Voll relativ! Der Tag, an dem die Zeit verschwand - Anastasia Braun - E-Book

Voll relativ! Der Tag, an dem die Zeit verschwand E-Book

Anastasia Braun

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Beschreibung

HILFE, die Erwachsenen ticken nicht mehr richtig! Und das aus gutem Grund, denn in Schnellbach sind plötzlich alle Uhren verschwunden. Wecker, Armbanduhren, ja sogar die große Kirchturmuhr: einfach weg. Während Elli, Max und Basti sich zunächst darüber freuen, sind die Erwachsenen alle völlig verrückt geworden. Max' Vater sitzt in Unterhose in der Küche und starrt ratlos an die Stelle, an der früher mal eine Uhr hing. Ellis Mutter hat Opas Stinkepantoffel in die Brotdose gepackt, und Basti bekommt zum Frühstück Kaffee statt Kakao. Den drei Freunden ist klar: Sie brauchen die Uhren und die Zeit zurück. Zusammen mit Professor Albert Einstock begeben sie sich auf eine abenteuerliche Zeitreise, um das Chaos in Schnellbach wieder in Ordnung zu bringen …

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Seitenzahl: 142

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Anastasia Braun

Voll relativ!

Der Tag, an dem die Zeit verschwand

Für Luisa und Anton.

Danke, dass ihr meine Welt auf den Kopf stellt!

»Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.«

Albert Einstein

Ein ritterlicher Schurke

Alfi, mein Goldfisch, hatte es echt gut. Er musste nie Hausaufgaben machen. Und zur Schule gehen musste er auch nicht. Nicht einmal sein Aquarium musste er aufräumen. Das machte ich immer mit Opa zusammen sauber. An manchen Tagen bewegte Alfi sich keinen Millimeter vom Fleck. Er sah dann so aus, als würde er über etwas Megawichtiges nachdenken. Bestimmt war er viel schlauer, als er immer tat.

»Maxi, vergiss nicht, den Wecker zu stellen«, rief Mama von unten. Ja, auch von dieser abscheulichen Grausamkeit blieb Alfi verschont – im Gegensatz zu uns Menschen. Wecker stellen – igitt! Bevor wir zu Bett gingen, machten wir alle das, was wir jeden Abend tun mussten. Wir taten es natürlich ungern. Nicht selten laut fluchend. Manche, wie zum Beispiel mein Papa, mussten sich nach dem Wochenende regelrecht dazu zwingen. Aber die Welt drehte sich nun mal und mit ihr all die Uhren.

Brummend und motzend stellte ich also das tickende kleine Monster scharf. Hätte ich gewusst, was mich erwartet, hätte ich mich vielleicht von dem Ding verabschiedet. Ein gezielter Wurf aus dem Fenster wäre ein kurzes, schmerzloses Lebewohl und Auf-Nimmerwiedersehen gewesen. Aber wie hätte ich denn ahnen können, dass das Unmögliche möglich werden würde.

Das ganze Durcheinander begann schließlich in tiefer Nacht, als alles ganz gewöhnlich schien. Es war weder Vollmond oder Blutmond noch Freitag, der 13. Kein Donnern und kein Blitzen, nicht einmal der Hauch eines Windleins ging durch die Baumkronen. Absolut gar nichts wies darauf hin, was am anderen Ende von Schnellbach gerade geschah. Etwas, was das Leben der Menschen völlig auf den Kopf stellen sollte.

Dass etwas nicht stimmte, bemerkte ich erst, als ich am nächsten Morgen wach wurde und mich gähnend im Bett auf den Rücken drehte. Durch das gekippte Fenster fiel Sonnenlicht. Statt Mamas drängender Rufe aus dem Badezimmer war nur das fröhliche Zwitschern der Vögel zu hören.

Eigenartig! Angenehm, doch irgendwie seltsam!

Mit einer Hand rieb ich mir das verklebte linke Auge, mit der anderen tastete ich mich aus purer Gewohnheit zum Wecker vor. Als meine Finger jedoch ins Leere griffen, setzte ich mich aufrecht hin.

Ich blinzelte.

Betrachtete meinen Nachttisch. Rieb mir diesmal beide Augen und blickte erneut auf die Stelle, wo eigentlich mein Wecker stand, sich jetzt aber nichts außer einer dicken Staubschicht befand.

Spielte mir Papa wieder einen Streich?

Ich sah mich staunend im Zimmer um. Sogar unter dem Bett schaute ich nach. Doch sonst schien alles dort zu sein, wo es hingehörte. Von allen wertvollen Dingen, die man aus meinem Zimmer hätte stehlen können (den getrockneten Nachtfalter, den Drachenzahnstein oder den Zombieknochen, der unmöglich von einem Huhn stammen konnte), war offenbar ausgerechnet der Gegenstand verschwunden, den ich am allermeisten hasste.

Der Tag hätte wirklich nicht besser starten können.

Summend stapfte ich ins Badezimmer. Aus dem riesigen Wäschehaufen wühlte ich mir eine Hose und mein Lieblingsshirt heraus. (Der Marmeladenfleck von gestern fiel kaum auf.) Anschließend spritzte ich mir ein wenig Wasser ins Gesicht, damit Mama annahm, ich hätte es mir gewaschen. Dann kämmte ich mir brav meine braunen, struppigen Haare hinter die Ohren.

Ein letzter Blick in den Spiegel.

Für einen Zehnjährigen gar nicht mal so übel.

Ich hüpfte gut gelaunt in mein Zimmer zurück und nahm das Aquarium mit. Irgendwie war mir nach der Weckersache nicht so wohl dabei, Alfi alleine zu lassen. Nicht dass er auch noch verschwand.

Mit Alfi im Arm spazierte ich gemütlich die Treppe hinunter, aber als ich die Küche betrat, überkam mich wieder dieses seltsame Gefühl von vorhin. Vielleicht lag es an dem leeren Ausdruck in Papas Gesicht. Oder, besser gesagt, der Art, wie er mit dem besagten Ausdruck die Wand anstarrte.

Wirklich schräg!

Auch dass Mama schweigend vor der Mikrowelle stand und sich keinen Millimeter rührte, fand ich äußerst komisch.

Hallo? Es war Montag! Der Tag nach dem Wochenende, an dem meine Eltern normalerweise in Panik ausbrachen, schreiend umherrannten, mich alle dreißig Sekunden ermahnten, ich solle mich beeilen. Meine Mama stand montags extra eine Stunde früher auf, um mir Frühstück zu machen. Für Außenstehende mag sich das ja nett anhören, doch die Wahrheit sieht anders aus. Denn besonders zum Wochenbeginn bemühte sich Mama, das Essen so gesund und damit so eklig wie nur möglich zuzubereiten. »Du brauchst die Vitamine!«, drohte sie dann immer. Vielleicht, weil ihre Nerven ab Donnerstag nur noch für ein Nutellabrot und ein Glas Leitungswasser reichten.

Also, was zum Geier war heute los? Warum herrschte auf dem Tisch diese gähnende Leere? Nicht einmal ein Krümel, der darauf hindeutete, dass die beiden schon ohne mich gegessen hatten. Das taten sie nämlich gelegentlich, wenn sie mich mit dieser fragwürdigen Methode zu erziehen versuchten. Papa hob dann immer den Zeigefinger und sagte in einem tiefen, albernen Vaterton: »Früher, als ich noch ein Kind war, musste ich auch hungrig in die Schule, wenn ich nicht rechtzeitig bei Tisch war.«

Ich bekam mein Essen natürlich trotzdem. Wir alle wussten schließlich, dass es keine richtige Bestrafung war. Vor allem, wenn Mama ihre neuen Low-Carb-Rezepte ausprobierte. Da verzichtete ich sogar freiwillig auf meine Mahlzeit.

Heute steckte aber etwas ganz anderes hinter diesem blitzblanken Tisch. Ich setzte mich und rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. Zugegeben, die Situation verwirrte mich. Vielleicht auch deshalb, weil ich der einzige Mensch in diesem Raum war, der eine Hose anhatte.

Verkehrte Welt! Und eine echt peinliche Boxershorts, die mein Paps da trug.

Plötzlich öffnete er den Mund und begann geistesabwesend zu nuscheln: »Das … das … ist eine Ka…Katastrophe.«

Ich verstand nicht, was er meinte, und hakte nach: »Eine Kakawas?«

Ohne den Blick von der gestreiften Tapete zu lösen, zeigte er mit seiner zittrigen Hand auf den krummen Nagel in der Wand. »Sie ist weg! Verschwunden! Hat sich in Luft aufgelöst.«

 

Ich betrachtete den Nagel, von dem eine kleine Spinne an ihrem Faden vergnügt hin und her baumelte.

Hmm. Stimmt! Mein Paps hatte recht. Gestern waren da weder der Nagel noch die Spinne gewesen. Jeder, der mich kannte, wusste, solche achtbeinigen Details entgingen mir nie! Nein, da war zuvor ganz sicher etwas anderes gewesen. Ich erinnerte mich, dass diese Stelle an der Wand mehrmals täglich die Aufmerksamkeit meiner Eltern auf sich gezogen hatte. Und meistens folgte daraufhin ein: »Jetzt beeil dich doch mal, wir kommen zu spät.« Oder: »Wenn du weiter trödelst, wird das Taschengeld gestrichen.«

Angestrengt suchte ich in meinen Erinnerungen nach weiteren Spuren, die mich bei diesem Wandrätsel weiterbrachten.

Puh … es fiel mir echt verdammt schwer, mich zu konzentrieren, weil mich die Spinne so süß anschaute. Ich musste sie unbedingt rausschaffen, bevor Mama mit ihrem Hightechsauger um die Ecke kam. Vor Killerbakterien fürchtete sich meine Mama als Ärztin nicht. Doch alle Krabbeltiere, für die man kein Mikroskop benötigt, sorgten bei ihr für Kreischalarm. Sehr ungewöhnlich, dass sie heute so gelassen blieb.

»Denk nach«, ermahnte ich mich. »Lass dich nicht von der niedlichen Spinne ablenken.«

Jetzt musterte ich aufmerksam den Kreis, der sich deutlich vom Rest der ausgebleichten Tapete absetzte.

Verflixt und zugekleistert!

Es traf mich wie ein Limonadenrülps durch die Nase.

Natürlich! Auf dem krummen Nagel hatte die Mutter aller tickenden Zeitmesser gehangen. Das Obermonster des Hauses.

Ein zufriedenes Lächeln rutschte mir über die Lippen. Es musste über Nacht ein Dieb hier gewesen sein. Und er hatte nicht nur den Wecker aus meinem Zimmer geklaut, sondern auch die Wanduhr aus der Küche.

Was für ein edler und ritterlicher Schurke! Im Kopf notierte ich mir, eine Dankesanzeige für den anonymen Helden an das Schnellbacher Wochenblatt zu schicken. Vielleicht hätte er ja nächste Nacht Interesse an meinem Halbjahreszeugnis, wenn ich es mit Keksen und einem Glas Milch aus Versehen auf der Fensterbank liegen ließe.

Eine große Verschwörung

Mir knurrte der Magen. Deshalb lief ich zum Kühlschrank und schnappte mir die Tupperschüssel mit dem Schokoladenpudding, der vom Nachtisch gestern übrig geblieben war.

Mama stand immer noch wie angewurzelt vor dem schwarzen Mikrowellendisplay. Ich holte mir einen Löffel und steckte ihn in die wabbelige Masse. Weil Mama das anscheinend gar nicht mitbekam, schaufelte ich mir eine ordentliche Portion in den Mund, bevor ich nuschelte: »Daf isch dä Pudding eschen?«

Ich befürchtete schon, dass sie mir gleich ihr Montags-Superfood-Frühstück um die Ohren hauen würde: Blumenkohlbrot mit Rhabarberwürfeln à la Örg-würgs.

Doch stattdessen passierte Folgendes: Mama wandte der Mikrowelle den Rücken zu, setzte sich zu meinem Paps an den Tisch und nickte schweigend.

Abgefahren! Ich war im Himmel.

Nachdem ich den Pudding leer gelöffelt hatte, gönnte ich mir einen Schokoladenriegel zum Nachtisch.

Ich setzte mich zu meinen Eltern an den Tisch und wartete.

Blickte aus dem Fenster.

Beobachtete eine Weile den mopsigen Nachbarskater auf dem Baum.

 

Wartete.

Gähnte.

Nahm die Spinne näher unter die Lupe.

Taufte sie auf den Namen Fred.

Brachte Fred nach draußen in Sicherheit.

Setzte mich zurück an den Tisch.

Wartete weiter.

Worauf eigentlich? Die ungewohnte Ruhe ödete mich allmählich an. Also fragte ich: »Müsst ihr nicht zur Arbeit oder so? Und ich in die Schule?«

Fast glaubte ich, meine Eltern hätten mich nicht gehört, doch dann drehten sich ihre Köpfe in meine Richtung. Gleichzeitig. Im Schneckentempo.

Nun starrten mich beide völlig benebelt an. Das rechte Auge meines Papas zuckte.

»Aber … aber … wie? Wir wissen nicht, wie … wie … wie spät es ist«, stotterte er und zeigte wieder mit dem Finger zur leeren Stelle an der Wand.

Unheimlich, wie hilflos meine Eltern auf einmal wirkten.

»Ihr könnt doch nicht den ganzen Tag hier sitzen bleiben. So etwas tun Eltern einfach nicht«, erklärte ich und dachte an die Patienten meiner Mama, die sicherlich schon in der Praxis auf sie warteten. Weil alle Leute in Schnellbach wussten, wo wir wohnten, scheuten sie sich bestimmt nicht davor, ihre Grippe bei uns zu Hause vorbeizubringen. Oder noch schlimmer: Sie würden ihre kranken Kinder hier absetzen, damit diese verseuchten Biester meine ganzen Spielsachen kontaminieren konnten.

Nein, danke! Das musste ich um jeden Preis verhindern. Dafür hatte dieser Tag zu schön angefangen.

Ich musste die Sache also selbst in die Hand nehmen.

Ich gab meinen Eltern einen ausgepackten Schokoriegel, den sie sich teilen sollten. Zu viel Zucker am Morgen tat Erwachsenen einfach nicht gut. Sie brauchten etwas ganz anderes. Ich kannte meine Eltern gut genug, um zu wissen, dass sie ohne Kaffee niemals (wirklich NIEMALS!) das Haus verließen. Was auch immer in dieser braunen, eklig riechenden Brühe drin war, es machte andere Menschen aus ihnen. Wären da nur nicht die vielen Knöpfe und Schalter an der Kaffeemaschine. Ich drückte alle der Reihe nach durch, bis das Ding ein summendes Geräusch von sich gab. Dann füllte ich das durchsichtige Gefäß mit Kaffeebohnen und drückte noch ein paar Knöpfe, die nun verdächtig schnell blinkten. Es krachte. Der Geruch von verbranntem Plastik stieg mir in die Nase. Ob es normal war, dass es so qualmte? Nachdem es erneut geknallt hatte, diesmal lauter, und der Rauch dichter wurde, zog ich vorsichtshalber den Stecker und entschied mich für Kaffeepulver, das seit fünf Jahren abgelaufen war. Das würden Mama und Papa ganz sicher nicht herausschmecken, wenn ich es wie Kakao mit Milch anrührte.

Ich stellte die Tassen vor meinen Eltern auf den Tisch und kramte den beiden dann etwas Ordentliches zum Anziehen aus dem Wäscheberg im Bad. Mein Paps konnte unmöglich in diesem Aufzug in die Kanzlei.

Schweigend befolgten sie meine Anweisungen. Die Art, wie sie sich bewegten, erinnerte mich an Zombies. Dass sie kein Wort sprachen, machte das Ganze nicht weniger schräg. Nachdem meine Mama ihre Brühe leer getrunken hatte, griff sie nach dem Telefon, steckte es in eine Butterbrottüte und schob es mir in den Schulranzen. Mein Papa zog währenddessen Alfi aus dem Aquarium und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf den Mund. »Tschüss, Schatz. Bis heute Abend«, nuschelte er dem völlig verwirrten Goldfisch zu und stolperte über die Türschwelle. Mama folgte ihm nach draußen.

Puh, was war das denn?

Entweder meine Eltern waren über Nacht verrückt geworden, oder aber hier war eine große Verschwörung im Gange.

DAS musste ich sofort meinen Freunden erzählen!

Die Sache stinkt zum Himmel!

Ich trat kräftig in die Pedale und nahm eine Abkürzung durch Herrn Müllers Garten. Mein Papa behauptete, er sei unser liebster Nachbar. Obwohl wir ihn so gut wie nie zu Gesicht bekamen. Weil Herr Müller nachts als Wachmann in der Papierfabrik arbeitete und tagsüber immer schlief. Vielleicht war Herr Müller auch gerade deshalb Papas liebster Nachbar. Ehrlich gesagt wusste ich nicht einmal, wie er aussah.

Wie auch immer, sein Rasen musste jedenfalls dringend mal wieder gemäht werden.

 

Auf dem Weg durch die Kirchengasse überholte ich einen kahlköpfigen Mann, der rückwärtslief und dabei laut vor sich hin zählte. Und als ich die Straße zum Schulgebäude überquerte, hätte ich beinahe eine Frau angefahren, die sich händeklatschend im Kreis drehte.

Wortwörtlich AB-GE-DREHT! Und irgendwie spooky.

Zum Glück entdeckte ich unter der großen Eiche meine Freunde. Sie war seit Jahren unser Treffpunkt, an dem wir uns immer vor dem Unterricht über die neuesten Ereignisse der Stadt austauschten und geheime Angelegenheiten besprachen.

»Elli, Basti!«, rief ich vom Fahrradstellplatz rüber und eilte schnell zu den beiden. Ich zog mir den Helm aus und klemmte ihn am Ranzengurt fest.

»Ihr glaubt mir nie, was heute Morgen bei uns zu Hause los war«, erzählte ich schnaufend. »Ich glaube, meine Eltern sind zu Golems geworden.«

»Ach! Deine etwa auch?« Elli runzelte fragend ihre Sommersprossenstirn. Sie stellte den Schulranzen auf der Wiese ab und zog ihre neongrüne Brotdose heraus. »DAS hat mir mein Papa heute Morgen eingepackt.«

Ploppend sprang der Deckel auf. Kurz darauf müffelte es überall nach Gammelkäse.

Ich trat einen Schritt näher und blickte auf einen schlaffen Hausschuh.

»Örgs, ist das eklig!« Basti hielt sich die Nase zu. »Schnell, mach den Deckel wieder drauf. Mir wird ganz übel.«

Auch ich verzog angewidert das Gesicht. »Gehört der etwa deinem Vater?«

»Noch schlimmer«, sagte Elli, während sie den Stinkepantoffel zurück in die Box quetschte. »Der ist von meinem Opa. Und er trägt nie Socken.«

»Deine Eltern sind also auch verrückt geworden«, stellte ich grübelnd fest. Ich schaute zu Basti. »Wie sieht’s bei dir aus?«

Er zuckte mit den Schultern. »Hmm, keine Ahnung. Meine Eltern waren eigentlich so wie immer.«

Ich schnaufte nachdenklich. Denn die Sache mit Bastis Eltern war die, dass sie sich andauernd irgendwie seltsam benahmen. Einmal wurden sie von der Polizei eingesammelt, weil sie sich nackt an einen Baum gekettet hatten. Sie wollten dadurch den Bau des neuen Einkaufszentrums verhindern. Meine Mama hatte mir damals erklärt, Bastis Eltern seien Umweltaktivisten. Was das aber genau war oder warum sie dabei nackt sein mussten, konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Weil aber Basti meistens bei mir übernachten durfte, wenn seine Eltern gerade die Umwelt aktivierten, unterstützte ich ihre Absichten natürlich gerne.

Ich heftete meinen Blick auf Bastis Ranzen. »Zeig mal deine Brotdose!« Woraufhin mein Freund genervt schnaubte: »Wenn’s unbedingt sein muss.«

Er wühlte eine ganze Weile im Chaos seiner Hefte. Dann holte er ein Stück Seife und eine Thermoskanne hervor. »Was soll das denn bitte schön sein?« Basti blinzelte irritiert, schraubte die Kanne auf und schnupperte mit gerümpfter Nase daran. »Kaffee? Okaaaay! DAS ist selbst für meine Eltern etwas zu schräg.«

Elli, Basti und ich schnappten gleichzeitig nach Luft.

»ACH DU HEILIGER BAMBUS«, riefen wir im Chor. Es gab keinen Zweifel mehr daran: Unsere Eltern waren allesamt übergeschnappt.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Elli besorgt. »Wenn jemand davon erfährt, dass unsere Eltern nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, dann landen die in der Klinik. Und wir im Kinderheim.«

»So weit wird es nicht kommen«, sagte ich, während ich Bastis Kram einsammelte und zurück in seinen Ranzen stopfte. »Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Nach der Mathestunde treffen wir uns wieder hier.«

Ich schaute meine Freunde ernst an und senkte die Stimme, damit mich niemand hörte. »Vorher verliert ihr kein Wort darüber. Zu niemandem! Abgemacht?«

Elli und Basti wippten mit den Köpfen. »Abgemacht!«

Freiheit für alle!

Die Schulklingel schien mal wieder zu spinnen. Kein Wunder, unsere Schule war sogar noch älter als die Stinkefüße von Ellis Opa.

Als Elli, Basti und ich das Klassenzimmer der 4a betraten, herrschte dort gespenstische Stille. Selbst Konstantin saß friedlich an seinem Tisch und starrte nach vorne zum Lehrerpult.

Wir schlichen an den Tischen vorbei und ließen uns geräuschlos auf unsere Stühle gleiten. Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich traute mich nicht, zu atmen. Erst als ich mir sicher war, dass wir es geschafft hatten, holte ich tief Luft. Unsere Verspätung war niemandem aufgefallen.

Puh! Schwein gehabt! Auf Nachsitzen hatte ich nun wirklich keinen Bock. Unpünktlichkeit hasste Frau Besserdich, unsere Deutschlehrerin und gleichzeitig die Direktorin der Schule, nämlich noch mehr als süße Hundewelpen. Ich war mir sicher, in