Verdammnis im Blut Gottes - Herbert Blaser - E-Book

Verdammnis im Blut Gottes E-Book

Herbert Blaser

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Beschreibung

13 Tage und 9 Tote stellen Kommissar Jörg Wyss vor ein Rätsel, das die verbleibende Zeit kurz vor seiner Pensionierung in Anspruch nimmt. Ein kollektiver Selbstmord steht als «Tod der Sonnentempler» im Zentrum der Ermittlungen. Während sich die Polizei und die Presse mit der angebotenen Aufklärung der Todesfälle zufriedengeben, weiss Wyss, dass er seinen letzten Fall nicht gelöst hat. Die Antwort dazu ist ein Pergament, welches ein Reporter in Alpuente gefunden hat und das er einem Abgesandten der Römischen Kirche aushändigen muss, noch bevor das Schreiben als Beweismittel aufgeführt werden kann. Der Kommissar vermutet deshalb, dass dieses vermeintliche Selbstmordritual kaltblütiger Mord war! Aber Jörg Wyss schweigt.

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Seitenzahl: 455

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch:

Im Sog des Heiligen Gral

Prolog

Kapitel 1 21. Oktober 2001 / Bern

Kapitel 2 26. Oktober 2001 / Basel

Kapitel 3 16. November 2001 / Bern

Kapitel 4 17. Dezember 2001 / Basel

Kapitel 5 23. Dezember 2001 / Worb

Kapitel 6 27. Dezember 2001 / Basel

Kapitel 7 08. Januar 2002 / Basel

Kapitel 8 15. Januar 2002 / Paris

Kapitel 9 21. Januar 2002 / Worb

Kapitel 10 23. Januar 2002 / Scheltenpass

Kapitel 11 07. Februar 2002 / Basel

Kapitel 12 15. Februar 2002 / Bern

Kapitel 13 04. März 2002 / Basel

Zweites Buch:

Todbringende Lanze der Macht

Kapitel 1 05. Mai 2008 / Abruzzen

Kapitel 2 11. Mai 2008 / Valencia

Kapitel 3 15. Mai 2008 / Bern

Kapitel 4 20. Mai 2008 / Arlesheim

Kapitel 5 23. Mai 2008 / Arlesheim

Kapitel 6 24. Mai 2008 / Basel

Kapitel 7 27. Mai 2008 / Bern

Kapitel 8 30. Mai 2008 / Einsiedeln

Kapitel 9 05. Juni 2008 / Basel

Kapitel 10 06. Juni 2008 / Bern - Rom

Kapitel 11 13. Juni 2008 / Corcolilla

Im Sog des Heiligen Gral

Erstes Buch

Prolog

Gott will es!

„Silenzio“, herrschte er die Frau an. Sie wimmerte.

„Silenzio!“

Die Seile schnitten in ihr Handgelenk, das Blut staute sichtbar. Sie bäumte den Körper auf. Er presste ihr die Nase mit Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand zu und flößte ihr den Trank durch den Mund ein. Das Weib stöhnte, sie gurgelte und gab unterdrücktes Röcheln von sich. Er sprach mit Gott.

„Herr nimm die verirrte Seele zu dir. Vergib ihr die Sünden. Lass sie heute mit dir das Paradies sehen, damit dein Name geheiligt werde.“

Er vollstreckte den Auftrag ohne Zaudern. Zusammen mit den Mitstreitern Jesu gelobte er täglich, den Teufel in der Welt bis zum Ende zu bekämpfen. Wenn die Macht Satans den Heilsplan Gottes gefährdete, wurden sie gerufen. Wie vor tausend Jahren.

„Deus Io volt – Gott will es!“

So lautete das Prinzip. Unter dem Befehl des Papstes zogen sie damals los, die Krieger des Kreuzes. Zum Gottesdienst der Inquisition. Für den unbegreiflichsten Vollzug der Nachfolge Christi. Grenzenlos treu.

„Gott mit uns!“, schrie der Vertreter des Herrn.

„Gott für uns!“, antworteten die Brüder.

Ihr Gebet war das Töten im Namen des Ewigen, ihre Liebe befreite die Welt von den besessenen Boten des Teufels. Eine Handvoll folgte noch heute dem heiligen Kommando. Niemand kannte diese bedingungslosen Diener Gottes.

Der Kopf von der Frau drückte gegen seine Handflächen. Er presste den Schädel an die Brust. Durch das Leder der Handschuhe spürte er das wilde Hämmern ihres Pulses. Das Pochen verebbte langsam. Schaum floss der Gepeinigten aus dem Mund, rot verfärbt von dem Blut der Lungen. Der Atem stockte. Das Gift wirkte. Er betete.

„In Jesu Arme lege ich dich. Ich befehle mich unter den Schutz Gottes. Die ewige Gnade und Barmherzigkeit leuchten über dir. Herr vergib uns die Schulden und lass uns heute dein Paradies sehen.“

Das Ende kam. Ein kurzes Schütteln, ein letzter Ruck. Er ließ den verkrampften Torso zurücksinken. Das Zappeln der Beine auf den dürren Blättern am Boden hatte aufgehört. Die Stille schmerzte in den Ohren.

Er überflog das Geschehene in einem kurzen Stakkato sich jagender Gedanken und ordnete seine Erinnerungen. Der Auftrag war vor fünf Wochen erteilt worden. Leider wuchs während dieser Zeit das Lügengebäude des Teufels raffiniert und schnell. Erst schien es die Marotte des einen Verlegers aus der Schweiz zu sein. Der Mann versuchte, aus der Geschichte Profit zu schlagen. Rasch und unüberlegt - er redete öffentlich. Das forderte Konsequenzen. Die wachsende Gemeinschaft der eingeweihten Mitwisser musste sofort verschwinden. Alle, die von dem unglückseligen Pergament Bescheid wussten. Eine ungeheuer schwierige Aufgabe. Gottes Hilfe dankten sie es, dass sie an dem heutigen Tag das Werk des Allmächtigen vollendeten.

Als er sich vom leblosen Körper der Frau erhob, sah er zwei Brüder den Journalisten anschleppen. Der Kopf des Mannes war von einer schwarzen Haube verhüllt. Der Entführte fluchte wütend, bevor ihm das Tuch weggerissen wurde und er den Tee verabreicht bekam. Der Gefangene hatte offensichtlich Durst und schluckte gierig. Die Symptome setzten gleich darauf ein, wie zuvor bei der Frau. Gnadenlos. Das letzte Todesurteil wurde damit vollstreckt. Es war vollbracht.

Jetzt brauchte er noch das Schriftstück. Die Jagd nahte dem Ende. Der Sieg gegen Luzifer winkte.

Wenn das vorbei ist, gehe ich zurück nach Arabona. In die Gemeinschaft mit dir, mein Herr und Vater im Himmel!

Er suchte Genesung von den Erinnerungen. Von dem belastenden Kampf mit dem Teufel. Er vermisste Gebet und Schweigen hinter dicken Mauern der Einsamkeit. Im Kloster war er zuhause. Nur dort fand er Einklang mit Gott. Die Zuflucht vor dem Lärm und der Bosheit dieser Welt.

Kapitel 1 Sonntag, 21. Oktober 2001Bern

Die Strahlen der Nachmittagssonne strichen über die bunten Farben der Blätter an den Bäumen links und rechts der Hauptstraße des Monbijou. Draußen herrschte Sonntagsruhe. Bern verharrte andächtig. Die Aare floss flaschengrün durch die Rasenflächen des Marzili und entlang den Flussmauern des Mattenquartiers. Eine gewaltige Anakonda aus Wasser ließ das dumpfe Rollen der losen Gesteinsbrocken aus dem Flussbett ertönen.

Der festtägliche Frieden beflügelte Ernst Köpfer. Nachdem er beim Eingang der Kirche die Gläubigen verabschiedet hatte, ging er in den ersten Stock des angrenzenden Gemeindehauses. Er kam heute nicht um die Aufgabe herum, einen Brief zu beantworten. Das wusste er nur zu genau. Yolanda Grossenbacher hatte ihn vor dem Gottesdienst darum gebeten. Sie arbeitete gewissenhaft für die Gemeinde und bestand seit Tagen auf dem Schreiben. Das ließ ihm keine Wahl. Er betrat das Büro und setzte sich ohne Umschweife an den Arbeitsplatz. Der Computer fuhr hoch. Sein Magen knurrte.

Das Mittagessen im Kreis der Familie lockte. Jan feierte heute den großen Abschlusstag seines Theologiestudiums, deshalb planten sie den gemeinsamen Mittagstisch zu Hause. Durch die Gänge im Gebäude tönten Lieder. In der angebauten Kapelle probte der Jugendchor den geplanten Auftritt zum Abendgottesdienst. Er hörte Schritte auf dem Flur.

„Ernst, die vom Quartierverein riefen an. Schon zum dritten Mal“, mahnte unvermittelt eine Stimme im Hintergrund. Yolanda stand zwischen Tür und Angel. Sie streckte den Kopf in den Raum. Ihr Haar war zurückgekämmt, ein dezentes Make-up verjagte die ohnehin dürftigen Altersboten. Er verstand die Körpersprache. „Keine Zeit zu bleiben“, deutete sie ihm damit an. Er verübelte ihr die Eile nicht.

„Bitte! Du bist verpflichtet, das in dem Brief zu erwähnen. Es ist mühsam. Die Menschen müssen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Gottesdienst kommen, solange sie nicht das Parkhaus benutzen. Unbedingt! Die Anwohner beklagen sich. Wegen dem Lärm und den verstopften Seitenstraßen.“

Sie hatte den Tonfall bis zum Ende des Satzes energisch gesteigert. Um gleich darauf zu säuseln wie ein lauer Frühlingswind.

„So, ich wünsche dir einen gesegneten Tag. Fasse das Schreiben kurz. Es reicht, wenn du das Nötigste mitteilst. Herzliche Grüße an Hanna und die Kinder. Genießt das Fest. Ich freue mich mit euch.“

Sie zog die Tür ins Schloss, das Zimmer schien sofort farblos. Zurück blieb ein unverwechselbarer Duft nach Lavendelparfüm. Ernst spürte, dass er lächelte.

Im Vorraum verhallten die Tritte. Seitdem sie das Büro teilten, nannte er Yolanda ‚die beste Büro-Frau von allen‘. Er kannte ihre Vorliebe für Ephraim Kishon und für die Redewendungen des Autors, aber meinte ohne Zweifel ehrlich, was er mit der Formulierung ausdrückte. Sie arbeitete zuverlässig, verantwortungsbewusst, loyal, zutiefst gottesfürchtig. Er nickte.

Bemerkenswerte, herzerfrischende Seele.

„Danke Yolanda. Genieße den herrlichen Tag. Gott sei mit dir“, rief er der Davoneilenden hinterher. Sie konnte ihn nicht mehr hören. Über den Hof tönte das metallische Klacken der arretierenden Türzarge.

Gelobt sei der himmlische Vater für die treue Hilfe.

Er beugte den Kopf über die Tastatur und suchte nach Worten.

Ernst hatte Probleme zum Schreiben zu finden. Er überflog gedankenverloren einen Stapel Zeitschriften am Rand des Bürotisches. Die Titelseiten leuchteten um die Wette. Vor Wochen läutete der 11. September in New York ein bisher unbekanntes Kapitel des Terrorismus ein. Die Verunsicherung der Menschen forderte eine Lösung. Fragen und Ängste prägten die Schlagzeilen.

Wer an Gott glaubt, den kann das alles nicht erschüttern. Die Epoche der Prophezeiungen ist angebrochen.

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus den Überlegungen.

„Herein!“

„Ernst, ich bin es. Darf ich stören?“, klang es durch das Arbeitszimmer. Klaus Bürgin betrat das Büro. Die Schultern des Mitarbeiters hingen wie eine schwere Last am Körper.

„Nur zu, wo drückt der Schuh?“

„Ein Journalist fragt an, ob wir Pastorinnen im Amt zulassen. Was kann ich antworten?“

„Ach, Klaus. Will uns jemand auf den Zahn fühlen?“

Bürgin schien in dem Moment um Jahre gealtert. Die Pressearbeit überforderte ihn, das wusste Ernst. Der alte Mann demonstrierte die ungeliebte Belastung mit der Körperhaltung. Ernst antwortete mit gebotenem Nachdruck.

„Nein, tun wir nicht. Wir bilden keine Frauen aus. Grundsätzlich lehrt uns die Bibel deutlich, dass die Ehefrau die Familie gegen innen vertritt. Dem Mann obliegt es, die Aufgaben nach außen hin wahrzunehmen. Das gilt für die kleinste Zelle Gottes, wie für die Gemeinde. Wirst du das in verträgliche Worte packen?“

„Ja, Ernst. Das geht. Ich wollte zur Sicherheit fragen, ob ich die Haltung gegenüber der weltlichen Presse vertreten darf.“

„Das ist kein Dürfen. Das ist ein Muss. Im anderen Fall können wir das Verkünden des Evangeliums Alice Schwarzer überlassen. Was meinst du?“, neckte er den Mitarbeiter.

Klaus lächelte ihn an. Ernst roch einen Hauch von kölnisch Wasser. Der Diakon trug es nach jeder Rasur auf. Das gestärkte Leinen des Anzugs vermengte den Parfümgeruch zu dem ihm eigenen Duftgemisch.

„Weißt du Ernst, ich vermisse die Zeiten, da der Glaube im stillen Kämmerlein praktiziert wurde. Ohne Aufhebens. In Demut und Bescheidenheit. Heute wird mit den modernen Sitten alles geändert. Ich weiß nicht, ob das gut ist“, antwortete Bürgin. Er versuchte, den besorgten Mann zu ermuntern.

„Wir haben den Auftrag, das Wort Gottes den Menschen zu verkünden. Wir sind verpflichtet, der Welt zu sagen, dass sie mit uns zu rechnen hat!“

Klaus blieb verkrampft.

„Ich bin im Bild, Ernst. Du wiederholst das ständig. Doch die Bibel lehrt uns Zurückhaltung. Nicht Pressekonferenzen oder Kulturpolitik. Meinst du, dass Gott derart zu der Krone der Schöpfung spricht?“

„Ja Klaus, das meine ich. Ich bin überzeugt, dass es unerlässlich ist, in der Sprache der heutigen Zeit zu reden. Alle Teile des sozialen Lebens mit Glauben und Gottesfurcht zu durchwirken. Das ist unsere Aufgabe, Klaus. Trotzdem bilden wir keine Pastorinnen aus. Das hingegen ist in deinem Sinn, gell?“ Der treue Diakon nickte, murmelte Unverständliches und verließ das Büro.

Ernst starrte wieder auf den Tisch. Bücher, Notizzettel und Computerzubehör bildeten einen wirren Effektenhaufen. Jan hatte heute Morgen bewiesen, dass ein redlicher Pfarrer in ihm steckt. Das war gut so. Viel Arbeit wartete auf den jungen Prediger. Ernst dachte voller Stolz an seinen Sohn. Er richtet den Oberkörper auf und betrachtete den Bildschirm.

Ach, der Brief ...

Das Klingeln des Telefons tönte definitiv zu laut. Er hob den Hörer sofort ab. Am anderen Ende der Leitung hörte er Hanna. Sie sprach hastig, freudig, erwartungsvoll. Alles zugleich.

„Hallo Schatz! Wie ist es ihm gegangen? Bist du zufrieden? Ich bin so gespannt.“ Hanna ließ ihn nicht zu Worte kommen. Sie sprudelte ohne Punkt und Komma.

„Ich habe den ganzen Morgen an euch gedacht.“

Er empfand überschwängliche Liebe. Diese Begeisterung. Die ungestüme Art. Sie bedeuteten Ausdauer, Mut und Lebensfreude. Er lachte leise auf. Sicher war sie barfuß, hatte einen Küchenschurz umgebunden und die blonden Haare zusammengeknotet unter ein Tuch gesteckt. Er sah sie vor seinem inneren Auge und fühlte tiefe Zärtlichkeit.

„Langsam, langsam, Honey. Es war eindrücklich, glaub mir. Sehr bewegend. Ich will aber zu Hause weitererzählen. Bitte gedulde dich. Ich muss dringend einen Brief an den Gemeindevorstand schreiben, dann bin ich bei euch.“ Nach dem gemeinsamen Theologiestudium in Oxford nannte er sie Honey. Die Studienkolleginnen formten aus Hanni „Honey“. Er übernahm den Rufnamen.

Eigentlich albern.

Trotzdem schwang in dem Kosenamen ein Hauch von Verliebtheit. Ein Anflug von dem, was die Ehe mit der Frau seines Lebens unersetzlich machte. Der Alltag hatte ihre Beziehung nicht erstickt. Hannas Stimme klang jetzt wie die einer Lehrerin. Sie lachte und sprach mit hörbar gespieltem Ernst.

„Aber schnell, Herr Pfarrer. Nicht trödeln. Wir erwarten dich ...“

„Ich beeile mich …!“

Hanna hatte schon aufgelegt. Er konzentrierte sich erneut auf den Bildschirm und den lästigen Brief. Der rote Punkt am Rand des Monitors signalisierte den Eingang einer Mail. In den Gängen des Pfarrhauses tönte das „Hosianna dem Lamm Gottes“ vom Jugendchor. Ernst stöhnte auf.

Jetzt nicht, ich habe keine Zeit. Ich will nach Hause.

Trotzdem überflog er die Zeilen. Und bereute es sogleich. Das eingegangene Schreiben verunsicherte ihn. Der Inhalt verwirrte ihn über alle Massen.

Seltsam. Sehr seltsam. Was soll das?

Er suchte den Absender und las: [email protected] Er kannte niemanden, der sich Lazarus nannte und die Mitteilung begann befremdend.

„Nachricht für Ernst Köpfer! Du bist jetzt Leiter einer großen Bewegung. Viele Menschen zählen auf dich. Du bist ein guter Hirte. Der gute Hirte kümmert sich um seine Schafe.“

Das stimmt alles, dachte Ernst.

Doch was willst du mir damit sagen?

Er las weiter.

„Aber sagt nicht die Bibel, dass der gute Hirte auch das schwarze Schaf rettet? Das Verlorengegangene? Darum frage ich dich Ernst, bist du ein guter Hüter? Bist du das? Hast du deine Lämmer gezählt? Heute kommt eines der Schafe nach Hause und es wird dir die Einsamkeit, die Angst und die Verzweiflung zurückgeben. Es wird dir all das bringen, was du gepflanzt hast. Ich gebe dir die Angst zurück. Bist du bereit?“ Der Computerbildschirm flimmerte.

Ernst schluckte leer. Das „Hosianna“ vom Chor war verstummt. Er las die Sätze erneut. Was sollte das? Etwas lag zwischen den Zeilen, dass die Sprache eines aufgebrachten Gemeindemitgliedes hinter sich ließ. War es die unterschwellige Bedeutung des Namens Lazarus? Oder die Tatsache, dass gemeinsam Erlebtes angedeutet wurde?

Was um alles in der Welt habe ich gesät? Ist dieser Mensch noch bei Trost? Ist das ein Hilferuf? Ist es ein blöder Scherz?

Er lehnte im Bürostuhl zurück und seufzte. Wenn es eine ernstgemeinte Drohung ist?

Ernst markierte die Nachricht, übertrug sie in das Schreibprogramm und sendete sie an die Mailadresse des Heimcomputers in Worb.

Ich werde antworten. Ich werde mich darum kümmern. Später. Jetzt habe ich keine Zeit. Punkt und fertig.

Die Familie wartete auf ihn. Damit vertrieb er die Wolken der Sorgen aus dem Kopf. Zähflüssig schrieb er den Brief an den renitenten Vorstand der Christen-Gemeinde und hoffte, dass dem Schreiben die Unlust des Absenders nicht anzumerken war.

Ernst verließ das Pfarrhaus bald darauf. Die Jugendlichen waren schon lange weg. Im Haus war es still. Die Gänge und der Versammlungsraum schienen gespenstisch leer. Er verschloss die Haupttüre und stieg ins Auto. Die Reise nach Worb verlief ohne Zwischenfälle.

*

„Herrlich! Und jetzt die Spöttergeise.“

Alle lachten. Gemeint war „Die Götterspeise“. In jeder Hinsicht des Wortes. Außer Zweifel der beste Nachtisch aus Hanna Köpfers Küche. Darüber herrschte Einigkeit unter den Anwesenden.

Hanna strahlte vor Glück.

Sie servierte nicht einen „Wackelpudding“, wie das Dessert im benachbarten Deutschland genannt wurde. Sie verfuhr nach einem Rezept, das die Schweizer verwendeten. In einer Backform schichtete sie Zwieback, Vanillecreme, Apfelmus, Rhabarberkompott mit Schlagsahne. Das Ganze kam einige Stunden in den Kühlschrank und wurde in der Form aufgetischt. Ein Leckerbissen. Sie genoss den Jubel der Familie und der Gäste.

Leichte Musik drang aus den Lautsprechern im Wohnzimmer. Zur Feier des Tages durfte die Jungmannschaft das Programm bestimmen. Das Oratorium „Young Messaiah“ gehörte zu Jans Lieblingsmusik. Händels Messias vertont mit modernen Rhythmen. Klassik und Rock erfüllten den Raum. Der sonst gestrenge Vater erlaubte Jan den extravaganten Musikwunsch. Die Stimmung erinnerte sie an eine frische Sommerbrise. Sie lachte. Die Gemeinschaft strahlte vor Zufriedenheit. Stephan, der Bruder von Jan, die kleine Schwester Iris, die Großeltern beider Familienzweige, Bruno, ein Freund der Familie; sie feierten den frischgebackenen Theologen Jan.

Was für ein Tag, welch ein Geschenk Gottes.

Sie schwelgte in unendlicher Dankbarkeit. Hanna folgte der intensiven Gefühlsregung, unterbrach das Dessertschöpfen und beugte sich zu Ernst. Sie flüsterte ein zärtliches Bekenntnis in sein Ohr.

„Ich liebe dich!“

*

Ernst beobachtete die friedliche Runde. Geschirr und Besteck klapperten. Die Stimmen der Versammelten tönten wie das Summen im Bienenhaus. Eine klang speziell laut.

„Vor Aufregung schwitzend rief der Pfarrer Herr, gib mir Taft zum Kragen. Er wunderte sich über das Gelächter in den vordersten Reihen, weil er eigentlich Herr, gib mir Kraft zum Tragen beten wollte.“

Bruno Tschan erheiterte die Tischgesellschaft mit eigenwilligen Anekdoten. Ernst lachte mit und beobachtete seinen Freund. Bruno hatte sich kaum verändert. Er unterrichtete seit fünfundzwanzig Jahren an der Gewerbeschule in Bern und verschwieg gerne, dass die persönliche Lebensuhr die Fünfzig überschritten hatte. Der Vollblutlehrer bezeichnete sich als überzeugten Philanthropen mit leichtem Hang zum Pessimismus. Die Geheimratsecken und der runde Bauch gaben ihm ein mönchartiges Aussehen. Bruno vertrat die Meinung, das Christentum müsse von humanistischen Werten geleitet sein. Nicht durch Gesetz und Strafe.

Ernst kämpfte gegen diese populäre Verwässerung, aber Bruno bestand darauf. Er schätzte seinen Freund dennoch. Er vertraute ihm. Trotz der theologischen Meinungsdifferenzen.

Ernst erinnerte sich gern an die Zeit, als sie zusammen eine ambitionierte Wohngemeinschaft christlicher Künstler leiteten. Sie wohnten in einer Jugendstilvilla im Herzen von Muri bei Bern. Das Haus stand inmitten einer Waldlichtung, hatte einen Turm mit Fachwerkgemäuer, Marmortreppen, Stuckdecken und eine steinverzierte Feuerstelle in jedem Zimmer. Die Villa gehörte zu dem Nachlass der berüchtigten Madame de Meuron. Es war zu Beginn der Achtzigerjahre im vorigen Jahrhundert, in Zürich brannten die Autos, in Bern flogen die Pflastersteine. Studenten, Anarchisten und Autonome besetzten freistehende Häuser und richteten sich auf unbewohnten Grundstücken häuslich ein. Sie verlangten urbanen Freiraum, wenn nötig mit Brachialgewalt. Für die besorgten Verwalter des Anwesens bot damals die Gemeinschaft christlicher Künstler eine willkommene Gelegenheit, jedem ungeliebten Übergriff aus der unkontrollierbaren Jugendszene vorzubeugen. So packten sie den Stier bei den Hörnern und erlaubten der Jugendgruppe die Zwischennutzung.

„Vater, wie gefiel dir meine Predigt?“, unvermittelt wurde Ernst von seinem Sohn angesprochen. Jan sah ihm in die Augen, während er die Frage stellte. Er erwachte abrupt aus seiner Erinnerung und zögerte aber nicht mit der Antwort.

„Du hast hervorragend gesprochen, Jan. Deine Rede wirkte engagiert und konzentriert. Keine Spur von Unsicherheit. Bravo. Nur am Ende der Gebete darfst du warten, bevor du weitersprichst. Viele Leute brauchen einen Moment der Ruhe und der persönlichen Einkehr.“

Jan nickte. Spürbar dankbar für das Lob und die Anerkennung. Ernst redete deshalb weiter.

„Mir gefiel der Vergleich, als du sagtest, wir sollten Christus Tag für Tag ähnlicher werden. Dessen Ebenbild verkörpern. Und dass wir nach Vollkommenheit streben müssen. Ich gebe dir recht. Was denkst du, Bruno?“

Der Angesprochene zwinkerte Jan kameradschaftlich zu.

„Ich war sehr berührt und wollte mich gleich ein zweites Mal zum Heiland bekehren“, hüstelte Bruno. Alle am Tisch lachten herzhaft über den Scherz.

„Spaß beiseite. Die Predigt war eindringlich und jeder konnte fühlen, dass dem Prediger das Seelenheil der Gemeinde persönlich am Herzen liegt. Der Vergleich mit Jesus war treffend. Trotzdem - wir kennen das Leben Jesu nur aus den überlieferten Schriften . Insofern kann uns die Bibel einen christusähnlichen Verhaltensmodus vermitteln. Wir wissen aber kaum, wie er in Wirklichkeit lebte.“

Nicht schon wieder! Bruno kann es nie lassen!

„Bruno, das stimmt nicht!“, entgegnete Ernst empört.

Er legte die Serviette beiseite.

„Die Bibel sagt uns klar und deutlich, wie Jesus wirkte, dachte und handelte. Wort für Wort beschreibt sie Leben und Schaffen des Herrn. Wir dürfen die Botschaft nicht relativieren. Wir haben zu viele Christen wie Eugen Drewermann, die die Worte Jesu verwässern und zu Tode psychologisieren.“

„Natürlich brauchen wir die Lehre Christi, Ernst. Aber es ist kaum von der Hand zu weisen, dass sich das Christentum entwickelte. Leonardo Boff mit der Befreiungstheologie ist ein treffendes Beispiel dafür. Die Lehre muss sich dem gesellschaftlichen Kontext anpassen.“

Sein Puls schlug höher, sie waren kurz davor, den freundschaftlichen Lieblingsstreit weiter anzuheizen. Hanna lachte beschwichtigend. Sie wandte sich an die Streithähne.

„Hallo, hallo! Ihr dürft die Bibel morgen neu schreiben“, befand sie. „Heute feiern wir den Jugendleiter und Pfarrer Jan. Oder wird es wegen der ersten Predigt zu einer Gemeindespaltung kommen?“ Hanna neckte gutmütig. Ihre nächste Frage lenkte geschickt vom Thema ab. Ernst atmete tief durch.

„Erzählt mir, hat unser junger Pastor einen Sprechtick? Wie der holde Vater?“, hörte er seine Frau fragen. Ernst fühlte, dass er errötete, und winkte ab. Alle Anwesenden kannten seine Angewohnheit: Bei Sprechpausen trank er aus einem bereitgestellten Glas und zwirbelte das Ende des Schnauzzipfels. Hanna warf in die Runde, dass er den Eindruck erwecke, dem Mund zusätzliche Worte zu entlocken. Wieder hallte Gelächter durch den Raum. Die Festgemeinschaft fand ausgelassen, dass der junge Sprecher keinen Tick hatte.

„Jetzt noch nicht“, meinte Iris keck.

Nach dem Dessert verschwanden die Feiernden im Haus. Sie diskutierten in gesonderten Gruppen und teilten den Abwasch in der Küche. Bruno Tschan stand beim Kopfende der Sitzgruppe und strahlte über das ganze Gesicht. Er trat neben den Freund und redete ihm leise zu.

„Bruno, hast du einen Moment für mich? Ich muss dir etwas zeigen.“

*

„Eigenartig, sehr eigenartig. Ich weiß nicht recht.“

Bruno starrte auf den Text, der auf dem Monitor prangte. Er las ihn ein zweites Mal halblaut durch und murmelte wiederholt den Namen des Absenders.

„Lazarus. Ausgerechnet Lazarus. Einer der vom Tode auferweckt worden ist. Was soll das heißen? Ich kann dir beim besten Willen nicht helfen, Ernst.“

Bruno atmete tief durch.

„Hast du irgendwelche Meinungsverschiedenheiten? Streit? Der Name sagt nichts aus. [email protected]. Das kann irgendwer sein. Irgendwo. Das ist mir ein Rätsel.“

Unten klang angeregtes Stimmgewirr. Das Büro befand sich in der ehemaligen Tenne des umgebauten Bauernhauses. Ein Fenster lugte aus der Dachschräge. Draußen gackerten Hühner und ein Pferd wieherte. Das Anwesen stand an dem sonnigen Nordhang hinter dem Dorf Worb. Die grünen Ausläufer des Emmentals waren mühelos sichtbar. Ebenso die schneeweißen Spitzen der Berner Alpen. Bei klarem Wetter sah man die majestätische Kette des Hochgebirges.

Ein Geschenk Gottes! Ein Paradies! Und jetzt dieser blöde Brief! Herr, mein Gott, warum?

Der azurblaue Himmel flimmerte. Sonnenlicht erwärmte den Raum. Sie blieben lange still. Bruno betrachtete das Panorama, drehte sich schlussendlich um und sprach mit Nachdruck zu ihm.

„Siehe mal Ernst, das Ganze kann ein blöder Scherz sein und wir brauchen uns darüber nicht den Kopf zu zerbrechen“, sagte er. „Im besten Fall versucht jemand, sein Mütchen zu kühlen. Hoffentlich. Aber auf der anderen Seite irritiert mich die Anspielung auf die Vergangenheit gewaltig. Wie ist das zu verstehen: „Das verlorene Schaf kommt zurück.“ „Ich bringe dir, was du gesät hast.“ Das tönt sehr persönlich. Was meinst du?“

Ernst richtete den Oberkörper auf und schüttelte den Kopf.

„Beim besten Willen, Bruno. Ich habe keine Ahnung. Ich erhielt die Mail heute Morgen im Büro der Gemeinde, während ich am Rundbrief arbeitete. Ich kann nicht sagen, was das bedeutet.“

Bruno durchquerte die paar Schritte vom Fenster zum Arbeitsplatz und las den Text ein weiteres Mal. Sie überflogen die befremdlichen Zeilen zusammen. Stumm. Eine Minute. Zwei Minuten. Drei Minuten.

Gedanken, Erinnerungen, Bruchstücke der Vergangenheit. Die Zeit verging.

„Gut ...“, Bruno unterbrach die Stille erneut mit einem Kommentar. Etwas hilflos, um einen guten Rat bemüht. „Das ist eine Mail. Worte. Diffuse Andeutungen. Mehr nicht. Du kannst nur abwarten. Vielleicht meldet sich der Absender persönlich, um präziser zu werden. Oder er lässt nicht mehr von sich hören. Noch besser. Aber Ernst, wenn du wieder anonyme Botschaften mit Drohungen erhältst, geh zur Polizei.“

Kapitel 2 Freitag, 26. Oktober 2001Basel

Himmel aus Stahl, ich kenne dich. Wolke aus Blei sei du mein Hort.

Martin Thommen wischte energisch über das Bleistiftgekritzel auf dem verschmierten Blatt Papier. Die Gefühlsduselei stank zum Firmament. Ja, er kannte die Gedankenschwaden wie aus schwerstem Blei, Nächte, die nie endeten und Träume, weiß wie der Schnee.

Eine überdrehte Metapher. Trotz allem passend.

Hinter ihm flackerte das Bild des Fernsehers. Der Ton war leise gestellt, das unterdrückte Stöhnen von einem alten Pornofilm waberte durch den Raum.

„Mach’s mir. Ja. Ahhhh... mach’s mir“.

„So mach es ihr doch endlich“, murmelte er.

Er suchte eine leere Stelle auf dem schwarzen Marmortisch. Er öffnete ein Apothekerbrieflein und ließ ein Häufchen von dem weißen Pulver auf den polierten Stein rieseln.

Mit einer Kreditkarte rieb er das Kokain glatt und formte eine schwungvolle Linie auf dem Tisch.

Zeigen Sie mir die letzten Bewegungen auf Ihrer Bankkarte.

Der kleine Witz unter Kollegen.

Die letzten Bewegungen. „Ha, ha, ha.“

Er massierte die entzündete Nase, derweil er den Geldschein zu einem trinkhalmähnlichen Gebilde rollte. Die Nasenschleimhäute brannten, er zog Drogen und Luft kräftig durch das Röllchen. Ein Teil des Pulvers löste sich im Speichel auf und rann hinunter in die Speiseröhre. Schon der Geschmack bewirkte ein Glücksgefühl.

Gut. Sehr gut. Wer mit dem Teufel tanzt …

Das Hirn reagierte sofort auf den Fremdstoff. Ein Nebel von künstlicher Verklärung legte sich wohltuend über die Wahrnehmung.

Ich bin Martin Thommen. Everything ok! Aus einem Briefchen, ein Häufchen, durch ein Röhrchen; alles klein und fein.

*

„Martin. Mein Name ist Martin. Martin Thommen. Tho... oh... mmen... Thoo... ommen.” Er kicherte und stimmte den Singsang erneut an.

Sing, Vögelchen, sing!

Die Frühlingssonne hatte den Zenit überschritten. Sie warf den ersten sanften Nachmittagsschatten über die Dächer und Zinnen der Näfelserstrasse. Der Straßenzug im Osten Basels gab sich träge. Kleinbürgerlich erschlossen bis in die letzte Fuge des bröckelnden Mörtels. Keine Aufregungen.

Ab und zu ein kurzer Rock. Ab und zu enge Strümpfe über einem runden Po. Zwischendurch straff gespannte Jeans umspielt von einer hauchdünnen Bauchkette, die über jugendlichem Babyspeck schwang. Das seltene, rasche Aufleuchten eines weißen Höschens unter grauem Stoff oder ein hartes Stakkato von Pumps in Richtung Bushaltestelle. Sonst nichts.

Außer lachenden Kindern auf dem Gehsteig, streitenden Nachbarn, streunenden Katzen und bierbauchigen Rentnern an offenen Fenstern.

Er arbeitete und kokste. Mittendrin in dem Pool halbgegorener Existenzen. Das war die Situation. Direkt an der Lebensfront lauernd in dem Haus, dessen unterste Fensterscheibe von der vorbeiführenden Straßenaufschüttung halbiert wurde.

Halbes Fenster, halbe Sicht. Ich bin ein halbierter Voyeur!

Er zog einen nächsten Faden Schnee. Dann wählte er die Nummer aus dem Stadtanzeiger.

„Hallo, hier spricht Mathilda. Was kann ich für dich tun?“

Das Gespräch dauerte keine zwei Minuten. Er legte darauf eine neue Linie von Montezumas Rache auf den Marmor aus dem Apennin und sinnierte.

Obszönität ist nicht die totale Nacktheit, sondern die unverhüllte Absicht.

Stand so in einem schlauen Buch. Er wartete. Er zermarterte sich den Kopf. Er liebte „sein“ Basel.

Kapriziös eingebildet beschreibt an der Stelle eine überlebensbedingte Arroganz „à la Bâloise“, die den Stadtbürgern „Basileias“ seit dem frühen Mittelalter eigen ist. Unentwegt ist sie von fremden Interessen umgeben: Deutschland im Norden, Frankreich im Westen, im Rücken das Juragebirge und die Schweizerische Eidgenossenschaft. Im Austausch und Wettbewerb mit solch gewichtigen Nachbarn musste die kleine Stadt am Rheinknie gezwungenermaßen ein erstaunliches Selbstbewusstsein entwickeln.

Diesen Text hatte er für einen Touristenführer geschrieben. Damals. Hier und heute stockte er nur noch.

Die Ungeduld quälte sein Hirn.

Über vierzig Minuten vergingen. Ob die gedruckten Versprechungen die Erwartungen befriedigen würden?

Draußen auf dem Park Feld glänzte sein Wagen. Ein Mercedes, ins Alter gekommen, schwarz lackiert. Vor zwei Jahren fuhr er damit nach Spanien. Er erinnerte sich präzise. Die Reise geschah ohne Vorbereitung und überstürzt. Er brauchte Abstand. Er suchte wohltuenden Anonymität in einer fremden Stadt. Das war der Plan. Stattdessen fand er die verdammte Ruine und das verfluchte Pergament. An einem Berg, der aus Distanz wie ein bescheuerter Kopf aussah. Seither war das Leben verpestet.

Verseucht mit brennenden Fragen, mit Unsicherheit und Angst. Mit ansteigender Wut und Enttäuschung. Zu den Gefühlen gesellte sich die allgegenwärtige Schneekönigin, das Kokain.

Wer mit dem Teufel tanzt …

Ein Zustand beunruhigte ihn; oft war er in der Nacht unterwegs. Folgte dem Licht der Scheinwerfer in das schwarze Ungewisse. Er fühlte sich im Auto geborgen. Wie in einem Kokon schwebte er im Wagen durch eine feindliche Welt. Solche Fahrten dauerten die ganze Nacht, je nach der Drogenmenge, die er mit sich führte. In endlosen Schüben erneuerte er die künstliche Euphorie.

Warum gilt Kokain als Gesellschaftsdroge? Muss ein Witz sein!

Es war ein Rätsel.

Wenn ich sniffe, will ich vögeln! Oder Einsamkeit! Ganz sicher keine Gesellschaft! So eine Schieße! Ist Sex Gesellschaft? Im weitesten Sinn steckt auch Gesellschaft drin. Ha, ha, ha!

Sex sei das letzte Argument, wenn die Worte nicht ausreichen, den Gegner zu unterwerfen.

So ähnlich hat es Pasolini geschrieben. Auf diese Formel läuft Sex hinaus. Jaaaaa, so ist es! Im Rausch will ich Fakten, kein Gejammer! Harte Fakten. Hart. Hart. Hart. So eine Schieße!

Er brannte. In der Lust und im Vergessen.

Deswegen wachsen doch einige Spannungen im Leben. Nicht wahr, Thommyboy? Hallo Thommyboy! Reiß dich am Riemen, Tinu!

Er schlitterte durchs Leben. Unkontrolliert.

Wer mit dem Teufel tanzt …

Entspannung wäre angesagt, berichtete sein Psychiater. Darum habe er sein kolumbianisches Hobby. Antwortete er ihm.

Verdammt! Entspannung bringt die Droge schon lang nicht mehr.

Auch Kreativität bewirkte das Pulver keine. Nur in den eisigen Stunden der Ausnüchterung arbeitete der Verstand glasklar und sensibel. Dann schrieb er mit den aufsteigenden Depressionen um die Wette und versuchte, Antworten zu finden.

*

„Hallo, darf ich dich verwöhnen?“

Gott, herrliche Titten.

Nach dem heiß erwarteten Klingeln hatte Martin schnell die Bürotür geöffnet und vor ihm stand eine Offenbarung der Sünde. Ihre Stimme klang rau, ihr Körper lockte wohlproportioniert. Sie trug enge Jeans, ein kurzes Felljackett, hochhackige Schuhe und eine blonde Perücke. Die Brüste wölbten das Jackett.

Der Schönheitsarzt hat ganz Arbeit geleistet.

„Entspann dich“, sie küsste ihn auf die Lippen und zog am Reißverschluss der Hose. „Ich bin jetzt ganz da für dich. Du brauchst nichts zu tun.“

Das Kokain und ihr Mund übernahmen den Rest. Sofort war es wieder da, das Vergessen. Der Rausch und die Ewigkeit.

Er stöhnte laut.

Sie erhob sich und streifte die Bluse über den Kopf. Dann zog sie ihm die Unterhose aus. Er sank auf die Ledercouch. Sie stand direkt bei ihm. Dicht vor seinen Augen spannte sie den Slip zur Seite. Ihr Penis war erigiert. Die Erregung nicht gespielt.

„Nimm!“, befahl sie heiser. Er tat, wie ihm geheißen. Der Mund brannte. Dann drehte sie sich um und gab ihm die Möglichkeit, zwischen ihren harten Pobacken zu versinken. Sie zogen das Spiel in die Länge. Nur eine Linie Kokain unterbrach hin und wieder den Tanz der Leiber.

„Du hast einen schönen Schwanz“, stöhnte sie. Die Worte schmeichelten ihm. Er hielt nicht mehr zurück. Nach seinem Orgasmus umarmte sie ihn von hinten und keuchte ihm ins Ohr.

„Jetzt für mich. Bück dich! Komm, bück dich!“

Ihr Penis presste gegen seinen Po. Er zuckte zusammen.

„Nein, ich ..., dass ... ich nicht. Ich kann nicht. Ich will das nicht!“

Der Kokainrausch war nicht enthemmend genug, diesen letzten Schritt zu vollziehen. Herrgottnochmal, er wollte keinen Pimmel im Arsch. Er packte sie hart am Gemächt und erlöste sie mit der Hand.

Sie stöhnte und spritzte.

„Danke, mein Süßer, das war gut.“

Sie küsste ihn. Dann zog sie sich ohne Hast an. Zum Abschied presste sie ihm den Mund an das Ohr und flüsterte:

„Beim nächsten Mal will ich deinen Arsch. Vergiss mich nicht. Ich bin Mathilda.“

Er saß wieder allein im Raum.

*

Martin Thommen seufzte. Die Ruhe war wohltuend. Er drückte den Startknopf des Computers. Der Hermaphrodit klebte an ihm. Das Büro roch nach Parfüm, Schweiß und Leibessäften. Und von dem Lösungsmittel des Kokains. Es kümmerte ihn nicht.

Wer mit dem Teufel tanzt …

Früher warteten die vom Feuilleton auf meinen Freitagsverriss. Thommengate at it ‘s best! Jetzt suchen Frührentner meinen Ausflugstipp in der Wochenendbeilage. Ha, ha; auch eine Entwicklung!

Er hasste den zähen Stillstand im Morast der Mittelmäßigkeit. Der Gedanke war klar und deutlich.

Diese Scheiße treibt mich in den Ruin!

Er unterschied nicht zwischen Feierabend und Fegefeuer. Er kannte die maßgebenden Details von beidem.

Was soll’s! In Nächten der Glut sucht mich im Red Rose oder im White Horse! Tönt doch gut. Red Rose! White Horse! Shine motherfucker, shine! Oder dann auf den stinkenden Geleisen des deutschen Güterbahnhofes! Ich kann es mir auf das T-Shirt drucken. G-ü-t-e-r-b-a-h-n-h-o-f.

Er sah den Ort vor sich. Überall gebrauchte Präservative, abgebrochene Spritzen und zerknüllten Papiertaschentücher.

Das ist die wahre Liebes-Deko! Wen kümmert es?

Dort suchte er die kurze, ablenkende Erfüllung. Eingeklemmt zwischen den übelriechenden Bahntrassen und den tiefen Schatten der Eisenbahnwaggons. In ihm brannte die namenlose Gier. War das nicht die Poesie Baudelaires? Hatte er sich das wirklich so gewünscht?

Martin erinnerte sich an die Adoptiveltern. Und an das darauffolgende Leben. Die strenggläubige Urchristenfamilie wohnte auf einem Bauernhof im Emmental. Bete und arbeite, war ihr Motto.

Ora et labora. Ein beschissenes Sklavenmotto. Beschissen! Zu Dienern geboren! Beschissen, beschissen, beschissen!

Er flüchtete in die tannenbewachsenen Hügel, sooft er konnte. Dann wurde er vom Wald ausgespuckt. Keine Wurzeln dort, kein Platz zum Bleiben. Er wurde in die Stadt verfrachtet. Im Laufe des Studiums in Bern fand er Anschluss in einer frommen Wohngemeinschaft. Sie bewohnten einen prachtvollen Jugendstilbau auf einer Waldlichtung in Muri. Die Zugehörigkeit zu der privilegierten Gruppe wurde mit idealistischer Freiwilligenarbeit bezahlt. Er war Germanistikstudent, darum schrieb er die monatlichen Gemeindebriefe.

Er übersetzte Bücher aus dem Englischen. Er arbeitete mit der internen Theatergruppe. Kommune und Christentum waren ihm Heimat und Identifikation gleichzeitig. Sie nannten sich die „Lebendigen Steine“.

Like Living Stones. Steine die nicht liegenbleiben. Blöde Liebäugelei! Rolling Stones. Living Stones. Gesetz der Steine. Gesetz der Schwerkraft. Liegenbleiben oder wegrollen, das ist hier die Frage!

In der Gemeinschaft herrschte die ähnlich kompromisslose Hierarchie, die er im Laufe seiner Kindheit zur Genüge kennengelernt hatte. Da gab es keinen Unterschied. Er ordnete sich ein und fand damit ein neues Zuhause.

Der Erinnerungsstrang ließ Martin nicht mehr los. Er blieb tief im Sessel liegen und versank weiter in der Vergangenheit. Mit den Lehr- und Wanderjahren als Schreiberling kam die Abwendung vom Religiösen und die Zuwendung zu einem pragmatischen Existenzialismus. Zweifel, Ängste und Gewissensnöte inbegriffen. Die überspielte er mit Suchtverhalten. Und Zynismus. Viel Zynismus. Zwischendurch schien alles vergeigt.

Der Bildschirm flackerte. Er sinnierte weiter, noch halb ausgezogen, wie ihn Mathilda zurückgelassen hatte. Vor zwei Jahren flüchtete er nach Valencia und suchte Ruhe. Schon damals. Hundert Kilometer weiter südlich besuchte er das Bergdorf Alpuente mit der Ruine einer Burg, die im Frühmittelalter von Arabern behaust worden war. Die Templer lebten ebenso in diesem Dorf, der Kirchturm am Fuß des Schlosses reckte sein unübersehbares Oktaeder gegen den Himmel.

Ziellos, uninteressiert und übernächtigt stolperte er über das Geröll am Abhang des Berges. Er war nach den ausgelassenen Festivitäten an den Fallas erschöpft. El reino del silencio – das Königreich des Schweigens. So nannten die Einheimischen die Burgruine auf dem schroffen Felsen, der ähnlich einer Karikatur des menschlichen Gesichts aussah. Die Formation hatte die Kontur eines Männerkopfs.

Herrgott, hätte das bescheuerte Königreich bloß geschwiegen!

Das Klingeln des Telefons riss ihn aus den Überlegungen.

*

„Ja, bitte?“

Martin klemmte den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr. Er stand auf, zog die Hosen hoch.

„Hallo, Maestro. Was machst du? Bleibst du im Büro? Ich muss dir etwas zeigen.“ Die Stimme von Santos klang wie immer; bestimmend, gehetzt und keine Widerrede erwartend.

„Ja ... ja ... langsam. Langsam! Schön, ich warte auf dich.“

Martin legte den Hörer auf. Sofort passierte Robertos Story sein inneres Auge. Die eigene Geschichte war verdrängt.

Roberto Santos hatte erfolgreich Zeiten gesehen. Unerschütterlich setzte er sich mit der Drogenfrage und den damit verbundenen sozialen Problemen auseinander. Für das schweizerische Hilfswerk Caritas recherchierte er in Kolumbien und Bolivien. Die Berichte über die Herstellung und den Transport der Drogen ernteten Bewunderung. Santos zeigte die Doppelmoral der Machtpolitik von den Industriestaaten und das Elend der Opfer. Sowohl in den Herstellungsländern der Dritten Welt wie in den Abnehmerstaaten.

Er porträtierte Kleinbauern in Coca Feldern und arbeitslose Mädchen im Kurierdienst für Großhändler. Er offenbarte sie als Spielball und Geschädigte der übergeordneten Marktinteressen imperialistischer Handelsmächte. Kokain ersetzte den Kaffee, Terrorismus den Klassenkampf.

Roberto Santos lebte in einer Beziehung. Klassisches Familienbild, eher konservativ. Sie arbeiteten seit Jahren zusammen. Mit der Arbeit wuchs die Freundschaft. Und die gemeinsame Sucht, das wusste er.

„Weißt du“, sagte Santos vor einigen Tagen, „in deiner Welt gibt es Mütter, Huren oder Sekretärinnen. Keine Romanzen. Keine Verliebtheit. Nur Funktion und Triebe. Warum?“ Martin blieb die Antwort schuldig. Ist scheißegal, dachte er.

Robertos Vater stammte aus Venezuela. Er hatte dem Sohn das lateinamerikanische Aussehen mitgegeben. Im weißen Leinenanzug, mit dünn geschnittenem Oberlippenbart und leicht gebräuntem Teint sah der Freund wie ein moderner Verschnitt von Clark Gable aus. Auch die Kokainsucht kam aus Südamerika. Kokain war für Santos ein Statement. Die legitime Entgegnung auf das Spießbürgertum, das die Menschen auf die Couch eines Psychiaters trieb. Unweigerlich. Er könne der Krankenkasse Geld sparen, sagte er spöttisch. Doch die Wahrheit zeigte ein verhängnisvolles Gesicht. Und das Pulver war teurer als der Facharzt. Drogenmissbrauch und Geldmangel forderten symbiotisch ihren Tribut, Santos schlingerte mit Schlagseite durch das Journalistenleben. Er verstrickte sich deshalb in Drogengeschäfte und das größte Opfer war die persönliche Wahrhaftigkeit. Ein Netz von Lebenslügen umgab seine schillernde Existenz. Die Lügen entstanden aus der finanziellen Not, in der sich Santos verfing. Und aus der fortgeschrittenen Sucht. Das eine führte unweigerlich zum anderen.

Ein geerbtes Haus in Zürich sicherte die Wohnsituation, daneben ernährten sich Roberto und seine Frau Rebecca abwechselnd mit Kokaindeals und bezahlter Gelegenheitsarbeit. Die Drogensucht hatte zur Folge, dass er für den Journalistenberuf schier unbrauchbar geworden war. Umso öfter dealte er.

Martin war angesichts dieser Umstände gespannt, was Santos ihm dringend zu sagen beliebte.

*

„Aber hoppla, machst du eine Fiesta?“

Spott klang in der Stimme von Santos.

„Willst du warten? Ich komme später vorbei.“

„Nein, nein ...“, Martin antwortete schnell. Er war froh, dass Santos da war. „Was hast du?“ Roberto drückte ihm einen Stapel lose Blätter in die Hände.

„Ein neues Projekt. Ich muss etwas anreißen. Wenn du mitmachst, springt was für dich raus.“

Er nahm das Protokoll entgegen und las den Titel auf dem Deckblatt: „Judgment of the supreme court of Switzerland – 1st court of public law of the 27th of December 1994. “ Martin überflog die ersten Seiten.

„Was zum Teufel? Und wer ist Arana De Nasser?“

Santos setzte sich ihm gegenüber an den Bürotisch.

„Langsam. Ich habe lange auf diese Unterlagen gewartet. Es sind die Prozesspapiere und das Urteil über die Lady De Nasser.“

Santos erzählte ihm die Geschichte von der Venezolanerin Sheila Miriam Arana De Nasser, die am 23. Februar 1994 in der Schweiz verhaftet worden war. Auf ihren Bankkonten wurden 150 Millionen US - Dollar sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft lieferte sie an Amerika aus und die Frau saß in Florida im Gefängnis. Verurteilt zu fünfzehn Jahren Zuchthaus.

Das Vermögen verschwand auf den Konten amerikanischer und schweizerischer Behörden. Der Vizedirektor der Bankgesellschaft in Zürich wurde wegen Geldwäscherei freigestellt und landete in Untersuchungshaft.

Die Justiz stützte die Anklage auf die Heirat Arana‘s mit Julio De Nasser, dem Buchhalter der kolumbianischen Drogenbosse. Obwohl sie kurze Zeit später bereits wieder die Scheidung einreichte.

Sie gab an, ihr beachtliches Vermögen stamme aus dem Gewinn von Immobilien in der multikulturellen Freihandelszone der staatlich tolerierten Schattenwirtschaft Guajiras in Venezuela. Vergebens. Die 61- jährige Frau blieb in Haft, das Geld verschwand in den Staatskassen Amerikas und der Schweiz.

„Siehst du, da ist ein Problem!“ Roberto Santos sprach aufgeregt und schien sich der Sache sicher.

„Nach schweizerischem Gesetz wäre die Frau freigesprochen worden. Das Bundesgericht hat nach sechs Jahren Untersuchungen den Bankier aus Zürich entlastet. Die vernachlässigten Nachforschungen in Venezuela wirkten zu schwer, als dass die Beschuldigung des Drogenhandels hätte aufrechterhalten werden können. Aber der Staat hat die Millionen trotzdem beschlagnahmt. Das ist organisierter Diebstahl. Es ist legalisierter Betrug. Daneben wurde das Leben der alten De Nasser zerstört. Auch das der Arbeiterinnen und Arbeitern, die in ihren Betrieben angestellt waren.“

Martins Kopf schmerzte. Schweiß floss ihm über die Stirn. Die Geschichte von Santos klang schlüssig. Trotzdem fragte er sich, warum Roberto versessen auf die Story war.

„Ich fand ein Muster“, sein Freund zischte es ihm entgegen. „Frau De Nasser ist das Opfer in einem sich wiederholenden Prozess. Ich nenne es das Strohfeuerphänomen. Zur Ablenkung von eigenen Schummeleien wird anderswo ein großes Feuer entfacht. Ein Strohfeuer eben. Im Schatten dieser Ablenkungsaktion läuft dann das tatsächliche Geschehen. Ich fand die Täterin.“

Martin versuchte, der Logik des Gegenübers zu folgen. Vorsichtig hakte er nach.

„Ich sehe nichts Neues. Macht verhält sich immer zu Ungunsten der weniger Mächtigen. Und sie ist niemals ehrlich! Aber erzähl mir, was du gefunden hast.“

Santos zündete sich eine Zigarette an. Er blies den Rauch genüsslich in den Raum und offenbarte seine abenteuerliche Interpretation schweizerischer Rechtsgeschichte.

*

„Es ist Carla Del Ponte“, referierte Santos. „Es ist unsere Bundesstaatsanwältin. Sie wurde gekauft und verfolgt fremde Interessen. Ihr geht es nicht um das Schweizergesetz. Ihr geht es nicht um Verbrechensbekämpfung in den eigenen Reihen. Sie schafft ihre Karriere mit Gehorsam gegenüber einflussreicheren Mächten als dem Schweizervolk.“

Martin nickte und fühlte sich elend, aber er verzichtete auf zusätzliches Kokain. Das Thema packte ihn. Er hörte aufmerksam zu.

„Siehe mal ...“, sprach Santos hastig und bereitete Zeitungsartikel und Gerichtsakten auf dem Bürotisch aus.

„Sie lässt sich als Heldin feiern. Sie inszeniert ihren Spitznamen La Furiosa. Jedermann soll denken; alle Achtung, die tut was! Die jagt große Bösewichte!“

Santos beugte sich tief über den Tisch und sah ihm direkt in die Augen.

„Aber weißt du, wann der Zigarettenschmuggel und die Geldwäscherei im Tessin zum Blühen kamen?“, fragte er. „Kennst du die erfolgreichste Zeit der berüchtigten Pizza-Connection? Es war während Del Pontes Amtszeit als Tessiner Staatsanwältin. Anstatt hiesige Kriminelle wirksam zu jagen, jettete sie mit Italiens Mafiarichtern durch die Gegend. Als die Kacke zu dampfen anfing, passierte ein Bombenanschlag. Ohne Wirkung auf Leib und Leben, wohlverstanden. Aber sehr medienwirksam. Damit war sie aus dem Geschehen raus. Das lenkte von ihrem vergeblichen Aktionismus ab. Sie galt ab sofort als erklärte Feindin des organisierten Verbrechens. Hast du Wasser?“

„Ja, dort drüben. Bediene dich!“ Er reichte Santos ein Glas aus dem Seitenregal und deutete auf die vollen Flaschen im Sideboard. Santos redete sich weiter in Rage.

„Es war dann auch Nationalrat Moritz Leuenberger, der die entscheidenden Fragen zur Pizza-Connection stellte. Nicht sie. Das ist wie in einem Hollywooddrehbuch. Perfekt. Um von der Komplizenschaft mit den Amis und von der eigenen Untätigkeit abzulenken, wird ein Anschlag vorgetäuscht. Oder so was Ähnliches. Hat bei ihr prima funktioniert. Dann fuhr sie im gleichen Stil fort. Sechs Jahre später lässt sie unter großem Getöse den Helfer des Terroristen Carlos verhaften.“

Santos suchte auf der Tischplatte nach dem angebrochenen Zigarettenpaket. Vergeblich. Er nahm stattdessen einen halbausgedrückten Glimmstängel aus dem Aschenbecher und rauchte an dem feuchten Filteransatz. Hustend fuhr er fort.

„Der Wirbel war riesig“, keuchte er. „Dann stellte sich heraus, dass der Mann unschuldig war. In der gleichen Zeit ließ sie die De Nasser inhaftieren und den Amis ausliefern. Unbemerkt, leise und still. Der Gewinn von etwa 200 Millionen Schweizerfranken verschwand in den Kassen der Amerikaner und der Schweiz. Herrenlos. Kontaminierte Drogengelder. Wurde behauptet. Leider ohne ausreichende Beweise.“

Roberto Santos hatte mit einem Blatt Papier die Kokainreste auf dem Tisch zusammengemischt und zog die Mixtur aus Droge und Zigarettenasche die Nase hoch. Er befreite seine Nasenflügel von den Drogenspuren, schniefte und seine Stimme klang plötzlich wie durch ein Metallrohr gepresst.

„Jetzt wurde sie vom amerikanischen Außenminister für den Gerichtshof in Den Haag vorgeschlagen. Niemand fragte warum. Die Schweiz ist nicht Mitglied der UNO. Überleg das mal. Woher haben die Leute dort die Erfahrung, dass sie mit Del Ponte rechnen können? Was sind ihre übernationalen Qualifikationen?“ Martin schwieg. Er wusste die Antwort nicht. Santos schon.

„Ich sage dir; sie haben bereits erfolgreich mit ihr gearbeitet. Seit den siebziger Jahren hat die DEA einen Sitz in Bern. Del Ponte arbeitete mit den Amerikanern zusammen, selbst wenn es gegen die schweizerischen Gesetze ging. Glaub mir.“

Roberto Santos machte eine bedeutungsvolle Pause. Dann fuhr er fort, mit Triumph in der Stimme.

„Ich treffe heute Abend den Verleger Eichmann. Der soll sich die Geschichte anhören. Wenn ich Glück habe, bezahlt er die Recherche. Komm mit, du kannst ihm von Valencia berichten.“

Von dem Mann hatte Martin schon gehört. Eichmann war ein erfolgreicher Verlagshändler in der Zeitungsbranche, seine Hefte füllten die Regale der Kioske und Vertriebsläden im deutschen und französischen Raum.

„Komm mit!“ Santos wollte keinen Widerspruch hören.

„Gut“ antwortete Martin und entschied spontan, den Unternehmer zu besuchen. „Aber ich will zuerst eine Mail schreiben und verschicken. Warte in der Klingental-Bar auf mich, bis ich damit fertig bin. Einverstanden?“

Er schaute hoch, Santos hatte das Büro schon verlassen. Er hörte, wie der Freund im Gang die Nase schnäuzte.

Wer mit dem Teufel tanzt, braucht gute Schuhe. Sagen jedenfalls die Bauern Kolumbiens. Recht haben sie. Recht!

Kapitel 3 Freitag, 16. November 2001Bern

Heute dürfte der Boden zum ersten Mal gefroren sein.

Kriminalkommissar Wyss öffnete das Fenster, um das Zimmer für wenige Minuten zu lüften.

Gut, dass ich am Wochenende die Wasseranschlüsse des Schrebergartens zugedreht habe. Frost bringt volle Leitungen zum Bersten. Wie auch der zu hohe Druck. Eigentlich seltsam. Kälte und Druck. Zu viel ist immer zu viel.

Er philosophierte und atmete die frische Brise ein. Dann schloss er den Fensterflügel vom Büro im Hauptquartier der Berner Stadtpolizei am Waisenhausplatz 32 wieder. Der Raum war im ersten Stock. Er sah über den Marktplatz direkt an die monumentale Fassade des Bundeshauses. Jörg Wyss seufzte.

In drei Jahren ist es soweit. Die Polizei Bern feiert ihr zweihundertjähriges Jubiläum. ZWEIHUNDERT! In fünf Jahren bin ich pensioniert. FÜNF! Fünf Jahre oder Frühpension!

Ein schwieriger Entscheid. Wyss sinnierte und wägte ab. Er liebte die Arbeit. Dreißig Dienstjahre verbrachte er im Polizeikorps Bern. Drei Jahrzehnte lang sorgte er für die Sicherheit und das Wohlergehen in der Stadt. Er sah sich in der Rolle eines Vertreters einer vernunftbedingten Ordnung. Gemeinsinn vor Egoismus lautete seine Maxime. Er erinnerte sich oft an die Worte des verstorbenen Vaters.

„Jörg, im Hause soll beginnen, was leuchten will im Vaterland. Denk immer daran.“

Ja, ja, im Hause! Leichter gesagt als getan!

Bei der Erziehung ihres Nachwuchses hatte Maja ihm oft vorgehalten, er sei zu streng oder zu prinzipientreu. Aber ihr Sohn arbeitete als Gewerbelehrer in Australien, ihre Tochter war im Appenzell verheiratet. Beide führten ein glückliches Leben. Er wertete ihr Glück mindestens als Teilergebnis der elterlichen Prägung. Prinzipientreue gehörte offensichtlich dazu!

Quod erat demonstrandum, sage ich! Quod erat demonstrandum!

Maja litt unter der Abwesenheit der Kinder. Ebenso darunter, dass der Polizeidienst immer größeres Engagement verlangte. Der gemeinsame Alltag war trüb gefärbt, das hatte Wyss längst wahrgenommen. Er verübelte ihr die Missstimmungen nicht, ihn nervte lediglich der Umgang mit dem Problem.

Trotz allem führen wir ein gutes Leben und ich bin nicht für jeden Missstand allein verantwortlich! Basta!

Der Medikamentenverschleiss Majas störte ihn gewaltig. Depressionen, Schlafstörungen, Wehwehchen; alles wurde mit Pillen bekämpft. Die Pharmazie war ein verlässlicher Partner. Er hingegen predigte die Kraft der Selbstdisziplin. Drogenkonsum und Tablettensucht ließen sich durch keine Ausrede beschönigen. Arzt und Verschreibungen hin oder her.

Er hasste die fahrige Art, welche die Medikamente bei Maja verursachten. Er verstand sie nicht. Es war alles da. Ein eigenes Haus in Ittigen bei Bern, eine Ferienwohnung in Graubünden, zwei Kinder, sozialer Anschluss bei der Gartengemeinschaft, ein Familienauto, keine Geldsorgen.

Himmelherrgott, so tragisch kann das alles nicht sein!

Und plötzlich näherte sich die Frühpension mit raschen Schritten.

Was kommt nachher? Nur Maja und ich. Tag für Tag? Schwierig.

Er seufzte und setzte sich. Wyss überflog die Artikel in der Berner Zeitung.

Die Anforderungen des Berufes hatten sich verändert. In New York versank das World Trade Center in Schutt und Asche und die Welt schrie nach mehr Kontrolle. Das war gefährlich. Es beinhaltete populistischen Zündstoff, soviel stand für ihn fest.

Wer die Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird am Ende beides verlieren.

Oft genug hörte er diesen Satz aus dem Mund des Ethikprofessors an der Polizeischule. Dann marschierte am 27. September ein gewisser Leibacher in das versammelte Kantonsparlament in der Stadt Zug und tötete 14 Parlamentarier. Mit einem Arsenal Schusswaffen, das er im Rucksack in das Regierungsgebäude geschmuggelt hatte. Schliesslich erschoss er sich selbst. Die Schweiz erstarrte. Die Gegner liberaler Gedanken nutzten die günstige Gelegenheit. Sie verlangten sofort mehr Kontrollen. Er war überzeugt, dass es der falsche Weg war.

Der Mann war wahnsinnig und scheiterte an dem internen Sumpf. Wie damals Tschanun in Zürich. Das ist keine Frage der allgemeinen Sicherheit.

Dreißig Jahre sammelte er Eindrücke aus allen Schichten der Gesellschaft. Menschliche Fehltritte waren nicht zu verhindern. Mensch und Gemeinschaft waren komplexe Größen und nicht fehlerfrei regulierbar. „Zu hoher Druck im Gefüge lässt ab und zu die Leitungen bersten“, wiederholte er halblaut die Worte von vorhin.

Zivilisation ist Syphilisation.

Er lachte leise in sich hinein.

Hat schon recht, der Van Helsing. Ich muss den Film mal wieder ansehen.

Wyss hörte ein kurzes Klopfen an der Tür. Bevor er antwortete, betrat der Kollege Weber bereits den Raum. Den jugendlichen Tatendrang mit jeder Bewegung ungestüm demonstrierend.

*

„Mit bestem Dank zurück.“

Paul Weber streckte ihm die Zeitschrift „Fakten und Leute“ entgegen, bevor er sich auf die Tischkante setzte.

„Hast du den Artikel über Del Ponte gelesen?“ Weber war offenbar in Plauderlaune.

„Kurz überflogen, warum?“, antwortete Wyss. Bevor sich der Kollege das Heft ausborgte, hatte er in der Tat einen Blick in das Blatt geworfen. Der Beitrag war ihm auch aufgefallen.

„Ach, mich regt das auf. Es ist zum Kotzen“, ereiferte sich Weber. „Wenn jemand für das Recht kämpft, findet sich ein linkes Arschloch, das alles besser weiß. Die Del Ponte wehrt sich gegen die Drogenmafia und was sie erhält, ist die Kritik von blöden Zeitungsfritzen. Hast du das gesehen? Sie wird richtig zerlegt.“

Das Ungestüm Webers überraschte ihn nicht. Paul arbeitete in der Betäubungsmittelabteilung und sah in Del Ponte eine Ikone des Antidrogenkampfes.

„Den Vorwurf wegen des Interessenskonflikts mit der schweizerischen Verfassung muss sie sich leider gefallen lassen“, entgegnete Wyss. „Vergiss bitte nicht, dass der Zürcher Bankier vom Bundesgericht freigesprochen worden ist. Das Urteil wirft deshalb Fragen auf.“

Weber war zwanzig Jahre jünger und ein Feuerkopf. Er ließ den Einwand nicht gelten.

„Und wenn schon“, keifte er. „Die Alte in Florida ist schuldig wie irgendetwas. Machte sich mit den Drogengeldern ihres Alten ein nettes Leben. Wir müssen jeden Tag hart arbeiten! Niemand bezahlt uns eine Villa!“

„Paul, das tönt, als ob du eifersüchtig bist“, tadelte Wyss. „Hier handelt es sich nicht um den kapitalistischen Besitz. Fakt ist, dass nicht bewiesen werden konnte, dass die beschlagnahmten Gelder wirklich Deliktgelder sind. Das gibt zu grübeln. Und die Überlegung des Journalisten stimmt, dass die eingezogenen Mittel für Drogenprävention und für den Ausbau des fairen Handels gebraucht werden müssten. Professor Pieth aus Basel hat vor sechs Jahren ein entsprechendes Begehren beim Bund eingereicht.“

„Mensch Jörg, warum bist du nicht Sozialarbeiter geworden? Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“, maulte Weber. Der Kollege teilte seine Ansichten nicht. Das war nicht zu überhören. Ja, Wyss hatte größte Bedenken, wenn er über die Drogenpolitik der Schweiz nachdachte. Der sogenannte Drogenkrieg übertrat die Schwelle der Familien und wurde damit zu einem psychologischen Krieg gegen eigenes Fleisch und Blut. Das war bitter genug. Dass der Staat an diesem Krieg passiv mitverdiente, hielt er für blanken Hohn. Er beabsichtigte hingegen nicht, mit Weber zu streiten.

„Schon gut, schon gut. Ich bin halt kein Fan der Wildwest Methoden der Del Ponte“, erklärte er schnell. „Gibt es weitere Neuigkeiten?“

Weber schüttelte den Kopf als er antwortete.

„Nein, nein. Nichts besonders“, sagte er beiläufig. „Außer einem Spinner, der auf Gralssuche ist. Hast du gelesen? Hat irgendetwas gefunden. Unten in Spanien. Die sind alle gleich! Unzufriedene Verlierer wollen immer die Geschichte auf den Kopf stellen, nicht wahr?“

Paul Weber marschierte nun erbost durch das Büro.

„Alles soll plötzlich falsch sein“, ereiferte er sich erneut. „Der Glaube, die Politik, die Vergangenheit, das Christentum. Das sei rundum eine böse Verschwörung. Jesus, die ewige Lüge, schreibt er. Er verleugnet glatt unsere Kultur!“

Das Klingeln des Telefons unterbrach den Redeschwall des Kollegen. Wyss nahm den Hörer sofort ab.

„Wyss am Apparat!“, beeilte er sich zu sagen. Er freute sich über die Ablenkung.

„Guten Tag Jörg ...“, tönte es verhalten in der Hörmuschel. Die Kontrolllichter auf der Telefonkonsole zeigten eine Verbindung zur Passanten-Kontaktstelle beim Eingang des Präsidiums. Korporal Wittwer sprach an dem anderen Ende der Leitung.

„Du Jörg, ich habe hier einen Fall für dich . Drohungen! Oder Ähnliches. Es ist kompliziert. Hast du Zeit, um eine Anzeige aufzunehmen?“

„Ja ..., gut ..., ich komme gleich“, antwortete er schnell. Er legte den Hörer zurück und sah Paul an. Der kam um den Tisch, schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter und verabschiedete sich mit einem Beschwichtigungsversuch in der Stimmlage.

„Du musst los, nicht wahr? Wir reden ein anderes Mal weiter. Danke für das Heft.“

Auf dem Weg nach unten fragte Wyss sich gespannt, was für eine Geschichte er gleich hören würde.

*

Wyss betrat den Vorraum im Parterre, der als Einvernahme-Raum für Anzeigen benutzt wurde. Ein ernst wirkender Mann wartete auf ihn. Korrekt angezogen, unauffällig frisiert, sportliche Erscheinung. Schwarze Haare. Etwas jünger als er selbst. Zeigte einen südländischen Einschlag. Der Fremde saß am Tisch, der für die Schreibarbeit bereitstand.

„Guten Tag, mein Name ist Wyss. Kommissar Wyss“, eröffnete er das Gespräch. „Ich arbeite für den kriminaltechnischen Dienst und ermittle bei Erpressungen und Betrug. Mein Kollege sagte mir am Telefon, sie hätten ein entsprechendes Problem. Also, wo drückt der Schuh?“

Der Mann erhob sich, gab ihm die Hand.

„Köpfer. Ernst Köpfer“, sagte er mit höflichem Tonfall. „Ja, ich hoffe, dass ich bei Ihnen richtig bin.“

Sie setzten sich. Er richtete die Protokollunterlagen und prüfte die Betriebsbereitschaft vom Kugelschreiber auf einem Notizzettel, bevor er anfing.

„Darf ich Sie zuerst um Ihre Personalien bitten?“ Die Befragung verlief kurz und professionell. Der Mann war Pfarrer, leitender Gemeindepfarrer einer Freikirche. Er lebte mit der Familie in Worb. Seine Geschichte schien sehr merkwürdig. Er schrieb das Geschilderte in markanten Sätzen nieder. Dann wiederholte er das Gehörte und fragte punktuell nach.

„Herr Köpfer, noch einmal für das Protokoll. Wann erhielten sie die erste Mail?“

„Es war am 21. Oktober“, kam postwendend die Antwort. „Am Sonntag. Mein Sohn empfing die Weihe zum Jugendsektionsleiter. Ich dachte erst einmal, das sei ein übler Scherz. Aber jetzt ist das anders. Die Wiederholungen machen mir Angst.“

„Herr Köpfer, können Sie sich vorstellen, wer Ihnen diese Drohungen schreibt? Hatten Sie in der Vergangenheit unangenehme Auseinandersetzungen? Im Beruf, in der Beziehung, in der Familie?“ Das Gegenüber verneinte. Wyss fuhr fort.

„Entschuldigen Sie meine persönlichen Fragen. Ich muss bei Ihnen anfangen“, erklärte er. „Sie als Opfer sind der einzige Anhaltspunkt, der den Schlüssel zum Rätsel auf sich trägt. Solche Situationen verhalten sich meistens nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Selbst wenn das dem Betroffenen monströs erscheint. Weil der Auslöser sehr klein sein kann.“

„Herr Wyss, ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen und nichts gefunden“, beteuerte Köpfer. „Ich weiß es nicht. Ich merke, dass mich der Absender scheinbar kennt, habe aber nicht die geringste Ahnung, in welchem Zusammenhang. Die Familie fühlt sich bedroht. Meine Frau bat mich, zur Polizei zu gehen. Ebenso ein Freund von uns.“

Wyss nickte dem Pfarrer bestätigend zu.