Gott, die trügerische Fantasie - Jesuswahn, Religiotie und Reliquien - Herbert Blaser - E-Book

Gott, die trügerische Fantasie - Jesuswahn, Religiotie und Reliquien E-Book

Herbert Blaser

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Beschreibung

Das Buch ist eine Neuauflage von "Ich fand den Heiligen Gral", das 2010 beim novum Verlag erschienen ist und zwischenzeitlich nicht mehr verlegt wird. Der Inhalt ist eine Auseinandersetzung mit der wohl bekanntesten Reliquie des Abendlandes und eine Abrechnung des Autors mit dem Christentum.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Herbert Blaser

Gott, die trügerische Fantasie - Jesuswahn, Religiotie und Reliquien

Eine Reise aus dem Abgrund GLAUBE

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Herbert Blaser

 

 

 

Igne Natura Renovatur Integra

 

Gott, die ewige Lüge - Jesuswahn, Religiotie und Reliquien

 

 

Essay von Herbert Blaser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Das Göttliche kennt keine Klassifizierung. Nur dort ist prophetisches Licht zu finden.“

 

Stanislas Stückgold

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Fragen

 

Erstes Kapitel Die Zweifel und das Suchen

 

- Zufall - Judas

- Verzweiflung - Alles ist Gott

- Legenden - Bergpredigt

- Erpressung - Christus niger

- Blutopfer - Hexenhammer

- Durchschnittsbürger - Mereschkowski

- Gottesreich - Valencia

- Ungleichgewicht - Autodafe

- Gretchenfrage - Der Becher

- Kritik - Die Lüge

- Erfahrung

- Sünde

- Heiliger Geist

 

Antworten

 

 

Zweites Kapitel Wer schrieb die Bibel? Wer beeinflusste das Wort Gottes?

 

- Rom - Sagen und Helden

- Polisrecht - Nora

- Sanfte Gewalt

- Auswahlverfahren

 

 

Drittes Kapitel Natur und Vielfalt vs. Glauben und Einheit

 

- Naturgesetze - Maria

- Komplementärkräfte - Das Ritual

- Das Weibliche - Machtmenschen

- Kompensation - Der Teufel

- Selbstverachtung

 

 

 

Viertes Kapitel Sünde wider den Heiligen Geist/Ketzer

 

- Fantasie

- Der Kampf

- Die Ketzer

- Der Abgrund

 

Conclusio

 

Fünftes Kapitel Der Gral, sein Fundort und seine Geschichte

 

- Leonardo da Vinci - Parzifal

- Erkenntnis

- Dreieinigkeit

- Salvador Dali

- Die Templer

 

 

Zeittafel

 

 

 

 

 

 

Prolog

 

Ein befreundeter Freidenker erklärte mir vor Jahren, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr nötig sei, christliche Symbole zu hinterfragen und ihre Deutung zu erörtern. Damit würde man lediglich auf ein Thema fokussieren, das in seiner Gesamtheit längst auf den Müllhaufen der Geschichte gehöre. Religion als Ganzes dürfe für den aufgeklärten Menschen keine Rolle mehr spielen. Das stimmt.

Aber am Anfang des persönlichen Prozesses, der dem vorliegenden Buch vorausging, stand keine aufgeklärte Person. So gesehen kann ich die Aussage des Freundes nicht bestätigen. Bevor ich mich mit dem Ursprung christlichen Glaubens auseinandersetzte, galt für mich die Bibel als das «Wort Gottes» und als die Grundlage unseres christlich orientierten Europas. Erst durch die Auseinandersetzung mit einer Reliquie wurde mir von Grund auf bewusst, dass es kein «Wort Gottes» geben kann. Dass alle Wörter von Menschen formuliert worden sind – und formuliert werden. Und hinter diesen Formulierungen steht immer eine Absicht. Für Menschen mit modernem Wissen mag das selbstverständlich sein, für Christen und Gläubige der Schriftreligionen ist es das nicht. Weil sie das zentralste Werk ihres Glaubens nicht als menschliches Machwerk hinterfragen. Der wichtigste Schritt auf dem Weg zur Befreiung von religiösen Weltbildern muss meines Erachtens der sein, dass der Wahrheitsanspruch hinter Werken wie der Bibel oder dem Koran als zutiefst menschliche Manipulation erkannt und begriffen wird. Erst dann kann sich ein Individuum von religiösen Zwängen befreien. So entstand dieses Buch.

 

 

Erstes Kapitel, Zweifel und Suchen

 

Die Fragen

 

Zufall. Am 23. März 2003 fand ich den heiligen Gral.

 

So bedeutungsschwanger oder reisserisch diese Aussage erscheinen mag, das Auffinden der Reliquie entsprach grob gesagt purem Zufall und kann mit einem simplen Touristenführer über die Region Valencia nachvollzogen werden. Diesen Punkt habe ich nicht verstanden und mich gefragt, warum es so viele Spekulationen um die Reliquie gibt. Was die Gründe für all die Fragen und Mutmassungen sind? Ich habe den Gral gesehen. Direkt vor mir! Damit fing meine persönliche «Gralssuche» richtig an und ich habe seine Geschichte zurückverfolgt und aufgearbeitet. Aber erst das, was bei diesen Nachforschungen zum Vorschein kam, war für mich ungeheuerlich.

 

Nicht im allgemein aufgebauschten Populärdrang zum Verschwörungsgruseln, nein. Der Eindruck sass tiefer. Viel persönlicher und nachhaltiger. Mein anerzogenes Weltbild fiel in sich zusammen. Ich muss zurückblickend behaupten, dass ich Gott vollständig verlieren musste, um die Möglichkeit einer neuen Lebensdefinition zu erhalten. Jede gelernte Überlieferung versank im Morast menschlichen Beliebens, zurück blieb mir die Vermutung, dass sich eine allgemeingültige Manifestation nur jenseits menschlicher Eigenschaften, irdischer Klassifizierungen oder gängigen Gut und Böse Modellen verbergen kann. Alles Wahrnehmbare wickelt sich streng nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung ab. Eingebettet in die Gesetze der Natur. Es gibt keine spirituelle Erkenntnis! Das ist mein Rückschluss aus der Auseinandersetzung mit dem Gral.

 

Auf der anderen Seite stellen sich die Fragen: Warum die knappe Erklärung der katholischen Kirche zu dem umstrittenen Exponat? Gibt es ein unausgesprochenes Geheimnis um den sagenhaften Becher des reichen Kaufmannes Joseph von Arimathäa? Oder ist das Geheimnis längst gelüftet, und all die Vermutungen und Ansichten von Forschern, Autoren und Esoterikern gehören einfach in das Land der Fantasie. Oder in das Reich der umsatzgesteuerten Populärwissenschaften? Getrieben vom Geist schlagzeilengeiler Spekulationen, nicht motiviert vom Bedürfnis nach inhaltlicher Klarheit hinter der offiziellen Lesart der überlieferten Geschichte Europas? Gibt es tatsächlich so etwas wie eine Geschichte hinter der Geschichte? Was für einen Sinn würde das machen? Wer beeinflusste schlussendlich dieses Wissen und diese Überlieferungen? Und warum? All die Verästelungen des Themas lassen sich zu der eigentlichen Gralsfrage zusammenführen:

 

Was geschah vor zweitausend Jahren?

 

Dort fängt das eigentliche Gralsgeheimnis an.

 

*

 

Verzweiflung. Ich bin in einer fundamentalistischen Christensekte aufgewachsen. Die Auseinandersetzung mit dem Glauben prägte meine Jugend und mein Erwachsenwerden. Fragen über Fragen beschäftigten mich. Unausweichlich und omnipräsent. Ich las Sachbücher, Lexika und Romane. Ich las, fragte, studierte, schrieb und sah mir Filme an. Ich reiste und besuchte Museen, Kirchen, Klöster und Abteien. Erst schien die Suche ins Leere zu laufen, doch dann fand ich die gesuchten Antworten. Durch eine kleine Gefälligkeit des vermeintlichen Schicksals, das mich zur rechten Zeit am massgebenden Ort auftreten liess. Oder viel einfacher: Zufällig stolperte ich über eine Indizienkette, nachdem ich genauso zufällig den Gral gefunden hatte. Als Tourist, im spanischen Valencia!

 

Danach setzten sich in meinem Bewusstsein die Geschichtsfragmente der Religion zu einem neuen Bild zusammen. Stück für Stück - oder Stein an Stein - wie bei einem Mosaik. Ein bisher unerkannter Wissensansatz festigte sich in meinem Denken. Ich fand Antworten, und verlor fast den Lebensmut. Ich wusste nicht, was ich mit meinem neu gefundenen Wissen machen sollte. Wo ich es überhaupt einordnen könnte. Eine eigenartige Trauer erfasste mich, und ich merkte rasch, dass nicht das Auffinden dieser Reliquie die eigentliche Sensation bedeutete, sondern dass die verdrängte Geschichte, die durch diesen speziellen Gegenstand verkörpert wird, so sehr meine innere Welt erschütterte. Nicht etwa, weil ich das Blut des Sohnes Gottes gefunden hätte, nein, ganz im Gegenteil.

 

Ich fand nicht das Blut Christi, aber ich fand ein Meer aus Blut und Tränen sterblicher Menschen, deren einzige Schuld darin bestand, einem gefrässigen Moloch religionsgesteuerter Kapitalverbrecher ihre unbewaffnete humanistische Vernunft entgegenzuhalten. Ich fand ein aufgewühltes Meer aus Leid, falschen Versprechungen und künstlich erzeugter Abhängigkeit. Dieses Meer menschlicher Ausbeutung mittels gesteuerten Aberglaubens wird leider heute noch gesättigt durch ungeheuerliche Glaubenslügen und durch den unbedingt menschlichen Zwang zu Macht, Grundbesitz, Unterdrückung und Kontrolle. Das war meine geschichtliche Auseinandersetzung mit dem Gral. Sie ist analytischer Natur. Meine Trauer aber war praktisch bedingt, denn ich weiss bis heute von keiner Möglichkeit, das Herz eines Menschen schmerzhafter zu brechen, als mit der Tatsache, dass alles worauf er auf Tod oder Leben vertraut hat, alle Prinzipien, die er als Liebe Gottes zu interpretieren gelernt hatte und alles, was er als Wahrheit zu wissen meinte, langsam im Morast des bewusstwerdenden Irrglaubens versinkt.

 

„Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt, das unentrinnbar und leise von allen ihn trennt.“

 

Es gibt kaum treffendere Worte als diese Zeile von Herrmann Hesse, um die dunkle Verzweiflung am Anfang eines persönlichen Glaubenszusammenbruchs zu beschreiben. Die Doktrin als einziger Lebenssinn verschwindet, die Rituale werden nicht mehr praktiziert, die Glaubensbrüder ziehen sich zurück; am Ende bleibt der Mensch für sich allein. Das kann sehr wohl eine Chance sein, denn im Schmerz des Zusammenbruchs beginnt das Licht der Ratio zu leuchten. Schwach und wie aus weiter Ferne strahlen die Lichter des Verstandes durch die Nacht des Irrwissens. Der Morgen erwacht. Aber der Schmerz bleibt. Poetisch ausgedrückt. In Prosa ist es eine Entwicklung, die oft in der psychiatrischen Betreuung endet. Was eine strenge christliche Erziehung mit Kindern anstellen kann, wird erst heutzutage langsam zum Thema für die Öffentlichkeit. Zu lange konnte sich solcher Missbrauch hinter der Fassade von der «guten Religion» verstecken!

 

*

 

Legenden. Ich muss vorausschicken: Ich war nie ein Mystiker. Ich war kein Gralssucher. Ich bin ein durchschnittlich begabter Regisseur, der sich lieber Kulturschaffender nennt und der seit 25 Jahren Kleinkunst betreibt. Mit allen Höhen und Tiefen dieses idealistischen Universums. Es gab keinen «Heiligen Gral» in meinem Leben. Mein Wissen um dieses Thema war sehr beschränkt und entsprach bestenfalls dem durchschnittlichen Wissen eines modernen Bildungsbürgers. Der Gral, Parzival, König Arthur – alles Figuren aus dem Reich der Legenden und gut für einen Film, eine Erzählung oder für ein Theaterstück. Mehr nicht. Und irgendwie ging es um Religion. Das war wohl alles, was ich zu diesem Thema sagen konnte. Zum Thema des heiligen Grals.

Zum Thema Religion konnte ich wesentlich mehr sagen. Denn es gab eine äusserst schmerzhafte Auseinandersetzung mit den Maximen der christlichen Religion, während der ganzen Dauer meiner nur halbwegs glücklichen Jugendzeit. Man könnte unverkrampft sagen: Ich bin negativ geprägt. Das christliche Dogma wurde mir mit aller Kraft eingehämmert. Gottes Gesetze verfolgten mich wie wildernde Hunde. Ich spüre noch heute ihr Hecheln im Nacken. Mir wurde als Kind tagtäglich eingetrichtert, dass mich ein «Jüngstes Gericht» erwartet und dass ich ohne das Blut Jesu ein verlorener Sünder sei.

Wie bei vielen Opfern von Zwangseinwirkungen üblich, blieb auch bei mir eine Restneurose. Aber nach den verstrichenen Jahren dachte ich trotz allem, ich wäre psychisch resistenter gegen die vernunftorientierten Rückschlüsse aus einer skurrilen Grals-Mythologie. Ich dachte, ich wäre abgeklärter. Ich hoffte, ich hätte meine traumatischen Erlebnisse aus der Jugend überwunden.

 

Ich dachte falsch. Ich habe nicht überwunden und war nicht abgeklärt genug. Ich blieb diesem Thema gegenüber sehr verletzlich und wollte deshalb erst gar nicht verstehen, was da aus dem Dunkel der Geschichte zu mir sprach. Die unhinterfragten christlichen Lebens- und Glaubensgrundsätze waren zu tief in meinem Bewusstsein und in meinem Verhalten eingegraben. Sie prägten mein Verhaltensmuster weit über den religiösen Alltag hinaus.

 

Stark und einschränkend.

 

Jede kreative Neugierde war aus meinem jugendlichen Leben verbannt worden. Durch ein religiös verseuchtes Wissensspektrum, das nicht hinterfragt werden konnte. Respektive nicht hinterfragt werden durfte. Ausserhalb der biblischen Geschichte gab es keine nennenswerte Welt. Menschliche Gesetze wurden mir als Gottes ureigenster Willen gepredigt. Ihr Vollzug verlangte einen still duldenden Kadavergehorsam. Die Motivation dazu war die Angst. Angst vor der Ewigkeit, Angst vor dem Bösen, Angst vor der Bestrafung, Angst vor dem unendlichen Schmerz. Angst vor dem Unbekannten. Zudem die panische Angst davor, durch Ungehorsam dem Reich des Satans zugeordnet zu werden. Auf ewig verdammt.

 

*

 

Erpressung. Heute verstehe ich, warum das so sein musste.

Nicht nur in meinem Leben, sondern in Aller Leben, wie mir das Studium der Geschichte unmissverständlich enthüllte. Während des ganzen geschichtlichen Verlaufs christlicher Hegemoniesucht.

Ich verstehe, warum die Vertreter des christlichen Dogmas heute noch eifersüchtig ihre theologischen Grundsätze hüten. Warum sie in den vergangenen Jahrhunderten ihre Maximen mit der Schärfe von Schwert und Gesetz gehütet haben: ein Gott, ein Sohn, eine Erlösung. Ein Opfertod und ein jüngstes Gericht.

 

Gottes triumphaler Sieg über die Sünder.

 

Sein globaler Feldzug gegen das Böse. Mit Blut und Feuer. Schmerz und Leid.

 

Heute verstehe ich und jetzt fordere ich diesen Gott heraus. Ich will wissen, was menschlich an ihm ist.

 

Ich will wissen, warum seine angebliche Liebe nur erpressen kann. Ewiges Leben gegen Bekehrung und Unterwerfung. Frieden gegen totale Assimilation. Liebe gegen Gehorsam. Jesaja 41, 11-13: Wer sich vor dir (Gott) verschliesst, zieht Spott und Schande auf sich, er gilt nichts. Wer mit dir hadert, soll umkommen, die Erinnerung an ihn soll ausgelöscht werden. Ich will wissen, wes Geistes dieses imaginäre Geschöpf ist, dessen behauptete Existenz mein eigenes Leben dermassen verseucht hat. Ich will wissen und verstehen warum ein Folterinstrument mit einem zu Tode Gemarterten als Symbol der Liebe gilt. Warum ein kannibalistischer Akt wie das Abendmahl Verbindung mit Gott bringen soll. Ich will zur Ruhe kommen. Ich versuche tagtäglich, die Überreste von dem Aberglauben und den christlichen Zwangshandlungen aus meinem Leben zu verbannen.

 

Es ist ein ungewöhnlich zäher Prozess, der mich vermutlich den Rest meines Lebens begleiten wird.

 

*

 

Blutopfer. Obwohl ich schon als Zwanzigjähriger dachte, dass ich mich vom Christentum distanziert hätte, realisierte ich nach dem Zusammentreffen mit dem heiligen Gral nach und nach, dass dieses besagte Christentum nicht nur eine Frage von Gebet, von Glauben, oder vom Kirchenbesuch ist. Nein, das Christentum ist ganz entschieden eine Frage von irdischen Produktionsfaktoren und deren patriarchaler Verwaltung.

Mit anderen Worten: Das Christentum ist eine Frage von Politik und Wirtschaft. Es formte und bestimmte diese weltlichen Grössen. Weit über tausend Jahre lang und dermassen nachhaltig, dass die Neuzeit seine zentralistisch-feudale Prägung beibehalten hat. Nicht in der zelebrierten Beliebigkeit esoterischer Modeströmungen oder in dem praktizierten Tolerierungszwang gegenüber jeder religiösen Neigung, nein, das christliche Patriarchat ist den Grundgesetzmässigkeiten unserer Weltwirtschaft fest verankert. Oder besser gesagt: Die globale Entwicklung der kapitalistischen Machtpyramide basiert auf den Errungenschaften der über tausendjährigen Symbiose von Kirche und Staat. Die Rechtfertigung dieses Anspruchs prägt nach wie vor unser Geschichtsbewusstsein. Totalitär und eingleisig.

 

Trotz den bereits vorhandenen Zweifeln und Verwerfungen zum christlichen Weltbild musste ich anhand der entschlüsselten Gralsgeschichte wohl oder übel einsehen, dass der Verlauf der europäischen Geschichte auf kirchlichen Machtbemühungen beruht und deswegen die aufgeklärte Moderne viel patriarchal-religiöser organisiert ist, als dies der vordergründig vernunftorientierte, seiner Meinung nach aufgeklärtem Menschen, zugeben kann und zugeben will. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des heiligen Grals forderte mein Denkvermögen auf unerwartete Art und Weise.

Plötzlich stimmte nichts mehr, was ich in meinem Leben als zwingend oder gut kennen gelernt hatte.

Ich hing erst einmal in den Seilen (bildhaft gesprochen). Dann erwachte in mir der Mut zur persönlichen Reorganisation. Geblieben ist mir heute eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Trauer.

Geblieben ist ein schwer beschreibbares Restgefühl, als sei die Seele verbrannt worden. Geblieben ist auch das unangenehme Gefühl, dass ein Teil der irdischen Existenz immer feindlich gesinnt sein soll. Stets darauf aus, dem Gläubigen das Himmelreich streitig zu machen.

Denn seit der Verführung durch Satan in Schlangenform gilt für den Christen: die körperliche Existenz ist feindlich. Verführt durch den bösen Widersacher. Die Erde ist ein Ort der Versuchung und Sitz des bösen Feindes. Dieser Feind ist eingleisig, linear und destruktiv. Dieser Feind muss mit dem Wort Gottes bekämpft werden. Seit dem Sündenfall Luzifers. Die ganze Schöpfung ist mit ihm gefallen und zeugt in ihrem Ursprung von der Sehnsucht nach der Liebe Gottes. Nur - diese Liebe ist an ein Blutopfer gebunden. 1 Petrus 1, 18 – 19: Denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.

 

Das an sich ist sehr eigenartig. Der Tod ist also ein Preis für die Liebe? Zerstörung ein Mittel zum Leben? Sind das uralte Rituale, die auf dem Grund ihres Wesens ein Menschenopfer verlangen, welche unser Leben sinnvoll machen sollen? Ist das die grosse Liebe Gottes? Ist das Gottes Gerechtigkeit? Das wurde mir jedenfalls gepredigt. Ich lernte keine Alternative kennen.

 

Mit diesem kümmerlichen Zynismus wurde mein jugendliches Denken vergewaltigt und es forderte täglich seinen Preis. Der Sinn des Lebens lag für mich nicht im irdischen Leben, sondern in der nicht irdisch erlebbaren Ewigkeit. Mit anderen Worten: in einer Idee. Selbst wenn dafür das Leben zerstört werden muss. Grauenhaft. Der Alltag schien mir von der Sünde geprägt, die irdische Leiblichkeit eine grosse Last und Verwirrung.

Ich konnte als Jugendlicher keinen Stadtbesuch tätigen, ohne einen Stapel christlicher Bekehrungsschriften mit mir zu führen. Es waren so genannte Traktate, die ich geflissentlich verteilen musste. Der Grund für dieses Benehmen findet sich in der Bibel: