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Abby hat eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft und darin bleibt kein Platz für Liebe. Für sie gilt: Sie darf daten, aber sich niemals verlieben. Doch als sie auf Tory trifft, gerät ihr Plan ins Wanken. Der Basketballstar der Allensville High ist dafür bekannt, schnell sein Herz zu verschenken. Doch sobald es ernst wird, zieht er weiter. Abby weiß jedoch, dass mehr hinter seiner Fassade steckt. Mit jedem langen Gespräch, jeder Berührung, verschwimmen die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe. Und während Abby und Tory mit ihren eigenen Herausforderungen kämpfen müssen, bleibt ein weiteres Problem bestehen: Torys Zwillingsbruder Hayden ist Abbys aktueller Freund ...
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Seitenzahl: 430
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Über dieses Buch
Titel
Widmung
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EPILOG
DANKSAGUNG
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
Abby hat eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft und darin bleibt kein Platz für Liebe. Für sie gilt: Sie darf daten, aber sich niemals verlieben. Doch als sie auf Tory trifft, gerät ihr Plan ins Wanken. Der Basketballstar der Allensville High ist dafür bekannt, schnell sein Herz zu verschenken. Doch sobald es ernst wird, zieht er weiter. Abby weiß jedoch, dass mehr hinter seiner Fassade steckt. Mit jedem langen Gespräch, jeder Berührung, verschwimmen die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe. Und während Abby und Tory mit ihren eigenen Herausforderungen kämpfen müssen, bleibt ein weiteres Problem bestehen: Torys Zwillingsbruder Hayden ist Abbys aktueller Freund ...
Ginger Scott
Varsity Heartbreaker:Abby & Tory
Aus dem Amerikanischen von Anita Nirschl
Für Torys größte Fans.
Ihr werdet mit Ana um ihn kämpfen müssen.
Ich habe nie wirklich verstanden, was an Blumen so toll sein soll. Zumal sie mega vergänglich sind. Ich schwöre, jedes Mal, wenn meine Mom Blumen bekommen hat, waren sie innerhalb von drei Tagen verwelkt.
Kommt mir wie eine Riesen-Geldverschwendung vor. Wahrscheinlich waren die Blumen meiner Mom von dem Mann, mit dem sie eine Affäre hatte, also ist es durchaus möglich, dass ich diesbezüglich voreingenommen bin. Trotzdem, was sagen Blumen denn über deine Gefühle für jemanden aus?
Ich mag dich genug, um in den Laden zu gehen und dieses fertig arrangierte, in Plastik eingewickelte Bündel Pflanzenabfälle zu kaufen?
Ich meine, ja, Blumen sind hübsch und so, aber es gibt viele Dinge, die hübsch sind. Torten sind hübsch, und die kann man essen. Ein perfekter Dreipunktewurf innerhalb von Sekunden, nichts als Netz ... das ist wahre Schönheit. Kunst, ein echt scharfes rotes Kleid, oder, verdammt, ein Hundewelpe! All das ist genauso ästhetisch ansprechend wie ein Strauß Blumen. Und dennoch bin ich hier und schneide über meinem Küchenabfalleimer die Stiele von irgendwelchem grün riechenden Pflanzenzeugs ab, während meine beste Freundin June mir erzählt, was für eine gute Idee das ist.
„Sie wird die Blumen lieben“, versichert June mir, während sie nach meinem Strauß greift und an einem Stiel zupft. Sie zieht irgendwas heraus und wirft es in den Abfalleimer zu den Stielenden, die ich in einem schrägen Winkel abgeschnitten habe, weil „schräge Winkel das Wasser besser aufnehmen“ oder was auch immer.
„Wird sie die da nicht mögen?“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lache. Ich bin immer noch nicht überzeugt von dem Ganzen hier.
„Die ist verwelkt.“
Ich forme ein O mit meinem Mund und lasse das Kinn hängen, um die schlaffe Blüte anzustarren, die dort im Müll liegt.
„So ein Pech.“ Ich nicke.
June kichert, dann legt sie die Hände um den Strauß und hält ihn fest, damit ich die riesige Schleife wieder um die Stiele binden kann. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Mädchen als beste Freundin haben würde, geschweige denn June Mabee. Schließlich habe ich sie getriezt, seit sie Möpse bekommen hat, wahrscheinlich sogar schon vorher, wenn ich ehrlich bin. Ich nenne sie immer noch Maybe Mabee. Vor ein paar Monaten sind June und ich auf epische Weise aufeinandergeprallt. Wir haben unser letztes Highschooljahr merkwürdig angefangen, indem wir ziemlich schlimmen Mist zusammen durchgemacht haben. Irgendwie sind wir noch in der Flitterwochenphase, was dieses Beste-Freunde-Ding angeht, schätze ich, aber sie hat bisher noch nicht die Nase voll von mir, und wie sich herausstellt, kann Maybe Mabee ziemlich gute Ratschläge geben.
Obwohl, von dieser Blumensache bin ich immer noch nicht ganz überzeugt.
„Bist du sicher, dass das nicht doof ist? Ich komme mir wirklich dämlich vor.“ Ich schwitze, und dabei habe ich nach dem Basketballtraining bereits geduscht, zweimal mein Hemd gewechselt und eine ganze Menge Deo aufgesprüht. Das hier ist fremdes Terrain für mich. Um es kurz und knapp zu sagen: Ich bin verknallt. Das ist bizarr, denn irgendein Mädchen der Allensville Public High klarzumachen — oder eigentlich unserer ganzen Stadt Allensville —, war noch nie ein Problem für mich.
June sagt, das kommt daher, weil ich es gewohnt bin, dass mir die Mädchen hinterherlaufen. Vielleicht stimmt das auch. Aber ich glaube der eigentlich Grund ist, dass das Mädchen, das ich zu beeindrucken versuche, noch nie auch nur einen Funken Interesse an mir gezeigt hat. Ich würde sogar darauf wetten, dass sie mich nicht ausstehen kann.
„Abby wird tot umfallen ... auf gute Weise!“ June sagt das oft, dieses kleine Anhängsel auf gute Weise. Fühlt sich für mich wie eine Absicherung an.
Abby Cortez ist Junes andere beste Freundin.
Na schön.
Sie ist ihre echte beste Freundin, und ich bin der Neue, mit dem June manchmal rumhängt, während sie auf ihren Freund Lucas wartet. Meinen echten besten Freund. Zusammen mit meinem Zwillingsbruder Hayden sind wir unsere eigene kleine Clique geworden. Bis auf die winzige Tatsache, dass Abby mich eben nicht ausstehen kann. Oh, und dass ich ihre süßen Lippen küssen und ihre Beine um meine Taille schlingen will, bevor ich sie auf die Motorhaube meines Autos lege.
Es ist kompliziert. Aber Blumen sind der Schlüssel. June schwört darauf.
„Du siehst fantastisch aus“, sagt June, während sie vor mich tritt und mir etwas von der Schulter wischt. Ich habe mich für ein Hemd entschieden, hauptsächlich, weil das hier an Brust und Armen eng anliegt und meine Muskeln betont. June braucht mir nicht zu sagen, wie sehr Abby auf Typen abfährt, die was fürs Auge sind. Sie stand eine Weile auf diesen Neuen, Cannon, und hat ein paarmal Bemerkungen über seine Arme und seine Brust gemacht. Aber anscheinend ist der verdammt mürrisch. Gott sei Dank!
„Wo ist dein Bruder?“, fragt June.
„Vorstellungsgespräch“, antworte ich, während ich mich bücke, um mein Spiegelbild in der Glasfront des Backofens zu betrachten. Ich habe tatsächlich Stylingprodukte in den Haaren. Wer bin ich?
„Wow. D’Angelo-Jungs arbeiten?“, spottet June.
Ich zucke mit den Schultern, als ich mich wiederaufrichte und zu ihr umdrehe.
„Es ist gerade schwer, daheim zu sein, und Hayden fällt es schwerer als mir. Ich glaube, er will etwas, womit er seine Freizeit ausfüllen kann.“ Junes Blick wird weicher, aber sie achtet sorgfältig darauf, ihn nicht in Mitleid abgleiten zu lassen. So was machen wir nicht.
Mein Dad ist vor einem Monat ausgezogen. Es ist immer noch ziemlich frisch für uns alle. Meine Mom hatte eine Affäre mit Lucas’ Dad, und als alles rauskam, hat es im Grunde genommen unsere beiden Familien zerstört.
„Habt ihr in letzter Zeit mit eurem Dad geredet?“, fragt June. Unser Pops hat gesagt, mein Bruder und ich könnten zu ihm nach Indianapolis ziehen, wenn wir wollen, aber das ist unser Abschlussjahr. Wir können in dieser Basketball-Saison die State Championship gewinnen, und wir haben beide entschieden, dass wir das nicht aufgeben wollen. Hierzubleiben bedeutet allerdings, es für die nächsten paar Monate in einem Haus mit einem Elternteil auszuhalten, vor dem wir so ziemlich jeden Respekt verloren haben.
„Unsere erste Familientherapiesitzung ist nächste Woche, mit beiden. Da wird es sicher knallen“, sage ich.
June verzieht als Antwort darauf das Gesicht.
„Bist du sicher, dass es nicht komisch ist, wenn ich dich und Luc zu einer Art Doppel-Date zwinge?“, frage ich mit zusammengekniffenen Augen, und ein kleiner Teil von mir wünscht sich, dass sie mich vom Haken lässt. Ich hatte noch nie Angst vor Zurückweisung, aber bei Abby würde ich von einer soliden Fifty-Fifty-Chance ausgehen, dass sie mir in die Eier tritt, wenn ich sie um ein Date bitte.
„Hör auf“, protestiert June, über mein nervöses Verhalten lachend. „Das ist süß. Und dadurch werdet ihr euch beide wohler fühlen. Außerdem gehen wir ins Eight Lanes. Bowling ist das leichteste erste Date aller Zeiten.“
„Sagt die Eight-Lanes-Angestellte, die zweihundert bowlt“, erwidere ich, eine Augenbraue hochgezogen.
Junes Lachen wird lauter, hört jedoch auf, als wir durch das vertraute Brummen von Lucas’ Truck in der Einfahrt unterbrochen werden. Ich fange an, auf der Stelle herumzuhüpfen, weil er Abby hierher mitbringen soll und ich plötzlich so unter Strom stehe, dass ich einen Blitz damit speisen könnte.
„Los geht’s“, sage ich kaum hörbar. June drückt meinen Arm und schenkt mir ein beruhigendes Lächeln.
Lucas platzt als Erster zur Tür herein, und ich blase die Wangen auf, um anzudeuten, wie gestresst ich bin. Aber etwas an seinem Blick lässt mich wie angewurzelt erstarren. Ich höre auf zu hüpfen und mein Herz auf zu schlagen.
„Mission abbrechen“, sagt Lucas, dabei zeigt er auf mich und starrt seiner Freundin dann fest in die Augen.
„Was zum —“ Mein Protest bricht ab, als Abby hinter Lucas durch die Tür hereinkommt, ihre Hand fest in der meines Bruders. Meine Augen sehen nichts anderes. Unverhohlen starre ich auf die Stelle, an der mein Schwarm und mein Zwillingsbruder miteinander verschmolzen sind.
Was zum Teufel, verdammt?
„Ich hab den Job, Leute!“, sagt mein Bruder. Zumindest klingt es wie seine Stimme. Beschwören könnte ich nicht, dass er die Worte gesagt hat, denn ich schaue ihn nicht an. Ich blicke auf Abbys andere Hand, die seinen Ellbogen hält, während sie vor Begeisterung auf- und abhüpft. Das sind jetzt schon zwei Hände, die sie auf ihm hat. Zwei Hände.
„Hast du gehört, Bro? Ich hab den Job!“
Ich schüttle den Kopf und zwinge mich, Hayden in die Augen zu sehen. Wir sind äußerlich nahezu identisch, aber unsere Persönlichkeiten sind völlig unterschiedlich. Wo ich laut bin, ist er leise. Mein Selbstbewusstsein steht im Gegensatz zu seiner Reserviertheit. Ich glaube, dass ich jedes Mädchen dazu bringen kann, sich in mich zu verlieben. Und Hayden ... Er hatte noch nie eine Freundin. Noch nie.
Bis —
„Du siehst vor dir den neuen Platzanweiser im Twofers“, sagt mein Bruder und hält sein neues Arbeitshemd hoch. Es ist knallrot mit zwei gestickten Wienerwürstchen auf der Brusttasche. Es sieht total lächerlich aus, und mein natürlicher Instinkt ist, mich darüber lustig zu machen, aber mir scheint absolut nichts Lustiges einfallen zu wollen.
„Wow“, sage ich, wobei ich dieses furchtbar kleine Wort gewaltig übertreibe.
„Nicht wahr?“ Er gibt mir einen Schubs gegen die Schulter und drückt mir das Hemd in die Hände. Ich falte es auseinander und starre es mit einem falschen Lachen an. Dann werfe ich es auf den Küchentresen und halte meine Hand hoch, damit er einschlagen kann, und wir ziehen einander in eine Umarmung. Über die Schulter meines Bruders hinweg fange ich Junes Blick auf, und er ist voller Mitleid. Gottverdammtem Mitleid!
„Ich hoffe, es ist okay, dass ich Hayden eingeladen habe, mitzukommen?“, fragt Abby von irgendwo hinter mir. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, mich umzudrehen und sie anzusehen.
„Natürlich. Ja, total“, krächze ich heraus. Ich huste, um meine zittrige Stimme zu vertuschen.
„Ich muss mich nur noch umziehen, dann können wir los. Was sollen denn die Blumen, Alter?“, fragt mein Bruder und zeigt auf meine Faust, die den Strauß mit ihrem Griff fast zu Tode würgt.
„Oh“, sage ich, als ich sie hochhalte, und fühle mich plötzlich wie betäubt. „Ich —“
„Er hat eine Wette verloren“, kommt June mir zu Hilfe.
Hayden akzeptiert ihre Antwort mit einem Nicken, dann rennt er die Treppe hoch und lässt den Rest von uns in diesem sofort enger werdenden Raum zurück.
„Ist das frisch mit euch?“, sagt June mit einem halben Flüstern, von dem ich mir wünsche, ich würde es nicht hören, zu ihrer Freundin.
„Wir haben viel miteinander geredet, bei allem, was sie gerade durchmachen, und ich weiß nicht, es ist einfach irgendwie ...“ Abby wackelt mit ihrem Kopf hin und her, aber es ist das Erröten auf ihren Wangen, das mich fertigmacht.
Einfach irgendwie.
Das jähe Bedürfnis, aus dem Zimmer zu rennen, überfällt mich, und ich marschiere durch die Küche auf June zu. „Da hast du, Wettschulden sind Ehrenschulden“, sage ich und drücke ihr die Blumen, von denen ich wusste, dass sie eine blöde Idee waren, gegen die Brust. Mit einem „Uff“ drückt sie den Strauß an sich.
Auf meinem Weg nach draußen werfe ich Lucas einen Blick zu und weiß, dass er mir daraufhin zu seinem Truck folgen wird, damit ich mit nur ihm als Zeuge schreien und fluchen und mich wie ein Idiot aufführen kann.
„Wow, da ist jemand aber ein schlechter Verlierer“, sagt Abby witzelnd hinter meiner Schulter.
Ich stoße ein verächtliches Lachen aus und bin nicht mal in der Lage, eine meiner üblichen Retourkutschen herauszubringen, weil sie den Nagel so auf den Kopf getroffen hat. Ich bin ein schlechter Verlierer. Ich bin außerdem fertig damit, für irgendein Mädchen Gefühle zu haben.
Auf dem ganzen Weg zur Bowlingbahn war June still. Und jetzt, wo wir drinnen sind, ist sie immer noch still. Die Beziehung zwischen meiner besten Freundin und Lucas ist sehr dramatisch wieder in Ordnung gekommen. Ich meine, sie sind schon seit der Grundschule füreinander bestimmt, aber nach ihrer stürmischen Romanze, direkt nach der Enthüllung der vielen Lügen, hoffe ich, dass sie ihre Flitterwochenphase nicht so früh schon gegen die Wand gefahren haben.
Ich suche die ganze Zeit schon nach dem richtigen Zeitpunkt, um ihr meine großen Neuigkeiten zu erzählen, aber seit wir das Haus der Zwillinge verlassen haben, ist June beschäftigt. Still, ja, aber auch merkwürdig beschäftigt. Wie jetzt gerade, zum Beispiel. Während der Rest von uns am Tisch von Bahn Acht sitzt und darauf wartet, dass June uns unsere Bowlingschuhe bringt, steht sie am Tresen und poliert sie. Das sind doch nur hässliche Bowlingschuhe! Warum sollte es uns kümmern, ob sie unter dem Neonlicht dieser Bruchbude glänzen?
Ich kann es gar nicht erwarten, mit meiner Freundin zu reden. Fast wünschte ich, wir hätten dieses Bowling-Treffen nicht geplant. Ich würde viel lieber ihr gegenüber zusammengekuschelt im Pyjama auf dem Bett liegen, während ich ihr mein Herz darüber ausschütte, was mich beschäftigt. Das ist mein Moment. Es ist die eine Sache, auf die ein Schauspieler hofft; der große Erfolg nach Tausenden von Vorsprechen. Dieser Deal bedeutet, dass ich womöglich nicht rechtzeitig zum Schulabschluss zurück sein werde, und dass ich den Abschlussball wahrscheinlich komplett vergessen kann, aber es ist ein Spielfilm. Das ist es total wert ... denke ich.
Es bedeutet wahrscheinlich auch, dass die gerichtlichen Klagen meines Dads noch hässlicher werden, falls das überhaupt möglich ist, aber zum Teufel damit! Ich wünsche mir diesen Durchbruch schon, seit ich sechs Jahre alt war und mir auf der Bühne des Gemeindetheaters als Indianas erste Latina-Annie die Seele aus dem Leib gesungen habe. Damals habe ich mir dafür sogar eine Dauerwelle verpassen lassen, also wenn für diese Filmrolle nichts anderes erforderlich ist, als die letzten drei Monate meines Abschlussjahrs zu verpassen, dann scheiß drauf. Abschlussballkleider sind sowieso hässlich.
„Wollen wir jetzt bowlen oder einen Schuhladen aufmachen?“, schreit Tory über die Bahnen hinweg zu June, die immer noch mit einem Lappen über die Schuhe auf dem Tresen wienert. Ich wusste, ich kann auf Torys Ungeduld zählen, das Eis zu brechen. So süß sein Bruder auch ist, er ist kein Unruhestifter. Tory D’Angelo dagegen ist der Ozzy Osbourne der Unruhestifter. Er stiftet Chaos, bis es brennt.
„Ich weiß, wie wichtig dir deine Fußbekleidung ist!“, schreit June zu ihm zurück. Ich lache, aber Tory brummt nur und lässt sich auf den Stuhl neben dem Zählcomputer sinken.
„Er ist nur sauer, weil ich ein besserer Bowler bin als er“, erklingt Haydens Stimme über meine Schulter, als er sich von hinten über den Stuhl zu mir beugt. Er küsst leicht meinen Hals, dann drückt er meine Schultern. Ich atme tief aus und spüre, wie meine Anspannung unter dem Druck seiner Hände von mir abfällt.
Nie in einer Million Jahren hätte ich mir eine Welt vorstellen können, in der ich Hayden D’Angelo date. Das Einzige, was noch unwahrscheinlicher wäre, ist ein Universum, in dem Tory und ich ein Paar sind. Aber Hayden ist einfach ... so easy. Er hat mich vor ein paar Wochen aus heiterem Himmel angerufen, und wir haben jeden Abend geredet. Er braucht jemanden, der versteht, wie sich eine hässliche Scheidung anfühlt; jemanden, der nicht sein Bruder ist, oder sein Freund, der dasselbe mit seiner eigenen Familie durchmacht. Ich bin dieser Mensch. Kind einer hässlichen Scheidung sollte ein Punkt in meinem Lebenslauf sein. Nichts Neues für Hollywood, schätze ich.
„Größe vierzig, stimmts?“ June hält mir ein Paar Schuhe hin und lässt es an den zusammengebundenen Schnürsenkeln von ihrem Finger baumeln.
„Jepp“, sage ich, gefolgt von einem angespannten Lächeln. Sie erwidert meine Miene. Irgendwas stimmt hier definitiv nicht. Außerdem weiß sie, dass ich Größe vierzig trage. Sie trägt selbst vierzig. Ich habe ständig ihre Schuhe an!
Hayden lässt sich auf den Stuhl fallen, der an meinen geschraubt ist, und durch seinen großen Körper fühle ich mich sofort eingeengt. Ich schlüpfe in meinen Schuh und werfe einen Blick nach links zu seinem, dabei bemerke ich die Größe, bevor er seinen Fuß hineinsteckt.
Sechsundvierzig.
Ich schnüre die Schuhe zu und schiebe dann meine Straßenschuhe unter den Sitz. Tory hat unsere Namen auf das Board eingetippt und mich dabei ans Ende gesetzt. Ich bin froh darüber, weil ich und jede Art von Sport nicht auf derselben Wellenlänge schwimmen. Ich bin mir nicht mal sicher, wie ich diese Kugel zum richtigen Zeitpunkt von den Fingern bekommen soll. June arbeitet hier schon seit über einem Jahr, und in der ganzen Zeit habe ich nichts anderes getan, als im Barbereich Limo zu trinken und Billardkugeln herumzuschubsen, während ich darauf wartete, dass ihre Schicht endet.
Hayden verlässt den Platz neben mir, und ich sehe gerade rechtzeitig zu ihm hoch, um sein Zwinkern und Lächeln zu bemerken. Er ist zum Anbeißen, wie sich sein Haar über seine Stirn ringelt und ein Auge immer ein bisschen stärker blinzelt als das andere. Ich habe oft gehört, dass Zwillinge versuchen, sich voneinander zu unterscheiden, je älter sie werden, sozusagen eine Möglichkeit, um sich von ihrer Kopie abzugrenzen. Ich sehe den Beweis dafür, wenn ich die D’Angelo-Jungs betrachte. Hayden ist manchmal ein bisschen schlampig, aber auf süße Weise. Er trägt oft T-Shirts, immer halb reingesteckt unter leicht zerknitterten Hemden, und seine Jeans sind oft vielleicht ein kleines bisschen zu kurz. Wieder ... auf süße Weise. Er trägt diesen Beachboy-Look, falls es das in Indiana gibt. So gut er im Basketball auch ist, würde ich nicht stutzen, wenn ich ihn mit einem Surfbrett unter dem Arm und tief auf der Hüfte sitzenden Shorts vorbeilaufen sehen würde. Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die das denkt, da Basketball in diesem Bundesstaat praktisch eine Religion ist. Die Brüder haben die gleichen haselnussbraunen Augen, die gleichen hellbraunen Haare, die manchmal bernsteinfarben, manchmal golden sind, je nach Jahreszeit, und den gleichen Oh-mein-Gott!-Körperbau. Die Zwillinge waren schon immer heiß. Und sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Aber durch ihr Verhalten unterscheiden sie sich gewaltig. Tory ist geschniegelt. Seine Haare sitzen immer perfekt, sogar nach einem zweistündigen Basketballtraining oder nachdem er einen Footballhelm abgesetzt hat. Seine Garderobe sieht immer so aus wie in den Werbe-Shootings, die ich mache. Alles passt zusammen, wie bei diesen Kombinationen, die man an Schaufensterpuppen oder in Katalogen sieht. Und er muss es genau richtig timen, wann er sich rasiert, denn während Hayden immer glatt wie ein Babypopo ist, hat Tory einen Dreitagebart wie ein Verbindungsstudent.
Er ist auch frech wie ein Verbindungsstudent. In all den Jahren, seit wir uns kennen, ist Tory D’Angelo der einzige Mensch, bei dem ich mich darauf verlassen kann, dass er immer irgendeine spöttische Bemerkung auf Lager hat, seine kleine besondere Begabung, mich abzutörnen. In letzter Zeit aber ist er gemäßigter. Nicht ruhig, aber einfach nicht ... Tory. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mit Hayden über das Zerwürfnis ihrer Eltern zu reden, und es ist unmöglich, dass Tory nicht dasselbe empfindet. Auf seine eigene Weise.
„Alle Achtung, eine Elferkugel, Mabee“, sagt Tory neckend, als June mit einer leuchtend grünen Kugel in den Händen herkommt. Sie beugt einen Arm, um ihre Muskeln zu zeigen, und Tory lacht.
„Kann ich deine auch nehmen?“, frage ich sie, während ich aufstehe und zur Ablage gehe, wo sie die grüne Kugel gerade abgesetzt hat.
June zieht schmunzelnd einen Mundwinkel hoch, und Tory kichert, bevor er sich auf seinem Stuhl von mir wegdreht. Ich starre auf seinen Hinterkopf und gebe mein Bestes, ihm Laserstrahllöcher in den Schädel zu brennen.
„Was ist daran so lustig?“, protestiere ich, während ich meinen Blick von seinem Kopf auf Junes Gesicht richte.
„Es ist nur, elf ist ziemlich schwer“, sagt meine Freundin und tippt mit dem Finger auf die Elf, die in die Kugel eingraviert ist.
„Das sind elf Pfund, verdammt. So viel wiegt eine Katze!“ Ich greife nach der Kugel, während sie über meinen Vergleich lacht.
„Du wirfst aber keine Katze die Bahn entlang, Abby.“
Ich funkle sie finster an, während ich meine Finger unbeholfen in die Löcher stecke. Sie sind riesig und zu weit auseinander.
„Ich weiß, dass ich keine verdammte Katze auf die Pins werfe, June. Das wäre grausam.“
Ihre Augen weiten sich, als sie meine Hand auf der glatten Oberfläche anstarrt. Ihr Mund öffnet sich, aber bevor sie es mir ausreden kann, lasse ich die Kugel mit einem Klonk auf die Ausgabe fallen und wische mir die Hände ab, fest entschlossen, die Elfer-Kugel zu werfen.
„Ich nehme deine. Danke“, sage ich und setze mich neben Tory. Er steht in der Sekunde auf, in der ich mich hinsetze.
„Bist du ernsthaft so empört über meine Wahl?“, schleudere ich ihm meine Frage entgegen, aber er geht einfach weiter zu den Kugeln, um sich selbst eine auszusuchen.
Diese Stimmung ist eigenartig, als wäre ich mitten in einen Streit geplatzt oder in eine Intervention, die noch nicht richtig angefangen hat. Was zum —?
June schlüpft auf den Stuhl, den Tory gerade freigemacht hat und tippt auf der Tastatur, um Lucas’ Namen in Prinzessin zu ändern. Schmunzelnd stoße ich ein Lachen aus.
„Lustig, oder?“, sagt sie und drückt auf Enter, gerade bevor die Jungs mit ihren Kugeln zurückkommen.
Tory macht den Anfang, tritt auf dem glatten Holzboden nach vorne und positioniert seine Füße mit megaernster Haltung. Er hält die Kugel vor sich, zielt, dann macht er drei schnelle Schritte auf die Pins zu und wirft die Kugel genau die Mitte der Bahn entlang. Pins explodieren am anderen Ende, und nur jeweils einer auf jeder Seite bleibt stehen.
„Gut!“, sage ich, als er wieder zu uns zurückgeht.
„Das ist ein 7 – 10-Split. Daran ist nichts gut“, schnaubt er.
Ich zucke mit den Schultern und werfe einen Blick zu June, weil ich nicht weiß, was zum Teufel an dem, was ich gerade gesagt habe, so falsch war.
„Es ist jetzt echt schwer, die beiden auf einmal umzuwerfen“, erklärt June mit einem Flüstern.
Ich sehe zurück zu Tory, der neben der Kugelablage steht, ein Hand wartend über dem Luftstrom, der dort aus einer Düse kommt.
„Nur nicht die Nerven verlieren“, sage ich, unmittelbar bevor seine Kugel auf dem Rack erscheint. Er wirft mir nur einen flüchtigen Seitenblick zu.
„Ich liebe es, wenn ihr zwei euch gegenseitig aufzieht.“ Hayden tritt hinter mich und streicht mit den Händen über meine Schultern, dann drückt er sie sanft.
„Ja, nur nicht die Nerven verlieren, Bro!“, wirft Hayden hinterher. Torys Füße bleiben kurz vor den Pfeilen auf dem Boden stehen, und seine Hand, die die Kugel hält, sinkt zur Hüfte. Er dreht sich um und schaut seinen Bruder mit zur Seite geneigtem Kopf an. Hayden beugt sich herunter und legt sein Kinn auf meinen Kopf, um seine Arme vollständig um meinen Hals und Schultern zu legen. Torys Körper bebt von einem kurzen Auflachen.
„Fünfzig Mäuse, dass ich die abräume“, sagt Tory. Obwohl er mit seinem Bruder spricht, sind seine Augen auf mich gerichtet, beinahe, als wolle er, dass ich die Wette eingehe. Haydens Arme entspannen sich und lösen sich von mir, als er sich aufrichtet und seine Brieftasche rausholt.
„Ich hab zwanzig“, sagt er zu seinem Bruder.
Torys Mundwinkel hebt sich auf einer Seite. „Dann schuldest du mir noch dreißig.“
Die bedeutungsschwangere Pause, als sie einander herausfordern, wird vom hämmernden Bass der Popmusik aus der Soundanlage des Eight Lanes gefüllt.
„Abgemacht“, sagt Hayden.
Tory nickt zustimmend, und ihre kleine Wette ist besiegelt.
„Er wirds verbocken“, erklingt Haydens Stimme über meine Schulter hinweg.
Ich lehne mich vor, die Ellbogen und Handflächen auf den kleinen Tresen vor mir gestützt, und bin mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich dafür bin, dass Tory gewinnt oder verliert. Er rollt die Schultern und positioniert die Kugel vor sich, genau wie vorher, nur steht er diesmal am äußersten rechten Rand der Bahn. Mein Bauch krampft sich zusammen, als er Anlauf nimmt, und alles, was ich mir vorstellen kann, ist, dass seine Kugel wütend die rechte Rinne entlangrollt.
Ich halte den Atem an, als er loslässt, während eine Mischung aus Verwünschungen und Hoffnungen von den anderen kommt.
„Du schaffst es, Alter! Du schaffst es!“, schreit Lucas, als Torys Kugel an der äußersten Kante der Bahn entlangrollt, praktisch ohne Drehung geradewegs auf den einzelnen Pin auf der rechten Seite zu.
„Auf keinen Fall trifft der den anderen. Nicht genug Power, Bro. Nicht genug —“ Haydens Fluch wird durch den fliegenden Pin abgeschnitten, der den anderen auf der gegenüberliegenden Seite der Bahn trifft und umwirft.
„Ja!“, rufen June und ich gleichzeitig. Schätze, ich war dafür, dass Tory es schafft. Ich habe das Gefühl, dass er vielleicht einen Sieg gebrauchen kann.
Tory schlendert zu uns zurück, und sein Bruder tritt mit ausgestreckter Hand hinter mir hervor, um seinem Bruder zu gratulieren. Nach ihrem Handschlag kommt Tory näher und klopft Hayden kräftig auf die Brust.
„Hoffentlich bekommst du Trinkgeld im Twofers“, sagt er die Augenbrauen hochziehend, unmittelbar bevor sein Blick zu mir geht. „Außer du möchtest noch mal wetten? Doppelt oder nichts?“
Das Lächeln auf meinem Gesicht verblasst unter der Hitze seines Blicks. Ich habe das Gefühl, dass er nicht mehr um Geld wettet, und die Anspielung macht mich wütend.
„Ich stehe nicht zur Verfügung“, werfe ich ein, drehe mich weg und schlage die Beine übereinander. Mein nacktes Knie ragt durch das ausgefranste Loch in meiner Jeans, und mein grüner Pulli rutscht über eine Schulter, als ich die Arme vor der Brust verschränke.
Ein Lachen braut sich langsam in Torys Brust zusammen, zuerst lautlos, bis es schallend aus ihm herausbricht, während er sich den Bauch hält.
„Ich weiß nicht, warum du so besessen davon bist, dass ich dich im Stehen nehme, aber das ist jetzt nicht mehr angebracht, Cortez. Dazu hast du dir den falschen Bruder ausgesucht.“ Es ist eine typische Stichelei von ihm, wie ich sie größtenteils gewohnt bin, aber sie hat auch eine zusätzliche Schärfe an sich, und ich merke, dass die anderen sich dabei unbehaglich fühlen. Hayden versetzt seinem Bruder einen Stoß gegen die Schulter, der Tory aus dem Gleichgewicht bringt.
„Nicht cool, Alter. Lass den Scheiß“, sagt er und wirft seinem Bruder die zwanzig Dollar vor die Brust. Tory fängt den Schein mit der Hand auf und zerknittert ihn dabei an seinem Sweatshirt.
„Ich schulde dir noch dreißig.“
Hayden geht zur Ausgabe, um seine Kugel zu nehmen, dabei rempelt er seinen Bruder eindeutig absichtlich mit der Schulter an, mit so viel Wucht, dass sich Torys Körper zur Seite verdreht. Tory hat immer noch sein halbes Lächeln auf den Lippen, als er auf das Geld in seiner Hand hinuntersieht, doch dann wird sein Mund schließlich zu einem geraden Strich, und er steckt das Geld in die Gesäßtasche seiner Jeans, ein Preis, der es offenbar nicht mehr wert ist, damit anzugeben.
„Gut, dass das nicht peinlich war oder so“, sagt Lucas hinter mir.
„Er macht gerade viel durch“, fügt June hinzu, und ihr Blick wird weicher, als sie mich ansieht. Sie versucht, ohne Worte mit mir zu kommunizieren, über unseren Freundinnen-Code, in der Hoffnung, dass ich verstehe. Das tue ich. Hayden ist jemand, der redet, und er hat sich mir gegenüber geöffnet, wie sehr ihn die Trennung seiner Eltern und die hässliche Art und Weise, wie sich das alles zugespitzt hat, belastet. Tory frisst alles in sich hinein. Ich kann mich mehr mit ihm identifizieren, als er denkt.
Nun ist Hayden an der Reihe und trifft nur neun Pins. Als June den Sitz neben mir freimacht, um ihre Kugel zu holen, lässt Hayden sich darauf nieder, einen angespannten Ausdruck auf dem Gesicht wegen der Reaktion seines Bruders. Ich merke an der Art und Weise, wie er seinem Bruder komplett aus dem Weg geht, dass es ihn beschäftigt, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Person bin, die in dieser Situation schlichtend eingreifen sollte. Ich neige bei Tory dazu, die Situation hochkochen zu lassen.
„Klar, dass sie einen Double bowlt“, murmelt Hayden, als June sich auf dem Absatz umdreht und beide Arme hochreißt, um sich zu brüsten.
„Ich meine, sie arbeitet schließlich hier“, sage ich, mich an ihn lehnend. Er lehnt sich ebenfalls an mich, so dass sich unsere Schultern aneinanderschmiegen.
„Das muss man einfach lieben, wenn dein Mädchen dich bei einem Sport fertigmacht“, brummt Lucas neckend, während er die Kugel in den Händen hält und sich vorbeugt, um einen Kuss auf Junes Lippen zu hauchen.
„Das war sexistisch, aber der Kuss war süß, also verzeihe ich dir“, sagt meine Freundin. Hayden und ich lachen beide, hören beim Geräusch von Torys Füßen in seinen glatten Bowlingschuhen auf dem Boden jedoch auf. Ich werfe einen Blick über meine Schulter und erwarte, sein albernes Grinsen zu sehen, oder seine erhobene Hand, um June ein High Five dafür zu geben, Lucas in die Schranken gewiesen zu haben. Stattdessen sehe ich in seine Augen, und da ist kein Lächeln zu entdecken, sein Mund ist ohne Mimik, ein lebloser Strich. Er ist in einer düsteren Stimmung.
Ich warte, bis er die Reihe von Kugeln entlanggegangen und außer Hörweite ist, bevor ich meine Gedanken Hayden gegenüber erwähne, während Lucas an der Reihe ist.
„Denkst du, du solltest gehen und mit ihm reden?“ Ich riskiere einen weiteren Blick, während ich mich näher zu Hayden lehne. Seine Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und spielt mit den Fransen an einem der Löcher in meiner Jeans. Es kitzelt, und ich stoße ein kleines Kichern aus, das Torys Aufmerksamkeit auf sich zieht.
„Nö, er ist einfach nur schlecht gelaunt. Wahrscheinlich gestresst wegen der Therapie nächste Woche.“ Haydens Worte stehen im Widerspruch zu meinem Bauchgefühl und dem Ausdruck auf Torys Gesicht, aber ich muss meine Nase nicht in noch mehr Drama stecken. Davon habe ich selbst schon genug.
„Du bist dran!“, lenkt Hayden meine Aufmerksamkeit wieder zurück zur Action auf der Bahn, ich stehe auf und wische mir die Hände an den Hüften ab. Keine Ahnung, was ich da tue.
„Grüne Kugel, ich mache dich jetzt zu meiner Bitch“, sage ich, als ich die Hände um die Bowlingkugel lege, die June benutzt hat. Ich halte sie vor meinen Bauch, ohne mir die Anstrengung anmerken zu lassen, die ich dabei spüre, denn das Ding ist viel schwerer als gedacht.
„Denk dran, dein Ziel ist geradeaus werfen“, ermutigt June mich, dabei faltet sie die Hände, als würde sie beten. Sie hofft wahrscheinlich, dass ich ihr das Teil nicht auf die Füße werfe.
„Brauchst du Hilfe?“ Hayden steht von seinem Platz auf, und ich kann mir vorstellen, wie sich diese ganze Szene entwickeln wird. Er wird sich hinter mich stellen, meine Arme halten und mir helfen, die Kugel zwischen meinen Knien nach vorne zu rollen wie ein kleines Kind. Das ist ein klischeehaft romantisches Szenario, aber ich will davon nichts wissen. Hayden ist süß und wohltuend. Aber wir werden nicht diese Romantiknummer abziehen. Und ich werde mich nicht wie ein Baby behandeln lassen.
„Ich mach das schon!“ Die Worte kommen heftig heraus, und sein leichtes Zusammenzucken verrät mir, dass ich ihn womöglich beleidigt habe.
Rasch bemühe ich mich, es abzuschwächen.
„Wenn du mir hilfst, dann wird niemand glauben, dass ich diesen Strike ganz allein geschafft habe.“
Haydens Mund verzieht sich zu einem schiefen Lächeln, und er setzt sich mit einem Nicken und einem kleinen Lachen wieder hin, weil er weiß, dass ich meinen großen Worten keine Taten folgen lassen kann. Das ist meine Art.
Meine Konzentration kehrt zu der Reihe von Pins etwa achtzehn Meter von mir entfernt zurück. Diese Kugel in meinen Händen fühlt sich doppelt so schwer an wie vorhin, als ich sie getestet habe. Egal. Es ist nur eine Kugel. Und ich muss diese Kugel nur mit genug Wumms über den Boden rollen, um eins von diesen Dingern am anderen Ende umzuwerfen. Easy.
Ich gebe mein Bestes. Um es genauso zu machen wie die anderen vor mir, halte ich den Ball vor mich und spreize die Finger so weit ich kann, um sie in die verdammten Löcher zu stecken, die ich kaum erreichen kann. Nachdem ich mich mit meiner Kugel schätzungsweise in der Mitte positioniert habe, schiebe ich meinen Fuß in dem glatten Bowlingschuh über den Boden zu der Linie, wo die Bahn offiziell beginnt. Mein Arm fällt an die Seite und holt schwingend aus, während ich mit aller Kraft, die ich habe, die Finger krümme, damit mir dieses schwere Mistding nicht auf die Füße knallt. Die Kugel schwingt zurück und dann vorwärts an meiner Hüfte vorbei, und ich lasse los, als mein Körper so gut wie möglich in einer Linie mit den Pins ist.
„Ohhh, Scheiße!“
Lucas’ Aufschrei dringt zu mir durch, einen Sekundenbruchteil bevor mir bewusst wird, was ich getan habe. Mein Armschwung war gar nicht gerade. Alles andere als gerade, um genau zu sein. Eher ein extremes Abschwenken nach rechts. Und die Kugel ist mir womöglich ein bisschen später als geplant aus der Hand gerutscht, wodurch ich sie eher geschleudert als gerollt habe. Nicht dass das einen Unterschied machen würde, denn sie ist ganze zwei Bahnen weiter aufgeprallt, um dann in der Rinne von Bahn sechs auf die dunklen Pins zuzurasen, die immer noch von diesem Dingsbums, das sie aufstellt, geschützt werden.
Ich will wiederholen, was Lucas gerade geschrien hat, aber alles, was ich anscheinend tun kann, ist, meine Meisterleistung mit offenem Mund anzustarren. Die Kugel wird langsamer, und als das lang gezogene „Scheeeeiiiße“ endlich über meine Lippen kommt, ist die grüne Kugel, von der ich so sicher war, mit ihr klarzukommen, in der Mitte der Rinne von Bahn sechs liegengeblieben.
„Hier.“ Torys Tonfall hat nicht seine übliche Ironie, und ich bin sicher, man sieht mir an, wie überrascht ich bin, als ich mich zu ihm umdrehe. Er hält eine orange Kugel mit einer in die Oberfläche eingravierten Acht. Als sein Blick nach unten fällt und sieht, dass ich die Nummer bemerke, verändert er die Haltung seiner Hand so, dass er sie vollständig verdeckt.
„Es ist nur eine Kugel. Die andere war nichts für dich. Aber die hier schon.“ Er lacht nicht, und das ist merkwürdig. Keine Witze darüber, dass ich es nicht mal hinkriege, eine Kugel geradeaus zu werfen.
Tory D’Angelo muss wirklich gebrochen sein, wenn er nicht mal diese niedrig hängende Frucht pflückt, um mich zu ärgern. Sein gedrücktes Verhalten ist beunruhigend.
„Ohhh-kayyyy.“ Geschult argwöhnisch lege ich den Kopf schief. Tory gibt ein kurzes schnaubendes Lachen von sich.
„Die Finger gehören in die Löcher“, sagt er schließlich mit einem schiefen Grinsen.
„Soll das zweideutig sein?“ Mit einer zügigen, selbstbewussten Bewegung stecke ich meine Finger in die Kugel und hebe sie aus Torys Handfläche. Sie ist leichter und hat die richtige Größe.
„Ich versuche nur zu helfen“, sagt er und nutzt erneut nicht die Steilvorlage, die ich ihm geliefert habe.
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf die immer noch vollständige Aufstellung von Pins, die auf mich warten, schiebe meine Füße vorwärts und kneife die Augen zusammen, um mit der Kugel auf die Mitte zu zielen. Tory ist immer noch am Rande meines Blickfelds, und ich sehe, dass er weggeht, dann aber noch einmal kehrt macht und zurückkommt, um ein paar Schritte rechts von mir stehenzubleiben.
„Darf ich?“, fragt er.
Ich drehe den Kopf zu ihm, und stelle fest, dass er die offenen Hände zögernd in meine Richtung streckt. Ich nicke rasch.
„Nur zu“, sage ich die Lippen verziehend.
„Oh, klar, seine Hilfe nimmst du an“, ruft Hayden. Er scherzt, aber da ist auch eine Spur Eifersucht in seinem Tonfall. Denke ich.
„Sie will eben die Hilfe von Siegern“, ruft Tory zurück und sieht seinen Bruder kurz an, bevor er meinen Blick auffängt und mir zuzwinkert. Da ist eine plötzliche Leichtigkeit auf seinem Gesicht, und sein Lächeln erreicht seine Augen.
Tory legt eine Hand auf meinen Rücken und die andere mit leichtem Druck auf meine Schulter, damit ich unter seiner Führung nach links rutsche.
„Du bringst deinen Körper in Position, aber die Kugel ist rechts von dir, in deiner Hand. Das musst du irgendwie ausgleichen. Ergibt das Sinn?“
Das tut es. Ich nicke.
Er tippt mit dem Fuß ein paarmal gegen die Seite meines Schuhs.
„Entspann deine Beine, Soldat. Wir sind hier nicht bei einer Marschkapelle.“
Ein heiseres Lachen kommt mir über die Lippen, als mir bewusst wird, wie angespannt ich bin. Ich tue, was er sagt, nehme meine Füße sogar noch ein paar Zentimeter weiter auseinander und beuge die Knie.
„Okay, also jetzt ... anstatt auf die Pins“, sagt er, während er zögernd näher zu meiner Schulter kommt, bis er so nah ist, dass ich den Minzgeschmack seines Kaugummis riechen kann, den er vorhin beim Reinkommen auf dem Parkplatz ausgespuckt hat. Ich zucke nicht zusammen, aber ich kann nicht anders, als auf seine Nähe zu reagieren, und drehe mein Gesicht zu ihm, gerade, als er dasselbe tut. Als unsere Blicke sich treffen, schluckt er schwer. Ich kann nicht anders, als es zu bemerken. Hayden beobachtet uns, und ich bin sicher, Tory will nicht, dass das hier eigenartig wirkt. Es ist nicht eigenartig. Nur, es fühlt sich eigenartig an.
„Ziel auf die Pfeile“, murmelt er schließlich, nachdem er sich geräuspert hat.
Seine Augen wandern zur Bahn, und ich folge der Richtung seines Blicks.
„Welche Pfeile?“, frage ich, die Pins musternd. Tory lehnt sich weiter zu mir und zeigt auf die Mitte des Bodens, wo kleine Pfeile auf die Bahn gemalt sind.
„Die sind nicht nur Deko?“, frage ich.
Ein kurzes Lachen schüttelt seinen Körper an meiner Seite. „Nein, Abby. Die sind nicht nur Deko.“
Ich werfe einen kurzen Blick zu ihm und bemerke sein Schmunzeln. Als Antwort zucke ich mit den Schultern, zum Teil, um ihm zu signalisieren, dass er mir ein wenig Platz machen soll. Er scheint meinen Wink zu verstehen, schiebt die Hände in die Taschen seiner Jeans und schlurft rückwärts.
„Na, dann los“, sagt er und nickt in Richtung der Pins.
Torys Technik benutzend hole ich tief Luft, bringe meinen Arm in der Mitte der Bahn in Position und orientiere mich an den Pfeilen. Mit nichts zu verlieren, nehme ich Anlauf, schwinge meinen Arm mit der überraschend leichten Kugel und lasse sie genau an der richtigen Stelle los. Die Hand immer noch in der Luft haltend gehe ich rückwärts, während die Kugel vorwärts rollt und dabei genau in die Mitte zielt.
„Los, Baby! Los, Baby!“, schallt Haydens Stimme hinter mir, und bald darauf sind seine Hände an meinen Hüften. Meine Kugel trifft und wirft sieben Pins um, und Hayden hebt mich hoch und wirbelt mich in einer gewaltigen Umarmung herum, als hätte ich gerade den Weltfrieden erreicht ... bei den Olympischen Spielen.
Ich lächle, weil ich stolz bin, auch wenn Lucas uns alle daran erinnert, dass es nur eine Sieben war.
Ich fange Torys Blick über die Schulter seines Bruders hinweg auf, und er hebt die Hände und klatscht mir mit einem Nicken bedächtig Beifall.
„Danke“, forme ich lautlos mit den Lippen.
Mein Gott, das ist das erste Mal, dass ich diese Worte je zu diesem Jungen gesagt habe.
Der eigenartige konkurrierende Unterton zwischen den Zwillingen begleitet uns durch die nächsten neun Runden, aber als wir mit der zweiten anfangen, scheint sich der stumme Schwanzvergleich, welchen die beiden da auch immer am Laufen haben, gelegt zu haben. June macht uns sowieso alle fertig, indem sie zum ersten Mal die zweihundertzehn knackt, was beim Bowling anscheinend eine echt große Sache ist.
Als Tory unsere Schuhe einsammelt, um sie zum Tresen zurückzubringen, und Hayden und Lucas rüber zu den Billardtischen gehen, nutze ich den ungestörten Augenblick mit June, damit ich ihr endlich meine Neuigkeit erzählen kann. Ich setze mich im Schneidersitz auf einen Stuhl ihr gegenüber.
„Kennst du Jordan Shotcraft?“ Ich weiß, dass sie ihn kennt. Sie hat jeden einzelnen seiner Filme gesehen. Er ist ein Hot Dad und mit Lillian Ash, einer unserer Lieblingssängerinnen, verheiratet.
„Oh, mein Gott, hast du ihn getroffen?“ June sitzt buchstäblich auf ihren Händen und schwingt ihre Beine. Sie wird tot umfallen, wenn ich es ihr erzähle.
„Besser“, sage ich und zögere mit einem listigen Grinsen den Augenblick noch etwas hinaus. Ihre Augen weiten sich langsam.
„Nein!“ Sie packt meine Arme und zieht mich zu sich, worauf ich lachen muss und das Gleichgewicht verliere. Ich falte meine Beine auseinander, aber nicht rechtzeitig, um meinen Sturz zu verhindern. Bevor ich jedoch auf den Boden falle, schlingt Tory plötzlich den Arm um mich und fängt mich auf.
„Ich habe einfach diese Wirkung auf Frauen“, sagt er mit seinem typischen Augenzwinkern zu mir, während er mich wieder auf meinem Stuhl aufrichtet. Der Minzgeruch von seinem Kaugummi ist nun dem schwachen Duft seines Parfüms gewichen. Es ist anders als das von Hayden — vielleicht intensiver, waldiger, falls es den Begriff gibt.
Ich versuche, eine clevere Antwort zu finden, als June die Beine ausstreckt und meine Knie mit den Spitzen ihrer Schuhe berührt. Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf sie, ihre Augen sind immer noch weit aufgerissen.
„Abby Cortez, du erzählst es mir besser auf der Stelle. Und wenn es das ist, was ich denke, dann nimmst du mich besser mit.“ Sie schüttelt unwillkürlich den Kopf, nur um zu zeigen, wie ernst es ihr damit ist.
„Du siehst vor dir Jordan Shotcrafts unerwartete Teenager-Tochter in seiner nächsten Romantikkomödie.“ June kreischt los, noch bevor ich das letzte Wort rausgebracht habe, und von einer Sekunde auf die andere hat sie die Arme um mich geschlungen und sitzt praktisch auf meinem Schoß.
Meine Augen füllen sich mit Freudentränen. Ich habe auch gekreischt, als ich es erfahren habe, aber die Reaktion meiner Freundin zu sehen macht alles einfach so unglaublich real.
Junes Reaktion lockt Lucas und Hayden zurück zu unseren Plätzen, sobald sich also alle versammelt haben und June wieder von meinem Schoß runter ist, versorge ich sie mit den Einzelheiten.
„Es waren nur noch ich und eine andere unbekannte Schauspielerin übrig, und ich schätze, sie mochten meine Einstellung.“
Tory lacht schnaubend, also schleudere ich ihm einen finsteren Blick zu.
„Du bist ja wohl kaum unbekannt“, sagt June. „Du bist das Gesicht von Allensville Joghurt!“
„Das Zeug ist großartig!“, wirft Lucas ein und reißt dabei seine Faust in die Luft, wie ich es in meinem bisher größten kommerziellen Erfolg mache. Bei dem Joghurt-Werbespot habe ich am meisten von allen Jobs verdient, die ich je an Land gezogen habe, sogar noch mehr als durch die Modestrecken, die in bedeutenden Magazinen veröffentlicht wurden. Aber dieser Film-Deal ... der verändert alles.
„Die Dreharbeiten gehen Anfang März los“, sage ich, was zu einem merklichen Verstummen bei allen führt.
„Wow“, sagt June kopfschüttelnd, während sie weiter lächelt. Ich wusste, das würde der schwierige Teil werden. Wir hatten Pläne, sie und ich.
„Ich weiß. Der Abschlussball ... und vielleicht die Abschlussfeier, aber —“
Meine beste Freundin nimmt meine Hände und schüttelt sie leicht.
„Kein Aber. Das ist riesig. Gewaltig! Wir werden unsere eigenen Feiern veranstalten, und du hast das verdient.“ Der positive Schub, den sie meinen Zweifeln verpasst, wirkt, und zum ersten Mal, seit mir der Vertrag angeboten wurde, fühle ich mich einhundert Prozent bereit, diesen Sprung zu wagen.
„Ich werde in den nächsten paar Monaten eine Menge Text lernen müssen“, sage ich mit einem nervösen Lachen.
„Okay.“ Meine Freundin nickt, dabei bilden sich vor aufrichtigem Stolz Tränen in ihren Augenwinkeln. „Aber keine Kussszenen für mich.“
„Verdammt“, fügt Lucas hinzu, was uns alle zum Lachen bringt.
„Dafür ist Hayden zuständig“, sage ich und richte meine Aufmerksamkeit auf den Jungen, der es wahrscheinlich verdient hätte, diese Nachricht unter vier Augen von mir zu erfahren. Aber er wirkt nicht verärgert. Genau genommen steht er auf und hält eine Hand an seine Brust, die andere vor sich ausgestreckt.
„Romeo, oh, Romeo ...“, setzt er an, eindeutig seine aufgesetzten Schauspielfähigkeiten demonstrierend.
Ich trete aus Spaß nach ihm, und er nimmt meine Hand, zieht mich auf die Füße und umarmt mich.
„Ich bin eigentlich wirklich schlecht in so was, aber ich werde tun, was immer ich kann“, versichert er mir.
„Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, wenn ich eine Weile deine Wochenenden in Beschlag nehme?“, frage ich, weil ich bereits weiß, dass meine Mom zu beschäftigt mit ihrer Arbeit sein wird. Als ich spüre, dass er seine Umarmung lockert, löse ich mich von ihm, um ihm in die Augen zu sehen.
„Die Wochenenden, hm?“ Sein Mund verzieht sich zu einer bedauernden Grimasse.
„Dein neuer Job“, zähle ich eins und eins zusammen. Es ist klar, dass er viel an den Wochenenden arbeiten müssen würde. Das Basketballtraining und die Spielsaison sind ziemlich intensiv, also sind die Wochenenden eigentlich seine einzige Chance, Stunden anzusammeln.
„Hey, aber Tory kann einspringen. Eigentlich ist er von uns beiden der Schauspieler.“ Hayden rückt an meine Seite, den Arm um meine Schulter geschlungen, und bei seinem Vorschlag erfasst ein plötzliches Gefühl von Enge meine Brust. Tory wirkt ebenso überrascht über diesen Vorschlag. Er reißt den Kopf hoch, und seine Aufmerksamkeit wandert zwischen mir und seinem Bruder hin und her.
„Ich?“ Er zeigt auf sich selbst. „Ich meine, nö, ich bin nicht der Beste, mit dem du üben kannst.“
„Er ist nur bescheiden. Yo, sieh dir das an.“ Hayden lässt seinen Arm von meiner Schulter gleiten und holt sein Handy aus der Tasche, um durch seine Videos und Fotos zu scrollen, während ich Tory verlegen anlächle und er verlegen zurücklächelt.
„Ja, da ist es. Schau.“
Hayden hält mir sein Handy so hin, dass ich das Display sehen kann, und dort steht eine große, dünne Version seines jüngeren Ichs mitten auf einer Bühne im Scheinwerferlicht.
„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter!“ Tory ist in diesem Video wahrscheinlich in der siebten oder achten Klasse, und die Tatsache, dass sein Bruder es immer noch auf seinem Handy hat, verblüfft mich mindestens ebenso sehr wie ihn einen Monolog aus Shakespeares Was ihr wollt vortragen zu sehen.
„Okay, okay, das reicht“, sagt Tory, schnappt sich das Handy aus der Hand seines Bruders und schließt das Video.
„Alter, du warst gut. Er war gut“, sagt Hayden in die Runde blickend. Ich frage mich, ob die Falte zwischen meinen Brauen ebenso tief ist wie die auf der Stirn von Lucas und June.
„Du hast Theater gespielt?“, frage ich.
„Ja, ich meine, nein. Nicht wirklich.“ Tory lehnt sich an die Bar neben unserem Sitzbereich und seufzt schwer. „Ich habe in dem Sommer für einen Haufen Jobs vorgesprochen. Ich dachte, ich versuch es vielleicht mit Schauspiel, aber wisst ihr ...“
Er hebt die Hände.
Ich neige den Kopf zur Seite.
„Er hat sich immer in Schwierigkeiten gebracht, weil er ein Klugscheißer ist“, platzt Hayden heraus und klopft seinem Bruder auf die Brust. Er nimmt sich sein Handy zurück und zeigt auf seinen Bruder. „Das heißt aber nicht, dass du nicht gut warst.“
Tory zuckt mit den Schultern.
„Also, machst du es?“, frage ich. Ich bereue es bereits, aber die Panik, meinen Text bis zum Beginn der Dreharbeiten nicht parat zu haben, setzt sich darüber hinweg, was für eine episch schlechte Idee das ist.
Torys Gesicht legt sich zögernd in Falten, als er einen langen Atemzug holt.
„Ich weiß nicht. Ich meine ...“ Er sieht zuerst seinen Bruder an, dann June, beinahe als würde er sie abstimmen lassen oder ihre Erlaubnis einholen. Er macht sich nicht die Mühe, Lucas anzusehen, sondern trifft stattdessen seine Entscheidung.
„Also schön, ja. Wir können den Text zusammen durchgehen. Aber mach dich nicht über mich lustig, wenn ich nicht so gut bin.“ Er richtet sich auf, zieht steif die Schultern hoch und schiebt seine Hände in die Hosentaschen.
„Keine Sorge. Ich bin sicher, es gibt jede Menge andere Dinge, über die ich mich bei dir lustig machen kann“, falle ich in meine vertrautere Rolle bei diesem D’Angelo zurück. Ein scharfes Lachen kommt aus seiner Brust.
„Ohne Zweifel“, sagt er. Er lächelt mich mit zusammengekniffenen Lippen an, dann dreht er sich auf dem Absatz um, hält jedoch inne, als June ihm in den Weg tritt. „Ohne Zweifel“, wiederholt er, aus irgendeinem Grund direkt an sie gerichtet.
Was für ein verdammt seltsamer Tag. Ich habe eine einundvierzig gebowlt. Ich habe einen Freund. Tory D’Angelo hat Schauspieltalent. Und ich habe gerade Pläne gemacht, jedes freie Wochenende mit ihm zu verbringen. Gott steh mir bei, wenn ich jetzt auch noch einen Anruf bekomme, im Reboot von The Twilight Zone mitzuspielen.
Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Arten June gefunden hat, mir zu sagen, dass es eine schlechte Idee ist, mit Abby ihren Text zu üben.
„Irgendwie ist es deine Schuld, dass ich in dieser blöden Lage stecke“, sage ich, während ich ihr den Ball am Ende meiner Einfahrt zuwerfe. Hayden ist gegangen, um Abby nach Hause zu bringen, und Lucas ist beim Videospielen auf unserem Sofa eingeschlafen.
„Inwiefern ist das meine Schuld?“ Sie lässt den Ball vor ihren Füßen aufprallen, dann hebt sie ihn über ihren Kopf, springt und wirft auf den Korb an unserer Garage. Er fliegt mehrere Meter zu kurz, und ich fange ihn auf und passe ihn ihr zu, damit sie es noch mal versuchen kann.
„Du hättest einwilligen können, die Kussszenen mit ihr zu üben“, sage ich, dabei lasse ich meine Fantasie mit der Vorstellung spielen, wie die beiden vor mir rummachen. Ich muss zugeben, das habe ich mir schon ein paarmal vorgestellt, seit June den Witz gemacht hat.
Sie hält den Ball an ihre Hüfte gepresst fest und sieht mich mit einem höhnischen Grinsen an.
„Da gibt es wahrscheinlich nicht mal irgendwelche Kussszenen“, sagt sie und sieht mich noch einen Moment länger finster an, bevor sie den Ball mit beiden Händen nimmt und fest auf den Boden wirft. Er springt in einem hohen Bogen auf mich zu, aber ich gehe rückwärts und fange ihn mit einer Hand. Ich dribble auf sie zu, mache eine Drehung und einen kurzen Sprungwurf und versenke ihn, ohne den Ring zu berühren.
„Ich muss auch viel arbeiten. Das weißt du. Ich spare fürs College, und so gut das Geschäft meiner Mom auch läuft, es brummt nicht so gut, dass ich mich auf die faule Haut legen kann.“
June versucht, genug zu sparen, damit sie auf eine staatliche Uni anstatt aufs Junior College gehen kann. Da Lucas nach unserem Abschluss aufs MIT geht, macht sie sich sicher ein wenig Sorgen wegen dieser Fernbeziehungsgeschichte. Obwohl sie sich darauf konzentriert, auf irgendeine erschwingliche Schule in Indiana zu gehen, würde es mich nicht überraschen, wenn sie am Ende in Boston landet.
Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, wollte ich in Wirklichkeit darauf festgenagelt werden, Abby zu helfen. Das weiß ich tief in meinem Innern. Sogar jetzt, als ich mir einzureden versuche, dass es nicht wirklich darum geht, Zeit mit ihr zu verbringen. Aber das tut es. Es geht nur darum, Zeit mit ihr zu verbringen. Aber das werde ich ganz sicher nicht laut sagen. Nicht mal zu June.