Verlassen - Tahar Ben Jelloun - E-Book

Verlassen E-Book

Tahar Ben Jelloun

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Beschreibung

Tanger verlassen - das ist die Obsession in den Köpfen einer ganzen Generation. Bei schönem Wetter sieht man hinüber zur spanischen Küste. Auch Azel träumt sich hinüber in die »Festung Europa«. Nach einem Jurastudium hat er keine Aussicht auf einen Job. Er glaubt, einen sicheren Fluchtweg gefunden zu haben, doch die Hölle aus Armut, Korruption und Demütigung, die er in Marokko hinter sich lässt, ist nur das Spiegelbild der anderen Hölle, die ihn erwartet: Einsamkeit, Prostitution und der Verlust seiner Würde in der Emigration. »Der bedeutendste Schriftsteller des Maghreb.« Literaturen

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Veröffentlichungsjahr: 2008

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe1. Auflage 2008

ISBN 978-3-8270-7725-7Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem TitelPartirbei Éditions Gallimard, Paris© 2006 Tahar Ben Jelloun und Éditions Gallimard© 2006 Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, BerlinUmschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg,unter Verwendung einer Fotografie von© Justin Pumfrey/Getty ImagesDatenkonvertierung: psb, Berlin

Inhalt

1.

Toutia

2.

Al Afia

3.

Azel und Al Afia

4.

Noureddine

5.

El Hadj

6.

Miguel

7.

Lalla Zohra

8.

Heimat

9.

Siham

10.

Siham und Azel

11.

Mohamed-Larbi

12.

Malika

13.

Soumaya

14.

Azel

15.

Malika

16.

Mounir

17.

Abdeslam

18.

Siham

19.

Kenza

20.

Moha

21.

Azel

22.

Abbas

23.

Nazim

24.

Kenza und Nazim

25.

Azel

26.

Malika

27.

Kenza

28.

Azel

29.

Nazim

30.

Miguel

31.

Azel

32.

Gabriel

33.

Flaubert

34.

Kenza

35.

Nazim

36.

Azel

37.

Kenza

38.

Azel

39.

Kenza

40.

Rückkehr

Mein Freund Flaubert aus Kamerun sagt: »Ich komme«, wenn er geht, und: »Wir sind zusammen«, wenn er von jemandem Abschied nimmt. Es ist ein Versuch, das Schicksal zu beschwören.

In diesem Roman denken diejenigen, die gehen, nicht an Wiederkehr und wenn sie von jemandem Abschied nehmen, ist es für immer. Flaubert hatte in der Schule einige Seiten aus »Madame Bovary« durchgenommen. Er hat mir versprochen, den ganzen Roman in den großen Ferien zu lesen, falls er jemals solche Ferien haben sollte.

1Toutia

In Tanger verwandelt sich das Café Hafa im Winter in ein Observatorium der Träume und ihrer Folgen. Die Katzen, die normalerweise auf den Terrassen, auf dem Friedhof und um den wichtigsten Brotofen von Marshan herumlungern, treffen sich dort, als wollten sie dem Schauspiel beiwohnen, das stumm aufgeführt wird und von dem sich niemand täuschen lässt. Die langstieligen Haschischpfeifen kreisen von einem Tisch zum anderen, der Minztee wird in den Gläsern kalt, umschwirrt von Bienen, die schließlich in ihn hineinfallen, ohne bei den seit langem im Nebel und in billige Träumereien versunkenen Gästen irgendeine Reaktion auszulösen. In einem Hinterraum bereiten zwei Männer sorgfältig das Zaubermittel zu, das die Tore zur Reise öffnet. Der eine wählt die Blätter aus und hackt sie schnell und effizient klein. Keiner von beiden hebt den Kopf. Manche Gäste sitzen auf Matten mit dem Rücken an der Wand und stieren auf den Horizont, als befragten sie ihn zu ihrer Zukunft. Sie blicken auf das Meer, auf die mit den Bergen verschmelzenden Wolken, sie warten auf das Aufblinken der ersten Lichter Spaniens. Sie verfolgen diese Lichter mit Blicken, ohne sie wirklich zu sehen, und manchmal erkennen sie diese Lichter, obwohl sie vom Nebel und dem schlechten Wetter eingehüllt sind.

Alle schweigen. Alle horchen auf. Vielleicht wird sie heute Abend erscheinen, zu ihnen sprechen, ihnen das Lied des Ertrunkenen, der zum Seestern über der Meerenge wurde, vorsingen. Es herrscht Einverständnis, sie nie mit einem Namen zu benennen. Wer sie beim Namen nennt, zerstört sie und löst eine Welle von Unheil aus. Deshalb beobachten sie sich gegenseitig und schweigen. Jeder versinkt in seinen Traum und ballt die Fäuste. Allein der Teemeister, der Besitzer des Cafés, und seine Kellner halten sich da heraus: Diskret bereiten sie Getränke zu und servieren sie, sie gehen von einer Terrasse zur anderen und stören keinen der Träumer.

Die Männer dort kennen sich, doch sie reden nicht miteinander. Sie kommen zumeist aus dem gleichen Viertel und haben gerade genug Geld, um sich den Tee und ein paar Pfeifen Haschisch leisten zu können. Manche haben einen Zettel, auf dem sie ihre Schulden eintragen. Sie sagen keinen Ton, als hätten sie das verabredet. Besonders nicht zu dieser Stunde des Tages, in diesem heiklen Augenblick, in dem sie mit ihrem ganzen Wesen auf die Ferne konzentriert sind, um das geringste Säuseln der Wellen oder das Geräusch eines alten, in den Hafen einfahrenden Kahns zu erhaschen. Manchmal hören sie einen Hilferuf wie eine Art Echo. Sie sehen sich an, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Bedingungen sind erfüllt, damit sie erscheinen und einige ihrer Geheimnisse preisgeben kann. Ein heller, fast weißer Himmel spiegelt sich im klaren Meer, das zur Lichtquelle geworden ist. Stille im Café, Stille auf den Gesichtern. Vielleicht ist der kostbare Augenblick gekommen: Sie wird sprechen!

Manchmal tauschen sie Hinweise dazu aus, besonders wenn das Meer die Leichen einiger Ertrunkener zurückwirft. Sie sagen dann: »Sie hat sich wieder bereichert und schuldet uns nun doch eine Geste!« Sie haben ihr den Spitznamen »Toutia« gegeben. Dieses Wort hat keine Bedeutung, doch sie alle wissen, dass es die Spinne ist, die mal Menschenfleisch verspeist und mal Wohltäterin ist, wenn sie ihnen als Stimme zuflüstert, dass diese Nacht nicht die richtige ist und sie die Reise auf ein anderes Mal verschieben müssen.

Wie Kinder glauben sie an diese Geschichte, über die sie einschlafen, den Rücken gegen die rohe Wand gelehnt. In den großen Gläsern ist die erkaltete grüne Minze schwarz geworden. Die Bienen liegen ertrunken auf dem Grund der Flüssigkeit. Die Gäste trinken den bitter gewordenen Tee nicht mehr. Mit dem Löffel holen sie die Bienen eine nach der anderen hoch, legen sie auf den Tisch und sagen sich: »Arme kleine ertrunkene Tierchen, die zum Opfer der eigenen Gefräßigkeit wurden!«

Wie in einem absurden, immer wiederkehrenden Traum sieht Azel seinen nackten Körper zwischen anderen vom Meerwasser aufgeschwemmten Körpern. Sein Gesicht ist von Erwartung und Salz entstellt, die Haut von der Sonne rot verbrannt, an den Armen aufgerissen, als habe vor dem Kentern eine Schlägerei stattgefunden. Er sieht ihn immer deutlicher, wie er in einem weiß und blau gestrichenen Kahn, einem Fischerkahn, mit aufreizender Langsamkeit aufs Meer hinaustreibt. Azel hat entschieden, dass das Meer vor ihm einen Mittelpunkt hat, und dass dieser Mittelpunkt ein grüner Kreis ist, ein Friedhof, in dem die Strömung die Leichen erfasst und in die Tiefe zieht und auf einem Algenbett ablegt. Er weiß, dort, genau in diesem Kreis, liegt eine mobile Grenze, eine Art Trennungslinie zwischen zwei Gewässern, dem ruhigen und flachen Mittelmeer und dem heftigen und starken Atlantik. Er hält sich die Nase zu, denn je länger er auf diese Bilder stiert, desto stärker riecht er den Geruch des Todes, einen erstickenden herumwabernden Geruch, der ihm Übelkeit verursacht. Wenn er die Augen schließt, fängt der Tod an, um den Tisch zu tanzen, an dem er gewohnheitsgemäß jeden Tag Platz nimmt, um den Sonnenuntergang zu beobachten und die ersten Lichter gegenüber an der spanischen Küste aufflackern zu sehen. Seine Freunde setzen sich zum Kartenspielen dazu und sagen kein einziges Wort. Auch wenn manche genau wie er von dem Gedanken besessen sind, die Heimat zu verlassen, so wissen sie doch, weil »Toutia« es ihnen eines Nachts zugeflüstert hat, dass sie sich nicht in leidvollen Bildern verlieren dürfen.

Er sagt kein Wort zu seinem Vorhaben oder zu seinem Traum. Die anderen finden ihn gestresst, unglücklich. Das Gerücht geht, eine verheiratete Frau habe ihn in Liebe verhext. Man sagt ihm Abenteuer mit Ausländerinnen nach, vermutet, er lasse sich mit ihnen ein in der Hoffnung, dass sie ihm den Absprung aus Marokko ermöglichen. Natürlich streitet er alles ab und lacht lieber darüber. Doch stets begleitet ihn der Gedanke, in die Ferne zu ziehen, sich auf ein grün gestrichenes Pferd zu schwingen, die Meerenge zu überspringen, der Gedanke, zu einem durchsichtigen Schatten zu werden, den man nur tagsüber sehen kann, zu einem schnell auf den Wellen dahin ziehenden Bild. Er behält ihn für sich, redet nicht mit seiner Schwester Kenza und noch weniger mit seiner Mutter darüber, die sich wegen seines Gewichtsverlustes und seiner ewigen Raucherei sorgt.

Auch er hat schließlich an die Geschichte von der Gestalt geglaubt, die in Erscheinung treten und sie einen nach dem anderen hinüberführen muss über die Distanz, die sie vom Leben, dem prallen Leben, oder eben vom Tod trennt.

2Al Afia

Jedes Mal, wenn Azel diese Stille hinter sich lässt, in der sich ihm keinerlei Anwesenheit aufdrängt, friert er. Zu welcher Jahreszeit auch immer, sein Körper wird von einem leichten Zittern erschüttert. Er spürt das Bedürfnis, sich von der Nacht zu entfernen, er weigert sich, in sie einzutreten. Dann zieht er durch die Stadt, redet mit niemandem, sieht sich als Schneider, als Couturier der besonderen Art, der mit weißem Faden die engen Gassen mit den breiten Boulevards verbindet, wie in jener Geschichte, die ihm seine Mutter zum Einschlafen erzählte. Eigentlich wollte er feststellen, ob Tanger eine Männerdjellaba oder ein Brautkaftan ist, doch die Stadt war derart angeschwollen, dass er auf seine Idee hatte verzichten müssen.

In jener Nacht im Februar 1995 beschloss er, das Nähen aufzugeben, denn er war überzeugt, Tanger sei nun kein Gewand mehr, sondern eine jener synthetischen Wolldecken, die die Emigranten aus Belgien mitbrachten. Die Stadt war verborgen unter jenem Stoff, der die Hitze speichert, ohne die Feuchtigkeit zu vertreiben. Sie hatte keine Form, kein Zentrum mehr, nur noch Plätze, die nicht ganz kreisförmig waren und an denen die Autos die Bäuerinnen aus dem Fahs vertrieben haben, die dort ihr selbst angebautes Obst und Gemüse verkauften.

Die Stadt veränderte sich und die Mauern bekamen Risse.

Er blieb vor dem Whisky à Gogo stehen, einem von zwei Deutschen geführten Pub in der Rue du Prince-Héritier. Er zögerte einen Augenblick und trat dann ein. Er gehörte zu den Menschen, die davon überzeugt sind, dass alles, was ihnen geschieht, vorbestimmt ist, vielleicht nicht eingeschrieben in das große Himmelsbuch, doch auf jeden Fall irgendwo festgeschrieben. Was geschehen muss, geschieht. Seine Freiheit war äußerst eingeschränkt. Trotz der Ermahnungen seiner Mutter bekämpfte er das Vorbestimmte manchmal aktiv. Er veränderte ab und zu den Weg, den er normalerweise einschlug, nur um dem Festgeschriebenen in die Quere zu kommen. In jener Nacht, als er kurz vor der Tür der Kneipe innehielt, hatte er eine Vorahnung, eine Art verrückten Drang, seinem Schicksal zuvorzukommen.

In der Kneipe war es merkwürdig ruhig. An der Bar saßen einige Männer. Eine Wasserstoffblondine bediente sie. An der Kasse war einer der beiden Deutschen. Er lächelte nie.

Im schummrigen Saal hockten Männer allein vor ihren Whiskyflaschen. Alles wirkte finster und trostlos. Azel blieb stehen, als er an der Bar einen vierschrötigen Mann sah, der eine Limonade trank. Er wandte Azel den Rücken zu, einen viereckigen, breiten Rücken, gekrönt von einem Stiernacken. Azel erkannte den Mann und sagte sich: Mala pata! Es war der Oberboss, ein furchterregender, mächtiger, schweigsamer und herzloser Mensch. Sein Spitzname war Al Afia (das Feuer). Er war bekannt als Schlepper, der Kähne vollstopfte mit Illegalen, die den Sprung über den Ozean machen wollten. Sie steckten ihre Ausweise in Brand, um im Fall einer Verhaftung nicht nach Hause geschickt zu werden.

Al Afia hielt sich nicht mit Gefühlen auf. Er stammte aus den Bergen, aus dem Rif, und hatte schon immer Schmuggel betrieben. Als Kind hatte er nachts seinen Onkel begleitet, wenn Kähne in Al-Hoceina anlegten, um Ware zu holen. Er hatte die Aufgabe, Wache zu halten. Er war stolz auf sein Fernglas, das er wie ein Oberkommandierender gewandt handhabte, um den Horizont zu überprüfen. Sein Vater war bei einem Lastwagenunfall ums Leben gekommen. Er hatte ihn kaum gekannt. Der Onkel hatte ihn unter seine Fittiche genommen und aus ihm einen seiner Vertrauten gemacht. Als sein Beschützer starb, hatte er also ganz selbstverständlich die Nachfolge angetreten. Er kannte als Einziger alle Schliche, die bei Schwierigkeiten aufzusuchenden Personen, die Kontakte in Europa, deren Telefonnummern er auswendig wusste, die Familien, um die man sich kümmern musste, weil der Vater, der Onkel oder der Bruder im Gefängnis saßen. Er fürchtete sich vor niemandem und interessierte sich nur für seine Geschäfte. Die Leute erzählten sich, seine vielen Geheimnisse machten ihn zum wandelnden Tresor. Nachdem er einige Biere getrunken hatte, schrie Azel ihn vor allen an: »Seht euch diesen fetten Bauch an, das korrupte Schwein. Schaut seinen Nacken an, wie bösartig er ist. Er kauft alle. Und das ist normal. Dieses Land ist ein Marktplatz, der vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet ist. Alle verkaufen sich. Man braucht nur ein ganz klein wenig Macht und kann daraus Gewinn schlagen. Es ist nicht teuer: ein paar Flaschen Whisky, ein Abend mit einer Nutte … Doch die großen Dinger haben ein anderes Kaliber. Geld geht von Hand zu Hand. Wenn du willst, dass ich die Augen zudrücke, sag mir den Tag und die Stunde, und es gibt kein Problem, Junge. Brauchst du eine kleine Unterschrift, einen Krakel unten auf einem Blatt, kein Problem, schau bei mir vorbei, oder wenn du Wichtigeres zu tun hast, schick deinen Fahrer, den Einäugigen, der wird schon nichts durchschauen. Tja Freunde, das ist Marokko! Manche ackern wie die Blöden, sie arbeiten, denn sie wollen ehrlich und unbestechlich bleiben. Die schuften im Schatten, keiner sieht sie, keiner redet von ihnen, dabei müsste man ihnen doch Orden verleihen, denn das Land funktioniert dank ihrer Unbestechlichkeit. Und dann gibt es die anderen, die sind sehr zahlreich, sie sind überall, in allen Ministerien, denn in unserem geliebten Land ist die Korruption die Luft, die wir atmen, ja wir stinken nach Korruption, sie nistet sich ein in unseren Gesichtern, in unseren Köpfen, sie hat sich in unsere Herzen gebohrt, jedenfalls in eure Herzen. Wenn ihr mir nicht glaubt, fragt doch das korrupte Schwein da, den Glatzkopf, den Panzerschrank, den Geheimnistresor, den Limonadetrinker, denn Monsieur ist ein guter Muslim und nimmt keinen Alkohol zu sich, er fährt oft nach Mekka, ja er ist Hadj und ich bin Kosmonaut, ich fliege in den Raketen, flüchte ins All, hab keine Lust mehr, auf dieser Erde zu leben, in diesem Land, wo alles unecht ist, wo alle sich arrangieren, doch ich weigere mich. Ich habe Jura studiert in einem Staat, der das Recht mit Füßen tritt und so tut, als bestehe er auf Einhaltung der Gesetze. Denkste … Hier muss man sich dem Willen der Mächtigen fügen, das ist alles, ansonsten heißt es sich durchmogeln … Doch du, Mohamed Oughali, bist ein gemeiner Dieb, ein Zamel, ein Attaye …«

Azel schrie immer lauter. Einer der stark angetrunkenen Polizisten an der Bar näherte sich Al Afia und flüsterte ihm ins Ohr:

»Überlass ihn mir … Wir verknacken ihn wegen Gefährdung der Staatssicherheit …eit …eit …«

Al Afia musste den hysterischen Pinscher zum Schweigen bringen. Seine Gorillas reagierten auf die leichteste Kopfbewegung. Er blickte auf Azel. Zwei Männer griffen ihn sich, prügelten ihn durch und warfen ihn vor die Tür. Einer der beiden sagte:

»Du tust aber auch alles, um den Boss zu reizen, fast als wolltest du dahin, wo dein Kumpel schon ist!«

Azels Kumpel war sein Vetter Noureddine. Er hatte in ihm einen Bruder gesehen und ihn mit seiner Schwester Kenza verheiraten wollen. Noureddine war bei einer nächtlichen Überfahrt ertrunken, weil Al Afias Männer das alte Boot überladen hatten. In jener Oktobernacht ertranken vierundzwanzig Menschen und der Sturm lieferte der Guardia Civil aus Almeria den Vorwand, nicht auszurücken.

Al Afia hatte einfach geleugnet, Geld erhalten zu haben, doch Azel war dabei gewesen, als ihm Noureddine die zwanzigtausend Dirham übergab. Der Mann hatte viele Tote auf dem Gewissen, doch besaß er überhaupt ein Gewissen? Seine Geschäfte florierten auf mehreren Gebieten. Er lebte in einem Riesenhaus in Ksar es-Seghir an der Mittelmeerküste, in einer Art Bunker, wo er mit Devisen prall gefüllte Jutesäcke aufstapelte. Die Leute erzählten, er habe zwei Frauen, eine Spanierin und eine Marokkanerin. Sie lebten im selben Haus. Niemand hatte sie jemals gesehen. Der Drogenhandel reichte ihm nicht, er stopfte alle vierzehn Tage alte Schiffswracks voll mit armen Teufeln, die ihr ganzes Hab und Gut für eine Überfahrt nach Spanien blechten. In den Nächten, an denen Überfahrten stattfanden, ließ er sich jedoch nie blicken. Einer seiner Kerle, Leibwächter, Schläger und Fahrer, überwachte das Laden der Schiffe. Es war jedes Mal ein anderer. Er hatte seine Anwerber, seine Spitzel und auch seine Bullen. Er nannte sie »meine Männer«. Von Zeit zu Zeit schickte die Regierung aus Rabat eine Patrouille der Armee, die die Schiffe beschlagnahmen und die Schlepper festnehmen sollte. Die Polizei in Tanger wurde nie benachrichtigt. So wurden einige Handlanger Al Afias verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Solange sie in Tanger einsaßen, kümmerte er sich um sie wie um seine eigenen Kinder, organisierte eine warme Mahlzeit am Tag und unterstützte ihre Familien. Im Gefängnis von Tanger hatte er seine Kontakte, kannte den Leiter und vor allem die Wächter, die er bestach, auch wenn mal keiner seiner Leute einsaß.

Er war ein Meister der Korruption, hatte die Eigenheiten des einen und des anderen studiert, kannte ihre Schwächen und Bedürfnisse, zog das ganze Register und übersah kein Persönlichkeitsmerkmal. Es war, als besitze er ein Doktorat in einer ganz ungewöhnlichen Wissenschaft. Al Afia konnte nur Zahlen lesen. Für den Rest hatte er kompetente, sehr loyale Sekretärinnen, mit denen er im Dialekt des Rif, durchmischt mit etwas Spanisch, sprach. Alle hielten ihn für einen großzügigen Mann, mit einem »großen Herzen«, einem »offenen Haus«, »dem Hort der Güte« usw. Dem einen spendierte er eine Reise nach Mekka, dem anderen ein Grundstück oder ein ausländisches Auto (selbstverständlich gestohlen), wieder ein anderer bekam eine goldene Uhr mit den Worten: »Ein kleines Geschenk für deine Frau.« Er bezahlte die Klinikaufenthalte seiner Männer und ihrer Familien und gab jeden Abend Lokalrunden in der Kneipe aus, die zu seinem Hauptquartier geworden war.

3Azel und Al Afia

Zwischen Azel und Al Afia herrschte schon seit langem offener Krieg. Bereits lange vor Noureddines Tod hatte Azel sich entschieden, eines Nachts die Reise anzutreten, und er hatte den Schlepper bereits bezahlt. Doch in letzter Minute war die Überfahrt annulliert worden. Azel hatte sein Geld nie zurückbekommen. Er wusste, alleine konnte er gegen dieses Ungeheuer nichts ausrichten. Vor dem Mann hatten alle Angst. Und alle diejenigen, die von seiner Großherzigkeit profitierten, liebten oder vielmehr schützten ihn. Von Zeit zu Zeit, besonders nach dem Genuss einiger Glas Bier, ließ Azel sich gehen, beschimpfte und verhöhnte ihn. Al Afia tat so, als höre er nicht, bis zu dieser Nacht. Als Azel ihn bei seinem richtigen Namen nannte und ihn als bezeichnete, als passiven Homosexuellen. Das war die größte Schande! Als würde dieser mächtige, gutherzige Mann sich auf den Bauch legen und von hinten besteigen lassen! Das war zu viel, der Wicht hatte eine Grenze überschritten. Dafür musste er bestraft werden:

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