Vom Feuervogel - Petra Hartmann - E-Book

Vom Feuervogel E-Book

Petra Hartmann

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Beschreibung

Ein Tempel in der Wüste. Heilige Männer, die sich dem Dienst des Feuervogels geweiht haben. Ein Hirtenjunge, der seinem Traum folgt. Aber wird der alte und kranke Phönix wirklich zu neuem Leben wiederauferstehen, wenn der Holzstoß niedergebrannt ist? Eine Novelle von Idealen und einer Enttäuschung, die so tief ist, dass kein Sonnenstrahl je wieder Hoffnung bringen kann.

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Seitenzahl: 53

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Petra Hartmann

Vom Feuervogel

Novelle

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vom Feuervogel

Impressum neobooks

Vom Feuervogel

Du fragst nach einer Geschichte, mein Kleines? Komm, setze dich her zu mir, und wir wollen einmal sehen, was sich tun lässt. Siehst du, es ist dunkel da draußen, und morgen werden wir vielleicht schon den ersten Schnee bekommen, nimm eine solche Nacht, ganz ohne Mond und Sterne, dann denke dir Bahngleise dazu und einen Zug, der auf den nächtlichen Gleisen nach Norden fährt, Stunde um Stunde durch die Finsternis, mit gleichmäßigem Rattern und Poltern, und immer weiter und tiefer in die Nacht hinein.

Ein solcher Zug war es, in dem ich damals saß, der Euro Night Express 482 von Rom nach Kopenhagen und weiter nach Malmö, wenn du es ganz genau wissen willst, ich war am Abend in A. zugestiegen und wollte am frühen Morgen in D. eintreffen. Da ich in Zügen ohnehin niemals schlafen kann, bin ich erst gar nicht in den Schlafwagen hineingegangen, ich fand ein leerstehendes Abteil in der zweiten Klasse, und nachdem ich meinen Schokoriegel verzehrt hatte, lehnte ich den Kopf gegen das Fenster, schaute dösend in die Nacht hinaus und dachte an nichts Bestimmtes mehr.

Ich muss aber irgendwann doch eingeschlafen sein. Denn plötzlich schrak ich zusammen, als mir gegenüber jemand aufseufzte. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen solchen Seufzer gehört, er schien von so tief unten aus der Seele aufzusteigen, dass ich mich unwillkürlich fragte, was in aller Welt überhaupt die Macht haben könne, eine menschliche Seele derart weit hinabzuziehen, und konnte mich doch auf nichts besinnen, das mir jemals Ähnliches antun könnte. Es war dunkel im Abteil, und ich konnte das Gesicht des Fremden nicht erkennen, obwohl er doch genau mir gegenüber am Fenster Platz genommen hatte. Ein dunkler Schatten, wie man sie immer wieder trifft in nächtlichen Zügen, und nur das eine war ungewöhnlich, dass er so nahe bei mir saß, denn das wirst du auch schon beobachtet haben, wenn du allein in einem Zugabteil bist, und es kommt einer zu dir herein, dann setzt der sich immer auf den am weitesten entfernten Sitz. Da ich in Fahrtrichtung schauend und am Fenster saß, wäre sein Platz also eigentlich rückwärtsfahrend und am Gang gewesen. Übermäßige Sehnsucht nach einem Gespräch schien den fremden Schatten nicht in meine Nähe getrieben zu haben, und so musste es wohl der Blick zum Fenster hinaus gewesen sein, den er suchte. Auch ich wandte meine Augen wieder der Nacht zu und schaute durch den Schatten hindurch, den das Spiegelbild des Fremden über die Glasscheibe zittern ließ.

Wie lange wir so durch die Nacht gefahren sind, vermag ich nicht zu sagen, man könnte es aber sicher ohne weiteres anhand des Fahrplanes nachprüfen. Es war wohl eine gute Stunde hinter B., wo der Fremde eingestiegen sein musste, als wir in den Bahnhof von C. einfuhren, wo ich nun im Licht der Bahnsteigsbeleuchtung das Gesicht meines Gegenübers mit diskreter Neugier betrachten konnte. Ein alter Mann mit weißem Bart und ebensolchen Haaren, steinalt, schätzte ich. Ein eher südlicher Gesichtszuschnitt und recht matte, trübe Augen, die aber in dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, plötzlich aufblitzten, der Alte sprang auf und ergriff meine Rechte mit beiden Händen.

„Salamander!“, rief er aus.

Ich war etwas unsicher, wusste nicht recht, wie ich mich zu verhalten hatte. „Wie bitte?“, fragte ich höflich.

Da ließ er meine Hand los. Seine Unterlippe zitterte ein wenig, als er sagte: „Kennst du mich nicht mehr? Ich bin es: Adler. Du musst es sein, Salamander. Du hast dich kein bisschen verändert.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte ich. „Ich bin nicht Salamander. Mein Name ist - “ und ich nannte den Namen, der in meinem Personalausweis stand.

Der Alte, der sich selbst Adler genannt hatte, senkte den Kopf. „Ich bitte um Verzeihung“, sagte er. Er ließ sich auf den Sitz zurücksinken. „Es war nur diese Ähnlichkeit.“

„Das macht doch nichts“, sagte ich. „Kann doch jedem passieren.“ Da ich ihn nicht so ohne weiteres abfertigen wollte, fragte ich nach: „Dieser Salamander war wohl ein Freund von Ihnen?“

„Mehr als ein Freund“, sagte der Alte.

Und dann sagte er nichts mehr, und weiter fragen mochte ich auch nicht. Als der Zug weiterfuhr, wurde es wieder Nacht, und wir ließen unsere Blicke erneut auf dem Fensterglas ruhen.

Wir fuhren durch flaches, feuchtes Land, und bald hüllte dichter Nebel unseren Zug ein, die Signale an der Strecke glommen wie durch weißen Rauch, immer nur wenige Meter weit, es war unheimlich und märchenhaft zugleich. Und während wir weiter und immer weiter nordwärts rauschten in unserem unermüdlichen Nachtexpress, kroch langsam im Osten das erste Morgenlicht herauf. Langsam, fast zaghaft begannen sich die Nebel dort am Horizont zu röten, doch dann, aah, das hättest du sehen sollen, die glutflüssige Sonnenkugel stieg auf, und es war, als stünde der ganze östliche Horizont in Flammen, wie ein Meer aus Feuer sah der Himmel aus, und dann, als ich mich in den Wagen zurückwandte, um dem alten Adler einige gleichgültige Bemerkungen über Naturschönheit zu sagen, da sah ich, dass er weinte. Und es war nicht so einfach, wie wenn einer mal eben ein Tränchen aus Rührung verdrückt über einen schönen Morgen, das war es nicht, mehr so, als wäre ihm jemand gestorben und als gäbe es keine einzige Hoffnung mehr auf der Welt. Mein Taschentuch musste ich ihm dreimal anbieten, bevor er es überhaupt bemerkte, er schneuzte sich heftig, wischte sich die Tränen fort.

„Danke“, sagte er.

„Wenn ich irgend etwas für Sie tun kann ...?“, fragte ich hilflos.

Er schüttelte traurig den Kopf. „Mir kann niemand mehr helfen“, sagte er leise. „Es sei denn, Sie könnten eine Seele auslöschen.“

„Eine Seele kann man nicht auslöschen“, machte sich der Schaffner bemerkbar, der ungehört in unser Abteil getreten war. „Jedenfalls hat man mir das im Religionsunterricht so gesagt. Darf ich um Ihre Fahrkarten bitten?“

Als der Schaffner verwirrt weitergezogen war, nahm mich der Alte scharf ins Auge. „Sind Sie Christ?“

„Ich bin getauft“, wich ich aus.

„Was sagt Ihr Christentum über Seelen? Sterben sie, wie kann man sie töten?“

Ich hob die Achseln. „Soweit ich weiß, gilt die Seele als unsterblich. Vielleicht sollten Sie lieber einen guten Psychologen zu Rate ziehen. Aber um Himmels willen, welche Seele wollen Sie denn unbedingt auslöschen?“

„Meine“, sagte er dumpf.