Vier Mal Frau - Katharina Mosel - E-Book
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Katharina Mosel

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Beschreibung

Nach ihrer gescheiterten Ehe wollte sich Mona erst einmal verkriechen und ihre Wunden lecken. Doch der Plan geht nicht auf: Ihre beiden besten Freundinnen, Julia und Cecilia, überreden sie, sich selbstständig zu machen. Während Mona in ihrer neuen Tätigkeit ausgerechnet mit Vanessa, der jungen Geliebten des Exmanns, konfrontiert wird, schlägt sich Julia mit der Frage herum, ob frau wirklich ihr bisheriges Leben mit wechselnden Männerbekanntschaften wegen der Liebe umkrempeln soll. Cecilia hat die Nase voll vom Alleinsein und lässt sich auf eine Online-Partneragentur ein. Doch kann man auf diese Art und Weise wirklich einen Mann fürs Leben finden? Katharina Mosel erzählt in diesem köstlich-frechen Frauenroman, dass das Leben immer wieder für Überraschungen gut ist.

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Vier Mal Frau

Katharina Mosel

Inhalt

Über das Buch

1. Mona

2. Vanessa

3. Mona

4. Vanessa

5. Cecilia

6. Julia

7. Mona

8. Lars

9. Vanessa

10. Mona

11. Cecilia

12. Julia

13. Vanessa

14. Mona

15. Cecilia

16. Julia

17. Vanessa

18. Mona

19. Vanessa

20. Julia

21. Lars

22. Cecilia

23. Mona

24. Julia

25. Vanessa

26. Mona

27. Cecilia

28. Julia

29. Lars

30. Mona

31. Cecilia

32. Julia

33. Vanessa

34. Mona

Nachwort

Über die Autorin

Weitere Bücher der Autorin

© 2021 Katharina Mosel

2. Auflage 2021 (Version 2.0)

Alle Rechte vorbehalten.

Katharina Mosel, Zülpicher Straße 274, D-50937 Köln

© Cover- und Umschlaggestaltung: Laura Newman –

design.lauranewman.de

© Entenlogo: Laura Newman – design.lauranewman.de

Lektorat: Elsa Rieger – www.elsarieger.at

eBook-Umsetzung: buchseitendesign by ira wundram, www.buchseiten-design.de

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

Über das Buch

Julia steht als erfolgreiche Unternehmerin mitten im Leben und vertreibt sich die Abende mit wechselnden Männerbekanntschaften, während die Yogalehrerin Cecilia von der großen Liebe träumt. Als die gemeinsame Freundin Mona von Lars nach langer Ehe wegen der jüngeren Vanessa verlassen wird, verändert sich auch das Leben der Freundinnen.

Cecilia versucht ihr Glück bei einer Online-Partneragentur, während Mona erste Schritte in die Unabhängigkeit wagt. Julia will ihr Leben keineswegs verändern und muss sich doch auf einmal zwischen der Arbeit und der Liebe entscheiden.

Und dann ist da noch Vanessa, die um ihre Beziehung zu Lars kämpfen muss …

Für meine Freundinnen

1

Mona

Heute Nachmittag begann Monas neues Leben. Sie musste nur noch den Gerichtstermin hinter sich bringen. Nachdem sie weinend die letzten achtzehn Monate abwechselnd bei ihrer Anwältin oder Psychologin verbracht hatte, würde das ein Kinderspiel werden.

Mona zog die Haustür hinter sich zu, verschloss sie und ließ ihren Schlüsselbund in der Handtasche verschwinden. Ihr Blick fiel auf das Türschild.

»Hier wohnen die Lehmanns« stand dort in unregelmäßiger Schreibschrift geschrieben. Nele hatte das Schild vor vielen Jahren in der Schule im Kunstkurs getöpfert. Mona erinnerte sich daran, wie ihre Tochter ihr mit kindlichem Stolz das damals selbst gemachte Teil überreicht hatte. Lars und sie mussten es noch am selben Tage an der Wand befestigen. Damals hatte Mona die Lehrerin ihrer Tochter verflucht. Eine Schale hätte es doch auch getan. Egal. Nach einiger Zeit hatte sie sich an das Schild gewöhnt und es nicht mehr bewusst wahrgenommen.

Nele war längst ausgezogen, sie studierte im einhundertfünfzig Kilometer entfernten Bremen und stand kurz vor dem Abschluss. Komisch, dass sie ausgerechnet heute an so etwas denken musste.

Ihr Auto, ein in die Jahre gekommener Golf, parkte auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses. Sie warf ihre Handtasche auf den Rücksitz und schaltete die Zündung ein. Den Weg zum Amtsgericht kannte sie, weil sie ihn bereits vor einer Woche abgefahren hatte. Um diese Uhrzeit würde sie ungefähr dreißig Minuten brauchen, wenn nichts dazwischenkam.

Der Termin war erst in einer Stunde, sie hatte also jede Menge Zeit.

Lars würde einen Witz reißen, wenn er von der Probefahrt zum Gericht erfahren würde. Sie hörte ihn geradezu: Das ist wieder typisch Mona. Nur nichts dem Zufall überlassen. Alles bis ins Kleinste planen, keine Spontanität. Dabei hatte er früher genau diese Eigenschaft an ihr bewundert. Man kann sich auf dich verlassen. Du weißt immer genau, wie es weitergehen soll, hatte er oft gesagt. Früher. Heute fand er sie langweilig, spießig und nicht spontan. Mona seufzte. Schluss mit derlei Gedanken. Nur nicht wieder damit anfangen. Das hatte sie sich geschworen und daran würde sie sich von nun an auch halten. Sie schaltete das Radio ein.

Gegenüber vom Gerichtsgebäude gab es genau einen freien Parkplatz. Wie durch ein Wunder gelang es ihr, beim ersten Versuch rückwärts einzuparken. Sie gratulierte sich selbst und nahm das als ein gutes Omen für den bevorstehenden Termin. Während sie das Auto abschloss, entdeckte sie vor dem Gericht ihren Mann Lars, der sich mit einer jungen blonden Frau unterhielt.

Mona blieb stehen und musterte die beiden. Mein Gott, wie jung sie war!

Lars hatte eine neue Frisur, er trug das Haar jetzt extrem kurz. Vielleicht wollte er damit seine grauen Schläfen verdecken? Mona rief sich zur Ordnung, das war bösartig. Oder doch nicht? Ihr Mann verließ sie nach fünfundzwanzig Ehejahren wegen einer achtzehn Jahre Jüngeren, da war wohl etwas Bosheit erlaubt. Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf, als sie auf die beiden zuging.

Ihr Noch-Ehemann hatte nicht nur die Frisur verändert, er hatte sich auch neu eingekleidet. In dunklen Edeljeans mit einer schwarzen Biker-Lederjacke und einem um den Hals geschlungenen schwarz-weiß gestreiften Seidenschal wirkte er jünger als siebenundvierzig. Diese Wirkung war vermutlich beabsichtigt. Vielleicht hatte seine neue Freundin die Sachen ausgesucht?

Lars drehte sich zu ihr um und begrüßte sie mit Handschlag. »Mona, pünktlich wie immer.« Danach legte er den Arm um seine Begleiterin und zog sie an sich. »Vanessa, das ist Mona, demnächst meine Ex-Frau. Zeit, dass ihr euch endlich kennenlernt. Komm, schüttelt euch doch die Hände.« Dabei grinste er aufmunternd in Monas Richtung.

Mona betrachtete Vanessa, die in ihrem kurzen Röckchen mit den langen schwarzen Stiefeln etwas verloren aussah. Über dem Rock trug sie, trotz des schönen Wetters, einen grauen Wollpullover. Die Ärmel waren zu lang, sodass die Hände nur zur Hälfte hervorschauten. Ihre Fingernägel waren kurz und nicht lackiert. Sie wirkte wie eine Studentin und Mona verspürte einen Anflug von Mitleid, als sie sich vorstellte, dass dieses junge Mädchen jetzt mit Lars auskommen musste. Natürlich war es geschmacklos von Lars, die neue Freundin zur Scheidung mitzubringen. Mona war sauer, wusste aber, dass er sich über solche Dinge keine Gedanken machte. Ärgern wollte er sie damit sicher damit nicht. Das war nie seine Absicht gewesen.

»Findest du, dass das der richtige Anlass ist, um deine Freundin kennenzulernen, hier, kurz vor unserem Scheidungstermin? Ein wenig mehr Taktgefühl hätte ich dir schon zugetraut.«

Lars öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, als Vanessa ihn am Arm zog und mit leiser piepsender Stimme sagte: »Ich habe dir gleich gesagt, dass es keine gute Idee ist, wenn ich mitkomme.« Dabei wirkte sie, als würde sie gleich losweinen.

Mona fühlte sich schuldig, warum eigentlich? Das war wieder so typisch für sie. Aber wenn irgendjemand verantwortlich war, dann doch wohl ihr Noch-Ehemann! Der bekam wie üblich von der Stimmung nichts mit und klopfte seiner Freundin aufmunternd auf die Schulter, während er Mona angrinste.

»Na komm schon. Wir können uns doch wie zivilisierte Menschen benehmen, oder?«

Mona beschloss, ihn zu ignorieren, und wandte sich an Vanessa. Die Frau konnte schließlich nichts für das taktlose Verhalten von Lars. »Hallo, Vanessa, ich bin die abgelegte Ehefrau Mona. Schön, dich kennenzulernen.« Sie hielt der jungen Frau, die jetzt verblüfft schaute und verlegen ihre langen Haare hinter die Ohren streifte, die rechte Hand hin.

Nach kurzem Zögern schüttelte Vanessa sie mit einem unerwartet kräftigen Händedruck und sah Mona in die Augen.

»Ich finde es auch gut, dass wir uns kennenlernen, obwohl die Umstände bisschen komisch sind.« Ihre Stimme klang nun fester als vorhin.

Mona spürte, wie sich ihre erste Annahme verflüchtigte. Also doch kein naives Mädchen. Zu Smalltalk hatte sie jetzt aber keine Lust. »Vielleicht treffen wir uns ja mal unter besseren Umständen wieder. Ich wünsche dir jedenfalls viel Glück mit Lars. Du kannst es gebrauchen.« Sie wandte sich ab und ging mit betont forschen Schritten auf das moderne Gerichtsgebäude zu. Das war doch ein guter Abgang, oder?

Nachdem sie dem Pförtner das Schreiben des Gerichts mit der Einladung zum Termin gezeigt hatte, konnte sie nach einer kurzen Durchsuchung ihrer Handtasche passieren. Sie fand den Gerichtssaal im Erdgeschoss im ersten Anlauf und setzte sich auf eine Bank neben der Eingangstür.

»Lehmann ./. Lehmann« stand als Nummer fünf in der Reihe auf der Anschlagtafel. Über der Tür zum Sitzungssaal leuchtete eine Anzeige »Nicht-öffentliche Verhandlung«. Sie sah auf ihre goldene Cartier-Armbanduhr. Ein Geschenk von Lars zu ihrem zwanzigsten Hochzeitstag.

Noch fünfzehn Minuten. Ihre Anwältin würde sicher gleich kommen. Lars würde vermutlich erst kurz vor dem Termin mit seinem Anwalt und dem Blondinchen im Schlepptau auftauchen. Dieser Feigling.

Seit er vor mehr als einem Jahr verkündet hatte, dass er eine neue Frau liebte, hatte er es tunlichst vermieden, mit Mona alleine zu sein. Vielleicht hatte er Angst vor ihr? Sie schmunzelte, als sie darüber sinnierte. Nicht einmal seine Sachen konnte er alleine aus dem Haus abholen. Zur Verstärkung hatte er den gemeinsamen Freund Günther mitgenommen, der Mona während der gesamten Prozedur nicht in die Augen sehen konnte. Noch so ein Feigling. Die Regelung über die Finanzen und die Zukunft des Hauses hatten die Anwälte getroffen. Ein Treffen war dafür nicht nötig gewesen. Das Haus war bereits verkauft, Mona würde in der kommenden Woche in eine eigene Wohnung nach Hamburg ziehen. Back to the roots: Sie war in Hamburg aufgewachsen. Ironischerweise lebte auch Lars jetzt in Hamburg.

Er, der ihr jahrelang erzählt hatte, dass er das Landleben so entspannend fände und in der Stadt Platzangst bekäme. Ha ha, mit Vanessa war das nun offensichtlich kein Problem mehr.

Nele hatte erzählt, ihr Vater sei bei Vanessa in deren Zwei-Zimmer-Wohnung im Schanzenviertel untergekommen. So viel zu seiner Platzangst. Aber sie wollte auch fair sein: Immerhin hatte er ihr geholfen, in Hamburg eine Wohnung zu finden.

»Guten Tag, Frau Lehmann«, sagte eine helle Frauenstimme.

Mona sah auf. Vor ihr stand Karla Martini, eine junge Frau, die über dem Blazer eine schwarze Robe trug. Die Anwältin stellte ihre Aktentasche auf den Boden und schüttelte Mona die Hand. »Und», fragte Frau Martini,

»Sind Sie gut durchgekommen? Es ist ja vermutlich das erste Mal, dass Sie im Gericht in Schwarzenbek sind?«

»Ja, vielen Dank. Das war kein Problem, es gab sogar einen Parkplatz gleich gegenüber.« Soll ich ihr sagen, dass ich den Weg vorher abgefahren bin? Lieber nicht. Obwohl, ich habe ihr schon so viel erzählt, da kommt es auf eine weitere Macke nicht mehr an.

Mona holte bereits Luft, als die Anwältin sie anlächelte und sagte: »Dann haben Sie mir den letzten Parkplatz weggenommen. Ich musste ein paar Mal um den Block herumfahren, bis ich das Auto in eine Lücke quetschen konnte. Glücklicherweise ist es ein Mini, der nicht so viel Platz wegnimmt.« Während sie sprach,

nahm sie aus ihrer Tasche einen blauen Aktenordner und setzte sich neben Mona auf die Bank. »Haben Sie noch Fragen zum Termin? Ich hatte Ihnen ja schon erklärt, was hier heute passieren wird.« Frau Martini blätterte in der Akte.

Mona musterte sie verstohlen von der Seite. Sie sah nicht älter als Nele aus. Vermutlich war sie es auch nicht. Eine alte Schulfreundin aus Hamburg hatte sie Mona empfohlen.

Beim ersten Besuch in der Kanzlei von Frau Martini, das Büro lag in der Innenstadt von Hamburg am Neuen Wall, hatte sie zuerst Angst gehabt, dass sie sich eine Anwältin mit einem Büro in dieser Lage gar nicht leisten konnte. Dann hatte Mona Frau Martini kennengelernt und befürchtet, dass sie für den Job zu jung und unerfahren war. All die Ängste verflüchtigten sich jedoch im ersten Gespräch, denn die Anwältin erläuterte sachlich die Vorgehensweise bei einer Trennung und versicherte ihr außerdem, dass Lars als der Alleinverdiener die Anwaltskosten tragen müsse. Das war eine große Beruhigung für Mona gewesen, da sie zum damaligen Zeitpunkt außer einem Sparkonto mit einem Guthaben von einhundert Euro kein eigenes Konto hatte. Sie erinnerte sich noch daran, wie peinlich es ihr war, als sie das zugeben musste. Seit diesem Gespräch war über ein Jahr vergangen.

»Nein, im Moment habe ich keine Fragen. Mein Mann ist übrigens auch schon da. Er stand gerade mit seiner Freundin vor der Tür. Jetzt kenne ich also auch den Scheidungsgrund.« Mona lachte bitter.

Frau Martini sah von ihrer Akte auf. »Das ist ja nicht gerade besonders feinfühlig von ihm, die Frau zum Scheidungstermin mitzubringen. Wie fühlen Sie sich?«

»Ach, ich weiß nicht so recht. Eigentlich bin ich über ihn hinweg, nach dem, was er sich im letzten Jahr so geleistet hat und möchte ihn gar nicht mehr sehen. Feinfühlig war der Mann übrigens noch nie. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich seine neue Freundin bemitleidet habe. Ist das nicht komisch?«

»Also ich finde, dass das ein sehr gutes Zeichen ist. Sie sind definitiv über ihn hinweg.« Die Anwältin lächelte sie an. In dem Moment öffnete sich die Tür des Verhandlungssaals. Heraus kamen zwei Männer in Robe, die sich nach kurzem Abschiedsgruß eilig in Richtung Ausgang bewegten. Frau Martini hatte sich erhoben und wandte sich zur Tür. »Als Nächstes sind wir dran. Es fehlen nur noch Ihr Mann und sein Anwalt.« Wie auf Kommando kam Lars zusammen mit seinem Rechtsanwalt, einem älteren Herrn, um die Ecke. Immerhin war Vanessa nicht mehr dabei. Sie stand vermutlich vor dem Gericht und wartete auf ihn. Bei dem Anwalt handelte es sich um den Vater eines Schulfreundes von Lars.

Mona vermutete immer noch, dass ihr Mann ihn ausgewählt hatte, weil er hoffte, durch die Freundschaft mit Jochen Prozente zu bekommen. Sparsam war Lars schließlich immer schon gewesen. Die Männer blieben vor der Tür stehen und begrüßten ihre Anwältin mit Handschlag. Danach schüttelte der Anwalt Monas Hand. »Frau Lehmann, wie schön, Sie wiederzusehen. Das wird hier heute sehr schnell gehen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Kollegin diese Information schon übermittelt hat.«

Er drehte sich zur Anwältin um. Sie blickte ihn kommentarlos an und Mona dachte daran, dass ihr der Kerl schon beim Notartermin furchtbar auf die Nerven gegangen war. Er hielt sich offenbar für etwas ganz Besonderes. Egal, den würde sie jetzt auch noch für ein paar Minuten ertragen können. Hinter ihrer Anwältin betrat sie den Gerichtssaal.

Das helle Frühlingslicht fiel durch große Fenster in den Raum, der mit seinem in der Mitte stehenden ovalen Tisch aus Birkenholz unerwartet freundlich aussah.

Am Kopfende saß ein jüngerer, etwas korpulenter Mann in einer Robe, der alle freundlich anlächelte.

»Kommen Sie herein und nehmen Sie Platz. Ich brauche als Erstes Ihre Ausweise.«

Mona setzte sich neben ihre Anwältin. Lars hatte bereits neben seinem Anwalt Platz genommen und holte aus einer Hosentasche seine Brieftasche hervor. Mona musterte ihn unauffällig. Er wirkte so ungerührt. Als sie spürte, dass Frau Martini sie von der Seite ansah, wühlte sie hektisch in ihrer Handtasche, ihre Hände zitterten, als sie den Personalausweis auf den Tisch legte. Der Richter nahm beide Papiere und schaute kurz darauf, bevor er sie zurückreichte. Er fing an, in sein Diktiergerät zu sprechen.

Mona bekam alles nur wie durch eine Nebelwand mit. So endete also ihre Ehe heute, an diesem schönen Frühlingstag. Als alle aufstanden und der Scheidungsbeschluss verlesen wurde, konnte sie sich nur mühsam auf den Beinen halten. Es ging alles so schnell. Nach einer Viertelstunde standen alle vier wieder auf dem Gerichtsflur.

Hinterher hätte sie nicht mehr sagen können, was genau in den zehn Minuten im Gerichtssaal passiert war. Lars zog seine Jacke an und blieb vor ihr stehen. Seit langer Zeit sah er ihr das erste Mal wieder in die Augen. Er streckte seine Hand aus und sagte dabei mit heiserer Stimme: »Ich wünsche dir alles Gute, Mona. Und das meine ich wirklich ernst.«

Mona drückte seine Hand, ihre Kehle wurde noch trockener. Jetzt bloß nicht weinen. Sie biss sich auf die Lippe, bis es richtig weh tat. Reden konnte sie nicht. Lars verschwand mit seinem Anwalt den Flur hinunter. Ihre Anwältin war neben ihr stehengeblieben und zog ihre Robe aus. »Das war für Sie sicherlich ein sehr anstrengender Termin. Da wir schon alles geregelt hatten, hat es heute glücklicherweise nicht lange gedauert. Der Scheidungsbeschluss wird jetzt getippt und Sie bekommen ihn von unserem Büro zugeschickt.«

Die beiden Frauen gingen langsam nebeneinander den Flur entlang. Draußen angekommen blieb Mona stehen und schaute ins grelle Sonnenlicht. Ihr war noch immer zum Weinen zumute und sie hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen. Genau das würde sie jetzt tun. Nach Hause fahren und sich mit einem Buch und einer Flasche Wein ins Bett legen.

Sie verabschiedete sich von Frau Martini, als sie auf einmal von hinten umarmt wurde.

Völlig überrascht drehte sie sich um und blickte in das Gesicht ihrer Freundin Julia, die sie anstrahlte. Hinter ihr stand Cecilia, die eine Flasche Sekt in der Hand hielt. Sie schwenkte die Flasche.

»Du hast ja wohl nicht wirklich geglaubt, dass wir dich an so einem Tag alleine lassen!«, rief sie.

»Wir fahren jetzt alle zu dir nach Hause und trinken die Flasche dort aus.«

Julia ergänzte: »Und wenn die eine nicht reicht, hast du bestimmt noch mehr Alkohol daheim. Damit uns nicht sofort schlecht wird, habe ich auch schon die Nummer des Pizzadienstes in deinem Kaff herausgesucht.«

Mona spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Julia und Cecilia waren ihre besten Freundinnen. Sie kannten sich schon seit dem Gymnasium, wo sie in einer Bankreihe gesessen hatten. Nach der Hochzeit mit Lars und der Geburt von Nele gab es phasenweise nicht so viel Kontakt, aus den Augen verloren hatten sie sich aber nie. Regelmäßig trafen sie sich zu Geburtstagen in Hamburg, meistens in irgendeinem kleinen Restaurant. Nach der Trennung von ihrem Mann war der Kontakt wieder intensiver worden. Ihre Freundinnen hatten sie häufig auf dem Land besucht und Mona konnte sich bei ihnen ausheulen. In langen Gesprächen waren sie wieder enger zueinander gerückt. Aber wann die Scheidung stattfinden würde, hatte sie ihnen nicht gesagt.

»Woher kanntet ihr den Termin?« Sie drehte sich zu ihrer Anwältin um und sah sie fragend an.

»Nein, nein, ich habe nichts damit zu tun. Schweigepflicht, Sie wissen doch. Jetzt, wo Ihre Freundinnen da sind, darf ich mich verabschieden. Ich bin froh, dass Sie den heutigen Tag nicht alleine verbringen müssen. Wie schön, dass Sie so gute Freundinnen haben.« Frau Martini winkte allen zu und machte sich auf den Weg zu ihrem Auto.

»Ich habe Nele angerufen. Die war total froh, als sie hörte, dass wir dich abholen. Sie wollte ja auch erst kommen, aber das hattest du ihr wohl verboten. Nele macht sich natürlich Sorgen und wollte nicht, dass du an diesem Tage ganz alleine bist. War das übrigens gerade die Neue von Lars, die da vorm Gericht stand und auf ihn wartete? Sie ist ihm um den Hals gefallen, als er nach draußen kam. Die sieht ja blutjung aus.« Sie schüttelte ihre blondierten Locken. »Das ist total typisch Mann. Zur Potenzsteigerung ein junges Weibchen.«

»Jetzt mach mal halblang, Julia«, unterbrach Cecilia sie, »Das haben wir schon oft genug diskutiert und müssen wir hier nicht fortsetzen.« Sie legte den Arm um Mona und schaute sie mitfühlend an. »Wie war der Termin? Hat Lars sich anständig benommen? Hat er dir heute wirklich seine neue Freundin vorgestellt? Das wäre ja typisch Lars, der hatte noch nie ein Gespür dafür, wann etwas angemessen ist und wann nicht. Ich habe die beiden leider verpasst, weil ich so dringend aufs Klo musste. «

»Äh, hast du nicht gerade zu mir gesagt, dass das hier nicht der richtige Ort ist?« Julia strich ihre Haare mit beiden Händen hinters Ohr und sah Cecilia auffordernd an. »Obwohl«, sie wandte sich zu Mona um, »das würde mich jetzt auch interessieren? Hat er wirklich die Frechheit gehabt, sie dir vorzustellen! Und wie ist sie so?«

Mona konnte trotz ihrer Tränen ein Kichern nur mühsam unterdrücken. Das war wieder typisch. Julia und Cecilia mussten sich immer kabbeln, seit der Schulzeit hatte sich daran nichts geändert. Bessere Freundinnen konnte sie sich gar nicht wünschen. Und wie schön, dass sie diesen schwierigen Tag nicht alleine verbringen musste.

Getrauert hatte sie wirklich schon genug. Schließlich fing heute ihr neues Leben an.

»Darf ich jetzt tatsächlich auch etwas sagen oder wollt ihr euch weiter ohne mich unterhalten?« Sie lächelte die beiden an und wischte gleichzeitig mit einem Taschentuch über ihre Augen. Wahrscheinlich sah sie jetzt aus wie ein Panda. »Das heute war eine Angelegenheit zwischen Lars und mir und hatte mit Nele gar nichts zu tun. Leider hat Lars das nicht verstanden und mir seine neue Freundin vorgestellt. Sie heißt übrigens Vanessa und sieht eigentlich ganz nett aus. Mir tut sie schon fast leid. Viel mehr weiß ich auch nicht. Es ist total süß von euch, dass ihr hier seid. Das werde ich euch nie vergessen. Und jetzt fahren wir erst einmal zu mir. Es sieht zwar nicht mehr so gemütlich aus, weil schon Einiges in Kisten verpackt ist. Ich finde aber, dass das zur Situation passt. Wir trinken dann auf mein neues Leben bei euch in Hamburg.« Sie legte die Arme um ihre beiden Freundinnen. Gemeinsam gingen sie zu ihrem Auto.

Cecilia drückte ihr die Flasche in die Hand. »Am besten, ihr beide fahrt zusammen und ich folge euch mit meinem Auto. Ich habe etwas weiter weg geparkt, fahrt ruhig schon los.«

Julia prustete laut. »Etwas weiter weg geparkt ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Wir mussten fast zehn Minuten zu Fuß gehen, weil Cecilia kein Navi in ihrem alten Auto hat und wir den Weg nicht gefunden haben. Ein Glück, dass wir rechtzeitig hier waren.«

Cecile hob abwehrend ihre Hand. »Ich dachte ja auch, dass du dein iPhone dabeihast, normalerweise schleppst du das Teil doch überallhin mit. Ich konnte nun wirklich nicht ahnen, dass es ausgerechnet heute anders ist, sonst hätte ich mir natürlich vorher die Route ausgedruckt.«

»Ja, ja. Woher sollte ich auch wissen, dass du kein Navi hast. Das hat doch heutzutage jeder. Mein iPhone ist kaputt, morgen bekomme ich ein neues. Und mein Wagen ist zur Inspektion in der Werkstatt«, maulte Julia.

»Nächstes Mal fahren wir halt mit deiner Luxuskarosse anstatt mit meinem kleinen Gefährt. Bei dem Benzinverbrauch schädigen wir dann zwar die Umwelt noch mehr, aber egal.« Cecilia lebte sehr umweltbewusst und fuhr nur mit ihrem alten VW-Bus, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.

»Was an dem alten Gefährt umweltfreundlich ist, weiß ich wirklich nicht. Der verbraucht doch doppelt so viel Sprit wie mein BMW.« Julia musste wie immer das letzte Wort haben.

»Es wird kein nächstes Mal geben, ihr Lieben. Und wenn ihr jetzt so weiter macht, fahre ich doch lieber alleine nach Hause und trink mir einen an.« Mona ging um ihr Auto herum und öffnete die Türen.

Julia und Cecilia hoben gleichzeitig die rechte Hand und salutierten.

»Aye, aye, ma capitaine. Euer Wunsch ist uns Befehl.« Das war ein alter Scherz aus der Schulzeit.

Immer dann, wenn Mona keine Lust mehr auf die kleinen Streitereien der beiden hatte, taten sie sich schnell wieder zusammen und reagierten auf diese Weise.

Inzwischen war es zu so etwas wie einem geflügelten Satz von ihnen allen geworden.

»Was du uns gleich noch in Ruhe erzählen musst«, Julia, nahm auf dem Vordersitz des Golfs Platz, »ist, warum ausgerechnet du Mitleid mit der Neuen von Lars hast?«

2

Vanessa

Auf der Fahrt zurück nach Hamburg schaute Vanessa immer wieder zu Lars, der mit seinem BMW in gewohnter Weise auf der Überholspur der Autobahn fuhr und seinem Ärger über »lahme Enten!« durch lautstarke Beleidigungen Luft machte. Das war eine der wenigen Eigenschaften, die sie nicht an ihm schätzte. Zudem konnte sie es immer noch nicht so wirklich verstehen, was dieser siebenundvierzigjährige selbstständige Unternehmensberater, gutaussehend und erfolgreich noch dazu, an ihr fand. Erst recht, nachdem sie seine Frau heute gesehen hatte. Ex-Frau, korrigierte sie sich selber. Das »Ex« würden beide heute mit einem Essen bei ihrem Lieblingsitaliener feiern. Der Tisch war schon bestellt.

Vanessas Gedanken wanderten wieder zu Mona. Was für eine attraktive Frau. So hatte sie sich die Ex von Lars nun wirklich nicht vorgestellt.

Vermutlich deshalb, weil er von ihr immer nur als meinem langweiligen Hausmütterchen gesprochen hatte. Also langweilig hatte Mona heute mit ihrer schicken Kurzhaarfrisur und dem Mantel mit Leo-Print wirklich nicht ausgesehen. Sie selber würde so einen Mantel zwar nie tragen, aber trotzdem.

Natürlich war es nicht in Ordnung von Lars gewesen, sie zu dem Scheidungstermin mitzunehmen. Das hatte Vanessa ihm vorher auch gesagt. Warum war sie dennoch mitgefahren? Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, dann deshalb, weil sie Mona wenigstens einmal mit eigenen Augen sehen wollte. Gut, das hatte geklappt. Aber um welchen Preis?

Vanessa rief sich zur Ordnung. Du bist neunundzwanzig Jahre alt und erfolgreich in deinem Job als Fotografin. Hör auf, dich zu vergleichen. Wenn du genauso wärst wie Mona, wäre Lars nicht mit dir zusammen.

Sie umfasste mit ihrer linken Hand die von Lars und sagte mit betont fröhlicher Stimme: »Und wie fühlst du dich jetzt, wo alles vorbei ist?«

Lars drehte den Kopf kurz zu ihr, bevor er seinen Blick wieder auf die Fahrbahn richtete. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es gar nicht«, sagte er mit ungewohnt rauer Stimme. »Es war schon komisch heute im Gerichtssaal. Ich meine, Mona so zu sehen. Das war irgendwie das Gefühl von Niederlage.«

»Bereust du es?« Vanessa hasste sich sogleich für ihre etwas zittrige Stimme.

»Nein, nein, mein Schatz!« Schnell drückte er ihre Hand. »Auf keinen Fall. Das meinte ich nicht. Mach dir bitte keine Sorgen. Es ist nur so, wenn man heiratet, denkt man ja, dass es für immer ist. Du weißt schon, bis das der Tod uns scheidet und so. Und heute vor Gericht …« Lars verstummte, legte beide Hände auf das Lenkrad und beschleunigte den Wagen.

Zum ersten Mal, seit sie zusammen waren, merkte Vanessa, dass Lars die Scheidung nahe ging. Bisher hatte er immer beteuert, es sei normal, sich zu trennen, wenn man sich auseinandergelebt hätte. Eine Einstellung, der Vanessa ohne Wenn und Aber zustimmte. Für sie käme eine richtige Beziehung ohne Liebe auch niemals in Frage. Sie kannte Lars jetzt über ein Jahr. Anfangs ging sie davon aus, dass ihr Verhältnis nur kurze Zeit dauern würde.

Schließlich waren sie zu unterschiedlich: Er, der gut situierte Unternehmer und sie, die kleine Selbstständige, die jeden Euro umdrehen musste. Vom Altersunterschied ganz zu schweigen.

Kennengelernt hatten sie sich bei einer Feier ihres Freundes Sam. Sie hatte für Sam Fotos von seiner Firma gemacht, die er im Rahmen des zehnjährigen Bestehens seines IT-Unternehmens ausgestellt hatte.

Dort war auch Lars erschienen, zusammen mit einem Geschäftspartner. Es war keine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie war mit Lars ins Gespräch gekommen, nachdem Sam sie und ihre Bilder vorgestellt hatte. Lars hatte ihr ein paar Komplimente für die Bilder gemacht, nach Ende der Veranstaltung war sie mit ihm, Sam und ein paar anderen Leuten etwas trinken gegangen. Der Abend endete damit, dass sie Lars in nicht mehr ganz nüchternem Zustand mit in ihre Wohnung genommen hatte. Vanessa war zu diesem Zeitpunkt solo und hatte Lust auf ein sexuelles Erlebnis mit einem attraktiven, interessanten Mann. Der Sex war überraschend einfühlsam und befriedigend. So etwas hatte sie lange nicht mehr erlebt.

Natürlich wusste sie, dass Lars verheiratet war. Das hatte er ihr sofort gesagt. Er konnte daher in dieser Nacht auch nicht bei ihr bleiben und verließ sie gegen zwei Uhr morgens. Telefonnummern hatten sie damals nicht ausgetauscht. Lars hatte schließlich gewusst, wie er sie erreichen konnte.

Vanessa war davon ausgegangen, dass auch Lars nur einen One-Night-Stand gesucht hatte. Umso erstaunter war sie, als er sie schon am nächsten Tag in ihrem Fotostudio anrief.

Sie verabredeten sich zum Mittagessen und redeten so lange, bis der Wirt sie mit sanfter Gewalt aus dem Lokal drängte. So hatte es begonnen und sie hatte es von Anfang an genossen. Und das war bis heute so geblieben. Gedanken über die Familie von Lars hatte sie mehr oder weniger ausgeblendet. Sie hatte sich in diesen Mann verliebt und alles andere ignoriert. Bis heute. Wäre sie doch bloß nicht mit zum Gerichtstermin gefahren.

»Meinst du, dass deine Exfrau alleine zurechtkommt?«, fragte sie Lars, als sie am Horner Kreisel angelangt waren.

»Mona? Wie kommst du jetzt auf die? Du hast dich doch vorher auch nicht für sie interessiert.«

»Vorher kannte ich sie ja auch nicht«, antwortete sie in schnippischem Tonfall.

»Verstehe, du nimmst es mir immer noch übel, dass ich dich mit zum Termin genommen habe. War wohl auch tatsächlich keine besonders gute Idee von mir. Ich wollte halt, dass ihr beiden euch mal kennenlernt. Kann ja sein, dass ihr euch noch mal begegnet.«

»Wo bitte sollten wir uns denn zukünftig begegnen?«

»Na ja, vielleicht auf Familienfesten oder so. Du weißt schon.«

»Nein, ich weiß es nicht.« Sie hasste sich sofort für die Eifersucht, die sie gerade verspürte. »Das ist das Erste, was ich höre. Ich meine, du weißt, dass ich Nele sehr gern habe. Aber warum sollte ich noch einmal mit Mona zusammentreffen?«

Lars schwieg und blickte demonstrativ nach vorn.

Vanessa lehnte sich im Sitz zurück und schaute aus dem Seitenfenster. War das jetzt ihr erster richtiger Streit? Wegen der Exfrau? Und das an einem Tag, der doch eigentlich ein glücklicher sein sollte. Schließlich war ihr Lars endlich ein freier Mann. An der nächsten roten Ampel beugte er sich zu ihr hinüber und gab ihr einen zarten Kuss auf die Wange.

»Komm, lass uns doch bitte das Thema wechseln. Wir machen gleich einen Spaziergang um die Alster und gehen heute Abend zu ›Luigi‹, wie abgemacht. Und vor dem Essen kannst du einmal ausprobieren, wie der Sex mit mir als Single so funktioniert.«

Vanessa musste gegen ihren Willen lachen, ihre trüben Gedanken verschwanden. »Da hast du den Rest des Tages ja schon gut verplant. Woher weißt du eigentlich, dass ich keine weiteren Termine mehr habe?«, fragte sie provokant.

»Ich wusste es nicht, habe es aber vermutet. Schließlich wollten wir heute doch ganz besonders feiern.« Er stieg nicht drauf ein und küsste sie erneut, dieses Mal auf den Mund.

Vanessa spürte den Kuss bis in ihren Unterleib. Sie hätte jetzt sofort mit ihm im Auto Sex haben können.

»Vielleicht können wir die Reihenfolge ändern? Du weißt schon, erst der Sex und dann der Spaziergang?«

Lars lachte sie an und gab Vollgas.

Der Spaziergang um die Alster fiel flach. Lars und Vanessa verbrachten den Nachmittag zusammen im Bett. Kaum, dass sie das Appartement erreicht hatten, fielen sie auch schon übereinander her. Vanessa konnte gerade noch die Tür schließen. Lars schob die Hand unter ihren Pullover, zielstrebig auf der Suche nach ihrer Brustwarze, die er mit seinen Fingern zu kneten begann. Gleichzeitig küsste er sie heftig auf den Mund. Vanessa erwiderte seinen Kuss mit einer wilden Leidenschaft. Blöderweise musste sie dabei an Mona denken. Hatte er das mit ihr auch so gemacht? Sofort verbot sie sich die Vorstellung und überließ sich ganz ihren Empfindungen.

Nach einer ersten schnellen Vereinigung blieben sie im Bett und tranken den von Vanessa extra für den Anlass kalt gestellten Prosecco. Danach liebten sie sich noch einmal, langsamer und intensiver. Irgendwann danach schlief Lars ein.

Durch die Balkontür sah Vanessa die letzten Sonnenstrahlen. Es war inzwischen sechs Uhr abends geworden, der Tisch war für acht bestellt. Ihr Blick fiel auf den Kleiderständer auf Rollen direkt neben dem Bett. Dort hingen die Anzüge von Lars, die er für seinen Job brauchte. Weitere Klamotten von ihm befanden sich in ihrem Schrank, der jetzt aus allen Nähten platzte.

Vanessa liebte ihre kleine Zwei-Zimmer-Wohnung im Schanzenviertel. Obwohl Lars nur wenig aus seinem früheren Zuhause mitgebracht hatte – das meiste hatte er eingelagert oder in seiner Firma deponiert – wirkte die Wohnung vollgestopft. Zu überladen für Vanessas Geschmack. Bislang hatten sie noch nicht darüber gesprochen, wie es wohntechnisch weitergehen würde. Erst sollte der Scheidungstermin abgewartet werden. Nun ja, diese Hürde war jetzt genommen.

Vanessa seufzte. Die Vorstellung, aus ihrer vertrauten Wohnung auszuziehen, gefiel ihr nicht. Anderseits konnte sie mit Lars hier auf Dauer nicht zusammenleben und zusammenleben wollte sie mit ihm. Es war sowieso rätselhaft, wie er es in der Wohnung so lange mit ihr ausgehalten hatte.

Er, der doch an ein großes Haus gewöhnt war. Sie seufzte noch einmal.

»Was ist los, geht es dir nicht gut?« Lars war aufgewacht und setzte sich auf. Er legte ihr den Arm um die Schulter und presste sie an sich.

»Nein, es ist alles okay. Ich habe nur nachgedacht.«

»Leg dich wieder hin. Wir haben noch Zeit, bis wir zum Essen aufbrechen müssen. Lass uns versuchen, ob wir es nicht noch ein drittes Mal hinbekommen.«

Vanessa schubste ihn spielerisch von sich. »Du bist unersättlich. Ich muss jetzt duschen und mich hübsch anziehen. Schließlich wollen wir doch feiern. Außerdem habe ich Hunger. Vielleicht können wir ein bisschen früher gehen.«

Vanessa stand auf und streckte sich, bevor sie ins Badezimmer ging. Dort schaute sie in den großen ovalen Spiegel über dem Waschbecken. Sie musterte sich kritisch. Ihre langen Haare hingen wirr herunter. Wie immer fand sie ihre Nase zu groß und ihre blauen Augen zu eng beieinanderstehend. Daran würde sich in diesem Leben nichts mehr ändern. Sie zog eine Grimasse und streckte die Zunge heraus. Dann stellte sie sich unter die Dusche und fing an, sich mit Duschgel einzuseifen. Kurze Zeit später erschrak sie, denn Lars stieg zu ihr und umfasste ihre Brüste von hinten. Sie hatte nicht gemerkt, dass er den Raum betreten hatte; der Dampf der heißen Dusche beschlug alles im kleinen Badezimmer. Vanessa ließ sich gegen ihn fallen und gab sich noch einmal dem wohligen Kontakt mit seinem Körper hin. Sie spürte, dass Lars schon wieder erregt war und überlegte, ob sie es mit ihm in der Dusche treiben sollte.

So viel Sex hatte sie seit ihren frühen Zwanzigern nicht mehr gehabt. Dann dachte sie an den Tisch bei Luigi und hörte ihren Magen knurren. So viel zum Sex.

Sie drehte sich um und gab Lars einen Kuss auf sein Schlüsselbein. Während sie sich abtrocknete, überlegte sie, welches Kleid sie anziehen sollte. Lars mochte kurze, enge Kleider. Das hatte er ihr schon beim ersten Mal erzählt, als er ihr das anliegende schwarze Wollkleid ausgezogen hatte, das sie sich extra für den Abend bei Sam gekauft hatte. Vielleicht sollte sie es zur Feier des Tages anziehen. Eigentlich war Vanessa eher der Jeanstyp, bis jetzt hatte sie nie gerne Kleider getragen. Seit sie mit Lars zusammen war, fühlte sie sich auf einmal in kurzen Röcken und Kleidchen sexy und hatte in ein paar kleinen Läden in der Nachbarschaft ihre Garderobe ergänzt.

In ein Badetuch gehüllt öffnete sie den Kleiderschrank. So viele Auswahlmöglichkeiten für einen festlichen Anlass hatte sie nicht, sie griff nach dem schwarzen Kleid. Vermutlich war es etwas zu warm für das schöne Wetter. Als Lars einige seiner Sachen in den Kleiderschrank geräumt hatte, war er erstaunt darüber gewesen, wie wenig Kleidung sie besaß.

»Mona hat einen doppelt so großen Schrank, randvoll gefüllt mit Klamotten.«

»Wer braucht schon so viele Sachen?«, hatte sie geantwortet und war stolz darauf gewesen, sich von seiner Frau zu unterscheiden.

Heute wäre sie froh, wenn sie ein wenig mehr Auswahl hätte. Und Mona hatte wirklich toll ausgesehen mit dem Mantel und den schicken Stiefeln.

Eineinhalb Stunden später saßen sie sich bei »Luigi« gegenüber und prosteten sich mit Champagner zu. Den hatte Lars zur Feier des Tages ausgesucht. Um diese Uhrzeit war das Restaurant fast leer, nur ein weiterer Tisch war besetzt. An dem saßen vier ältere Frauen, die sich lebhaft unterhielten.

Vanessa hatte schon zwei der kleinen Brötchen aufgegessen, die ein Kellner zusammen mit einer Flasche Olivenöl auf den Tisch gestellt hatte. Sie verbot sich den Gedanken an ein weiteres und musterte Lars, der immer noch in die Speisekarte vertieft war.

»Eigentlich solltest du die Karte auswendig können, so oft, wie wir hier waren. Vermutlich isst du doch sowieso wieder dasselbe«, neckte sie ihn. »Vorweg italienische Vorspeisen und danach irgendein Stück Fleisch mit Gemüse.

---ENDE DER LESEPROBE---