Voilà, it's Murder - Tödliche Séance - Mabel Hawthorne - E-Book

Voilà, it's Murder - Tödliche Séance E-Book

Mabel Hawthorne

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Beschreibung

Die Sommersonne verwandelt Hazels Londoner Apartment in einen regelrechten Backofen. Da kommt es gerade recht, dass ihr bester Freund, Lord Alistair, sie und ihre Mitbewohnerin Fleur zu einer Party auf Blackwood Manor, seinem Landsitz in den Cotswolds einlädt. Ein Wochenende auf dem Land klingt genau nach der Art von Erholung, nach denen sich die Großstädterinnen sehnen. Da stört es sie nicht einmal, dass Alistair auf eine Kostümierung im Stil der Zwanzigerjahre besteht und als Stargast des Abends einen berühmten Mentalisten eingeladen hat, der in einer Séance die Geister im Jenseits anrufen soll. Tatsächlich gibt es Kontakt mit der Totenwelt, doch der verläuft anders als geplant ...

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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IMPRESSUM

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

IMPRESSUM

© Thalia Bücher GmbH

Batheyer Str. 115-117, 58099 Hagen, 2025

Alle Rechte vorbehalten.

KAPITEL 1

»Ich bereue«, murmelte Hazel und führte den Taschenventilator näher an ihr Gesicht, wobei die winzigen Plastikrotorblätter so dicht an ihren Augen sie verunsicherten.

»Oui.« Fleurs Stimme klang gedämpft unter dem feuchten Handtuch hervor, das sie auf ihr Gesicht gelegt hatte. Sie hatte es sich auf der Couch bequem gemacht und fächelte sich zusätzlich noch Luft zu. »Das solltest du auch.«

Hazels französische Untermieterin verströmte sogar mit verborgenem Antlitz noch eine sphärische Eleganz. Ihr dunkles Haar bildete unter dem Kopf einen Schleier und das weiße Sommerkleid betonte ihren schmalen Körper.

»Der Einbau wäre so teuer gewesen«, ergänzte Hazel. »Aber ich bereue es jeden Sommer.«

Wieder hatte sie sich im letzten Jahr dagegen entschieden, ihre Wohnung mit einer Klimaanlage auszustatten. In Herbst und Winter vergaß man das bei Kälte und Regen nur allzu leicht. Oder verdrängte. Oder hatte andere Ausgaben. Im Frühling kam dann langsam die Erinnerung an schlaflose verschwitzte Nächte zurück. Und sobald die Temperaturen erstmals die fünfunddreißig Grad überschritten, war es zu spät, um überhaupt noch klar zu denken.

»Morgen werden es vierzig Grad«, wiederholte Fleur das Todesmantra. »Wir werden einfach umfallen.« Sie deutete mit dem Finger in Richtung Wand, wollte aber wohl in Wahrheit auf ihre teure Birkin Bag zeigen, die in der Nähe stand. »Ich habe gestern Eclairs darin verstaut. Am Abend war die Schokoladenglasur überall verteilt.«

Was sogar Hazel erschütterte, vor allem, als sie die Kosten für die Reinigung erfuhr. Glücklicherweise war Fleur Profi und hatte es irgendwie mit allen möglichen Reinigungsutensilien aus dem Kostümverleih, wo sie arbeitete, aus eigener Kraft geschafft; kein Fleck war zurückgeblieben. Es hatte doch seinen Grund, dass Rosie und Halina – die Chefinnen des Verleihs – Fleur vor einigen Monaten engagiert hatten. Sie war nicht nur hervorragend im Verkauf, sie konnte jedes Loch stopfen und kein Fleck war vor ihr sicher. »Die Zeit beim Film als Kostümbildnerin zahlt sich eben doch aus. Einmal mussten wir beinahe die Produktion stoppen, weil wir einen Fleck nicht herausbekamen. Soweit ich weiß, hat meine damalige Chefin ein spezielles Fleckenmittel hergestellt, das sie heute sogar patentiert hat. Sie wollte mir die Rezeptur nicht verraten. Ich musste mir auf die harte Tour meine Expertise erarbeiten. Aber heute schaffe ich jeden Eclair-Fleck, voilà!«

»Ist es in Paris kühler um diese Zeit?« Hazel führte den Taschenventilator in kreisenden Bewegungen einen Zentimeter vor ihrem Gesicht vorbei. Gleichzeitig ging sie auf und ab. Wenigstens war ihr Wohn- und Esszimmer, das direkt in die Küche überging, groß genug dafür.

»Non«, erwiderte Fleur. »Aber ich habe in den heißen Zeiten oft meine Großmutter besucht. Sie wohnt auf dem Land, nicht weit von Paris. Das Haus ist sehr alt, die Wände aus dickem Stein. Man tritt ein und es ist sofort kühl.« Ihre Stimme bekam einen schwärmerischen Klang.

»Ich bin für eine Einladung offen«, sagte Hazel. »In Frankreich war ich bisher lediglich in Paris und alles drum herum ist unbekanntes Land.«

»Möglicherweise könnte das endlich Grandmamas Vorurteile gegen Engländer abbauen«, sinnierte Fleur durch das feuchte Handtuch.

Hazel stoppte in der Bewegung. Sie ging zu dem Sessel neben der Couch, nahm darauf Platz und beugte sich in Richtung Fleur. »Was hat sie denn gegen uns?«

»Es hat etwas mit eurer Esskultur zu tun.«

»Was ist damit?«

»Ihr habt keine.« Fleur kicherte. »Ach, sie ist einfach vom alten Schlag. Und hat ihre Informationen über Engländer aus Büchern. Aus alten Büchern. Ein Kulturschock wäre heilsam.«

Was wohl für viele Menschen galt.

In diesem Augenblick hämmerte es gegen die Tür. Hazel zuckte erschrocken zusammen, worauf ihr Taschenventilator problemlos diesen einen Zentimeter, der ihn von ihrer Nase trennte, zurücklegte und die Plastikrotorblätter dagegen schrammten. Das führte bedauerlicherweise zum zweiten Reflex. Sie warf das Gerät weg. Es vollführte einen sauberen Parabelflug und landete ... auf dem Handtuch.

»Aua!« Fleur zog es weg. »Warum bewirfst du mich?«

»Eine freundliche Geste.« Hazel zwinkerte. »Du darfst den Ventilator jetzt benutzen.« Sie sprang auf und ging zur Tür.

Aktuell wurde der Fish-&-Chips-Laden unter ihnen renoviert, weshalb die Eingangstür zum Haus tagsüber die meiste Zeit offenstand. Jeder konnte hereinspazieren und mal eben an ihre Tür hämmern.

In diesem Fall war es jedoch berechtigt. Ein Bote wartete davor und hielt einen Expressbrief in Händen. »Hazel Evans?«

»In Person.« Sie nahm den Brief an und quittierte den Erhalt.

Der Bote wandte sich mit einem kurzen Nicken ab. Die Stufen knarzten unter seinen Sohlen, als er das Haus verließ.

Hazel schloss die Tür. »Von Alistair. Wieso schickt er einen Brief? An uns beide?«

»Mach ihn auf.« Fleur schaltete den Ventilator ein und hielt ihr Gesicht in den Luftstrom.

Hazel öffnete das Kuvert. Im Inneren befand sich eine Karte aus schwarzer Kartonage mit goldgeprägten Lettern.

Lord Alistair lädt zur Séance.

Am kommenden Samstag auf Blackwood Manor.

1920er-Garderobe erwünscht und wird vor Ort gestellt.

»Wie gut, dass er in den letzten zwei Wochen nur zwei Mal täglich eine Nachricht geschickt hat, dass wir uns auch ja das Wochenende freihalten sollen. Und auf seinem neuen Account in den Sozialen Medien hat er sogar schon ein Bild der Bibliothek gepostet, vollgestellt mit Öllampen, richtig atmosphärisch.« Hazel lachte, wurde aber sofort ernst. Sie hielt die Einladung hoch. »Expresszustellung und edle Karte. Was das wieder kostet.«

Als ehemalige Bankangestellte in Führungsposition verstand sie etwas von Finanzen. Was Alistair zugutekam. Ihr bester Freund gehörte zwar in die Rubrik Lord, leider aber mit dem Zusatz verarmt. Da dies nach außen niemand wissen sollte, half Hazel ihm dabei, Löcher in der Haushaltskasse zu stopfen. Meist musste er sich dafür von irgendwelchem alten Plunder trennen, was unter Sammlern überraschend hohe Preise einbrachte.

Einmal im Jahr lud er außerdem zur Séance ein, meist im Sommer. Was wohl mit ein Grund für die regen Zusagen der übrigen Gäste war, jeder wollte vor der Hitze aus der Stadt fliehen.

»Ich habe schon gepackt«, verkündete Fleur.

»Wir sollten trotzdem vollkommen überrascht und erfreut tun«, sagte Hazel trocken.

Sie nahm ihr Smartphone und wählte Alistairs Kontakt aus. Die Verbindung kam zustande, sie schaltete auf Lautsprecher. »Wir sind entzückt, Alistair.«

»Und überrascht«, rief Fleur über die summenden Rotorblätter des Ventilators hinweg.

»Wusste ich es doch. Den anderen wird es genauso gehen. Ich habe extra allen klar gemacht, dass sie sich das Wochenende freihalten sollen.« Gemessen an der Stimme war er mit sich und der Welt zufrieden. »Jetzt haben sie überraschend etwas vor.«

»Fleur und ich können in Rekordzeit packen«, erwiderte sie.

»Dieser Enthusiasmus ist anrührend, Hazel«, erklärte er in seiner britisch-lordigen Steifheit. »Morgen wollte ich sowieso etwas aus meinem Townhouse in der Stadt holen, da könnte ich euch mitnehmen.«

»Magnifique«, rief Fleur. »Dann haben wir einen Plan.«

»Wir freuen uns, Alistair.«

Sie beendete das Gespräch. Damit mussten sie lediglich noch eine Nacht in Höllenqualen verbringen. Den Taschenventilator würde sie Fleur für ihr Zimmer überlassen, in Hazels eigenem gab es einen Standventilator. Allerdings hatte sie bereits zwei Nächte hier unten auf der Couch verbracht, einfach weil es oben zu heiß geworden war.

Das brachte unweigerlich die Erinnerung an den Sommer vor zwei Jahren zurück. Die Hitze war so heftig angestiegen, dass Hazel sich für einige Nächte in ein Hotel einquartiert hatte. Ganz Europa hatte darunter gelitten.

Und während sich die reicheren Mitbürger aufs Land zurückzogen oder schlicht zu Hause eine Klimaanlage besaßen, litten arme Ex-Bankangestellte und französische Mitbewohnerinnen unter der Hitze.

Hazels Smartphone vibrierte. Sie warf einen Blick darauf. »Ah, Sanya fährt nicht mit uns, sie kommt mit ihrem Motorrad.«

»Das klingt nach kühlem Fahrtwind.« Fleurs Stimme war Leiden pur. »Halina und Rosie kommen ebenfalls, sie bringen den Kostümfundus mit. Da wird für jeden Gast etwas dabei sein.«

Bei seiner ersten Séance hatte Alistair schockiert festgestellt, dass er der Einzige war, der tatsächlich 1920er-Garderobe trug. Allen anderen war es zu viel Aufwand gewesen, sich entsprechend zu kleiden. Wenn Hazel ehrlich war, hatte sie schlicht keine Lust gehabt. Seit der zweiten Veranstaltung buchte Alistair also stets einen Kostümverleih mit, so dass alle Besucher gezwungen waren, sich dem Motto entsprechend in Schale zu werfen.

Fleur hatte Rosie und Halina bei Alistairs erstem ›Haltet euch das Wochenende unbedingt frei‹ den Tipp gegeben, dem Lord ein günstiges Angebot zu unterbreiten. Mit Erfolg. Sie waren offiziell zu den Ausstatterinnen der Sommerséance geworden.

»Die beiden sind dir bestimmt dankbar«, sagte Hazel.

»Oui. Ich werde Mitarbeiterin des Monats.«

»Du bist die einzige Mitarbeiterin. Freut mich trotzdem für dich.« Hazel ging zum Kühlschrank.

Sie hatte einen Saft aus frischen Früchten gepresst. Damit füllte sie zwei Gläser, gab Eiswürfel und Minzblätter hinzu. Irgendwie galt es schließlich, die Hitze noch einen Tag mit allen Mitteln zu bekämpfen.

»Nimm nicht alle Eiswürfel«, bat Fleur. »Ich werde mir heute Nacht wieder welche in ein Handtuch wickeln und auf das Gesicht legen.«

Unweigerlich sah Hazel dabei gefrorene Lippen vor sich und musste an ihr letztes Kosmetikprodukt denken, von dem sie sich den großen Durchbruch auf dem Camden Market erhofft hatte. Am Ende war es leider gänzlich anders gelaufen als gedacht. Dass sie Fleur zur Untermiete bei sich wohnen ließ, hatte nicht nur selbstlose Gründe, obwohl sie mittlerweile zu Freundinnen geworden waren.

Immerhin, sie hatten die Mittagshitze überstanden und in wenigen Stunden würde die Dämmerung über London hereinbrechen. Aus drückender Hitze würde dann Schwüle werden.

»Eine letzte Nacht«, seufzte Hazel. »Und nach dem Wochenende hängen wir ein paar Tage dran.«

»Gibt es einen Pool?«

»Nur einen Springbrunnen, ziemlich groß«, erwiderte sie. »Im Notfall muss der eben herhalten.«

Sie sahen einander an und kicherten.

KAPITEL 2

Hazel wusste, dass Alistair nicht zu den Frühaufstehern zählte. Trotzdem waren Fleur und sie gegen sieben Uhr bereit, was vor allem an einer schlaflosen Hitzenacht lag. Um zehn Uhr hupte es endlich vor dem Haus.

Ein Blick aus dem Fenster zeigte den vertrauten Austin Seven Countryman, den Alistair so sehr liebte. Ein viel zu kleines altes Etwas, das obendrein Sprit schluckte wie Hazel Wasser an einem Sommertag wie heute.

»Irgendwann wird das Ding verkauft«, flüsterte sie.

Mit gepackten Taschen verließen sie die Sauna, stiegen die knarzenden Stufen hinunter und traten vor das Haus.

Alistair hatte geparkt und kam nun mit Rasputin auf dem Arm auf sie zu geschlendert. »Ihr seht ja schrecklich aus, habt ihr nicht geschlafen?«

»Es ist auch schön, dich zu sehen, Alistair.« Hazel umarmte ihn und begrüßte den Mops mit einer intensiven Streicheleinheit.

Ursprünglich hatte es ein Corgi werden sollen, ganz standesgemäß und in Erinnerung an die Queen. Nach deren Tod hatte es unter den Lords jedoch Wetten gegeben, auf welche Rasse der neue König wohl setzen würde. Alistair hatte – warum auch immer – auf Mops gewettet und mit dem Erwerb des Tieres ein Statement gesetzt. Mittlerweile waren die beiden unzertrennlich, der Wetteinsatz aber verloren.

Fleur begrüßte zuerst Alistair mit zwei Küsschen – was dieser nur bei ihr zuließ, um interkulturelle Gastfreundschaft zu demonstrieren – und kraulte dann Rasputin.

»Seid ihr also bereit, Kontakt mit den Toten aufzunehmen?« Alistair setzte sich hinter das Steuer.

Fleur musste auf die Rückbank, was schlicht daran lag, dass Hazel sich dort gefühlt hätte wie eine Presswurst. Im vorderen Bereich war ein kleines bisschen mehr Platz. Beim Packen hatten sie dem Minimalismus gefrönt und wirklich nur das Nötigste eingepackt. Fleur stellte eine der Taschen neben sich, nahm die andere auf den Schoß.

»Soll das Totenreich nicht kühl sein?«, fragte Fleur. »Strömt das bei der Séance mit herüber?«

Hazel kicherte.

»Ihr seid Banausinnen«, stellte Alistair klar und fuhr los. »Aber wartet nur ab, ich werde euch eines Besseren belehren. Mein Überraschungsgast wird das Echo einer großen Frau auffangen und uns mit ihr über den Abgrund der Zeit hinweg in Kommunikation treten lassen.«

Das Ziel jeder Veranstaltung war die Gesprächsaufnahme mit der verstorbenen Liz Taylor. Ein Ansinnen, das bisher nicht von Erfolg gekrönt gewesen war. Immerhin bot dies für Hazel die Chance, mögliche Scharlatane sofort zu erkennen.

Alistair steuerte sie wie immer in halsbrecherischer Geschwindigkeit, die mit einem solch kleinen Fahrzeug gar nicht erreichbar sein sollte, durch die Stadt. Da es hier drinnen keine Klimaanlage gab, kurbelte sie das Fenster herunter. Ein steter Luftstrom, untermalt von Hupen, Stimmengewirr und Motorenlärm, drang in das Innere.

Erst als sie London verließen und auf die Cotswolds zusteuerten, wurde es ruhiger. Wie ein gewundenes Band aus Beton schlängelte sich die Straße vor ihnen durch weites Grün. Hazel mochte die zahlreichen kleinen Dörfchen, die sich wie Perlen an einer Schnur hintereinander aufreihten.

Alistairs Anwesen lag nördlich zwischen Oxford und Cheltenham, gut erreichbar über die A40 bis Witney. Die Fahrt dauerte zwei Stunden und Hazel genoss den Fahrtwind, der ihre Haare flattern ließ. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich wieder frei, war die drückende Hitze verschwunden und das sonnige Grün ringsum hob ihre Stimmung.

Eine gewundene Straße führte an ländlichen Häusern, meistens aus Stein, vorbei, bis sie schließlich ein schmiedeeisernes Tor erreichten. Alistair stieg aus, öffnete es und sie fuhren auf das Anwesen. In diesem Augenblick wurde Hazel erneut bewusst, dass verarmt für einen Lord nicht das Gleiche bedeutete wie für eine gewöhnliche Sterbliche.

Hier war nichts mehr von dem Autolärm zu hören, stattdessen knirschte der Kies unter den Autoreifen, als sie den geschotterten Zufahrtsweg entlangfuhren. Eine letzte Kurve, dann lag das Ziel vor ihnen – ein wuchtiger Steinbau, in dem sich die Strenge mittelalterlicher Burgen mit aufstrebendem Glanz vereinte. Elisabethanisch, wie an jeder Pore zu erkennen war. Ziergiebel, verspielte Türmchen und eine Fülle filigraner Fenster rundeten das Bild ab. Dabei war der Stein jedoch nicht mehr honigfarben, sondern vom Zahn der Zeit dunkel gewaschen. Zahlreiche Ornamente am Haus waren abgebrochen oder bröselten.

Ein mit Kopfsteinen gepflastertes Rondell führte zum Eingang, wo bereits ein Mann in der Uniform eines Butlers stand, kombiniert mit der würdevollen Miene einer Person, die nichts aus der Fassung zu bringen vermochte.

Alistair stoppte den Wagen und sofort eilte der Mann auf die linke Seite und öffnete die Beifahrertür. »Ms Evans.«

»Edwin.« Sie stieg aus und begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln.

Der Butler von Alistair hatte schon dessen Eltern durch die Höhen und Tiefen des Lebens begleitet und ein Alter irgendwo in den hohen Fünfzigern oder Sechzigern erreicht. Er wirkte allerdings jünger, ging stets aufrecht und ließ sich von nichts aus der Ruhe bringen. Die Uniform saß wie immer tadellos, das graumelierte, dunkle Haar war perfekt frisiert.

Fleur schob sich ebenfalls von ihrem Sitz hoch, das Gesicht gerötet vor Hitze. Sie umarmte Edwin und drückte ihm zwei Küsschen auf die Wange. Wobei dieser tatsächlich für eine Sekunde verkrampfte.

»Zu viel Nähe?«, fragte Hazel trocken. »Das ist Fleur. Meine Mitbewohnerin aus Paris.«

»Es freut mich sehr, Sie endlich kennenzulernen.« Fleur strahlte ihn an. »Alistair hat schon so viel von Ihnen erzählt.«

»Enchanté. Der Lord neigt zum Tratsch.«

»Eine meiner besten Eigenschaften«, warf Alistair ein.

»Zweifellos die hervorstechendste.« Edwin wandte sich den Koffern zu.

Es war das typische Gefrotzel, das die beiden sich erlaubten und verdeutlichte, dass Edwin eben mehr war als ein einfacher Angestellter.

»Die Getränke stehen im Salon bereit«, verkündete der Butler. »Ich kümmere mich um das Gepäck.«

»Aber das können doch wir ...«, setzte Fleur an.

Hazel packte sie am Arm. »Lass den Mann seinen Job erledigen.«

Bevor sie weiter diskutieren konnte, zog Hazel sie mit sich. Lediglich ihre Birkin Bag konnte Fleur noch schnell greifen, die ließ sie niemals zurück.

---ENDE DER LESEPROBE---