Untot - Die Vampirprinzessin - Robert Klement - E-Book

Untot - Die Vampirprinzessin E-Book

Robert Klement

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Beschreibung

Dass Jan beim Casting zu einem Vampirfilm angenommen wurde, findet er echt cool. Die Dreharbeiten finden auf Schloss Krumau in Böhmen statt – eine gute Gelegenheit, seine Tante, die Schlossbesitzerin, zu besuchen. Denn über "Vampirismus" weiß sie viel zu erzählen: Zum Beispiel von der unglücklich verliebten Eleonore, der Vampirprinzessin, die Wolfsmilch getrunken hat und in den Nächten durch die Räume des Schlosses gegeistert ist. Oder von den gespenstischen Ritualen auf den Friedhöfen, wo Leichen ausgegraben und gepfählt wurden, um die "Untoten" an ihrer "Wiederkehr" zu hindern ... In einem faszinierenden, historisch basierten Roman verschränkt Robert Klement Vergangenheit und Gegen- wart und zeigt, dass verhetzender, gefährlicher Aber- glaube und angstgesteuerte Dummheit gar nicht so weit von unserer Zeit entfernt sind ...

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Seitenzahl: 115

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Robert Klement

UNTOT

DIE VAMPIRPRINZESSIN

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Neue Rechtschreibung

© 2022 by Obelisk Verlag, Innsbruck – Wien

Lektorat: Regina Zwerger

Cover: Tina Dür

unter Verwendung eines Fotos von Adobe Stock / © AnastasiaOsipova sowie einer anonymen Frauendarstellung(bei berechtigten Urheberrechtsansprüchen bitte den Verlag kontaktieren)

Alle Rechte vorbehalten

Druck und Bindung: Florjančič tisk d.o.o, Maribor, Slowenien

ISBN 978-3-99128-076-7

eISBN 978-3-99128-086-6

www.obelisk-verlag.at

INHALT

Geschöpfe der Nacht

Die Liebe einer Prinzessin

Die Wölfe der Fürstin

Liebeleien

Ein verhängnisvoller Fehlschuss

Entführt

Diagnose „Vampyrismus“

Vampirjäger im Auftrag Ihrer Majestät

Heimkehr und Abschied

GESCHÖPFE DER NACHT

Natürlich war Jan stolz auf seine Tante. Wer konnte schon von sich behaupten, eine Schlossbesitzerin in der Verwandtschaft zu haben?

„Dieses spitzbübische Lächeln“, sagte sie. „Genauso habe ich dich in Erinnerung.“

Der Besuch von Tante Amalie in Wien lag ja auch schon eine Weile zurück. Heute war Jan bei ihr zu Gast im böhmischen Schloss Krumau.

Die alte Dame wirkte gepflegt, war gediegen gekleidet. Der schicke Blazer und die Lippen leuchteten in Pink, ihrer Lieblingsfarbe. Ihr silberweißes Haar erinnerte Jan an Zuckerwatte. Mit ihrer großen, runden Brille glich sie ein wenig einer Eule. Sie sprach vornehm leise, aber bestimmt.

„Natürlich möchtest du wissen, ob sie nun tatsächlich ein Vampir war.“

„Na ja, wegen Eleonore bin ich ja hier. Du weißt sicher mehr, als bei den Führungen erzählt wird.“

„Alle, die ins Schloss Krumau kommen, wollen nur das eine wissen. Das Problem ist, dass du Vampire nur aus deinen schwachsinnigen Filmen kennst. Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Vergiss diese ungezügelte Fantasie von Regisseuren und Romanautoren!“

Die Tante blickte Jan prüfend an. Der Sticker in seinem rechten Nasenflügel schien ihr schon vom bloßen Hinsehen wehzutun. Er trug ein fliederfarbenes Hemd und eine Krawatte, die seltsam unpassend an ihm hing. Dazu ein Sakko, das deutlich zu weit war. „Du musst anständig gekleidet sein“, hatte die Mutter gemahnt. „Tante Amalie achtet auf so was!“ Natürlich hätte er sich jetzt in seinen Röhrenjeans, dem Polohemd und den bunten Air-Max-Schuhen bedeutend wohler gefühlt.

Die Tante bemühte sich nun zu erklären, dass die Wurzeln des Vampir-Mythos nicht im fernen Transsilvanien des Grafen Dracula, sondern genau hier, in Böhmen zu finden seien. Eigentlich wusste Jan durch die Mutter schon einiges über die Vampirprinzessin. Doch die Tante hatte versprochen, sich Zeit zu nehmen, um ihm die Hintergründe des Vampir-Mythos deutlich zu machen. Man könne Eleonore nur verstehen, wenn man in die damalige Zeit eintauche und bereit sei, sich auf die Schicksale der Menschen einzulassen.

Als Eleonore lebte, herrschte große Angst vor Untoten und Wiedergängern, die aus ihren Gräbern stiegen und sich über die Lebenden hermachten. Die Nacht war ihr Reich, Blut ihre Nahrung. Oft stand Eleonore im Schloss am Fenster ihres Schlafgemachs und beobachtete, wie die Krumauer gegen Mitternacht Gräber aufwühlten.

Tante Amalie erzählte nun mit solcher Leidenschaft, als wollte sie Eleonore für einige Augenblicke ins Leben zurückholen. Jan bewunderte ihre Fähigkeit, Menschen aus dem Dunkel der Geschichte heraustreten zu lassen.

„Ich will dir zunächst von Milan, dem Sohn des Wirts, berichten. Dann folgt die Geschichte von der kleinen Prinzessin, die in die große Welt hinausging und sich dort verirrte.“

Als es dämmerte, hüllte die untergehende Sonne die Grabsteine in ein magisches Licht. Bei Einbruch der Dunkelheit hoben mehrere Männer Gräber aus. Ihre Gestalten zeichneten sich schemenhaft gegen den Nachthimmel ab.

Das Graben fiel Milan schwer. Der Boden war verdammt hart. Der letzte heftige Winter mit ausgeprägtem Bodenfrost erschwerte die Arbeit. Milan blickte auf das einfache Grabkreuz, auf dem „Joseph Gruntherer“ stand. Milan hatte ihn gekannt. Er war oft im Gasthaus seiner Eltern gewesen. Seine hübsche Tochter hieß Marie. Das Grab wirkte immer gepflegt. Marie musste es erst vor Kurzem gegossen und bepflanzt haben.

Der Amtmann, der Pfarrer und der Messdiener wandelten wie Gespenster zwischen den Grabreihen. Sie trugen lange schwarze Roben und brennende Pechfackeln.

Am Friedhof von Krumau breitete sich eine Totenstadt von bizarrer, berührender Schönheit aus. Bäume und Grabsteine verschmolzen zu eigentümlichen Gebilden aus Holz und Stein und entwarfen ein düsteres Bild des Verfalls. Die Toten hier waren vom irdischen Jammertal befreit. Für die Menschen bedeutete der Tod lediglich einen Übergang von einem mühseligen Leben in die Freuden des Paradieses.

Milan wollte Joseph Gruntherer nicht ausgraben, doch der Amtmann hatte ihn dazu gezwungen. Maries Vater war eine fürstliche Jagd zum Verhängnis geworden. Dem Treiber waren zwei Schrotkugeln in die Schläfe gedrungen und er war auf einem Auge erblindet. Von heftigen Schmerz-Attacken geplagt, hatte er in seiner Verzweiflung den Kopf gegen Wände gestoßen.

Wenn sich Gruntherer nun tatsächlich als Untoter herausstellte, dann war die Verlobung von Karel und Marie geplatzt. Die Familie eines Vampirs wurde verachtet und gemieden.

Über den Dächern von Krumau leuchtete ein halber Mond. Milan erkannte einen Schimmer des weißen Marmorengels in der Mitte des Friedhofs. Der Bote Gottes stand für Trost und Hoffnung und wachte über die Seelen der Toten. Doch heute schien er keine Macht über diesen geweihten Ort zu haben.

Milan hatte nun etwas mehr als einen halben Meter geschafft. Er sprang in die Grube, spuckte in die Hände und grub weiter.

Dumpf und schwer hallten die Glockentöne der Veitskirche. Fledermäuse zuckten über den Abendhimmel.

Fünf Bürger aus Krumau wurden heute Nacht als Vampire verdächtigt. In der nächsten Grabreihe plagten sich weitere Männer mit dem harten Boden ab. Der kürzlich verstorbene Filip Horak war angeblich vor wenigen Tagen gegen Mitternacht vom Messdiener gesehen worden. Erwachte er in der Finsternis, um Blut und Leben zu schmecken? Die Menschen fürchteten nichts so sehr wie die Nacht, die voll wilder Tiere und gefährlicher Ungeheuer war.

Drei ausgegrabene Leichen waren von Maden entstellt und befanden sich in einem Zustand fortgeschrittenen Zerfalls. Der Verdacht, es könnte sich um Vampire handeln, bestätigte sich nicht.

Milan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der dumpfe Geruch frisch ausgehobener Erde verbreitete sich um das Grab. Seinem Vater gehörte das Gasthaus „Zum Engel“. Die lallenden Gäste, der Geruch von Erbrochenem, die verqualmte Wirtsstube, das Gebrüll und die Schlägereien hatten sich ihm schon als Kind tief eingeprägt. Milan kannte die Gräber der Männer, die sich langsam und beharrlich zu Tode gesoffen hatten. Sie tranken Bier gegen die Sorgen, Enttäuschungen und Niederlagen.

Als Milan mit vierzehn stark genug war, musste er betrunkene Gäste im Schubkarren nach Hause schaffen. Oft waren das bis zu zwei Kilometer – das ging ganz schön in die Arme! Monat für Monat Seite an Seite mit diesen grobschlächtigen Menschen, das konnte nicht seine Zukunft sein.

Einige junge Männer waren heute aus bloßer Neugierde gekommen. Sie wollten wissen, wie eine Leiche nach Monaten im Grab aussah. Milan hörte, wie der Wind in den Bäumen rauschte, und beobachtete einen fetten Regenwurm, der sich schwach ringelte. Der Amtmann näherte sich.

„Grab Er nur weiter, Martinez!“, befahl er.

Gessl hatte eine schneidende, Respekt heischende Stimme. Er war ein übellauniger Menschenfeind mit dem Aussehen eines Raubvogels, der seine Beute nicht aus den Augen lässt, ehe er sich auf sie stürzt. Milan war vor wenigen Wochen von ihm ertappt worden, als er in einem Seitenarm der Moldau einen Fisch mit bloßen Händen gefangen hatte.

Es war kurz vor Mitternacht, da stieß Milans Spaten auf etwas Hartes. Ein dumpfes Dröhnen – endlich, da war er. Plötzlich nahm ihm der Geruch von Moder und Durchfeuchtung fast den Atem. Er musste nun mit Helfern an beiden Enden unter der Kiste Seile anbringen. Der Sarg von Joseph Gruntherer kam zentimeterweise rumpelnd und ruckelnd nach oben. Zwei Männer zertrümmerten den Deckel mit Spitzhacken.

Langsam ließ der Messdiener den Lichtstrahl über den Körper wandern. Die Augen hinter den geschlossenen Lidern waren tief eingesunken. Der Körper wirkte merkwürdig aufgedunsen, das Gesicht rosig. Der Amtmann kniff die Augen zusammen und trat näher heran, um im flackernden Licht seiner Fackel Gewissheit zu erlangen. Er sah die langen Fingernägel, die wie Klauen hervortraten. Im rechten Mundwinkel schimmerte frisches Blut.

Die Umstehenden fluchten und stießen wilde Verwünschungen gegen den Toten aus. Milan wandte sich ab. Er wollte nicht zusehen, wie die Vampir-Rituale an dem Toten vollzogen wurden.

„Nochmals zuschlagen!“, befahl Gessl.

Der Pfahl war nun so tief in den Leichnam eingedrungen, dass er sogar den morschen Sargboden durchbohrte.

„Er wird niemandem mehr schaden!“, sagte der Pfarrer und murmelte weiter seinen Rosenkranz.

Neben dem Kirchturm wurde ein Stoß Holz in Brand gesetzt. Die Leichen von Joseph Gruntherer und Wilhelm Malik, dessen Leichentuch blutdurchtränkt war, wurden ins Feuer geworfen. Nun waren sie wirklich und endgültig gestorben, denn ihr Leichnam konnte im Jenseits nicht mehr zum Leben erweckt werden.

Die zu Unrecht Verdächtigten wurden mit dem Sarg wieder in die Gruben geworfen. Mutter Erde nahm die in ihrer Totenruhe Gestörten wieder gnädig auf.

„Männer, wir haben diese schwere Aufgabe aus Liebe und Verantwortung zu unseren Mitmenschen getan“, sagte der Amtmann. Auch der Pfarrer sprach seinen Dank aus.

Vor dem efeuumrankten Tor traf Milan Marie und Karel. Sie blickten die Männer voll banger Erwartung an.

„Es … es tut mir leid“, stammelte Milan. „Das wollten wir nicht.“

Marie sank mit einem Stöhnen an Karels Brust. Niemand sollte den Weinkrampf sehen, der immer wieder Schockwellen durch ihren Körper schickte. Dieser eine Moment hatte all den Zauber gelöscht, in dem sie noch wenige Stunden zuvor geschwebt war. In diesem Augenblick war etwas in ihr zerbrochen. Ihre Liebe hatte alle Widerstände überwunden – und nun sollte sie daran scheitern, weil sich in der Verwandtschaft ein Vampir befand?

Milan konnte es nicht fassen. Ausgerechnet Marie wurde bestraft, dieses hübsche, fleißige Mädchen, das auf einem Bauernhof wie eine Sklavin gehalten wurde!

„Ich muss ihr helfen“, dachte Milan. „Das darf doch nicht wahr sein. Was passiert bloß mit uns? Was geht da in unserem Leben vor?“

Tante Amalie hatte sich redlich Mühe gegeben, diesen Wahnsinn in Worte zu fassen. Das Pfählen von Leichen sei wohl das Abwegigste und Widerwärtigste gewesen, dessen Menschen fähig waren, erklärte sie. Es war auch das Schicksal von zwei Liebenden, die durch eine wahnwitzige Verschwörung getrennt worden sind.

„Was geschah mit Marie und Karel? Hat es nicht doch noch ein Happy End gegeben?“

Nach einem tiefen Seufzer erzählte die Tante von Marie, einer einfachen Magd. Der Bauer wollte sie vom Hof jagen. Da dieser Bauer Stammgast im Wirtshaus „Zum Engel“ war, konnte ihn Milan besänftigen, indem er ihm jeden Abend ein bis zwei Humpen Bier gratis zukommen ließ. Sein Vater durfte das natürlich nicht wissen. Karel wandte sich von Marie ab. Seine Eltern hätten einer Ehe niemals zugestimmt. Auch der Amtmann wäre dagegen gewesen.

„Damals endete so manches Mädchen, dessen Situation ausweglos war, in der Panenska-Gasse. Im Haus für gefallene Mädchen.“

„Äh … gefallen?“

Jan hatten schon viele Mädchen gefallen. Gefallen waren sie sicher auch einmal. Beate aus seiner Klasse ganz sicher. Die hatte ständig blaue Flecken. Kein Wunder, sie trainierte auf dem Schwebebalken.

Ein fast mitleidiges Lächeln huschte über das Gesicht der Tante. Dieser Jüngling schien noch wenig von der Verderbtheit der Welt zu wissen.

„Im Haus Nummer 38 waren Frauen, die Liebe und Vergnügen gegen Geld boten. Die Panenska wurde spöttisch auch ‚Jungferngasse‘ genannt.“

Ehrbare Bürgerinnen und deren Töchter blieben durch das „Schanthaus“ vor Zudringlichkeiten weitgehend unbehelligt. Jan kannte für diese Art von Häusern natürlich mehrere andere Namen. Auf alle Fälle war es tragisch, dass eine große Liebe so enden musste. Alles wegen eines angeblichen Vampirs!

Immer wieder hingen Jans Blicke fasziniert an den massiven Halsketten der Tante. Man musste fast fürchten, sie könnten die alte Dame jederzeit in die Tiefe ziehen. Höchst bemerkenswert fand er die Windhunde, die im Schloss eine große Freiheit zu genießen schienen: Sie durften auf Sesseln sitzen, auf Sofas liegen und nach Lust und Laune durch die Räume und den prächtigen Salon der Tante streifen. Beim fünften Hund hatte Jan zu zählen aufgehört.

„Wie hast du die Führung durch unser Schloss erlebt?“, wollte Tante Amalie wissen. Ein plötzlicher schriller Ton ließ sie in ihrem Stuhl auffahren. Jans Handy läutete! Er hatte als Klingelton den Riff einer Heavy-Metal-Band gespeichert, der sich in den Ohren der Tante wie der Alarm einer Chemiefabrik anhören musste.

„Entschuldigung, hab schon auf lautlos gestellt!“, stammelte Jan und zeigte sein etwas schiefes Lausbubengrinsen, das bei den Mädchen so gut ankam. Es hatte ihn schon vor manch Ungemach bewahrt. Man konnte ihm einfach nicht böse sein.

„Die Führung? Nicht schlecht, vielleicht etwas lang. Schlösser und Burgen haben mich ja schon immer fasziniert. Ich hätte aber gerne mehr über Eleonore erfahren. Sie wurde ja in der St. Veitskirche bestattet. Hat man auch ihre Leiche gepfählt?“

Die Blicke der Tante verloren sich plötzlich im Nirgendwo. Sie wirkte abwesend, als ginge sie in Gedanken das Schicksal der Vampirprinzessin noch einmal durch. Immer neue Bilder schienen im Strom ihrer Erinnerungen aufzutauchen. Einen Augenblick war es so, als würde eine Tote von einem lebenden Menschen Besitz ergreifen.

„Geduld, ich muss dir die Geschichte vom Anfang an erzählen.“

DIE LIEBE EINER PRINZESSIN

Wenn Eleonore in den Spiegel blickte, fand sie kaum Grund zur Klage. Die Haare mit silbernen Spangen zu Zöpfen gebündelt, ein leuchtender Blick aus lebhaften Augen.

Auf ihre Mitmenschen wirkte sie feenhaft bleich, als könnte man durch sie hindurchsehen. Wenn sie einen Raum betrat, schien die Sonne aufzugehen und jeder lächelte wie von einem geheimnisvollen Zauber gebannt.

Eleonore liebte ihre Großmutter, die ihr und Schwester Maria Ludovika im Kindesalter schaurige Geschichten von Kobolden, Trollen, Werwölfen, Hexen und Vampiren erzählte. Diese Geschichten dienten oft dazu, Kinder einzuschüchtern: Die Schreckgestalten könnten ungehorsame Kinder jederzeit holen oder gar fressen.

Als junges Mädchen lebte die Prinzessin einen von der Mutter streng geregelten Alltag. Maria Anna von Lobkowitz war eine launische Mutter. Mitunter erdrückte sie Eleonore vor Liebe, dann war sie wieder schroff und abweisend zu ihr. Die musikalische Begabung und die Liebe zur Literatur und Malerei hatte sie vom Vater. Ihre besondere Verehrung galt dem Maler Peter Paul Rubens.