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Seld ist ein Barde. Sehr jung noch, aber mit einem Traum: Er will Abenteuer erleben, um daraus neue Lieder dichten zu können. Nicht viel in seinen Augen und irgendwie lässt sich das doch wohl schaffen! Immerhin stolpern die Helden großer Geschichten doch auch einfach los - und direkt in ihr Abenteuer. Doch bereits der Beginn ist schwierig. Für die Dorfbewohner seiner Heimat ist die Zeit großer Abenteuer lange vorbei und auch seine Reise steht unter keinem guten Stern. Zwar besucht er große Metropolen und sieht die entlegensten Winkel dieser Welt, aber ein Abenteuer? Nein, das hat er nie erlebt. Ganz gleich, welche großen Orte er auch besucht hat. Nun steht er inmitten einer weiten Schneelandschaft. Wann er den letzten Menschen gesehen hat, weiß er schon gar nicht mehr. Er weiß nur das, was über diesen Ort berichtet wird: hier soll etwas seltsames vor sich gehen! Ob es dieses Mal stimmt? Seld weiß es nicht und klammert sich an seinen magischen Wetterstein, um nicht auszukühlen.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhaltsverzeichnis
Ein Traum
Kleiner Barde, großer Pinguin
Am Kaminfeuer
Über die Autorin
Impressum
Vom Barden und Pinguin
eine Kurzgeschichte
von
Kadlin Mallet
Was wäre die Welt nur ohne Träume
und einer Prise Fantasie?
»Was willst du?« Der Mann bleckte die Zähne und lachte ihm schallend entgegen.
»Ich will neue Abenteuer-Lieder dichten.« Seld griff nach seiner Laute und blinzelte. Was war denn so schlimm daran? Jedes Kind kannte die Heldenlieder. Jeder in den Wirtshäusern und am Lagerfeuer konnte Satz für Satz mitsprechen – wusste, was passiert. Es war alles viel zu bekannt geworden! Ja, geradezu langweilig, und das wollte er ändern. Nichts weiter.
»Es gibt keine Abenteuer mehr, schlag dir das aus dem Kopf, Junge. Die Zeiten sind lange vorbei. Schone lieber deine Stimme für die nächste Geschichten-Nacht.«
Er schüttelte den Kopf. Warum sollte es keine mehr geben? Das wollte ihm nicht so recht einleuchten. Die Welt war groß und weit und niemand hier hatte mehr davon gesehen, als die Berge im Osten, den großen Wald und die beiden Flüsse im Westen. Da konnte doch nicht Schluss sein, da musste mehr sein! Und selbst wenn es hier, im Tal, keine Abenteuer mehr geben sollte, dort draußen warteten sie mit Sicherheit noch darauf, entdeckt zu werden.
»Nein«, Seld atmete tief durch, »ich werde sie finden und darüber singen!«
Der Mann schnaubte, aber Seld ließ sich nicht beirren. Sollte er nur zweifeln, er würde schon noch sehen.
Es war so bitterkalt.
Seld zog den Schal enger um seinen Hals und berührte dabei den Wetterstein an seiner Kette. Warm. Bitte, dachte er. Er fröstelte so sehr! Es summte und unter seiner Fingerspitze begann es zu glühen. Kribbeln, dann breitete sich wohlige Wärme in seinem Körper aus und entlockte Seld ein Seufzen. So lässt es sich doch reisen. Angenehm reisen und das Knirschen seiner Schritte war wie Musik in seinen Ohren, die ihn durch den Schnee begleitete.
Seld nickte zufrieden und schob den Anhänger zurück unter seine Kleidung. Erst in einigen Stunden würde es wieder notwendig werden, den Zauber mithilfe des Steins zu erneuern. So lange war er ein angenehm warmer Punkt auf seiner Haut, der langsam pulsierte.
Und bis dahin... Seld atmete tief durch und schob die Laute auf seinem Rücken zurecht. Bis dahin hatte er hoffentlich etwas Interessantes gefunden, für das sich dieser Weg auch gelohnt hatte! Diese Kälte, die nach ihm griff und der er nur dank des Steins Herr wurde.
Hier wird es wie überall sein, knurrte eine Stimme in seinem Kopf. So wie immer. Du hast nie auch nur irgendetwas gefunden!
Ja, das wusste er... Aber deshalb das Hoffen aufgeben? Nein, das kam für ihn nicht infrage – oder? Er irrte schon so lange umher.
Ein Seufzen wollte ihm über die Lippen schlüpfen und blieb doch dort, wo Enttäuschung begonnen hatte, sich einzunisten: Tief in ihm. Und nun waren sie doch da, Zweifel, die er doch versucht hatte, beiseitezuschieben. Zu vergessen.
Was hatte er auch erwartet, als er diese Schneelandschaft aufgesucht hatte? Wie so viele Orte und Gegenden zuvor.
»Ein Abenteuer...«, murmelte Seld. Eines, von dem er hoffte, dass dieses es endlich wert wäre, erzählt zu werden. Und hier war Selds Hoffnung besonders groß gewesen, hatte er doch auf dem Markt einige interessante Gespräche über diese Gegend aufgeschnappt: Eine magische Landschaft, nur offen für jene, die glaubten.
Doch außer gähnender Leere und Langeweile, war hier absolut nichts. So wie immer eben. Hatten die anderen am Ende doch recht? War die Zeit der Abenteuer einfach schon vorbei? Seld wollte nicht, dass es so war! Es konnte nicht, es durfte nicht... so sein.
Nun war es doch da, ein leises Seufzen in dieser elenden Stille. In ihm klang es nach, wie einst die letzten Töne seiner Laute. Damals bevor er sie sich auf den Rücken geschnallt hatte und ausgezogen war. Manchmal, in sternenklaren Nächten vermisste Seld das Gefühl der Saiten unter seinen Händen.
Er hatte sich Großes ausgemalt und Seld hatte darauf vertraut, dass es wie in einem seiner geliebten Heldenlieder ablaufen würde: Man reiste eine weil umher und kaum vor Ort geriet man schon in ein atemberaubendes Abenteuer. Eines von dem man sofort wusste, dass es Stoff für Legenden war.
Nun, Seld war viel gereist. Hatte viele Orte gesehen, große Städte besucht und mit dutzenden Menschen geredet. Sie alle hatten stattlich gewirkt mit ihren kräftigen Körpern, einer Waffe am Gürtel oder über den Rücken geschnallt und einem verwegenen Blick. Doch nicht einer hatte etwas zu erzählen gehabt – oder war gewillt gewesen, ihn mit sich zu nehmen. Es wiederholte sich, schon wieder. Viel schlimmer war nur, dass es langsam so wirkte, als wäre das einzige Lied, das er am Ende singen könnte, das seines Scheiterns. Schwindende Abenteuer, vergebliche Reise, wäre das nicht ein toller Titel?
Seld atmete tief ein und aus. Eine Wolke tanzte vor seinem Gesicht, dann stob sie auseinander und wurde zum allumfassenden Nichts inmitten des Schnees, der ihn umgab.
Etwas schoss in der Ferne in den Himmel, färbte den Horizont und hinterließ ein wässriges Glitzern vor der Sonne.
Unwillkürlich musste Seld lächeln und schloss seine Augen. Nun, zumindest war hier nicht nichts und ein zauberhaftes Naturschauspiel ließe sich schon irgendwie besingen. Es war nur nicht das, was er erwartet hatte. Ja, nicht einmal so ähnlich. Aber er musste nehmen, was er kriegen konnte – nicht?
»Oh, nein. Oh, nein!« Blinzelnd öffnete Seld seine Lider wieder. War da etwas gewesen? Es hatte sich fast wie eine Stimme angehört. Dabei lag die letzte Begegnung mit einem anderen Menschen einige Tage zurück – oder noch länger? Seld wusste es nicht mehr – nicht sicher – hier draußen reihte sich ein Tag an den anderen. Alle gleich, alle unendlich weit und leer und nur durchzogen von seinen Schritten und dem Knarzen seiner Laute. Die Kälte tat ihr nicht gut und so sehr er es sich auch wünschte, der Wetterstein hatte keinen Einfluss auf sie. Nur auf Lebewesen.
Egal. Seld sah sich um. Doch da war nichts. Keine Gestalt, kein Geräusch im Schnee, ja nicht einmal ein Säuseln im Wind. Nur das Weiß unter weitem Himmel und dazwischen einige Bäume und Hügel. Seltsam. Hatte er es sich nur eingebildet?
Ein leises Schniefen, kaum dass er sich umgewandt hatte und Seld spitzte die Ohren. Doch, da war etwas. Eindeutig!
»Mein Schiff...« Schiff, hier draußen? Hier war doch nur Schnee!
Etwas prallte hart gegen sein rechtes Bein und als Seld hinab sah, hockte dort ein Pinguin im Schnee. Was bei allen gut gestimmten Saiten?
»Was?«, das Tier strich sich über die Augen und richtete sich das zerzauste Gefieder, »schon wieder gestolpert. Hab doch keine Zeit.« Eilig rappelte er sich auf und watschelte weiter, nur um in aller Eile auf die eigenen Füße zu treten und mit dem Schnabel voran im Schnee zu versinken. Sein Bürzel hing in der Luft und ein ersticktes Quäken drang zu Seld herüber.
»Du...« Seld stockte und schüttelte voller Unglauben den Kopf. Starrte, konnte nicht anders, als zu starren. »Du sprichst? Aber Tiere können doch nicht...«
Er erwartete keine Antwort. Natürlich nicht, dass dort war ein Pinguin, und diese redeten nicht! Und das eben, Seld atmete tief durch, das war bestimmt nur ein Streich seiner Fantasie gewesen, geboren aus der langen Einsamkeit und dem ständigen Einsatz seines Wettersteins. So musste es sein!
Aber als der Pinguin aufsprang, die Flossen in die Seiten stemmte und ihn musterte, war diese Sicherheit dahin.
»Aber natürlich!« Natürlich. Seld schloss seine Augen, zählte bis drei und wusste noch immer nicht, was er davon halten sollte, als er die Lider wieder öffnete und der Pinguin noch immer vor ihm stand und sich wiederholte: »Natürlich!«
Hatte er den Wetterstein in den letzten Stunden vielleicht zu großzügig genutzt?