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Markus Müller

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Beschreibung

Wenn ich doch nur zaubern könnte! Wer von uns hat sich das nicht schon einmal gewünscht? Doch selbst mit Magie wird das Leben nicht unbedingt einfacher, das müssen auch die Helden in diesen fünf zauberhaften Geschichten am eigenen Leib erfahren. Denn nicht selten funktioniert die Magie ganz anders als erwartet, und fast immer gilt es, einen Preis zu zahlen für die Erfüllung magischer Wünsche - sei es bei einem vermeintlich einfachen Liebeszauber oder gar bei dem Versuch, den Tod selbst zu überlisten …

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Markus Müller

Verhext

Phantastische Erzählungen

1. Auflage

Oktober 2015

Qindie steht für qualitativ hochwertige Indie-Publikationen. Achten Sie also künftig auf das Qindie-Siegel! Für weitere Informationen, News und Veranstaltungen besuchen Sie unsere Website:

www.qindie.de

Alle Rechte vorbehalten.

© 2015 Markus Müller

http://books.theunicorn.de

ISBN 978-3-7380-4414-0

Verhext

»Hast du dafür eine Erklärung?«

Geno, oberste Magierin der Rhoki-Schwesternschaft, trommelte tatsächlich mit den Fingern auf die Tischplatte, eine für ihre Verhältnisse sehr unbeherrschte Geste. Offensichtlich war sie stinkwütend.

»Nein, Schwester. Ehrlich gesagt nicht.« Catya war eine hoch gewachsene junge Frau mit einem runden Gesicht, dickem rotem Haar, das ihr, genau wie ihre endlos langen Arme und Beine, stets im Weg war, und einem für gewöhnlich recht unerschütterlichen Gemüt. Unter dem Zorn ihrer obersten Lehrmeisterin war sie allerdings endgültig auf die Hälfte ihrer üblichen Größe zusammengeschrumpft und schien fast nur noch aus Haaren zu bestehen. Seit dem Frühstück von jeder einzelnen Hierarchiestufe des Tempels gesondert angeschrien zu werden, hatte ihrer Laune einen empfindlichen Dämpfer verpasst. Und jetzt auch noch Geno, ein Rüffel von allerhöchster Stelle. Jenseits davon gab es nicht mehr viel, außer vielleicht, dass Rhoki selbst vom Tala-Hán herabstieg, um sie anzubrüllen. Was für ein Tag.

»Eine Reklamation!« Die Tempelherrin spuckte das Wort förmlich aus, und es hallte bedrohlich von den nackten Wänden des Arbeitszimmers wider. »Und noch dazu bei einem einfachen Liebeszauber. Gütige Rhoki, das ist einfach unfassbar!Selbst die Novizinnen im ersten Jahr wissen, wie das geht.«

Die Initiationswochen, wenn Dutzende ausgelassener junger Mädchen damit begannen, die Grundlagen der Magie zu erforschen, waren jedes Mal eine schwere Zeit für die umliegende Bevölkerung. Die Stadtbewohner hatten sich zwar im Laufe der Jahrhunderte an Tentakelwesen in ihren Küchen und unerklärliche erotische Verwicklungen unter den Dienstboten gewöhnt, aber peinlich war es trotzdem noch oft genug. Noch peinlicher war allerdings eine Rhoki-Schwester, die überhaupt nichts zustande brachte.

»Nun, Schwester … das hier ist irgendwie ein besonderer Fall«, verteidigte sich Catya kleinlaut.

»Allerdings ist es das«, wütete Geno. »In den vierhundert Jahren, die es diesen Tempel jetzt gibt, ist so etwas noch nie vorgekommen. Ein Tempelzauber, der versagt! Wie stehen wir denn jetzt da?«

»Ich hab ja wirklich mein Bestes getan, Schwester«, erwiderte Catya, die sich trotz aller Furcht allmählich ziemlich ungerecht behandelt fühlte. »Aber dieser Gorn ist eine echt harte Nuss …« Für einen Augenblick wanderten ihre Gedanken zu Gorn en Derek, einem mürrischen Fleischklops mit feuchten Händen und farblosen Schweinsäuglein, der in diesem Moment draußen im Vorraum saß und die typische Miene eines unzufriedenen Kunden zur Schau stellte. Wahrscheinlich war er bereits damit geboren worden – ein Erbstück seines Vaters. »Und Twila … na ja, von Fräulein Hochnäsig mit dem hübschen Gesicht will ich gar nicht erst anfangen.«

»Genau dafür«, unterbrach sie Geno ungehalten, »sind Liebeszauber da! Wäre er ein hübscher junger Soldat und sie eine naive Milchmagd, dann bräuchte er unsere Dienste nicht.«

»Ja, Schwester. Ich wollte auch nur sagen, dass …«

»Deine Ausflüchte interessieren mich nicht, Catya. Und Gorns Vater auch nicht. Alles, was ihn interessiert, ist der Beutel mit Gold, den er uns überlassen hat, damit sein Sohn die Frau kriegt, die er haben will. Und er ist nicht der reichste Kaufmann der Stadt geworden, weil er sich bei Geschäften übers Ohr hauen lässt.«

Catya zögerte, wagte sich dann aber doch an das Unaussprechliche: »Und wenn wir es einfach zurück…«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage!« Genos Tonfall wurde noch um einiges frostiger. Offenbar hatte sie nicht viel übrig für diese spezielle Form der Ketzerei. Sie lehnte sich über den Tisch nach vorne und bedachte Catya mit einem entschieden mordlüsternen Blick. »Wo kämen wir denn hin, wenn wir plötzlich anfingen, den Leuten ihr Geld zurückzugeben? Wir haben schließlich einen Ruf zu verlieren.«

»Ich weiß, Schwester. Ich wollte nicht …«

»Natürlich nicht. Das wäre ja auch noch schöner.« Die oberste Magierin lehnte sich wieder in ihrem Stuhl zurück und atmete tief durch. »Magie ist beileibe kein Kinderspiel, und ich weiß nur zu gut, dass die Göttin manchmal so ihre Launen hat …« Sie machte eine kleine, bedeutungsvolle Pause, und ihr Blick ergänzte die unausgesprochene Spitze: Zum Beispiel, als sie ausgerechnet dir diese Gabe verlieh. »… aber ein einfacher Liebeszauber? Du sollst doch nur der Natur ein wenig auf die Sprünge helfen, verdammt noch mal! So schwer kann das doch selbst in Anbetracht der Umstände nun wirklich nicht sein. Für gewöhnlich bedeutet einen Liebeszauber auf Menschen anzuwenden so viel wie Milch in einen Kuhstall zu tragen.«

»Für gewöhnlich ja, Schwester. Aber in diesem Fall …«

»Genug! Keine weiteren Ausreden mehr. Mach dich lieber wieder an die Arbeit. Der Tempel hat immerhin sehr viel in deine Ausbildung investiert und dir ein ziemlich freudloses Leben zwischen Misthaufen und argwöhnischen Hinterwäldlern erspart, wenn ich mich recht erinnere. Willst du es uns danken, indem du uns noch länger vor aller Welt blamierst? Wir waren angesichts deiner … Talente bislang sehr nachsichtig mit dir, aber irgendwann ist auch meine Geduld einmal zu Ende. Du weißt, was mit jenen passiert, die vor der Göttin versagen?«

Catyas Miene wurde düster. Niemand wusste genau, was mit den Versagern geschah, was einen Großteil des Schreckens ausmachte. »Ähm … nein, Schwester. Eigentlich nicht.«

»Dann solltest du besser dafür sorgen, dass du es niemals herausfindest.«

»Ja, Schwester.« Catya hatte sich schon lange damit abgefunden, für den Rest ihres Lebens von selbstgerechten und verbitterten alten Frauen herumgeschubst zu werden, so lange, bis sie schließlich selbst eine wäre. Etwas Erschreckenderes konnte sie sich kaum vorstellen, weshalb die teils recht kindischen Mythen der Schwesternschaft für sie keinerlei besonderes Entsetzen mehr bereit hielten. »Ich soll also einen zweiten Zauber versuchen?«

»Und einen dritten. Und einen vierten. So lange, bis diese verdammte Geschichte aus der Welt geschafft ist. Hier geht es um unseren Ruf. Welcher dir, da bin ich absolut sicher, genauso am Herzen liegt wie mir. Die Kosten«, fügte sie mit giftigem Blick hinzu, »spielen also in diesem Fall keine Rolle. Du kannst jetzt gehen.«

Die Kosten …

Catya konnte sich gerade noch ein abfälliges Schnauben verkneifen. Tempelmagierinnen waren perfekt ausgebildete Spezialistinnen, die all ihr Können und ihre ganze Kraft der Magie widmeten und dafür in etwa die gleiche Bezahlung erhielten wie eine Küchenmagd. Dennoch wog man ihre Arbeit in Gold auf, und natürlich wurden Zutaten und Opfertiere extra berechnet. Von dem vielen Gold sah man als einfache Auserwählte Rhokis allerdings nur selten jemals etwas wieder, außer in Form einer winzigen Kammer, drei kargen Mahlzeiten am Tag und einer kostenlosen Robe pro Jahr. Offenbar war der Tempel der Meinung, dies und die Gnade der Göttin seien Lohn genug.

»Ja, Schwester. Danke, Schwester.« Catya verbeugte sich und verließ dann so würdevoll wie möglich das Zimmer. Draußen im Vorraum war Schwester Kardy, Genos ewig mürrische Assistentin, wie üblich über einen Stapel Papiere gebeugt und schenkte der Welt im Großen und Ganzen nur wenig Beachtung. Wahrscheinlich hatte sie Catyas Existenz bereits in dem Augenblick vergessen, in dem sie die Schülerin durch die Tür in Genos Arbeitszimmer geschoben hatte.

Catya blieb kurz unter dem Türbogen stehen und betrachtete über Kardy hinweg ihren Kunden. Gab es irgendeine Hoffnung, diesen Widerling überhaupt mit einer Frau zusammenzubringen, die sich auch nur einen Funken Selbstachtung bewahrt hatte? Ihr Pragmatismus beantwortete diese Frage recht prompt: wahrscheinlich nicht. Und dennoch bestand ausgerechnet er darauf, die schönste Frau der bewohnten Welt rumzukriegen, notfalls unter Aufgebot sämtlicher magischer Tricks, die sein Vater sich leisten konnte. Etwas an dieser Gleichung weigerte sich aufzugehen, egal, wie man sie drehte und wendete. Was auch immer Magie unter Umständen zustande bringen mochte, irgendwo in ihr rührte sich die Gewissheit, dass es Dinge gab, die sich auch mit Zauberei nicht ändern ließen.

Ich fürchte, das ist eine Nummer zu groß für mich, dachte sie resigniert. Vielleicht sollte ich statt dessen versuchen, die Sonne im Norden aufgehen zu lassen?

***

»Und du bist sicher, dass das funktioniert?« Gorns ansonsten eher quäkende Stimme schwebte durch den nächtlichen Garten von Twilas Haus wie der Nachhall einer gewaltigen Glocke.

Catya spähte zu dem Balkon hinauf, hinter dem sie Twilas Schlafzimmer vermutete, und fuhr dabei abwesend mit den Fingern über die Brandblasen auf ihrem Handrücken, die sie sich bei der Anrufung des Gesangszaubers zugezogen hatte. An Tagen wie diesem war sie durchaus der Meinung, dass es manchmal vielleicht besser war, einfach auf Zauberei zu verzichten und bestimmte Probleme sich selbst zu überlassen. Aber Geno und das Gold in den Kellern des Tempels waren leider einhellig anderer Ansicht.

»Klar doch. Ich meine: Hör dich an! Die Götter selbst werden von den Bergen herab steigen, um dich singen zu hören.«

»Tatsächlich?« Gorns Miene verfinsterte sich. »Davon hast du aber nichts erwähnt, als … oh! Das war nur so eine Redensart, stimmt´s?«

»Ja.« Catya seufzte. »Würdest du jetzt bitte endlich anfangen? Der Zauber wirkt nicht ewig.«

»Ich hoffe nur, ihr gefällt das Lied. Hab zwei Tage gebraucht, eines auszusuchen.« Trotz all der geballten Magie gelang es ihm tatsächlich, seiner Stimme einen mürrischen Unterton zu verleihen.

Catya erschauderte bei der Erinnerung an den vergangenen Nachmittag. Gorn hatte darauf bestanden, dass sie sich seine Interpretation von »Rose des Westens« anhörte, bevor er sie an Twila ausprobierte. Noch nie in ihrem Leben hatte Catya ein achtloses »von mir aus« so abgrundtief bereuen müssen. Selbst die Tempelkatzen, die sich ansonsten nicht einmal durch Erdbeben, Feuersbrünste und wütende Dämonen von ihren Schlafplätzen vertreiben ließen, hatten erstaunlich schnell und entschlossen das Weite gesucht.

»Klar. Ist genau das Richtige.«

Wenn der Zauber auch nur halb so gut war, wie die Schriften versprachen, konnte er genauso gut eine Liste seiner Lieblingsspeisen vorlesen. Bei den beiden Schankmädchen der Tempeltaverne hatte es jedenfalls hervorragend funktioniert. Wahrscheinlich hämmerten sie noch immer gegen die Tür der Räucherkammer. Und die Ziegenhirtin, die unterwegs versehentlich seinen Gesangsproben gelauscht hatte, hatten sie mit einem Stock abwimmeln und schließlich in den Fluss schubsen müssen, um sie loszuwerden. Catya war wieder einmal heilfroh, dass der Urheber eines Zaubers immun gegen seine Wirkung war, sonst hätte sie einen noch erheblich mieseren Tag gehabt.

»Los jetzt! Du hast schon genug Zeit vertrödelt.« Sie schubste Gorn in Richtung Balkon und zog sich dann hinter ein dichtes Gebüsch mit wild duftenden Blüten zurück, das zwischen einer Handvoll Weidenbäumen wucherte. »Und denk dran, was ich dir gesagt habe.«

»Jaja, schon gut …«

Gorn begann zu singen. Seine Intonation war mehr als erbärmlich, aber die Magie tat ihren Teil: Catya hätte schwören können, dass selbst einige Blumen und Bäume sich unauffällig in seine Richtung neigten, um ja keine Note zu verpassen. Dieser Teil des Plans hatte also funktioniert. Jetzt musste Twila nur noch lange genug die Stimme hören, um dem Sänger hoffnungslos zu verfallen. Oder zumindest weit genug zu verfallen, damit Gorns Geld Gelegenheit bekam, Twilas Geld davon zu überzeugen, dass man es gemeinsam noch viel kuscheliger haben konnte oder etwas in der Art. Catya war bewusst, dass dies bereits das Äußerste war, das sie erwarten durfte. Wahrscheinlich konnte nicht einmal Rhoki selbst Twila dazu bringen, Gorn wirklich zu lieben, also musste eben ein billiger Trick genügen, eine Verzerrung der Wahrnehmung, die Twila lange genug den Kopf verdrehte, um Gorn in ihr Bett zu lassen. Und selbst, wenn sie ihn noch in der gleichen Nacht mit einem Kissen erstickte, konnte niemand mehr dem Tempel einen Vorwurf machen – so etwas fiel grundsätzlich nicht mehr unter die Garantie.

Kurz vor Ende der zweiten Strophe regte sich dann endlich etwas in Twilas Schlafzimmer. Ein Vorhang raschelte und gelbliches Licht sickerte nach draußen.

Dickfelliges Biest, dachte Catya. Hat jedenfalls einen gesunden Schlaf.

Twila trat mit einer Öllampe in der Hand und von einem seidenen Nachthemd umwölkt auf den Balkon hinaus. Selbst verschlafen und ungekämmt sah sie noch immer verdammt hinreißend aus, wie Catya zugeben musste. Langes elfenbeinfarbenes Haar floss in einer momentan etwas zerzausten Woge um ihre schlanke Gestalt, und ihre makellosen weißen Schultern leuchteten im Mondlicht mit ihren eisgrauen Augen um die Wette. Sie stellte die Lampe auf dem Geländer ab und wandte grazil den Kopf hin und her, um den Urheber des Gesangs ausfindig zu machen.

»Hallo?« flötete sie mit einer Stimme, die keinerlei Magie bedurfte, um wie ein Glöckchen zu klingen. »Ist da jemand?«

Catya hielt den Atem an und betete zu allen Göttern, die ihr auf die Schnelle einfielen. Dummerweise half es nichts, denn es passierte genau das, was eigentlich nicht passieren sollte: Der Gesang verstummte und Gorn trat in den Lichtschein. »Gefällt dir das Lied?« schnaufte er.

»Verdammt, das ist zu früh!« flüsterte Catya und trat gegen einen Stein. »Sing weiter, du Idiot! Verdammt, verdammt, verdammt …«

Twila zog eine Augenbraue nach oben und sah auf Gorn herab wie auf ein interessantes Insekt. »Du?« Diese eine Silbe genügte, um den Zauber endgültig zu brechen. Ihre Augen wurden schmal, die Mundwinkel sanken nach unten: Desinteresse hatte ein neues Gesicht. »Hast du vielleicht zufällig einen Barden oder so was gesehen?« Eiszapfen wuchsen aus jedem Wort. »Er müsste eigentlich ganz in der Nähe sein.«

»Ich habe gesungen!« Gorns Stimme hatte noch immer ihren Glockenklang, aber gegen den Rest von ihm und Twilas massive Skepsis war sie offenbar chancenlos.

»Ach so. Na ja … sehr nett.«

»Nett?« Gorns Enthusiasmus prallte scheppernd vor die unsichtbare Wand, die Twilas Hochmut mit einem einzigen Augenaufschlag quer durch den Garten gezogen hatte. Er sah sich Hilfe suchend zu Catya um. Die schnitt lediglich eine Grimasse, wandte sich achselzuckend ab und begann damit, ihre Stirn gegen einen Baumstamm zu schlagen.

Twila zog unterdessen mit einer abrupten Bewegung das Nachthemd über ihrem beeindruckenden Dekolleté zusammen. »Vielleicht lasse ich dich ja auf meiner Hochzeit singen. Gute Nacht.« Sie wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und verschwand wieder in ihrem Zimmer. Der Vorhang fiel zu, das Licht dahinter verlosch, und ein verlegenes Schweigen senkte sich auf den Garten herab. Catya tauchte neben Gorn auf, finster wie ein Rachedämon, und musste sich beherrschen, um ihm nicht einen ordentlichen Klaps auf den Hinterkopf zu verpassen. »Was bei allen Göttern war denn das?«

»Äh … also ich …«

»Was hab ich dir gesagt?«

Gorn verzog seine Miene zu einem Abbild puren Trotzes und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augen vermieden es geflissentlich, Catyas finsteren Blick zu kreuzen. Er sah aus wie ein schmollender Fünfjähriger. »Dass der Zauber wahrscheinlich eine Weile braucht, bis er wirkt«, brummelte er schließlich.

»Und?«

»…. murmelmurmel …«

»Wie war das?«

»… mich nicht zu früh sehen lassen, um nicht alles kaputt zu machen.«

»Ganz genau. Und jetzt sieh, was du angerichtet hast!«

»Ich? Ich kann doch nichts dafür!« knurrte Gorn. »Dein Zauber …«

»Mit meinem Zauber war alles in Ordnung, Freundchen!« Catya stieß ihm bei jedem Wort unsanft den Zeigefinger gegen die Brust. »Du hättest dich einfach nur an die Anweisungen halten müssen. Jetzt können wir nochmal von vorne anfangen. Schon wieder.« Sie wandte sich von ihrem schmollenden Klienten ab und stapfte wütend auf die Gartenpforte zu.

»Du könntest ruhig etwas netter sein«, maulte Gorn, während er hinter ihr her trottete. »Immerhin bin ich ein zahlender Kunde.«

»Leider. Und der schlimmste, den ich je hatte. So ganz allmählich gehen mir die Ideen aus.«

***

»Hey, Feuerhexchen!«

Catya fuhr erschrocken zusammen und verlor den Fokus für ihren Zauber. Magische Energie schoss ungebremst durch das Zimmer und manifestierte sich in einem kleinen Feuer, das unversehens die Vorhänge in Brand steckte.

»Verdammt, Lanía!« schimpfte sie. »Kannst du nicht wenigstens anklopfen? Jetzt sieh dir das an!« Sie sprang aus ihrem Lotus-Sitz auf und versuchte, mit ihrem Ärmel die Flammen zu ersticken.

»Nur keine Aufregung, Süße.« Lanía malte mit dem Finger eine einfache Rune in die Luft. Ein winziges Regenwölkchen huschte von der Decke herab und löschte zischend das Feuer, woraufhin sich beißende Rauchschwaden im Zimmer ausbreiteten. Catyas Augen begannen zu tränen. Sie riss das Fenster auf und bemühte sich, den Qualm mit bloßen Händen aus der Kammer zu schaufeln.

»Ich dachte, du hättest das inzwischen im Griff«, bemerkte Lanía, während sie versuchte, mit einem von Catyas ungewaschenen Leibchen den Rauch in Richtung Fenster zu wedeln.

»Ich habe es im Griff«, brummelte Catya, »ist nur die Energie, die manchmal nicht alles im Griff hat. Verdammter Feuerelementar.«

»Ich weiß. Du Glückspilz.«

Die meisten Magierinnen waren Erd- oder Wasserelementare und daher begrenzt in ihren Möglichkeiten. Die Erde und der Ozean waren als Pole einfach zu gewaltig und legten mit ihrem Gewicht der Magie natürliche Fesseln an. Echte Feuerelementare mit ihrem typisch chaotischen, schier unerschöpflichen Potential an Energie waren hingegen eine echte Seltenheit, nicht zuletzt, weil viele von ihnen nicht alt genug wurden, um überhaupt zur Magierin ausgebildet zu werden. Entweder brachte die Magie selbst sie um, oder sie wurden von wütenden Mengen mit Sensen und Heugabeln erledigt. Niemand mochte kleine Kinder, die Dämonen zu Hilfe riefen, wenn man sie ärgerte.