Vita contemplativa - Byung-Chul Han - E-Book

Vita contemplativa E-Book

Byung-Chul Han

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Beschreibung

Ein inspirierender Gegenentwurf zu Hannah Arendts Vita activa oder vom tätigen Leben Die Fähigkeit zur Untätigkeit kommt uns gänzlich abhanden. Dabei ist Untätigkeit keine Negation, keine Verweigerung, keine bloße Abwesenheit von Tätigkeit, sondern ein eigenständiges Vermögen. Byung-Chul Han spürt dem Reichtum, der Pracht und der Magie der Untätigkeit nach und entwirft eine neue Lebensform.

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Vita contemplativa

Der Autor

BYUNG-CHUL HAN, geboren 1959, studierte in Freiburg im Breisgau und in München Philosophie, deutsche Literatur und katholische Theologie. Er war Professor für Philosophie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und an der Universität der Künste Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter »Müdigkeitsgesellschaft«, »Transparenzgesellschaft«, »Die Errettung des Schönen«, »Psychopolitik« und »Die Austreibung des Anderen«.Bei Ullstein sind erschienen: »Lob der Erde«, »Vom Verschwinden der Rituale« sowie »Undinge«. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Das Buch

Die Fähigkeit zur Untätigkeit kommt uns gänzlich abhanden. Dabei ist Untätigkeit keine Negation, keine Verweigerung, keine bloße Abwesenheit von Tätigkeit, sondern ein eigenständiges Vermögen. Byung-Chul Hans neuer Essay stellt Untätigkeiten als Glanzformen der menschlichen Existenz dar. Er zeigt überzeugend, dass die gegenwärtige Krise unserer Gesellschaft nach einer ganz anderen Lebensform ruft, die auf der Vita contemplativa beruht. Er plädiert dafür, menschliches Handeln um ein kontemplatives Moment zu ergänzen. Nur so können wir der Zerstörung der Natur entgegenwirken.

Byung-Chul Han

Vita contemplativa

oder von der Untätigkeit

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Ullstein ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH© 2022 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Rudolf Linnnach einer Idee von Byung-Chul HanAutorenbild: © privatE-Book powered by pepyrus

ISBN 978-3-8437-2847-8

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Ansichten der Untätigkeit

Eine Marginalie zu Zhuangzi

Vom Handeln zum Sein

Der absolute Seinsmangel

Das Pathos des Handelns

Die kommende Gesellschaft

Anmerkungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Ansichten der Untätigkeit

Dudu lehrstdu lehrst deine Händedu lehrst deine Hände du lehrstdu lehrst deine HändeschlafenPaul CelanWir sind aus dem Stoff, aus dem dieTräume sind; und unser kurzes Leben istumringt vom Schlaf.William ShakespeareIch gab auf, ehe ich geboren wurde.Samuel Beckett

Ansichten der Untätigkeit

Wir gleichen immer mehr jenen Tätigen, die »rollen, wie der Stein rollt, gemäß der Dummheit der Mechanik«.1 Da wir das Leben nur noch auf Arbeit und Leistung hin wahrnehmen, begreifen wir die Untätigkeit als Defizit, das es schnellstmöglich zu beheben gilt. Die menschliche Existenz wird von Tätigkeit restlos absorbiert. Dadurch ist sie ausbeutbar. Wir verlieren den Sinn für die Untätigkeit, die kein Unvermögen, keine Verweigerung, keine bloße Abwesenheit von Tätigkeit, sondern ein eigenständiges Vermögen darstellt. Die Untätigkeit hat ihre eigene Logik, ihre eigene Sprache, ihre eigene Zeitlichkeit, ihre eigene Architektur, ihre eigene Pracht, ja ihre eigene Magie. Sie ist keine Schwäche, kein Mangel, sondern eine Intensität, die aber in unserer Aktiv- und Leistungsgesellschaft weder wahrgenommen noch anerkannt wird. Wir haben keinen Zugang zum Reich und zum Reichtum der Untätigkeit. Die Untätigkeit ist eine Glanzform der menschlichen Existenz. Heute ist sie zu einer Leerform der Tätigkeit verblasst.

In kapitalistischen Produktionsverhältnissen kehrt die Untätigkeit als eingeschlossenes Außen wieder. Wir nennen sie ›Freizeit‹. Da sie zur Erholung von der Arbeit dient, bleibt sie deren Logik verhaftet. Als ein Derivat der Arbeit bildet sie ein Funktionselement innerhalb der Produktion. Zum Verschwinden gebracht wird dadurch die freie Zeit, die nicht zur Ordnung der Arbeit und Produktion gehört. Wir kennen jene heilige, festliche Ruhe nicht mehr, die »Lebensintensität und Kontemplation in sich vereinigt, ja, diese auch dann noch zu vereinigen vermag, wenn sich die Lebensintensität zur Ausgelassenheit steigert«.2 Der ›Freizeit‹ fehlen sowohl Lebensintensität als auch Kontemplation. Sie ist eine Zeit, die wir totschlagen, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Sie ist keine freie, lebendige Zeit, sondern eine tote Zeit. Intensives Leben bedeutet heute vor allem mehr Leistung oder mehr Konsum. Wir haben vergessen, dass gerade die Untätigkeit, die nichts produziert, eine Intensiv- und Glanzform des Lebens darstellt. Dem Zwang zur Arbeit und Leistung wird eine Politik der Untätigkeit entgegenzusetzen sein, die eine wirklich freie Zeit hervorzubringen vermag.

Die Untätigkeit bildet das Humanum. Der Anteil der Untätigkeit am Tun macht dieses genuin menschlich. Ohne Moment des Zögerns oder des Innehaltens sinkt das Handeln zur blinden Aktion und Reaktion herab. Ohne Ruhe entsteht eine neue Barbarei. Schweigen vertieft das Sprechen. Ohne Stille gibt es keine Musik, sondern nur Lärm und Geräusch. Spiel ist die Essenz der Schönheit. Wo allein das Schema von Reiz und Reaktion, von Bedürfnis und Befriedigung, von Problem und Lösung, von Ziel und Handlung herrscht, verkümmert das Leben zum Überleben, zum nackten animalischen Leben. Das Leben erhält seinen Glanz erst von der Untätigkeit. Kommt uns die Untätigkeit als Vermögen abhanden, gleichen wir einer Maschine, die nur zu funktionieren hat. Das wahre Leben beginnt in dem Moment, in dem die Sorge um das Überleben, die Not des schieren Lebens aufhört. Der letzte Zweck menschlicher Anstrengungen ist die Untätigkeit.

Handeln ist zwar konstitutiv für die Geschichte, ist aber keine kulturbildende Kraft. Nicht der Krieg, sondern das Fest, nicht die Waffe, sondern der Schmuck ist der Ursprung der Kultur. Geschichte und Kultur sind nicht deckungsgleich. Nicht direkte Wege zum Ziel, sondern Abschweifungen, Ausschweifungen und Umwege bilden die Kultur. Der Wesenskern der Kultur ist ornamental. Sie ist außerhalb der Funktionalität und Nützlichkeit angesiedelt. Mit dem Ornamentalen, das sich von jedem Ziel und Nutzen emanzipiert, beharrt das Leben darauf, dass es mehr ist als das Überleben. Das Leben erhält seinen göttlichen Glanz von jener absoluten Dekoration, die nichts schmückt: »Daß der Barock dekorativ sei, sagt nicht alles. Er ist decorazione assoluta, als hätte diese von jedem Zweck, auch dem theatralischen sich emanzipiert und ihr eigenes Formgesetz entwickelt. Sie schmückt nicht länger etwas, sondern ist nichts anderes als Schmuck.«3

Am Sabbat muss jede Tätigkeit ruhen. Es darf keinem Geschäft nachgegangen werden. Die Untätigkeit und die Aufhebung der Ökonomie sind wesentlich für das Sabbat-Fest. Der Kapitalismus hingegen macht selbst das Fest zur Ware. Aus dem Fest werden Events und Spektakel. Diesen fehlt die kontemplative Ruhe. Als Konsumformen des Festes stiften sie keine Gemeinschaft. In seinem Essay Die Gesellschaft des Spektakels bezeichnet Guy Debord die Gegenwart als eine festlose Zeit: »Diese Epoche, die sich selbst ihre Zeit wesentlich als die beschleunigte Wiederkehr vielfältiger Festlichkeiten zeigt, ist ebenso eine Epoche ohne Feste. Was in der zyklischen Zeit der Moment der Teilnahme einer Gemeinschaft an der luxuriösen Verausgabung des Lebens war, ist der Gesellschaft ohne Gemeinschaft und ohne Luxus unmöglich.«4

Die Epoche ohne Feste ist eine Epoche ohne Gemeinschaft. Heute wird zwar überall die Community beschworen, aber sie ist eine Warenform der Gemeinschaft. Sie lässt kein Wir entstehen. Der entfesselte Konsum isoliert und vereinzelt die Menschen. Konsumenten sind einsam. Auch die digitale Kommunikation erweist sich als Kommunikation ohne Gemeinschaft. Soziale Medien beschleunigen den Abbau der Gemeinschaft. Der Kapitalismus verwandelt die Zeit selbst in eine Ware. Dadurch verliert sie jede Festlichkeit. Zur Kommerzialisierung der Zeit bemerkt Debord: »Die Wirklichkeit der Zeit ist durch die Werbung für die Zeit ersetzt worden.«5

Neben Gemeinschaft ist der Luxus ein konstitutives Merkmal des Festes. Er hebt ökonomische Zwänge auf. Als gesteigerte Lebendigkeit, als Intensität ist er ein Luxieren, das heißt ein Abschweifen, ein Abweichen von der Notwendigkeit und Notdurft des schieren Lebens. Der Kapitalismus hingegen verabsolutiert das Überleben. Im Leben, das zum Überleben verkümmert, verschwindet der Luxus. Selbst die höchste Leistung erreicht ihn nicht. Arbeit und Leistung gehören in die Ordnung des Überlebens. Es gibt kein Handeln in Luxusform, denn es beruht auf einem Mangel. Im Kapitalismus wird selbst der Luxus konsumiert, er wird warenförmig und verliert Festlichkeit und Glanz.