrehe, sehe ich Decembers Dad Asher und einige ihrer Onkel und Cousins in der Nähe stehen.

»Bereit wofür?«, frage ich und ernte Gelächter und wissende Blicke aus der Gruppe.

»Den Boom«, sagt Trevor, Decembers Onkel, und verwirrt mich.

»Den Boom?«, fragt Max mit lauter Stimme.

»Den Boom«, wiederholt Cash, ein weiterer Onkel von December, mit einem breiten, wissenden Grinsen im Gesicht.

Max sieht zu mir auf, die Stirn gerunzelt, was mir verrät, dass er auch keinen Schimmer hat, wovon die Männer reden.

»Ihr Jungs habt keine Ahnung, was auf euch zukommt, oder?« Asher lacht, bevor er Max und mich zu einem Tisch in der Ecke des Raums führt.

»Glaubt ihr wirklich alle, dass das wahr ist?«, frage ich und lache nervös. Dabei schaue ich mich am Tisch um und warte nur darauf, dass einer von ihnen zu lachen beginnt und zugibt, nur gescherzt zu haben. Sie können nicht wirklich behaupten, dass die Familie Mayson ... verflucht ist, sich Hals über Kopf zu verlieben. Ich warte, aber keiner rührt sich. Vielmehr fixieren sie uns alle mit dem gleichen, wissenden Gesichtsausdruck.

»Es begann mit meinem Grandpa James«, fängt Asher an zu erzählen. »Er warf einen Blick auf meine Grandma, und es war um ihn geschehen. Dann sah mein Dad eines Tages, wie unsere Mom einen platten Reifen am Straßenrand wechselte und Boom. Er wusste sofort, dass sie die Richtige war.«

»Was ist mir dir?«, frage ich ihn und kann mir schon denken, wie seine Antwort lauten wird.

»Ich wusste in dem Moment, als ich November sah, dass sie zu mir gehört«, sagt er mit einer Kraft in der Stimme, die sich für mich sehr nach Stolz anhört. Ich werfe einen Blick in die Runde der Männer unterschiedlichen Alters, die mir alle zunicken und mir bestätigen, dass auch sie die Richtige gefunden haben.

»Aber wir sind keine Maysons«, spricht Max den Gedanken aus, der mir schon die ganze Zeit durch den Kopf geht, seit wir ihnen beim Reden über Liebe und Seelenverwandte zuhören.

»Was ist December für dich?«, fragt Asher ihn.

»Sie ist meine Mom«, antwortet er, wie aus der Pistole geschossen. Ich hätte genau dasselbe gesagt. December ist zwar noch nicht lange in unserem Leben, aber sie ist mehr eine Mom, als es unsere leibliche Mutter je war.

»Und du, Mitchell?« Asher nickt mir auffordernd zu. »Was ist sie für dich?«

»Sie ist meine Mom«, sage ich und meine Stimme klingt selbst für mich kratzig. Mir ist egal, was die anderen davon halten, dass ich sie schon so nenne; für mich ist December meine Mom. Sie hat bereits unzählige Male bewiesen, dass sie Max und mich liebt, also hat sie diesen Titel verdient.

»Dann seid ihr beide Maysons, mein Sohn«, fügt Cash hinzu, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Meine Augen brennen vor Rührung, und ich muss meine Fingernägel in meine Handfläche krallen, um die Tränen zurückzuhalten.

Die Gedanken an den Boom schwirren für den Rest der Nacht durch meinen Kopf. Immer wieder beobachte ich meinen Dad und December. Egal, wo sie sind oder mit wem sie reden, sie sind nie lange ohne den anderen. Selbst wenn sie getrennt sind, lassen sie sich nie aus den Augen. Ich bin zwar noch jung und unerfahren in diesen Dingen, aber selbst ich kann erkennen, wie viel Liebe zwischen ihnen besteht. Wenn ich so darüber nachdenke, hat December unseren Dad von Anfang an so angesehen. Im Gegensatz zu unserer leiblichen Mutter. Sie hatte nie diese Zärtlichkeit in ihrem Blick, nicht einmal, wenn es gut zwischen ihnen lief.

Ich sehe mich um und beobachte Asher und November beim Tanzen. Trevor und Liz. July und ihren Mann Wes. Jedes Paar in der kleinen Hochzeitslocation, die hauptsächlich mit der großen Mayson-Familie gefüllt ist, wirkt wahnsinnig verliebt.

Vielleicht ist an der Sache mit dem Boom ja doch etwas dran?

Das Lachen meines Dads erregt meine Aufmerksamkeit. Bevor December in unser Leben getreten ist, hat er nie aus vollem Herzen gelacht. Ich bin froh, dass er endlich glücklich ist. Früher, als es nur uns drei gab, war er zwar auch zufrieden, aber wenn ich ihn jetzt so sehe, weiß ich, was Zufriedenheit von echtem Glück unterscheidet. Mir wird auch klar, wie schwierig es für ihn gewesen sein muss. Er arbeitete unermüdlich in zwei verschiedenen Jobs, damit Max und ich immer alles hatten, was wir brauchten. Er musste alles allein schaffen, denn unsere Mutter ist eine egoistische Schlampe, die nie lange genug da war, um ihm mit uns zu helfen. Meist kam sie ohne Vorwarnung in die Stadt und erwartete dann, dass Dad und wir sie mit offenen Armen empfangen. Zu Beginn dieser Besuche zeigte sie sich immer von ihrer besten Seite, machte viel Aufhebens um uns und versicherte allen, einschließlich Dad, ihre Liebe. Aber es dauerte nie lange, bis sie wieder weg war. Oft verschwand sie mitten in der Nacht, ohne sich zu verabschieden, sodass Dad uns die schlechte Nachricht überbringen musste.

Doch jetzt hat Dad in December seine Seelenverwandte gefunden. Ich könnte mir keine bessere Frau an seiner und unserer Seite wünschen.

Mir wird bewusst, dass ich das auch will: Ich will das, was Dad und December haben. Es muss nicht bald passieren, denn ich habe Pläne für die Zukunft und andere Ziele, die ich erreichen will.

Aber wenn meine Zeit kommt, mich zu verlieben, will ich es so haben. So, wie die Maysons es haben.

Ich will den Boom, und ich werde mich nicht zufriedengeben, bis ich meine Seelenverwandte gefunden habe.

1

Bailey

Zehn Jahre später ...

Ich brauche Kaffee. Außerdem eine Mahlzeit, die nicht aus einem Automaten kommt. Und ich brauche einen richtig guten Orgasmus.

Drei Dinge, die ich schon so lange nicht mehr hatte, dass es wehtut. Mein müder Körper sehnt sich nach all dem und mehr, während ich auf einen der unbequemen Plastikstühle der Schwesternstation sinke. Ich schließe die Augen, lege meinen Kopf auf den kühlen Schreibtisch und hoffe, ein paar Sekunden den Wahnsinn der Notaufnahme ausblenden zu können. Heute ist hier wirklich die Hölle los. Mittlerweile befinde ich mich in den letzten Stunden meiner dritten Doppelschicht in Folge und der Schlafmangel macht mir zu schaffen. Eigentlich hätte ich heute einen Urlaubstag gehabt. Wegen eines Virusinfekts fehlen jedoch zwei Krankenschwestern, weshalb wir anderen versuchen, so viele Stunden wie möglich abzudecken.

»Nur noch vier Stunden, meine Hübsche. Du schaffst das.« Breck, mein bester Freund und einer der anderen Krankenpfleger in der Schicht, geht an mir vorbei und drückt mir dabei die Schultern. Er hat recht. Nur noch vier Stunden, dann bin ich hier endgültig fertig. Obwohl ich meine Arbeit liebe, bin ich mir nach einigen Monaten in der Notaufnahme sicher, dass ich für diese Station einfach nicht geschaffen bin.

Ich habe diesen Job vor fast einem Jahr angenommen, als ich von Savannah in die Nähe von Nashville gezogen bin. Damals sah ich den Dienst in der Notaufnahme als neue Herausforderung, der ich mich stellen wollte. Meine vorherigen Jobs als Krankenschwester hatte ich alle in kleineren, eher ländlichen Krankenhäusern und einmal in der Praxis eines französischen Schönheitschirurgen. Das war damals, als meine Zwillingsschwester und ich ein paar Jahre in Europa lebten. Daher sehnte ich mich nach etwas mehr Aufregung und Hektik in meinem Arbeitsalltag. Ernüchtert musste ich feststellen, dass die Realität nur wenig mit meiner Vorstellung gemein hat. Mittlerweile bin ich körperlich und geistig ausgelaugt.

Ich habe alles gesehen. Von Beulen und blauen Flecken bis hin zu tödlichen Autounfällen und Schusswunden. Leider sind gewaltsame Todesfälle eher Norm als Ausnahme. Mit jedem Tag fällt es mir schwerer, alles hinter mir zu lassen, wenn ich am Ende meiner Schicht nach Hause gehe.

Zum Glück ändert sich das nach dem heutigen Tag, denn ich habe eine neue Stelle in einer kleinen familiengeführten Arztpraxis gefunden. Das bedeutet nicht nur, dass ich keine Nachtschichten mehr schieben muss, sondern auch, dass ich sogar zu Fuß zur Arbeit gehen kann, da die Praxis nicht weit von meinem Haus entfernt ist. Einen Spaziergang stelle ich mir sehr romantisch vor. Außerdem tut mir die zusätzliche Bewegung sicher gut. Bisher war ich fast immer eine Stunde mit dem Auto unterwegs, bis ich das Krankenhaus erreicht habe. Abgesehen davon kann ich es kaum erwarten, mich mit Fieber, Schmerzen und Wehwehchen zu befassen, anstatt mit Chaos, Unglück und Todesfällen.

»Warum machst du nicht mal eine Pause, solange es hier verhältnismäßig ruhig zugeht?«, fragt Breck, als er ein paar Minuten später zurückkommt und mich noch immer in der gleichen Position vorfindet. »Setz dich für dreißig Minuten in dein Auto. Da hast du deine Ruhe. Ich rufe dich an, wenn wir dich wieder brauchen«, flüstert er und schaut sich um, um sicherzustellen, dass niemand zuhört. »Nimm uns auf dem Rückweg dann einen Kaffee aus der Cafeteria mit. Den können wir heute wirklich gebrauchen.«

»Ich könnte dich auf der Stelle küssen«, erkläre ich und bin über die Aussicht, meine Augen für ein paar Minuten schließen zu können, mehr als erleichtert.

»Brad würde das zwar sicher nicht gefallen, aber was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß«, sagt er verschwörerisch. Mit Brad meint er seinen sehr heißen Ehemann, in den er wahnsinnig verliebt ist und der zufällig einer der Ärzte hier in der Notaufnahme ist.

»Ach, er würde sicher ein Auge zudrücken. Schließlich bist du unwiderstehlich«, scherze ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. Voller Dank nehme ich meine Schlüssel und gehe zu meinem Auto. Wahrscheinlich sollte ich meine Pause auch dafür nutzen, etwas zu essen, aber ich mache lieber ein Nickerchen und esse dann einfach zwischendurch. Nachdem ich meine Kopfhörer eingesteckt habe, schalte ich eine Entspannungs-Playlist ein und stelle meinen Wecker. Dann lehne ich mich in meinem Sitz zurück und schließe die Augen.

Innerhalb von Sekunden schlafe ich ein. Nach den letzten Tagen ist das kein Wunder.

Während ich versuche, einen Bissen von dem Croissant in meiner Hand zu nehmen, balanciere ich auf der anderen das Kaffeetablett. Wahrscheinlich krümle ich gerade meine Arbeitsuniform voll, aber das ist mir jetzt egal. Das Nickerchen, auch wenn es viel zu kurz war, hat mir gut getan. Trotzdem bin ich mehr als bereit, den Arbeitstag hinter mir zu lassen. Als ich durch die Tür meiner Station trete, bin ich überrascht, den Schalter menschenleer vorzufinden. Mein Telefon hat nicht gepiept, daher kann ich keine größeren Notfälle verpasst haben. Warum ist trotzdem keiner hier?

»Hast du ihn gesehen? Ist er so heiß, wie er im Fernsehen wirkt?« Zwei Krankenschwestern flüstern sich im Vorbeigehen etwas zu. Keine von ihnen sieht mich an, offenbar sind sie zu sehr in ihr Gespräch vertieft.

»Noch heißer«, erwidert die andere. Sie seufzt und ihre Augen nehmen einen verträumten Ausdruck an. Was um Himmels willen ist hier los? Ich stelle das Tablett auf den Schalter, hole den Kaffee heraus, der für mich bestimmt ist, und nehme den dringend benötigten, langen Schluck des flüssigen Muntermachers.

»Oh Mann, du musst wirklich tief geschlafen haben, oder?«, will Breck plötzlich wissen. Überrascht zucke ich zusammen. Ich habe gar nicht gehört, wie er näher gekommen ist. Während er mir die widerspenstigen Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht, die sich aus dem Haargummi befreit haben, starre ich ihn über den Rand meines Kaffeebechers hinweg an.

»Ist das deine Art, mir zu sagen, dass ich scheiße aussehe?«

»Nein, das ist meine Art, dir zu sagen, dass du ein bisschen ... zerstört aussiehst. Das ist alles.«

»Gut gerettet, Breck«, schimpfe ich und rolle mit den Augen, während ich ihm seinen Kaffee reiche.

»Du solltest die Krümel von deinem ...«

Was auch immer er gerade sagen wollte, wird durch einen Aufruhr auf dem Flur unterbrochen. Beinahe sieht es so aus, als würden alle diensthabenden Krankenschwestern, und ein paar, die eigentlich nicht mehr hier sein sollten, hinter einem Bett herlaufen, das in unsere Richtung geschoben wird. Außer den Schwestern zähle ich noch fünf Pfleger, zwei Ärzte und zwei Rettungssanitäter.

»Was in aller Welt ist hier los?«, murmle ich vor mich hin. »Ich war doch nur kurz weg?«

»Hast du es noch nicht gehört? Wir haben einen VIP im Gebäude«, sagt Breck, und seine Stimme trieft vor Belustigung.

»Wen?«, frage ich neugierig und gehe in Gedanken die Liste aller infrage kommen VIPs durch. Hier in Nashville gibt es nicht viele Filmstars. Vielleicht ein Musiker? Keine Ahnung, ob Breck mir überhaupt eine Antwort geben wollte, denn genau in diesem Moment teilt sich die Menge und ich kann einen ersten Blick auf den fraglichen Patienten werfen.

Wer auch immer er ist, er ist ... wunderschön.

Wahrscheinlich gibt es ein männlicheres Wort, um ihn zu beschreiben, aber es ist das erste, was mir in den Sinn kommt. Selbst auf dem Krankenbett liegend, sieht er eindrucksvoll aus. Groß, wahrscheinlich weit über ein Meter achtzig. Mit den breiten Schultern, starken Armen und muskulösen Beinen wirkt er viel zu groß für das Bett. Sein fast schwarzes Haar ist ein Wirrwarr aus widerspenstigen Locken, von denen eine nach vorne über die sonnengeküsste Haut seiner Stirn gefallen ist. Seine Augen sind geschlossen und ... ich kann ein verdammt großes Veilchen erkennen. Meine Bewunderung schlägt in Sorge um.

Als sie näher kommen, lädt sich die Luft im Raum elektrisch auf. Doch das ist nichts im Vergleich dazu, was passiert, als der Pfleger innehält, damit einer der Ärzte mit ihm sprechen kann. In der Sekunde, als ich immer noch das Veilchen über dem Auge des neuen Patienten betrachte, öffnet der Kerl sein gesundes Auge und sein Blick bleibt fast sofort an meinem hängen. Ich kann mich nicht abwenden oder wegsehen, so als würde mich eine unerklärliche Macht daran hindern.

Die Zeit steht still, die Menschen um mich herum verschwinden aus meiner Wahrnehmung, bis es nur noch uns beide gibt. Er bewegt seine vollen Lippen und es wirkt, als wolle er etwas sagen, doch bevor er eine Chance dazu bekommt, wird das Bett weitergeschoben. Er dreht seinen Kopf und hält unseren Blickkontakt aufrecht. Aus irgendeinem verrückten Grund sagt mir mein Instinkt, dass ich ihm folgen sollte. Zum Glück schaffe ich es, mich zu beherrschen. Wie benebelt stehe ich also da und beobachte, wie er langsam aus meinem Blickfeld verschwindet. Meine Augen bleiben auf ihn gerichtet, bis er um die Ecke zur Röntgenabteilung biegt.

Das Letzte, was ich von ihm sehe, sind seine vollen Lippen, die sich bewegen, als er ein einziges Wort sagt. Es ist ein kryptisches Wort, das für mich keinen Sinn ergibt, trotzdem habe ich das Gefühl, dass er es direkt zu mir sagt.

Boom.

»Ich kann da nicht reingehen.«

»Hör auf, so unglaublich dramatisch zu sein«, ermahnt mich Breck, während er mich kurzerhand zur Tür schiebt. »Du arbeitest hier als Krankenschwester – zumindest noch für die nächsten paar Stunden. Er ist ein Patient. Mach dir nicht in die Hosen, sondern einfach deinen verdammten Job.«

»Ich hasse dich«, zische ich leise und hoffe, dass niemand etwas von unserer Unterhaltung mitbekommt.

»Nein, tust du nicht. Du wirst mir noch dankbar sein. Vor allem, wenn er dich bittet, ihn von oben bis unten einzuseifen.«

Ich deute Breck den Vogel, aber er hat sich bereits umgedreht und geht schnell den Flur entlang.

Du schaffst das, Bailey. Was auch immer du glaubst, was da vorhin im Flur geschehen ist, da war nichts. Er ist ein Patient wie jeder andere.

Nach einem tiefen Atemzug stoße ich die Tür auf.

Als ich hineinschlüpfe, ist es ganz still im Zimmer. Da sehe ich, dass der VIP schläft, und atme erleichtert aus. Mir war gar nicht klar, dass ich die Luft angehalten hatte. Da sonst niemand hier ist, erlaube ich mir für einen Moment, ihn ausgiebig zu mustern.

Mein erster Gedanke war richtig. Dieser Mann ist einfach wunderschön. Selbst im Schlaf sieht er imposant aus. Seine schweren dunklen Augenbrauen sind nach unten gezogen, als würde er Schmerzen leiden. Durch seine vollen, geschürzten Lippen dringt ein leises Schnarchgeräusch.

Es ist gut, dass dies meine letzte Schicht hier ist, denn ich würde wahrscheinlich entlassen werden, wenn ich mich in der Nähe eines Patienten so unangemessen verhalte. Es ist mir ein Rätsel, warum meine Professionalität bei diesem Kerl völlig versagt. Endlich schaffe ich es, mich aus meiner Benommenheit zu reißen, und beginne mit meiner Arbeit. Sorgfältig überprüfe ich seine Vitalwerte und mache die notwendigen Notizen in seiner Akte. Sobald ich das erledigt habe, kann ich hoffentlich unbemerkt von hier verschwinden.

Mitchell Black, wiederhole ich seinen Namen in meinen Gedanken und finde, dass er perfekt zu ihm passt. Nach der verrückten Szene vorhin auf dem Flur hat Breck mir erklärt, wer der prominente Patient ist. Ein lokaler Baseballstar, der sich beim Training verletzt hat. Normalerweise kommen diese Sportler nicht zu uns, weil sie von den Teamärzten versorgt werden. Da er so lange bewusstlos war, blieb ihnen wohl keine andere Wahl, als ihn zu uns zu bringen. Eigentlich bin ich kein Baseball-Fan, doch wenn alle Spieler so aussehen wie er, sollte ich das wohl ändern.

Gerade als ich mich über ihn beuge und prüfe, ob einer der Schläuche richtig befestigt ist, beginnt er sich zu bewegen. Jeder Muskel in meinem Körper spannt sich an, und wie erstarrt schaue ich auf ihn hinab. Mit angehaltenem Atem bete ich, dass er jetzt nicht die Augen öffnet. Keine Ahnung, warum mich dieser Mann so in Aufruhr versetzt, aber er schafft es mühelos. Dieser Moment im Flur, oder wie auch immer man es nennen möchte, war verrückt. Es wäre besser, wenn es bei diesem einen Blickkontakt bleibt.

Bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, mich zurückzuziehen, flackert sein gesundes Auge auf und richtet sich sofort auf mich. Ein winziges Lächeln umspielt seine Lippen, und ich merke, wie ich ebenfalls zu lächeln beginnen, als wäre seine gute Laune ansteckend.

»Hi«, sagt er, und seine tiefe, heisere Stimme umspült mich.

»Hi«, hauche ich wie eine Idiotin und kann mir mein Verhalten und meine Reaktion auf ihn einfach nicht erklären.

»Hi«, wiederholt er auf eine süße, unschuldige Weise, und das reicht aus, um mir ein breites Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Er wirkt wie ein kleines Kind, das gerade seine Lieblingssüßigkeit entdeckt hat. Was verrückt ist, wenn man bedenkt, dass er ein gestandener Mann ist.

»Wie geht es Ihnen?«, frage ich ihn und richte mich wieder auf, um ihm etwas Platz zu machen. Doch er lässt mich nicht weit kommen. Seine riesige Hand greift nach meinem Arm und hindert mich daran, mich zu entfernen.

»Ich kenne dich«, sagt er und weicht damit meiner Frage aus. Seine Stimme klingt immer noch rau vom Schlaf.

»Sie haben einen ziemlich harten Schlag auf den Kopf abbekommen. Wissen Sie, wo Sie sind?« Ich versuche, ganz ruhig zu sprechen, um mir nicht anmerken zu lassen, dass die Berührung seiner Hand auf meiner nackten Haut kleine Stromstöße durch meinen Arm schießt.

»Ich habe dich gesehen. Du warst auf dem Flur«, sagt er und ignoriert erneut meine Frage.

»Mr Black«, versuche ich es ein weiteres Mal. »Wissen Sie, wo Sie sich gerade befinden?«

»Du bist mein Boom«, erklärt er, und obwohl ich weiß, dass er wegen der Gehirnerschütterung Unsinn redet, löst dieses Wort etwas in mir aus. So, als hätte der Boden unter meinen Füßen gerade gebebt.

Wir starren uns gegenseitig an. Er schaut zu mir hoch, als würde er mein Gesicht nach Antworten auf eine unausgesprochene Frage absuchen. Keiner von uns rührt sich, bis ein lauter werdendes Murmeln von draußen den Bann durchbricht, in dem wir gefangen sind. Schnell löse ich meinen Arm aus seinem Griff und wende mich ab. Dann kontrolliere ich übertrieben beschäftigt die Knöpfe der Maschinen, an die er angeschlossen ist.

»Du bist wach«, schallt eine Stimme durch den kleinen Raum. Ich drehe mich um und sehe einen kleineren Mann, der sich auf einen der Stühle am Bett niederlässt. »Ich habe das Team auf den neuesten Stand gebracht. Der Manager hat gesagt, dass er jemanden schickt, der ein Auge auf dich wirft, solange du hier bist ...«

Der Fremde verstummt, als ich mich wieder zu Mitchell umwende. Er beobachtet mich immer noch aus seinem gesunden Auge, und als es so aussieht, als würde er gleich etwas zu mir sagen, entschuldige ich mich und verlasse eilig den Raum.

2

Mitchell

»Black! Komm schon, Dornröschen, der Schönheitsschlaf ist vorbei.« Wer auch immer mich so anschreit, sollte sich verdammt noch mal zurückhalten. »Ich schwöre bei Gott, Mitchell. Wenn du nicht gleich aufwachst, werde ich dir in dein schönes Gesicht schlagen.«

Bei jeder einzelnen Silbe kommt es mir vor, als würde jemand einen Eispickel in meine Schläfe rammen. Die Worte prallen gegen meinen Schädel und es fühlt sich an, als würde jemand Basketball mit meinem Gehirn spielen. Ich versuche, Worte zu formen, um demjenigen zu sagen, dass er sich verpissen soll, aber alles, was ich herausbekomme, ist ein schmerzhaftes Stöhnen.

Wo zur Hölle bin ich? Ich versuche, meine Augen aufzubekommen, aber die Helligkeit blendet mich.

»Licht«, murmle ich schließlich, und zum Glück versteht das brüllende Arschloch, was ich will, denn das grelle Neonlicht verschwindet und ich schaffe es, mein linkes Auge zu öffnen. Als ich endlich meinen Blick scharfstellen kann, erkenne ich, dass es Jack, mein Agent, ist, der mir mit seinem Geschrei auf die Nerven geht.

Erinnerungen an den Vorfall, der mich hierher gebracht hat, blitzen in meinem Kopf auf. Ich war gerade bei einer Trainingseinheit, als ein Ball aus dem Nichts kam und mich direkt am Kopf traf. Noch bevor ich zu Boden ging, wurde ich bewusstlos. Das ist auch das Letzte, woran ich mich erinnern kann, bevor ich hier wieder aufgewacht bin. Irgendwo in meinem Hinterkopf habe ich das Gefühl, inzwischen wach gewesen zu sein. Doch mein Verstand ist durcheinander und im Moment ergibt nichts einen Sinn.

Kaum rege ich mich in meinem Bett, beginnt sich der ganze Raum zu drehen. Am liebsten möchte ich einfach schlafen, bis ich mich wieder halbwegs normal fühle.

»Oh nein, Black. Nicht einschlafen. Deine Lieblingskrankenschwester wird jeden Moment zurück sein.«

»Was?«, bringe ich krächzend heraus. »Wovon redest du?«

»Erinnerst du dich denn nicht mehr an die Krankenschwester von vorhin? Die heiße Blondine, von der du die Augen nicht lassen konntest?«

»Ich weiß nicht mal, wie ich hierher gekommen bin. Wie zum Teufel soll ich mich da an eine Krankenschwester erinnern? Ich stehe immer noch etwas neben mir, also hör auf mit dem Scheiß.«

»Verdammt, der Ball hat dich ganz schön hart getroffen, was?«

»Eigentlich war ich im Trainingslager, um mich zu erholen, damit ich ins Team zurückkehren kann, und nicht, um meinen Zustand zu verschlimmern ...« Meine Bemerkung endet in einem Stöhnen, als der pochende Schmerz in meinem Kopf beinahe unerträglich wird.

»Das wirst du auch. Diesmal bist du höchstens eine Woche außer Gefecht, dann kannst du daran arbeiten, dein Knie wieder zur vollen Leistung zurückzubringen«, versucht mich mein Agent zu beruhigen. Doch es ist sinnlos. Im Krankenhaus gelandet zu sein, anstatt auf dem Spielfeld zu trainieren, macht mich sauer. Noch bevor ich etwas erwidern kann, öffnet sich die Tür und plötzlich scheint die Luft zu vibrieren, als würde ein weiterer Ball auf mich zu sausen.

»Wie ich sehe, ist der Patient wach.« Ihre weiche, melodische Stimme dringt zu mir herüber, dann erst sehe ich sie. Sie ist klein, mindestens einen Kopf kleiner als ich, und ihre langen blonden Haare sind zu zwei Zöpfen zusammengebunden, die ihr über die Schultern fallen. Der blassrosa Kittel, den sie trägt, ist nicht gerade modisch, aber man kann ihre atemberaubenden Kurven erahnen, die sich darunter verbergen. Warum habe ich das Gefühl, dass ich sie schon mal gesehen habe?

Während sie sich dem Bett nähert, schenkt sie Jack ein aufmunterndes Lächeln, aber mich sieht sie nicht an. Tatsächlich scheint es, als würde sie überall hinschauen, nur nicht zu mir.

Was soll der Scheiß?

Als sie an meinem Bett angekommen ist, überprüft sie die Maschine neben mir, die ich bis zu dieser Sekunde noch gar nicht bemerkt hatte.

»Wie geht es Ihnen, Mr Black?«, fragt sie

»Mitchell.«

»Wie bitte?«

»Nenn mich Mitchell«, sage ich ihr.

»Mitchell«, wiederholt sie leise und es klingt mehr wie ein Seufzen als ein Wort. Ein seltsames Gefühl regt sich in meiner Brust – ganz zu schweigen von der Regung an einer anderen, viel unpassenderen Stelle.

»Deine Vitalwerte sind in Ordnung. Ich muss dir einige Fragen stellen, dann kannst du dich wieder ausruhen. Es war ein anstrengender Tag für dich.« Mit dieser süßen Stimme könnte sie mich um alles bitten, und ich würde ohne zu zögern zustimmen.

»Weißt du, welcher Tag heute ist?«, fragt sie, und ich unterdrücke ein selbstgefälliges Schnauben. Natürlich weiß ich das, denke ich mir. Das ist ganz einfach.

»Es ist ...«, beginne ich selbstbewusst und stocke. In meinem Kopf herrscht plötzlich Leere. Nun ... verdammt, ist heute Sonntag, Montag, Mittwoch? Meine Gedanken rasen, während ich versuche, mit der richtigen Antwort aufzuwarten. Vor dem Training hatte ich einen Termin bei der Physiotherapie, also muss heute Dienstag sein. Das ist auch schon alles, was ich mir zusammenreimen kann. »Es ist Dienstag.«

»Welchen Monat haben wir?« Ohne aufzublicken, tippt sie weiter auf ihrem Tablet herum.

»September«, rate ich, in der Hoffnung, damit richtig zu liegen.

»Gut«, murmelt sie. »Was ist deine letzte Erinnerung?«

»Ich kann mich an heute Morgen erinnern. Da war ich auf dem Platz, um mich vor dem Training aufzuwärmen, und danach ...«

»Nichts?«, fragt sie weiter. Mühsam versuche ich, die Erinnerungen zu finden, von denen ich weiß, dass sie da sind, aber im Moment sind sie für mich einfach unerreichbar. Als ich aufschaue und ihren Blick auf mir ruhen sehe, wirkt es fast so, als würde sie wollen, dass ich noch etwas sage. Anscheinend will sie, dass ich mich an mehr erinnere als an das, was ich bis jetzt weiß. Da ist auch tatsächlich etwas. Im Nebel meiner Gedanken fühle ich etwas, das passiert ist, als ich schon einmal aufgewacht bin. Doch egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich kann die Bilder nicht klar genug erkennen, um herauszufinden, was es ist.

»Nichts«, antworte ich ihr schließlich. Trotzdem gibt es da etwas, das an meinem Verstand zerrt. Wie eine tiefe Ahnung, dass ich diese Krankenschwester heute schon gesehen habe. Und nicht nur das. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass ihr meine Erinnerungslücke nicht gefällt. Ich beobachte, wie sie leicht nickt und mir ein schwaches Lächeln schenkt, bevor sie sich wieder auf ihre Notizen konzentriert. Ihr Lächeln ist hübsch, aber nicht echt. Mir entgeht auch nicht, wie sie die Schultern hängen lässt.

Den Rest der Kontrolle geht sie ganz emotionslos durch, bis sie ihre Liste mit Fragen abgearbeitet hat. Jack ist die ganze Zeit in der Nähe und alles, woran ich denken kann, ist, ihn loszuwerden, damit ich mit ihr allein sein kann. Vor allem will ich herausfinden, warum ich dieses brennende Bedürfnis habe, sie nicht für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

»Jack, hast du meine Eltern angerufen?«, frage ich und hoffe, dass er es nicht getan hat, damit ich ihn jetzt dafür hinausschicken kann.

»Ich habe eine Nachricht bei deinem Dad hinterlassen ...«

»Versuch es noch einmal«, unterbreche ich ihn. Er sieht mich an, als müsste er sich ein Grinsen verkneifen, aber tut Gott sei Dank, worum ich ihn gebeten habe. Nachdem er den Raum verlassen hat und ich mit der hübschen Krankenschwester allein bin, überlege ich, was ich sagen soll. Jetzt scheint nicht der beste Zeitpunkt zu sein, um sie anzubaggern, aber ich werde das Bedürfnis nicht los, ihr nahe zu sein.

»Der Arzt sagt, deine Scans sehen alle gut aus. Zwar hast du eine Gehirnerschütterung davongetragen, aber morgen solltest du wieder fit sein.«

»Bist du single?« Geschmeidig, Black. Wirklich unglaublich geschmeidig. Wenigstens nach ihrem Namen hättest du vorher fragen können, rüge ich mich selbst.

»Bist du es denn?«, entgegnet sie. Ihre Augen weiten sich schockiert, als ihr bewusst wird, was sie gerade gesagt hat. »Es tut mir leid, das war überhaupt nicht professionell«, stammelt sie und ihre Wangen färben sich rosa, während sie den Kopf senkt, um mich nicht ansehen zu müssen.

»Ja, bin ich«, sage ich und strecke meine Hand aus, um ihre zu berühren, die auf dem Bett neben meiner Hüfte ruht. Am liebsten würde ich sie zwingen, hier bei mir zu bleiben. In diesem Stuhl zu sitzen und mit mir reden, bis ich alles über sie weiß. Als sich unsere Hände berühren, holt sie tief Luft und ich weiß sofort, warum, denn ich habe ihn auch gespürt. Den unleugbaren Funken, der zwischen uns entfacht ist.

Ihr Jungs habt keine Ahnung, was auf euch zukommt, oder? Die Worte, die Grandpa Mayson vor all den Jahren zu mir gesagt hatte, höre ich so klar vor mir, als stünde er neben mir.

Das ist es. Das ist der Grund, warum ich mich so fühle. Sie ist es. Sie ist mein Boom. Diejenige, auf die ich gewartet habe.

»Was zum Teufel ist mit dir passiert?« Der Moment wird von meinem Dad unterbrochen, der ins Zimmer stürmt und dabei die Tür gegen die Wand knallt.

»Ich lasse euch allein. In einer Stunde musst du noch einmal untersucht werden«, erklärt meine hübsche Krankenschwester eilig und neigt ihren Kopf so, dass ich ihr nicht in die Augen sehen kann. Am liebsten würde ich sie anflehen zu bleiben und alle anderen nach draußen schicken, damit wir wieder unter uns sind. Doch sie hat den Raum verlassen, bevor ich ein Wort herausbringe. Als die Tür gleich darauf erneut aufschwingt, hoffe ich, sie kommt zurück, doch das tut sie nicht. Stattdessen eilt December in den Raum und stürzt sich nahezu auf mich. Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und zieht mich näher zu sich.

»Mitchell ...«, bringt sie hervor, beginnt aber gleich zu weinen.

»Mom«, versuche ich, sie zu beruhigen, doch das hilft nichts. Im Nu verwandelt sich December zu einem weinenden Wrack. Als mein Dad sie sanft von mir wegzieht, habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass meine Krankenschwester bald zurückkommt, denn sie sah schon vor dem Chaos mit meinen Eltern sehr verschreckt aus.

Immer wieder drifte ich in den Schlaf ab und versuche gegen die Müdigkeit anzukämpfen, die an mir zerrt. Obwohl viele Menschen in mein Zimmer kommen und gehen, ist keine davon sie. Irgendwann verbindet sich das Pochen in meinem Kopf mit den starken Schmerztabletten, die mir der Arzt gegeben hat. Noch bevor meine Familie das Zimmer verlässt, schlafe ich ein. Als ich wieder aufwache, ist der Krankenpfleger, der mich untersucht, ein Mann.

Ein sehr verärgerter Typ, der jede meiner Fragen über sie ignoriert. Die Frau, von der ich weiß, dass ich sie nicht so einfach davonkommen lassen werde.

3

Bailey

Ich richte die Fernbedienung auf den Fernseher und drücke auf den Power-Knopf. Der Bildschirm wird schwarz. »Hey! Das habe ich mir gerade angesehen!«, beschwert sich Breck lautstark. Dabei fallen ihm Krümel aus dem vollen Mund.

»Nenn mir eine Baseballregel, und ich schalte das Spiel wieder ein«, fordere ich ihn auf. Dabei stehe ich am Ende der Couch, eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere hält die Fernbedienung außer Reichweite, falls er sich darauf stürzen will.

»Sie müssen in diesen weißen Hosen heiß aussehen, sonst sind sie raus aus dem Team«, schießt er sofort zurück, und ich kann nicht anders, als in lautes Gelächter auszubrechen.

»Du bist ein Idiot«, erkläre ich meinem Freund, der gerade mit einer Flasche Wein und genügend Snacks, um eine kleine Armee zu ernähren, auf meiner Couch kampiert.

»Dann sag mir, dass ich mich irre«, sagt er leise.

»Du irrst dich.«

»Wie auch immer. Wer braucht schon Spielregeln, wenn man einfach nur einen bestimmten ehemaligen Patienten anhimmeln kann?«, fragt er und wackelt dabei anzüglich mit den Augenbrauen.

Bei dem Gedanken, ein weiteres Mal dieses Gespräch zu führen, muss ich mir ein Stöhnen unterdrücken. Warum habe ich bloß den Fehler gemacht, Breck von dem seltsamen Moment zu erzählen, den ich vor all den Wochen mit dem wahnsinnig heißen Mitchell Black erlebt habe?

Keine Ahnung, warum ich Mitchell damals gefragt habe, ob er single ist. Völlig unbedacht sind mir die Worte über die Lippen gekommen. Wahrscheinlich, weil ich mich in seiner Gegenwart einfach so wohl gefühlt habe. Erst in dem Moment, als seine Familie den Raum betrat, bin ich davongeeilt. Die seltsame Verbindung, die ich zu ihm spürte, hat mir eine Heidenangst gemacht.

Wenn es um Männer oder Verabredungen geht, war ich nie schüchtern. So aufgeregt wie an diesem Tag war ich noch nie. Die Anziehungskraft, die Mitchell auf mich ausgeübt hat, war einfach nur verrückt. Breck zerrte mich in einen leeren Raum und zwang mich, ihm zu erzählen, was mit mir los war. Dabei machte ich den Fehler, ihm zu glauben, dass Mitchells Verhalten nicht nur auf die Gehirnerschütterung zurückzuführen sei.

Den Rest meiner Schicht habe ich damit verbracht, den Mut aufzubringen, wieder in sein Zimmer zu gehen. Doch als ich endlich so weit war, sagte mir Jack, der Typ, der den ganzen Tag bei Mitchell war, dass er beschäftigt sei. Ich solle später wiederkommen. Ein paar Minuten danach verließ eine langbeinige Blondine mit einem fetten Grinsen auf ihrem hübschen Gesicht sein Zimmer. Als ich Jack daraufhin niedergeschlagen angesehen habe, zuckte er nur mit der Schulter. Da fiel es mir leicht, ihm für den Rest meiner Schicht aus dem Weg zu gehen; Breck war sofort bereit, mich abzulösen. Ich wünschte nur, es wäre genauso einfach gewesen, Mitchell in den Wochen danach zu vergessen. Ständig denke ich an ihn und habe sogar schon von ihm geträumt. Verdammt noch mal, was ist nur los mit mir?

Dass Breck hier ist und mich zwingt, jedes einzelne Baseballspiel der Nashville Sounds – dem Team, für das Mitchell in der Position des Shortstops spielt – anzusehen, hilft dabei nicht im Geringsten. Zwar weiß ich jetzt, was ein Shortstop ist – der Spieler zwischen der zweiten und dritten Base –, aber ihn so souverän auf dem Spielfeld zu sehen, hat seltsame Auswirkungen auf meinen Körper. Das liegt bestimmt an den engen weißen Hosen, die er trägt.

Ich kann nicht behaupten, dass Sportler jemals einen besonderen Reiz auf mich ausgeübt haben. Vor allem, weil ich mit einem Onkel und Cousins aufgewachsen bin, die in der NFL gespielt haben, und mit einem Schwager, der einer der besten Rennfahrer der Welt ist. Wenn überhaupt, dann törnt es mich eher ab, mit Männern zusammen zu sein, die wettbewerbsorientiert und von sich selbst eingenommen sind. Ich ziehe es vor, wenn Männer etwas weniger ... eingebildet sind.

»Du könntest ihn einfach anrufen. Finde die Wahrheit heraus. Ich habe immer noch seine Nummer«, sagt Breck und erinnert mich daran, dass Mitchell die Leute im Krankenhaus nach mir gefragt hat. Damals hat er sogar mehreren Mitarbeitern seine Nummer gegeben, damit sie mich dazu bringen, ihn anzurufen. Zugegebenermaßen beeindruckt es mich immer noch ein bisschen, wie viel Mühe er sich dabei gegeben hat.

»Es geht doch darum, dass er mir gesagt hat, er sei single, und nicht einmal ein paar Stunden später ist er mit einer anderen Frau zusammen. Er konnte nicht einmal warten, bis er aus dem Krankenhaus raus war.«

»Trotzdem sage ich dir: Er stand auf dich.«

»Der Mann hatte eine Gehirnerschütterung, Breck. Er konnte sich nicht einmal an das genaue Datum erinnern.« Genervt, dass wir dieses Gespräch schon wieder führen müssen, seufze ich auf.

»Es ging ihm gut, als er am nächsten Tag das Krankenhaus verließ. Außerdem war er richtig sauer auf mich, weil ich ihm nichts über dich erzählen wollte ...«

»Schluss jetzt. Ich werde ihn nie wiedersehen, können wir es also bitte einfach dabei belassen?«, frage ich flehentlich, denn ich will nicht mehr an ihn erinnert werden. Der Gedanke an Mitchell Black tut weh. Das ist verrückt, denn wir hatten kaum Gelegenheit, mehr als ein paar Worte zu wechseln. Trotzdem habe ich in diesen wenigen Minuten mit ihm mehr gefühlt als in all meinen vergangenen Beziehungen zusammen. Es tut weh, weil ich ihn mir aus dem Kopf schlagen muss.

Als wäre die Frau in seinem Zimmer nicht schon schlimm genug gewesen, war ich offensichtlich an diesem Tag auch noch ein wenig masochistisch veranlagt. Denn kaum war ich zu Hause, machte ich den Fehler, ihn im Internet zu suchen. Abgesehen davon, dass er in seiner Uniform unglaublich gut aussieht, gab es seitenweise Bilder von ihm auf Wohltätigkeitsveranstaltungen, Filmpremieren und Partys. Dabei hatte er jedes Mal eine andere Frau an seinem Arm. Zwar sehen sie alle verschieden aus, aber sie sind alle wunderschön.

Mitchell Black ist ein Spieler, und das nicht nur auf dem Baseballfeld. Ich bin viel zu realistisch, um an die wahnwitzige Vorstellung zu glauben, ich könnte diejenige sein, die Mr Baseball-Playboy zu einem ehrbaren Mann macht.

4

Bailey

»Luanne! Wo zum Teufel hast du das her?«

Luanne, meine Maine-Coon-Katze, starrt mich von ihrem Platz am Fenster aus an. Ihr Blick geht von dem aufgerollten Stoffknäuel in meiner Hand zu mir und dann zu der einzelnen Socke, die sie offensichtlich von einem meiner armen Nachbarn gestohlen hat. Schließlich lässt sie ihren Blick durch das Fenster über die Nachbarschaft schweifen.

Wahrscheinlich kundschaftet sie gerade alles aus, um sich auf ihren nächsten Überfall vorzubereiten.

Meine Katze ist kleptomanisch. Sie liebt nichts mehr, als durch die Straßen meines Viertels zu streifen und nach Dingen zu suchen, die sie ahnungslosen Menschen wegnehmen kann. Meist sind das Kauspielzeuge von Hunden oder, wie im heutigen Fall, die Wäsche von jemandem. Doch es kann auch vorkommen, dass sie viel wertvollere Dinge mitgehen lässt. Einmal hat sie jemandem die Brieftasche geklaut, nachdem er seine Hintertür offen gelassen hatte. Keine Ahnung, warum sie das tut oder woher sie diese Angewohnheit hat, aber irgendwie habe ich den Verdacht, dass sie mich damit nur ärgern will.

Ich habe sie bei Beast’s geholt, einem Tierheim, das nur ein paar Kilometer entfernt liegt. Die Tierärztin July stellte damals fest, dass Luanne schon ein paar Jahre alt und bei guter Gesundheit ist. Sie war ins Tierheim gebracht worden, nachdem ihr letzter Besitzer im Gefängnis gelandet war. Obwohl ich herauszufinden versuchte, weshalb ihr Ex-Besitzer eingebuchtet wurde, konnte mir niemand etwas sagen. Wenn man sich das Verhalten der Katze so anschaut, würde ich auf Einbruch tippen.

Das schrille Klingeln meines Telefons durchschneidet die Stille in meinem kleinen Haus. Nachdem ich mein Telefon herausgeholt habe, sehe ich, dass es Brooke ist, meine Zwillingsschwester. »Sissy«, begrüße ich sie mit ihrem Spitznamen. »Wie geht es der kleinen Bailey?«, frage ich nach meiner Nichte, die gerade in ihr heranwächst.

»Sie könnte auch ein Junge sein«, entgegnet Brooke mir, ohne mich vorher zu begrüßen.

»Es ist mir ganz egal, was es wird. Aber kannst du dich einfach beeilen und es endlich haben?«, jammere ich.

»Schön wär’s«, stöhnt sie, bevor sie mir eine lange Liste von Dingen aufzählt, die sie in ihrem hochschwangeren Zustand nerven. Eines davon ist unsere Mutter, die sie immer wieder anruft, um sich zu beschweren, warum sie nicht nach Savannah zurückkehrt, um das Baby dort zu bekommen.

Von uns vier Kindern ist nur mein jüngster Bruder, Zeke, in unserer Heimatstadt geblieben, wo er als Polizist arbeitet. Mein anderer Bruder, Jude, ging genau wie unser Dad zum Militär und ist derzeit in Übersee. Mit Brooke, die es nach Kalifornien verschlagen hat, und mir hier in Tennessee haben unsere Eltern einen schweren Fall von Empty-Nest-Syndrom bekommen.

Brooke und ich standen uns schon als Kinder sehr nahe, wahrscheinlich aus dem einfachen Grund, weil wir Zwillinge sind. Das hat sich auch nie geändert. Wir haben immer alles gemeinsam gemacht. Sogar die Flucht nach Europa, nachdem es zwischen Brooke und ihrem Highschool-Freund Tucker aus war. Die Zeit, die wir auf Reisen verbrachten, war die beste meines bisherigen Lebens. Nach unserer Rückkehr fanden sie und Tucker schnell zurück zueinander und waren im Handumdrehen wieder ein Paar. Jetzt lebt sie tausende Kilometer von mir entfernt in Kalifornien. Tucker ist ein weltberühmter Rennfahrer, und Brooke arbeitet mit Kindern, so wie sie es sich immer erträumt hat. Ich würde ja behaupten, kein bisschen neidisch auf meine Schwester zu sein, aber dann wäre ich eine Lügnerin. Am liebsten hätte ich genau das, was sie hat: eine Liebe, die mich erfüllt. Wahrscheinlich brauche ich nur etwas Zuversicht und Geduld. Wenn es so weit ist, werde ich auch den Richtigen finden.