Verbrechen to go - Tödliche Törtchen - Anabel O'Leary - E-Book

Verbrechen to go - Tödliche Törtchen E-Book

Anabel O'Leary

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Beschreibung

Verbrechen to go - Tödliche Törtchen ist der Auftakt einer bezaubernden Cosy-Crime-Reihe, die exklusiv für Thalia geschrieben wurde. Eigentlich wollte sich Emily Thompson nur von der Trennung von ihrem Freund George erholen, doch der Besuch bei ihrer Großmutter im irischen Galway erweist sich als überraschend ereignisreich. Als ihre Freundin Sinéad, die Inhaberin des gemütlichen Cafés Tea & Tarts, unter Mordverdacht gerät, sieht sich Emily gezwungen, selbst Ermittlungen anzustellen. Und da man als gelernte Buchhalterin nur wenig Erfahrungen im Jagen von Verbrechern hat, freut sie sich über die tatkräftige Unterstützung ihrer Grandma Deirdre. Nur Superintendent Tony Doyle weiß noch nicht so genau, was er von den beiden Hobby-Detektivinnen halten soll ...

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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IMPRESSUM

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

IMPRESSUM

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Thalia Bücher GmbH

Batheyer Str. 115-117, 58099 Hagen, 2024

 

Alle Rechte vorbehalten.

KAPITEL 1

Ein Leben ohne Torte ist sinnlos. Ein Törtchen zu viel kann tödlich sein.

 

Wer hämmert denn da draußen? Noch dazu um diese Uhrzeit? Entrüstet schlägt Emily die Augen auf, um sie gleich darauf wieder fest zuzukneifen. Zwei Dinge sind ihr in dem kurzen Moment, in dem das Sonnenlicht auf ihre Netzhaut traf, klar geworden. Erstens: Das Hämmern kommt nicht etwa von einem übereifrigen Handwerker, sondern ist in ihrem Kopf. Zweitens: Der Helligkeit nach zu urteilen, muss es bereits viel später sein, als sie gedacht hat.

Jesus, Mary and Joseph. Unwillkürlich muss sie grinsen. Jetzt ist sie gerade mal 24 Stunden in Galway und flucht schon wie eine waschechte Irin. Langsam kehren auch die Ereignisse des vergangenen Abends wieder in ihr Gedächtnis zurück. Ihre wunderbare Großmutter Deirdre hat sie mit einer Party zu ihrem Geburtstag überrascht – am Strand, mit Live-Musik, einer Geburtstagstorte, netten Gästen und sogar ein Foodtruck mit Fish & Chips ist da gewesen. Und dazu gab es viel Alkohol. Zu viel Alkohol. Autsch.

Erneut öffnet sie die Augen, diesmal schön langsam und vorsichtig, und wartet, bis die Zimmerdecke aufgehört hat, sich zu drehen. Komisch, dabei war es letzte Nacht doch gar nicht so spät oder hat sie das falsch in Erinnerung? Früher konnte sie die ganze Nacht durchfeiern und dann nach einer kalten Dusche und zwei Tassen starkem Kaffee ins Büro fahren. Aber jetzt ist sie eben keine zwanzig mehr, sondern vierzig. Genauer gesagt, vierzig Jahre und einen Tag. So fühlt es sich also an, wenn man alt ist. Am liebsten würde sie sich die Decke über den pochenden Kopf ziehen und für immer im Bett bleiben. Aber ihr Körper schreit nach Koffein und in diesem Kampf der Giganten gewinnt das Bedürfnis nach einem doppelten Espresso die Oberhand.

Ächzend gleitet sie aus dem Bett und schlurft mit schwankenden Schritten zum Fenster. Dort nimmt sie ihren gesamten Mut zusammen und öffnet gänzlich die Vorhänge, die wie der Rest des Gästezimmers in geschmackvollem Creme gehalten sind. Sonnenschein flutet das Zimmer und in der Ferne glitzert der Atlantik. Galway hat sich offensichtlich vorgenommen, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Dass es August ist, hat in Irland ja recht wenig zu bedeuten, wenn es ums Wetter geht, aber heute könnte man fast vergessen, dass die grüne Insel diesen Namen dem Dauerregen zu verdanken hat.

Emily öffnet das Fenster und saugt die frische, klare Luft tief in sich auf. Ah, schon viel besser! Jetzt ist sie bereit, sich den Herausforderungen des Tages zu stellen. Oder zumindest mal den Weg in die Küche anzutreten.

»Guten Morgen, Liebes«, flötet Grandma Deirdre.

Wie kann es sein, dass eine fast achtzigjährige Frau, die länger auf der Party war als ihre vierzigjährige Enkelin, aussieht wie das blühende Leben, während Emily sich fühlt, als wäre sie mit Mike Tyson in den Ring getreten.

Deirdre schenkt ihr ein wissendes Lächeln und schiebt ihr eine Tasse Tee über den rustikalen Holztisch. Emily hat diese Küche schon geliebt, als sie noch ein kleines Kind war. Wer Grandma Deirdre das erste Mal traf, wurde unweigerlich an eine glamouröse Hollywood-Diva erinnert, die in einer Villa mit Marmorböden lebte und ihre Gäste in einem plüschigen Salon mit überdimensionierten Blumengestecken empfing. Lernte man sie näher kennen, merkte man, dass das gemütliche Cottage mit den weißen Küchenschränken und dem alten AGA-Herd vielleicht nicht ganz zu ihrem extravaganten Äußeren, aber dafür umso besser zu ihrem warmherzigen Inneren passte.

»Du kannst den Beutel rausnehmen, der hat lange genug gezogen«, weist sie ihre Enkelin an, bevor sie den Blick wieder auf den Galway Chronicle senkt, dessen Lektüre zu ihrem Morgenritual gehört, solange sich Emily erinnern kann.

»Ähm. Wie sieht es denn mit einem Kaffee aus?«, fragt sie beim Anblick des schwarzen Tees, der so dunkel und stark ist, dass sich bereits ein kleiner Film auf ihm gebildet hat.

»Kaffee?« Deirdre wirft ihr einen angewiderten Blick über den Rand ihrer Lesebrille hinweg zu. »Wofür hältst du mich?«

Verdammt! Ihre Grandma ist eine wunderbare Frau mit vielen guten Eigenschaften, aber leider eben auch eine militante Teetrinkerin, die den Genuss von Kaffee mit dem Untergang des Abendlandes gleichsetzt. Ohne ein weiteres Wort fischt Emily den Teebeutel aus der Tasse und rührt Zucker und Milch hinein, bis das Gebräu eine halbwegs akzeptable Färbung angenommen hat.

»Ging es gestern denn noch lange?«, will sie nach einem ersten vorsichtigen Schluck wissen.

»Ach, nicht sonderlich«, antwortet Deirdre beiläufig und blättert demonstrativ die Zeitung um. Interessant. Diese Einsilbigkeit sieht ihrer Grandma überhaupt nicht ähnlich.

»Der Lärm heute Morgen um vier Uhr«, hakt Emily nach, »warst du das?«

»Oh, war es schon so spät? Ich hätte schwören können, dass ich kurz nach dir den Strand verlassen habe. Die jungen Leute wissen ja alle nicht mehr, wie man anständig feiert.«

Aha! Ein klassisches Ablenkungsmanöver. Aber Emily kennt Deirdre lang genug, um nicht darauf reinzufallen.

»Grandma, ich habe heute Morgen zwei Personen gehört. Du bist nicht allein nach Hause gekommen!«

»Emily Thompson, du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du Grandma zu mir sagst. Du tust ja gerade so, als wäre ich alt!«

»Sorry, Dee«, lacht Emily. Trotz ihrer sechundsiebzig Jahre ist »alt« wirklich kein Adjektiv, das man mit Deirdre in Verbindung bringen würde. Warum sollte sie also keinen Herrenbesuch von der Party mit nach Hause nehmen? Vermutlich ist sowieso jeder Mann über sechzig, der in Galway lebt und nicht schwul ist, in ihre Oma verknallt. Emily findet die Vorstellung, dass man mit jenseits der Vierzig nicht zwangsläufig zum alten Eisen gehört, irgendwie beruhigend, vor allem, weil sie sich gerade so fühlt, als wäre ihr Leben vorbei.

Vor einer Woche war noch alles in Ordnung. Sie hatte eine glückliche Beziehung – zumindest dachte sie das –, eine Arbeit, die sie mochte, auch wenn viele ihrer Freunde ihren Job als Buchhalterin langweilig und unkreativ fanden, und wohnte in einem schicken Apartment im angesagten Londoner Stadtteil Shoreditch. Doch dann ist ihre gesamte Welt implodiert. Zuerst hat sie ihren Job verloren. Das war nicht ihre Schuld – ihre Stelle wurde einfach von einem Tag auf den anderen wegrationalisiert. Am selben Tag hat George, mit dem sie seit ihrem Studium zusammen gewesen ist, ihr eröffnet, dass er sich eine Beziehungspause wünscht, anstatt ihr einen Heiratsantrag zu machen, wie sie leise gehofft hat. Und da die Wohnung, in der sie gemeinsam lebten, ihm gehörte, war sie plötzlich nicht nur arbeitslos und Single, sondern auch noch obdachlos. Mit einem leisen Wimmern vergräbt sie den Kopf in ihren Händen.

»Oha! Das klingt nach einem ordentlichen Kater«, kommentiert Deirdre den armseligen Zustand ihrer Enkelin trocken. »Zum Glück hab ich was dagegen.«

»Oh, ja, bitte. Ein oder zwei Aspirin würden helfen.«

»Pillen? Von irgendeinem Quacksalber? Sowas kommt mir nicht ins Haus. Hier, ein Schlückchen Whisky weckt die Lebensgeister. Geht der Kater nicht von allein, muss man ihn wegtrinken. Altes irisches Sprichwort.«

»O Gott, bloß nicht«, stöhnt Emily, während Deirdre bereits eine halbvolle Whiskyflasche aus dem Schrank holt. Bei dem bloßen Gedanken an Alkohol zieht sich ihr Magen zusammen.

»Ich will eure irischen Bräuche wirklich nicht beleidigen, aber meine englische Leber kann gerade wirklich keinen Schnaps mehr vertragen«, verteidigt sie sich. Deirdre ist sichtlich enttäuscht.

»Du schlägst wohl doch mehr nach deinem Vater, als ich dachte.«

Emily hört den Unterton, beschließt aber, ihn zu ignorieren. Deirdre hat es ihrer Tochter, Emilys Mutter, zu der sie nie das engste Verhältnis hatte, nicht ganz verziehen, dass sie sich in einen Briten verliebt hat und zu ihm nach London gezogen ist. Dass sie fast genauso früh Mutter geworden ist, wie Deirdre selbst, hat das Verhältnis der beiden Frauen auch nicht unbedingt verbessert, obwohl sie ihre Enkelin abgöttisch liebt. Und dass Emilys Eltern inzwischen in Spanien leben, weil ihnen die Sonne und die andere Lebensart so gut gefallen, stößt bei ihrer Grandma auf völliges Unverständnis. Zu viel Sonne macht alt. Frische, feuchte Meeresluft hingegen tut Wunder. Wer in Irland lebt, der braucht kein Botox. Dafür ist Deirdre das beste Beispiel.

Obwohl Emily in England geboren und aufgewachsen ist, spürt sie jedes Mal, wenn sie in Galway ist, dass auch irisches Blut durch ihre Adern fließt. Das erklärt wohl auch, dass sie in dem Moment, als sie vor dem Scherbenhaufen ihres alten Lebens stand, nicht zu ihren Eltern an die Costa Blanca geflüchtet ist, sondern zu ihrer Grandma. In Deirdres Universum ist für Selbstmitleid kein Platz. Herzschmerz? Wird weggetanzt. Drohende Midlife-Crisis? Wird weggetrunken. Keine schlechte Strategie – wenn da nur nicht dieser Kater wäre …

»Na gut, ich sehe schon, ohne Kaffee bekomme ich dich heute nicht auf die Beine«, lenkt Deirdre ein, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. »Am besten springst du jetzt mal unter die Dusche, ziehst dir was Hübsches an, und dann besuchen wir Sinéad in ihrem Café. Einverstanden?«

Emily nickt so enthusiastisch, wie es das Pochen in ihrem Kopf erlaubt. Die Aussicht auf einen Cappuccino und einen Cupcake sind so ungefähr das Einzige, was sie heute dazu bewegen kann, freiwillig das Haus zu verlassen. Entschlossen kippt sie den letzten Schluck ihres gar nicht so schrecklichen Tees herunter und begibt sich auf den Weg ins Badezimmer. Vielleicht können Deirdre und sie später noch shoppen gehen – die Secondhandläden in Galway haben sich schon mehr als einmal als wahre Goldgrube herausgestellt.

Eigentlich sollte sie ihr Geld zusammenhalten, bis sie einen neuen Job gefunden hat, aber nachdem sie einen groß angelegten Betrugsfall bei ihrem alten Arbeitgeber aufgedeckt hat, hat man ihr eine kleine Abfindung bezahlt, die bedeutet, dass sie nicht sofort am Hungertuch nagen wird. Und der Kurzurlaub bei Grandma Deirdre ist quasi gratis, also könnten ein oder zwei neue Sommerkleider durchaus noch im Budget sein. Angespornt durch diesen Gedanken steigt Emily schließlich unter die Dusche und schließt zufrieden die Augen, während das heiße Wasser auf sie herabprasselt.

KAPITEL 2

Mit frisch gewaschenem Haar und farbenfrohen Klamotten fühlt sich Emily gleich wie ein neuer Mensch. Selbst die Kopfschmerzen sind nicht mehr ganz so präsent. An der Seite von Deirdre schlendert sie durch das Zentrum von Galway rund um den Eyre Square, wo sich Touristen und Einheimische in den zahlreichen Läden und Pubs tummeln, in denen häufig irische Musik gespielt wird. Im nahe gelegenen Latin Quarter, in dessen gewundenen Gassen und Wegen sich Kunstgalerien, Cafés und Boutiquen abwechseln, sind noch Teile der mittelalterlichen Stadtmauer erhalten, die von der langen Geschichte Galways zeugen. Kein Wunder, dass Galway eine UNESCO-Filmstadt ist mit seinen knallbunten Häuserfassaden, worüber sich Emily bei jedem Besuch dort freut. Sie liebt Farben. Das sieht man ihr an, denn in ihrem Schrank findet sich kein einziges schwarzes Kleidungsstück. George hat sie immer scherzhaft »die bunteste Buchhalterin Londons« genannt. Beim Gedanken an ihren Ex-Freund und ihren Ex-Job kommt wieder ein klein wenig Wehmut auf. Um sich abzulenken, bewundert sie die Pflanzen, die sich ihren Weg zwischen den alten Steinmauern hindurch bahnen.

»Was für ein schönes, leuchtendes Gelb!«, freut sie sich.

»Ja, das ist ein Cytisus scoparius Lena, ein Edelginster«, klärt Deirdre sie auf.

Überrascht zieht Emily die Augenbrauen hoch.

»Ich wusste ja gar nicht, dass du eine richtige Botanikerin bist.«

»Es gibt noch vieles, das du nicht über mich weißt, Em«, zwinkert ihre Grandma und setzt ihren Weg durch die lebhafte Innenstadt fort, als wäre nichts gewesen. Ein paar Minuten später bleibt sie vor einem altmodischen Gardinengeschäft stehen.

»Willst du umdekorieren?«, fragt Emily und betrachtet die farbenfrohen Stoffe in der Auslage.

»Das nicht«, antwortet Deirdre. »Aber ich dachte mir, dass dein Zimmer ein bisschen Pep vertragen könnte.«

»Mein Zimmer?«, lacht Emily. »Du meinst wohl dein Gästezimmer. Du willst doch nicht dein gesamtes Einrichtungskonzept auf den Kopf stellen, nur weil ich für ein paar Tage bei dir zu Besuch bin.«

»Hm«, sagt ihre Grandma kryptisch, was so viel bedeutet wie »Darüber reden wir nochmal.«

Dann mustert sie den knallblauen Glockenrock, den Emily heute mit einem orangenen Top kombiniert hat.

»Wie findest du den?«, fragt sie schließlich und deutet auf einen besonders ausgefallenen Leinenstoff mit einem Muster aus exotischen Blumen und Vögeln.

»Wunderschön«, urteilt Emily, aber noch bevor sie zu Ende gesprochen hat, ist ihre Grandma im Inneren des Ladens verschwunden. Durch die Schaufenster sieht sie, wie sie gestikuliert, während der Verkäufer, der förmlich an Deirdres Lippen zu hängen scheint, enthusiastisch nickt. Keine fünf Minuten später steht sie wieder neben Emily.

»Wir können die Vorhänge übermorgen abholen.«

Emily schüttelt den Kopf, weiß aber aus langjähriger Erfahrung, dass es keinen Sinn macht, mit ihrer Grandma zu diskutieren. Wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann weder der Teufel noch der liebe Gott sie davon abhalten. Apropos:

»Sieh an«, kommentiert Deirdre und gestikuliert in Richtung der anderen Straßenseite. »Der Herr Pfarrer macht heute auch seine Erledigungen.«

Emily folgt dem Fingerzeig und sieht den katholischen Geistlichen, der mit konzentrierter Miene an den Schaufenstern entlangläuft, einen Beutel eng unter den Arm geklemmt.

»Alfred«, ruft Deirdre, doch der ältere Mann mit dem schütteren Haar und dem weißen Kragen läuft grußlos weiter. Unmöglich, dass er sie nicht gehört haben soll, denkt Emily. Also gibt es scheinbar doch noch ein paar ältere Männer in der Stadt, die Deirdres Charme noch nicht verfallen sind. Die zuckt nur unbekümmert mit den Schultern und schlägt den Weg in Richtung Cross Street Upper ein, einer Straße voll von kleinen Läden und Geschäften. Vor dem Sweater Market, dessen für die Region typischen Strickpullover besonders bei den Touristen beliebt sind, bleibt sie erneut stehen.

»O Gott, Dee«, stöhnt Emily. »Ich geh ja wirklich gern mit dir einkaufen, aber können wir bitte erst mal den Kaffee trinken, den du mir versprochen hast?«

Für einen Moment lang sieht Deirdre so aus, als wolle sie ihr einen Vortrag über Emilys verweichlichte Generation halten, die sich von ein paar Schnäpschen so aus der Kurve werfen lässt, doch dann lenkt sie ein.

»Na gut. Machen wir eine Pause. Komm, zu Sinéads Café geht es hier lang. Aber danach müssen wir noch kurz zum Juwelier. Und zu der kleinen Boutique, die du so gern magst. Tee wollte ich auch noch kaufen. Außerdem ist heute Markttag, da könnten wir noch frisches Gemüse und etwas Obst holen. Und wenn wir schon dabei sind, auch noch fix zum Metzger und wenn ich so darüber nachdenke, dann könnten wir auch noch kurz …«

»Grandma!«, unterbricht Emily ihren Redefluss und muss sich das Lachen verkneifen, als sie bemerkt, wie sich Deirdre panisch umschaut, um sicherzugehen, dass das bloß niemand gehört hat …

 

KAPITEL 3

Sinéad und Emily kennen sich, seit Emily als Teenager ihre gesamten Sommerferien in Galway verbracht hat. Ihre Freundschaft hat die Zeit und die Entfernung überdauert, auch wenn der Kontakt mit den Jahren sporadischer geworden ist und die beiden Frauen unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben.

---ENDE DER LESEPROBE---