Das Schweigen des Lichts - Tahar Ben Jelloun - E-Book

Das Schweigen des Lichts E-Book

Tahar Ben Jelloun

0,0
8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Mann erzählt. Er heißt Salim und war Gefangener im Straflager Tazmamart im Süden Marokkos, verurteilt zu einem langsamen Sterben in Kälte, Schmutz und Angst. Im Gefängnis herrscht ewige Nacht. Um zu überleben lernt Salim, sich von den Bildern seiner Vergangenheit zu befreien, denn »sich erinnern heißt sterben«.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autoren und Bücher:www.berlinverlag.de

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe3. Auflage 2013

ISBN 978-3-8270-7726-4Die Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel Cette aveuglante absence de lumièrebei Éditions du Seuil, Paris© 2011 Tahar Ben JellounFür die deutsche Ausgabe© 2001 Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, BerlinAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg,unter Verwendung eines Bildes von © CorbisDatenkonvertierung: psb, Berlin

Dieser Roman beruht auf wahren Begebenheiten und verdankt seine Entstehung dem Augenzeugenbericht eines ehemaligen Inhaftierten des Kerkers von Tazmamart.

Ich widme ihn Aziz und Réda, seinem kleinen Sohn, dem Licht seines dritten Lebens.

1Lange Zeit war ich auf der Suche nach dem Schwarzen Stein, der die Seele vom Tode reinigt. Wenn ich lange Zeit sage, denke ich an einen tiefen Brunnen ohne Grund, an einen Tunnel, den ich mit Fingern und Zähnen gegraben habe, in der hartnäckigen Hoffnung, nur für eine einzige Minute, für eine lange und ewige Minute einen Lichtstrahl zu erhaschen, einen Funken, der sich meinem Auge einprägen und den mein Innerstes wie ein Geheimnis in sich bergen würde. Dieser Funke würde in meiner Brust nisten, und ich würde in der Unendlichkeit meiner Nächte von ihm zehren, in jenem Grab dort, im tiefsten Inneren der feuchten Erde mit ihrem Geruch des Vergrabenen, seiner Menschlichkeit Entleibten, dem man die Haut heruntergerissen, den Blick, die Stimme und die Vernunft entzogen hat.

Doch was soll die Vernunft an jenem Ort, wo man uns begraben, vielmehr unter die Erde gebracht hat? Sie ließen uns ein Loch, gerade groß genug, um atmen zu können, damit wir lange genug lebten und genügend Nächte hatten, um die Verfehlung zu sühnen. Der Tod war so von einer raffinierten Langsamkeit, er sollte sich Zeit lassen, alle Zeit der Menschen, derer, die wir nicht mehr waren, und derer, die uns noch bewachten, sowie derer, die uns völlig vergessen hatten. Ach, diese Langsamkeit! Sie war unser Hauptfeind, der unsere geschundene Haut umhüllte und der offenen Wunde viel Zeit ließ, bevor sie sich zu schließen begann. Diese Langsamkeit, die unsere Herzen im friedlichen Rhythmus des kleinen Todes schlagen ließ, als müssten wir verlöschen wie eine Kerze, die weit entfernt von uns entzündet wurde und sich in sanftem Glück verzehrte. Ich dachte oft an eine solche Kerze, nicht aus Wachs, sondern aus einem unbekannten Material, die eine ewige Flamme vorgaukelt, das Symbol unseres Überlebens. Ich dachte auch an eine riesige Sanduhr, in der jedes Sandkorn ein Partikel unserer Haut ist, ein Tropfen unseres Blutes, ein Quäntchen Sauerstoff, den wir nach und nach verloren, in dem Maße, wie die Zeit in unseren Abgrund hinabsank.

Doch wo waren wir? Wir waren angekommen, ohne dass wir etwas hätten sehen können. War es nachts passiert? Wahrscheinlich. Die Nacht wurde uns zur Gefährtin, zum Territorium, zur Welt und zum Friedhof. Das war die erste Information, die ich empfing. Mein Überleben, meine Folter, meine Agonie waren mit dem Schleier der Nacht verwoben. Ich wusste es sofort, als habe ich es schon immer gewusst. Die Nacht, ach! Meine Decke aus gefrorenem Staub, meine Einöde aus schwarzen Bäumen, die ein eisiger Wind nur bewegte, um mir Schmerz in den Beinen und in den von einem Gewehrkolben zerquetschten Fingern zuzufügen. Die Nacht senkte sich nicht, wie man so schön sagt, sie war einfach da, die ganze Zeit. Sie war die Königin unserer Leiden, die sie uns immer wieder empfinden ließ, sollte es uns geglückt sein, nichts mehr zu fühlen, wie es einigen Gefolterten gelang, die sich durch eine starke Konzentration aus ihrem Körper herauskatapultierten und daher nicht mehr leiden mussten. Sie überließen den Folterern ihre Körper und begaben sich in ein Gebet oder einen inneren Rückzug, um all das zu vergessen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!