1,99 €
In "Vom Kriege" entfaltet Carl von Clausewitz eine tiefgehende Analyse der Kriegsführung und ihrer politischen Implikationen. Sein literarischer Stil ist geprägt von Klarheit und präziser Argumentation, während er historische Beispiele und philosophische Überlegungen geschickt miteinander verknüpft. Clausewitz definiert Krieg nicht nur als militärische Auseinandersetzung, sondern als ein komplexes Zusammenspiel von politischen Zielen und sozialen Dynamiken, was das Werk in den Kontext der politischen Theorie des 19. Jahrhunderts einordnet und es zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Militärwissenschaften erhebt. Carl von Clausewitz, ein preußischer Offizier und Militärtheoretiker, lebte in einer Zeit des Umbruchs, geprägt von den Napoleonischen Kriegen. Seine persönliche Erfahrung als Soldat und Berater in verschiedenen militärischen Konflikten, sowie sein bemerkenswerter Einsatz für eine fundierte militärische Ausbildung, haben sein Denken entscheidend beeinflusst. Die Entstehung von "Vom Kriege" spiegelt seine Auseinandersetzung mit der Realität und der Theorie des Krieges wider, wobei er sich intensiv mit den Schwächen und Stärken der zeitgenössischen Militärstrategien beschäftigt. Dieses Buch ist eine essenzielle Lektüre für jeden, der sich mit Politik, Geschichte oder Militärstrategien beschäftigt. Clausewitz' tiefgründige Erkenntnisse über das Wesen des Krieges und die Konflikte, die ihn umgeben, bieten nicht nur eine analytische Grundlage, sondern regen auch zu kritisch-philosophischen Reflexionen über die Natur des Menschen und die Gesellschaft an. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2023
Ein Funke der Absicht fällt in das trockene Gestrüpp menschlicher Unsicherheit und entzündet den unberechenbaren Brand des Krieges. Vom Kriege führt in einen Raum, in dem politische Ziele, moralische Kräfte und Zufälle aneinander reiben und Wirklichkeit hervorbringen. Carl von Clausewitz schreibt nicht über Schlachten als Gemälde, sondern über das Medium, in dem sie entstehen: Entscheidungen unter Druck, Täuschung, Mut, Irrtum und Beharrlichkeit. Der Blick richtet sich auf das Zusammenspiel von Zweck und Gewalt, auf das, was Pläne mit Menschen machen – und Menschen mit Plänen. So verdichtet sich ein Jahrhundertthema zur Frage nach Maß, Mitteln und Grenzen kollektiven Handelns.
Dieses Buch gilt als Klassiker, weil es die Erfahrung des Krieges in eine Denkordnung überführt, die Zeitläufe übersteht. Es ordnet nicht nur Begriffe, sondern schärft Wahrnehmung: Es lehrt, im Chaos Muster zu erkennen, ohne das Chaos zu leugnen. Damit prägt es die Debatten der Militärtheorie, der politischen Philosophie und der Geschichtsschreibung. Sein Echo hallt in Seminarräumen, Stäben und Redaktionsstuben, weil es keine fertigen Rezepte liefert, sondern geistige Werkzeuge. Gerade diese Offenheit – der Anspruch, Urteilskraft zu bilden – macht die anhaltende Wirkung aus und erklärt, warum spätere Denkerinnen und Denker daran Maß nehmen.
Autor des Werks ist der preußische General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz. Die Gedanken entstanden überwiegend in den 1810er und 1820er Jahren, geprägt von den Umwälzungen der napoleonischen Kriege. Das Manuskript blieb unvollendet; nach Clausewitz’ Tod wurde es 1832 postum veröffentlicht, aus dem Nachlass herausgegeben von seiner Witwe Marie von Clausewitz. Vom Kriege ist keine Chronik einzelner Schlachten, sondern eine groß angelegte Theorie des Krieges als gesellschaftlicher und politischer Erscheinung. Es fragt nach Wesen, Zweck, Mitteln und Grenzen des Krieges und verfolgt das Ziel, die Urteilsfähigkeit der Lesenden in einer unübersichtlichen Praxis zu schulen.
In acht Büchern entfaltet sich ein Panorama zentraler Themen: Natur und Theorie des Krieges, Strategie und Taktik, Angriff und Verteidigung, das Zusammenwirken materieller und immaterieller Faktoren, Planung, Wahrscheinlichkeit und Risiko. Clausewitz sondiert die Spannungen zwischen idealen Modellen und realer Praxis, zwischen kühler Berechnung und leidenschaftlicher Erregung, zwischen Ordnung und Zufall. Er untersucht die Wirkung von Gelände, Zeit, Information und Täuschung sowie die Bedeutung von Führung, Disziplin und Stimmung. Statt systematischer Rezepte bietet er eine Denkbewegung, die Begriffe prüft, gegeneinanderhält und in Beispielen erdet, um den Lesenden ein robustes Sensorium für die Sache zu vermitteln.
Die Absicht des Autors ist nicht, eine Vorschriftensammlung zu liefern, sondern das Denken selbst zu schulen. Vom Kriege soll helfen, das Wesentliche vom Beiwerk zu trennen, Möglichkeiten zu durchleuchten und die Grenzen des Wissens zu erkennen. Dazu klärt Clausewitz, wie politische Zwecke Kriegshandeln prägen und wie militärische Mittel wiederum politische Entscheidungen zurückwirken. Er zeigt, warum Theorie keine Schablone sein kann, sondern eine Haltung: nüchtern, beweglich, wach für Überraschungen. So will das Buch Verantwortliche – militärische wie politische – befähigen, inmitten von Unsicherheit tragfähige Urteile zu bilden, ohne die Einzigartigkeit konkreter Lagen aus dem Blick zu verlieren.
Methodisch verknüpft Clausewitz historische Beobachtung mit begrifflicher Strenge. Er arbeitet mit Kontrasten und gedanklichen Extremen, um die Spannweite realer Möglichkeiten sichtbar zu machen, und führt die Lesenden dann in die Zone dazwischen, wo Entscheidungen fallen. Historische Beispiele dienen nicht als Vorbilder, sondern als Prüfsteine für Begriffe. Zentral sind dabei Phänomene wie Reibung, die kleinsten Widerstände, die Plan und Wirklichkeit auseinanderziehen, sowie der unvollständige Überblick, der das Handeln prägt. In dieser Gemengelage gewinnt Urteilskraft ihren Wert. Theorie wird zum Werkzeug, nicht zum Gitter, durch das man die Wirklichkeit presst.
Als Klassiker steht Vom Kriege im Schnittpunkt europäischer Geistesgeschichte und praktischer Staatskunst. Es verbindet die Erfahrung einer Epoche mit einem Denken, das über sie hinausweist, und hat dadurch einen Kanon geprägt, an dem Studium und Praxis sich orientieren. Seine Begriffe fanden Eingang in die Sprache öffentlicher Debatten; seine Bilder halfen, neue Phänomene zu benennen. In der Literaturgeschichte ist es präsent als Hintergrundfolie, wenn Konflikt, Entscheidung und Macht verhandelt werden, und als Quelle wirkkräftiger Metaphern. Diese kulturelle Diffusion ist Teil seiner klassischen Gestalt: ein Werk, das Fachgrenzen überschreitet, ohne den Kern seiner Fragestellung zu verwässern.
Die Rezeptionsgeschichte ist breit: Militärakademien, Universitäten und politische Entscheidungsträger haben das Werk gelesen, diskutiert, kritisiert und weitergedacht. Es wurde in Lehrpläne aufgenommen, in Strategiestudien zitiert und in öffentlichen Debatten verkürzt oder überdehnt. Gerade diese Spannweite belegt seine Vitalität: Ein Text, der Widerspruch erzeugt, wirkt. Seine Einsichten über das Verhältnis von Zweck und Mittel, über Unsicherheit und Mut, über das Zusammenspiel von Organisation und Persönlichkeit sind zu Fixpunkten vieler Analysen geworden. Zugleich mahnt das Werk zur Vorsicht: Theorie ist Wegweiser, keine Landkarte, und Irrtum bleibt Teil des Handelns in gefährlichen Situationen.
Über die Fachwelt hinaus prägte Vom Kriege Bilder, die in Sprache und Imagination fortleben. Begriffe wie Schwerpunkt, Reibung oder der Schleier unvollständiger Kenntnis sind in Management, Journalismus und Kulturkritik zu Metaphern geworden, mit denen sich Konflikte, Krisen und Wandlungsprozesse beschreiben lassen. Auch die Literatur greift solche Denkfiguren auf, wenn sie über Macht, Risiko und Entscheidung erzählt. Diese Anschlussfähigkeit verdankt sich der Verbindung aus Nüchternheit und Bildkraft: Clausewitz spricht die Wirklichkeit nicht hübsch, aber er macht sie anschaulich. So wird Theorie zu Prosa, die Begriffe schärft, ohne den Reichtum der Erfahrung zu verflachen.
Die Gegenwart bestätigt die Relevanz des Buches, gerade weil Formen des Krieges sich wandeln: asymmetrische Konflikte, Informationsoperationen, technologische Beschleunigung. Vom Kriege liefert keine Antworten auf alle neuen Fragen, doch es bietet Kriterien, um das Neue vom bloß Verkleideten zu unterscheiden. Es erinnert daran, dass Ungewissheit, menschliche Fehlbarkeit, moralische Kräfte und politische Zielsetzungen die Dynamik des Krieges prägen, gleichgültig, welche Mittel eingesetzt werden. Damit lädt es zu nüchterner Analyse ein und hält dem Wunsch nach einfachen Formeln die Komplexität der Sache entgegen – ein Anstoß, der heute dringlicher ist denn je.
Wer dieses Werk liest, begegnet einem offenen, tastenden Denken. Der Text ist nicht glatt, sondern kantig, mit Wiederholungen, Korrekturen, Vorstößen und Rücknahmen – Ausdruck eines Autors, der seine Begriffe unter Last erprobt. Diese Unfertigkeit ist Teil seiner Stärke: Sie fordert Lesende auf, mitzudenken, zu prüfen, zu widersprechen. Der Lohn ist eine geschärfte Wahrnehmung für Situationen, in denen man entscheiden muss, bevor man alles weiß. So wird Lektüre zur Übung in Urteilskraft. Vom Kriege ist kein Handbuch, sondern ein Begleiter, der dazu anhält, den eigenen Kompass zu justieren, statt fremde Raster zu übernehmen.
Am Ende bleibt ein Bild von Krieg als menschlicher Praxis, in der Vernunft, Zufall, Leidenschaft und Organisation aufeinandertreffen. Die bleibende Anziehungskraft des Buches liegt in der Klarheit, mit der es Faktoren benennt, ohne die Welt zu simplifizieren; in der Redlichkeit, Unsicherheiten auszuhalten; und in der Fähigkeit, Sprache für Erfahrungen zu finden, die sonst sprachlos machen. Es ist relevant, weil es Leserinnen und Leser mit Fragen entlässt, die Handeln besser machen können. Als Klassiker wirkt es, weil es nicht vergeht, sondern weiterarbeitet – im Denken jener, die die Verbindung von Politik, Gewalt und Verantwortung begreifen wollen.
Vom Kriege ist eine groß angelegte Untersuchung des Krieges als gesellschaftlich-politisches Phänomen. Clausewitz, geprägt von den Napoleonischen Kriegen, will nicht Regeln vorschreiben, sondern das Wesen des Krieges verständlich machen. Das Werk blieb unvollendet und erschien posthum, ist jedoch in acht Bücher gegliedert. Leitidee ist, dass Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Daraus folgt, dass Ziele, Mittel und Wege stets politisch zu bestimmen sind. Der Autor nutzt eine dialektische Methode, verknüpft Begriffe und Beispiele und richtet sich an militärische wie politische Führung. Ziel ist die Schulung der Urteilskraft angesichts von Ungewissheit, Widerstand und wechselnden Lagen.
Zunächst klärt Clausewitz die Natur des Krieges als Akt der Gewalt, der den Gegner zum eigenen Willen beugen soll. Theoretisch drängt die Logik zu absoluter Steigerung, praktisch aber wirken hemmende Kräfte: politische Ziele, begrenzte Mittel, moralische Rücksichten und materielle Widerstände. Daraus formt er die Dreieinigkeit aus Leidenschaft, Zufall und Vernunft, die Volk, Heer und Regierung verbindet. Zudem beschreibt er Reibung und den Nebel des Krieges als allgegenwärtige Unsicherheit, die Planung stört, Information verfälscht und Handeln in Wahrscheinlichkeiten verwandelt. So entsteht das Spannungsfeld zwischen idealem Krieg und realer Kriegführung, in dem Führung und Organisation ihre Wirkung entfalten müssen.
Über Theorie sagt Clausewitz, sie müsse aufklären, nicht befehlen. Eine brauchbare Theorie klärt Begriffe, ordnet Zusammenhänge, fördert kritisches Denken und bereitet auf die Praxis vor. Sie stützt sich auf Erfahrung, historische Beispiele und methodische Analyse. Er zerlegt Entscheidungen in Zweck, Mittel und Umstände, um Fehlerursachen sichtbar zu machen und Alternativen zu prüfen. Starre Systeme sind untauglich, weil Gegner reagieren und Zufall wirkt. Militärische Genialität zeigt sich im scharfen Blick und entschlossenen Handeln unter Unsicherheit. Theorie dient der Selbstbildung, bleibt aber dienend gegenüber Urteil und Charakter des Feldherrn. Damit schafft Clausewitz einen flexiblen Rahmen statt eines Regelbuchs.
Die Strategie definiert er als Gebrauch des Gefechts zur Erreichung des politischen Zwecks. Sie verbindet Ziele, Wege und Mittel, indem sie Kräfte bündelt und günstige Konstellationen schafft. Wichtige Aufgaben sind die Wahl von Operationslinien, Sicherung der Verbindungen, Ökonomie der Kräfte, das Ausnutzen von Zeitvorteilen sowie Überraschung und Täuschung. Mit dem Schwerpunkt bezeichnet er den Kern der feindlichen Macht, dessen Lähmung oder Zerstörung die Entscheidung begünstigt. Strategie verlangt stetige Anpassung, weil Reibung, Zufall und gegnerische Gegenmaßnahmen Pläne verändern. Die Führung muss Absichten beibehalten, ohne starr zu werden, und Zwischenergebnisse konsequent in Richtung des Endzwecks verwerten.
Das Gefecht ist das unmittelbare Mittel der Strategie. Clausewitz untersucht Formen, Ziele und Wirkungen von Schlachten. Primärer Zweck ist häufig die Vernichtung oder Lähmung feindlicher Kräfte, woraus strategische Vorteile entstehen. Taktik und Strategie greifen ineinander, wenn Führung Feuer und Bewegung ordnet, Reserven einsetzt, den Zeitpunkt wählt und moralische Energien steuert. Entschlossenheit, Ausdauer und Kohäsion prägen das Ergebnis. Zugleich kennt er Gefechte mit begrenzten Zielen, etwa Raumgewinn, Ablenkung oder Verzögerung. Der Ausgang wird im Nachgang entschieden: Verfolgung, Sammlung und Ausnutzung des Erfolgs bestimmen, ob ein taktischer Sieg zur strategischen Entscheidung reift oder der Gegner sich regenerieren kann.
Zu den Mitteln der Kriegführung zählen Organisation, Truppen, Waffen, Versorgung, Kommunikation, Gelände und Jahreszeit. Clausewitz behandelt Märsche, Lager, Gefechtsordnungen, Festungen und Verkehrslinien, die das Handeln ermöglichen oder hemmen. Er misst moralischen Faktoren besonderes Gewicht bei: Mut, Vertrauen, Disziplin, Ruf und die Wirkung der Führung. Reibung tritt in Müdigkeit, Witterung, Missverständnissen und kleinen Fehlern auf, die sich summieren und selbst Einfaches erschweren. Darum betont er den Feldherrn mit Blick, Kühnheit, Standhaftigkeit und Einfachheit im Wesentlichen. Stäbe, Verfahren und Nachrichtendienste sollen die Urteilskraft stützen. Vollständige Sicherheit bleibt unerreichbar, weshalb Vorbereitung, Flexibilität und innere Ordnung entscheidend sind.
Die Verteidigung gilt Clausewitz als stärkere Form des Krieges. Ihr Vorteil liegt in Raum, Zeit, Vorbereitung, Volksunterstützung und der Möglichkeit, Kräfte zu schonen. Defensive Mittel sind Verzögerung, Rückzug, geschickte Nutzung des Terrains, Festungen, gestaffelte Stellungen und das Herstellen günstiger Bedingungen für den Gegenstoß. Verteidigung bedeutet nicht Untätigkeit, sondern die Suche nach dem Augenblick, die Initiative zurückzugewinnen. Er erörtert den Volkskrieg und irreguläre Kräfte als Ergänzung, vor allem zur Störung feindlicher Verbindungen. Politisch dient die Verteidigung oft dazu, Zeit zu gewinnen, Bündnisse zu festigen und den Gegner zu zermürben, bis eine neue strategische Lage die Entscheidung erlaubt.
Der Angriff zielt auf die Entscheidung, verlangt aber Konzentration, Tempo und gesicherte Verbindungslinien. Siege wirken erst durch Verfolgung, Raumgewinn, Gefangennahme von Kräften und Zerstörung von Mitteln. Clausewitz beschreibt Belagerungen, Durchbrüche und weite Operationen und fordert, sie am politischen Ziel zu messen. Er warnt vor Überspannung: Mit dem Kulminationspunkt des Sieges bezeichnet er den Moment, in dem weiteres Vordringen die Lage verschlechtert. Offensive Energie bleibt wichtig, doch muss sie an Mittel, Zeit und Widerstand angepasst werden. Der Angriff gewinnt durch Überraschung und Moral, verliert jedoch, wenn Logistik, Reservebildung und die politische Zweckmäßigkeit vernachlässigt werden.
Zum Abschluss entwickelt Clausewitz die Lehre vom Kriegsplan und stellt die Primatstellung der Politik heraus. Er unterscheidet begrenzte und unbeschränkte Kriege und verlangt, Mittel, Wege und Ziele ins Gleichgewicht zu bringen. Die Wahl des feindlichen Schwerpunkts, die Einschätzung eigener und fremder Kräfte, Bündnisse und nationale Besonderheiten prägen den Plan. Kriegführung umfasst auch die Beendigung des Krieges: Erfolge sind politisch zu nutzen, Niederlagen zu begrenzen, Verhandlungen zu erwägen. Die zentrale Botschaft lautet, dass Krieg ein von Ungewissheit geprägtes, instrumentelles Handeln bleibt, dessen Vernunft im Politischen wurzelt und dessen Praxis die Verbindung von staatsmännischem Urteil und militärischer Führungskunst erfordert.
Vom Kriege entstand in den Jahren 1816 bis 1830 vorwiegend in Berlin, teils in Breslau, und wurde 1832 postum von Marie von Brühl, der Ehefrau Carl von Clausewitz’, herausgegeben. Seine gedankliche Bühne ist Europa zwischen Französischer Revolution und Restaurationsordnung: eine Epoche massiver Heeresaufgebote, rascher Feldzüge und tiefgreifender Staatsreformen. Die Schauplätze reichen vom Rhein über Sachsen und Schlesien bis zur Weichsel und nach Moskau, denn hier entschieden sich die Kriege, aus denen Clausewitz seine Beispiele schöpft. Preußen, Frankreich, Russland, Österreich und Großbritannien bilden das Mächtekonzert, in dem Krieg und Diplomatie unablässig ineinandergreifen und die politischen Bedingungen militärisches Denken bestimmen.
Der geografische und soziale Fokus liegt auf dem Königreich Preußen, dessen Hauptstadt Berlin und dessen östliche Provinzen, insbesondere Schlesien und Ostpreußen, die Erschütterungen nach 1806 besonders spürten. Die preußische Offizierskultur, noch ständisch geprägt, traf auf eine sich modernisierende Verwaltung und eine wachsende Öffentlichkeit. Militärisch prägten befestigte Städte, Flüsse, Chausseen und Magazine die Operationsräume; Eisenbahnen existierten noch nicht. Die Berliner Allgemeine Kriegsschule, Keimzelle der späteren Kriegsakademie, wurde zum intellektuellen Ort der Systematisierung von Erfahrung. In diesem Umfeld schreibt Clausewitz über Krieg als politisches Instrument, über das Spannungsverhältnis von Staat, Armee und Gesellschaft und über die Grenzen planbarer Rationalität im Feld.
Die Französische Revolution von 1789 und die Levée en masse von 1793 schufen die erste moderne Massenarmee und verknüpften Kriegführung mit nationaler Mobilisierung und politischer Ideologie. Unter dem Wohlfahrtsausschuss kämpfte Frankreich gegen die Erste Koalition; Bürgerpflicht und Wehrpflicht verschmolzen. Dieser Bruch mit den Kabinettskriegen des Ancien Régime vergrößerte Armeen, beschleunigte Feldzüge und erhöhte die politische Einsatzhöhe. Vom Kriege reflektiert diese Zäsur, indem es zwischen absoluter, zur Eskalation tendierender Kriegslogik und real begrenzter Kriegsführung unterscheidet. Clausewitz’ Betonung der politischen Zwecksetzung des Krieges reagiert direkt auf den revolutionären Zusammenhang von Staatsziel, Volksleidenschaft und militärischen Mitteln.
Im Ersten Koalitionskrieg 1792–1797 diente der junge Clausewitz ab 1793 am Rhein. Er erlebte Gefechte und Belagerungen, etwa im Umfeld von Mainz, die das Wechselspiel von taktischem Können, Versorgungslage und Zufall offenbarten. Die heterogenen Koalitionsarmeen, lange Versorgungslinien und improvisierten Operationen schufen Unsicherheit, Verzögerungen und Missverständnisse. Diese Erfahrungen prägen im Buch die Kategorien Friktion und Nebel des Krieges: jenes Konglomerat aus unvollständigen Informationen, Müdigkeit, Wetter, Terrain und menschlichem Irrtum, das Planungen zersetzt. Aus den frühen Rheinoperationen gewinnt Clausewitz die Einsicht, dass Mut, Urteilskraft und Organisation die unvermeidlichen Störungen nicht eliminieren, sondern nur einhegen können.
Der Aufstieg Napoleons von 1799 bis 1815 revolutionierte die europäische Kriegführung. Die corps d’armée, eigenständige Großverbände mit Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Stäben, erlaubten operative Beweglichkeit, parallele Marschwege und konzentrierte Schlachtbildung im entscheidenden Moment. Feldzüge wie Ulm und Austerlitz (1805), Jena und Auerstedt (1806) oder Wagram (1809) demonstrierten Tempo, Überraschung und die Nutzung innerer Linien. Diese militärische Innovation war politisch getragen: zentralisierte Staatsgewalt, administrative Effizienz, Kriegskredite und die Fähigkeit, die Leidenschaft einer Nation zu mobilisieren. Zugleich zeigten Kontinentalsperre, Besatzung und Ressourcenabschöpfung die ökonomische Dimension des Krieges. Vom Kriege destilliert aus dieser Erfahrung zentrale Begriffe. Der Schwerpunkt bezeichnet die wichtigste Kraftquelle des Gegners, sei es Armee, Hauptstadt, Bündnis oder Volkswille, auf die sich der Hauptstoß richten muss. Der Kulminationspunkt des Sieges markiert den Moment, in dem ein erfolgreicher Angreifer die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit erreicht und der Vorteil kippt. Friktion beschreibt, warum selbst Napoleons Apparate nie reibungslos funktionierten; Zufall, Irrtum und Ermüdung schleifen jeden Plan. Moralische Kräfte – Mut, Disziplin, Vertrauen – werden als operational gleichwertig zu Zahlen und Terrain begriffen. Vor allem aber begrenzt Clausewitz die Verführung des entscheidenden Gefechts: Schlacht und Zerstörung der feindlichen Hauptmacht sind nur Mittel zum politischen Zweck. Wo Bündnisse, Ressourcen oder legitime Ziele begrenzt sind, rät er zur beschränkten Kriegführung. Die napoleonische Ära bildet so den Erfahrungsboden, auf dem Clausewitz die Dialektik von absoluter Tendenz und realer Begrenzung entwickelt: Krieg ist eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, nicht deren Ersatz. Diese Einsicht beantwortet die neuartige Verbindung von Massenmobilisierung, Staatsmacht und militärischer Kunst durch ein theoretisches Raster, das das Politische zum Rahmen jeder operativen Entscheidung macht.
Die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zerschlug die preußische Armee und brachte den Staat an den Rand des Zusammenbruchs. Veraltete Reglements, starre Führung und gespaltene Kommandostrukturen trafen auf Napoleons bewegliche Corps. Clausewitz, Adjutant des Prinzen August, geriet bald in französische Gefangenschaft. Das Desaster offenbarte die Schwäche eines Kabinettskriegs-Systems gegen eine politisch mobilisierte Kriegsführung. Im Buch erscheint diese Erfahrung als Kritik an dogmatischen Systemen und als Plädoyer für Schwerpunktbildung, operative Elastizität und die Einheit von politischem Ziel und militärischer Methode, statt Routine und Formalismus.
Der Frieden von Tilsit (7.–9. Juli 1807) zwischen Napoleon, Russland und Preußen besiegelte die preußische Niederlage: territoriale Verluste (u. a. an das Herzogtum Warschau und das Königreich Westphalen), hohe Kontributionen und die Reduktion der Armee auf 42.000 Mann. Französische Garnisonen und politische Demütigung erzeugten Reformdruck. Tilsit zeigt, wie militärische Katastrophen in politische Zwangslagen münden. Vom Kriege reflektiert diese Verflechtung, indem es Krieg als Mittel politischer Willensdurchsetzung fasst und erklärt, warum ein Staat Ziele, Mittel und Risiken neu zu justieren hat, wenn äußere Zwänge die strategische Handlungsfreiheit einengen.
Die preußischen Reformen 1807–1813 unter Stein und Hardenberg sowie Scharnhorst, Gneisenau, Boyen und Grolman modernisierten Staat und Heer. Das Oktoberedikt (9. Oktober 1807) hob Erbuntertänigkeit auf, die Städteordnung (1808) förderte Selbstverwaltung. Militärisch kamen das Krümpersystem zur stillen Reservebildung, eine offene Offizierslaufbahn, Stabsarbeit und realistische Ausbildung auf. Disziplinarbräuche wurden reformiert, Ehrengerichte begrenzt, Leistung vor Geburt betont. Clausewitz arbeitete in Reformgremien und an der Kriegsschule; im Buch spiegeln sich diese Erfahrungen in der Aufwertung moralischer Kräfte, der Bedeutung von Bildung für Führung und in der Einsicht, dass Organisation und Staatlichkeit die Kampfkraft politisch fundieren.
Zwischen 1808 und 1815 erstarkten deutscher Nationalgedanke und Volksbewaffnung. Fichtes Reden an die deutsche Nation (1807/08), der Tugendbund (1808) und Freikorps wie Lützow beförderten eine Mobilisierung jenseits des ständischen Staates. Mit dem Edikt vom 17. März 1813 wurde die Landwehr geschaffen, mit dem Landsturm-Edikt vom 21. April 1813 ein umfassender Volksaufgebotrahmen. Diese gesellschaftliche Dynamik veränderte die Kriegsführung strukturell. Vom Kriege analysiert den Volkskrieg als Ergänzung zum Linienkrieg, betont seine Kraft, aber auch seine politischen Gefahren: Ungebändigte Volksleidenschaft kann Ziele radikalisieren und die Steuerung durch die Regierung erschweren.
Napoleon überschritt am 24. Juni 1812 mit der Grande Armée den Njemen; nach Smolensk und der verlustreichen Schlacht bei Borodino (7. September) erreichte er Moskau (14. September), das bald brannte. Der Rückzug endete an der Beresina (26.–29. November) in einer Katastrophe. Clausewitz war seit Frühjahr 1812 in russischen Diensten, wirkte im Stab und verfasste Denkschriften zur strategischen Defensive in der Weite des Raums. Im Buch werden aus dieser Kampagne Kulminationspunkt, Abnutzung und Raum-Zeit-Faktoren abgeleitet: Verteidigung ist die stärkere Form des Krieges; Überdehnung kippt offensiven Erfolg.
Die Konvention von Tauroggen vom 30. Dezember 1812, die General Ludwig Yorck von Wartenburg mit dem russischen General Diebitsch schloss, erklärte das preußische Hilfskorps für neutral und löste es aus französischem Befehl. Clausewitz, als russischer Verbindungsoffizier bei Yorck, trug entscheidend zur Entscheidung bei. Politisch markierte Tauroggen den Auftakt der preußischen Erhebung und den Weg zum Bündnisvertrag von Kalisch (28. Februar 1813). Vom Kriege nutzt solche Momente, um zu zeigen, dass strategische Wendepunkte oft aus politischen Willensakten entstehen, die militärische Lagen plötzlich neu rahmen und operative Möglichkeiten öffnen.
Die Befreiungskriege 1813 brachten nach dem Waffenstillstand von Pläswitz (Juni–August) eine neue Koalitionsstrategie. Bei Großbeeren (23. August), Dennewitz (6. September) und an der Katzbach (26. August) wurden französische Korps geschlagen; in der Völkerschlacht bei Leipzig (16.–19. Oktober) zerbrach Napoleons mitteldeutsche Position. Clausewitz diente im Korps Yorck und erlebte Koalitionskoordination, Masseeinsatz und operative Bündelung. Im Buch erscheint dies als Lehre über Schwerpunktverlagerungen in Koalitionskriegen und über die Wirksamkeit der Zerstörung der feindlichen Hauptmacht nur im Verbund mit politischer Isolation des Gegners und Sicherung der Basis.
Der Feldzug von 1814 führte die Alliierten über den Rhein nach Frankreich. Trotz Napoleons geschickter Schläge in der Sechstagekampagne zwangen Ressourcenmangel und Koalitionsdruck das Kaiserreich in die Defensive. Am 31. März 1814 besetzten die Verbündeten Paris; am 6. April dankte Napoleon ab. Aus diesen Ereignissen zieht Vom Kriege die Lehren begrenzter Ziele, der Erschöpfung und des Gewichts moralischer und materieller Reserven. Der Sieg entsteht nicht allein in der Schlacht, sondern durch das Zusammenwirken militärischer Erfolge mit politischer Umklammerung, Versorgungsvorteilen und dem Entzug der Legitimität des Gegners.
Im Feldzug der Hundert Tage 1815 besiegten die Alliierten Napoleon bei Waterloo (18. Juni). Während Blücher und Wellington die Entscheidung suchten, band das preußische III. Korps unter Johann von Thielmann bei Wavre (18.–19. Juni) Marschall Grouchy. Clausewitz war dessen Generalstabschef. Das Gefecht verzögerte Grouchy so, dass er nicht rechtzeitig eingreifen konnte; Blüchers Unterstützung Wellingtons wurde entscheidend. Vom Kriege verknüpft solche Koalitionsoperationen mit Friktion, Zeitfaktor und Schwerpunktbildung: Koordination, Marschleistung und das Überwinden von Unsicherheit bestimmen den Ausgang ebenso wie taktische Stärke.
Nach 1815 verfestigten sich die Reformen institutionell: Der preußische Generalstab gewann Profil, und die Kriegsakademie in Berlin wurde unter Grolman, Boyen und anderen zu einem Zentrum militärischer Bildung. Kriegsspiel und Stabsarbeit professionalisierten Planung und Lagebeurteilung. 1818 wurde Clausewitz Direktor der Allgemeinen Kriegsschule; hier arbeitete er an Vom Kriege, bis ihn 1831 die Cholera hinwegraffte. Diese Institutionalisierung prägt das Buch: Theorie dient der Bildung des Urteils, nicht der Vorschriftenproduktion. Der Offizier soll unter Unsicherheit entscheiden, Schwerpunkte erkennen und politische Zwecke verstehen – eine Antwort auf die Napoleonerfahrungen in systematischer Form.
Vom Kriege fungiert als politisch-gesellschaftliche Kritik, indem es die Trennung von Kriegsführung und Staatszweck zurückweist. Gegen die Selbstherrlichkeit militärischer Routinen fordert es politische Klarheit, Verantwortlichkeit der Regierung und die Anerkennung der Kosten für Gesellschaft und Wirtschaft. Es entlarvt technokratische Illusionen, die Friktion und Zufall ausblenden, und warnt vor Abenteuern, die ohne tragfähige Legitimation Massen mobilisieren. Zugleich relativiert es restaurative Träume der 1810er und 1820er Jahre: Volksleidenschaft und nationale Energien sind reale Kräfte, die politisch geordnet werden müssen. Die Krisen von 1830/31 unterstreichen die Aktualität dieser Mahnung.
Das Werk macht die großen Probleme seiner Epoche sichtbar: soziale Ungleichheit im Offizierskorps, die Spannung zwischen ständischer Ordnung und meritokratischer Leistung, die Ambivalenz der Wehrpflicht als Bürgerrecht und Bürdenpflicht. Clausewitz’ Betonung moralischer Kräfte kritisiert implizit ein Standesdenken, das Bildung und Verantwortung monopolisiert. Indem er den Volkskrieg analysiert, weist er auf die Gefahr unkontrollierter Gewalt und auf die Pflicht politischer Führung zur Begrenzung hin. Der Satz vom Krieg als Fortsetzung der Politik verpflichtet Regierungen, Ziele offen zu definieren, Mittel maßvoll zu wählen und die Gesellschaft nicht ideologisch zu überfordern – eine nüchterne, normative Kritik seiner Zeit.
Carl von Clausewitz (1780–1831) war preußischer General und einer der einflussreichsten Militärtheoretiker der Moderne. Geprägt von den Umbrüchen der Revolutions- und Napoleonischen Kriege, verband er persönliche Felderfahrung mit einer historisch und politisch informierten Theorie des Krieges. Sein Name ist untrennbar mit den Grundbegriffen Strategie, Politik und Gewalt verknüpft; besonders „Vom Kriege“ prägte das Verständnis von Reibung, Zufall und Entscheidung. Clausewitz’ Denken überschritt das rein Militärische und beeinflusste das staatliche Handeln, sicherheitspolitische Analysen und Führungstheorie bis in die Gegenwart. Seine nüchterne, methodische Perspektive machte ihn zu einem Referenzautor für Offiziere, Historiker und Politikwissenschaftler weltweit.
Geboren in Burg bei Magdeburg, trat Clausewitz als Jugendlicher in das preußische Heer ein und sammelte in den Koalitionskriegen frühe Kampferfahrung. Eine entscheidende Prägung erfuhr er in den frühen 1800er-Jahren an der Berliner Allgemeinen Kriegsschule unter Gerhard von Scharnhorst. Dort vertiefte er mathematische, historisch-politische und taktische Studien und lernte, Krieg als komplexes gesellschaftliches Phänomen zu analysieren. Scharnhorst wurde zu seinem wichtigsten Mentor und förderte die Verbindung von Praxis, Theorie und kritischer Geschichtsschreibung. Clausewitz studierte Feldzüge systematisch, um aus vergleichender Analyse Prinzipien zu gewinnen. Diese methodische Strenge, nicht eine einzelne Schule, wurde zu seiner wichtigsten „Schule“.
Die preußischen Niederlagen von 1806 trafen Clausewitz tief; er geriet in Gefangenschaft und erlebte die Grenzen traditioneller Führung. Nach seiner Rückkehr arbeitete er im Kreis der Reformkräfte um Scharnhorst und Gneisenau an Denkschriften zur Erneuerung von Heer und Staat. Aus politischer Überzeugung lehnte er das Bündnis mit Napoleon ab und schied 1812 aus dem preußischen Dienst, um im russischen Heer zu kämpfen. Dort nahm er am Feldzug gegen die Grande Armée teil und wirkte in den Befreiungskriegen. Ab 1813/14 kehrte er in preußische Dienste zurück und übernahm Stabsaufgaben, in denen seine analytischen Fähigkeiten zunehmend gefragt waren.
Im Jahr 1815 diente Clausewitz als Chef des Stabes des III. preußischen Armeekorps unter Johann von Thielmann. In der Schlacht bei Wavre band dieses Korps französische Kräfte und trug indirekt zum Ausgang von Waterloo bei. Die Erfahrungen der Feldzüge schärften seine Sicht auf operative Koordination, Ungewissheit und die Rolle des Entschlusses. Nach den Kriegen arbeitete er im Kriegsministerium und übernahm ab den späten 1810er-Jahren die Leitung der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin. Dort verband er Lehre, Stabsdienst und Forschung, förderte kritisches Urteil und verankerte die historische Fallanalyse als Kern des professionellen militärischen Denkens.
Sein Hauptwerk „Vom Kriege“ blieb Fragment, doch gerade dieser offen angelegte Entwurf begründete seinen Rang. Postum in den frühen 1830er-Jahren herausgegeben, redigierte Marie von Clausewitz die Manuskripte und ordnete sie für den Druck. Das Werk entfaltet zentrale Begriffe wie Reibung, Schwerpunkt, Nebel des Krieges und das Verhältnis von Krieg und Politik. Neben dieser Theorie verfasste Clausewitz historische Studien, unter anderem „Der Feldzug von 1812 in Russland“ und „Der Feldzug von 1815 in Frankreich“. Diese Schriften verbinden Quellenkritik mit strategischer Auswertung und spiegeln sein Bestreben, konkrete Erfahrung in allgemeine, aber bedingte Erkenntnisse zu überführen.
Clausewitz verstand Krieg als ein von Politik bestimmtes, von Zufall und Wahrscheinlichkeit durchdrungenes Handeln. Berühmt wurde seine Formulierung vom Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sowie die „wunderliche Dreifaltigkeit“ aus leidenschaftlicher Gewalt, Spiel des Zufalls und lenkender Vernunft. Er setzte damit einen Kontrapunkt zu schematisierenden Lehren seiner Zeit und kritisierte dogmatische Rezepte. Seine Wirkung reichte in Generalstabsarbeit, strategische Planung und Theorie internationaler Sicherheit. Zugleich blieb sein Werk Gegenstand kontroverser Interpretationen, weil es auf Kontext, Urteil und Maß abhebt und absolute Regeln bewusst vermeidet. Gerade daraus bezieht es anhaltende Aktualität.
In seinen späten Jahren blieb Clausewitz in verantwortlichen Stabsverwendungen tätig. 1831 diente er als Chef des Stabes eines preußischen Korps während der Operationen gegen den polnischen Aufstand und starb noch im selben Jahr in Breslau an der Cholera. Die Veröffentlichung seiner Schriften sicherte seinen Nachruhm. „Vom Kriege“ wurde an Militärakademien gelesen, in zahlreiche Sprachen übersetzt und jenseits des Militärs rezipiert. Bis heute prägen seine Einsichten Debatten über Strategie, Entscheidungsfindung und den Umgang mit Unsicherheit. Sein Vermächtnis liegt in einer nüchternen, historisch informierten Denkweise, die Urteilskraft über Dogma stellt.
Es wird mit Recht befremden, daß eine weibliche Hand es wagt, ein Werk von solchem Inhalt wie das vorliegende mit einer Vorrede zu begleiten. Für meine Freunde bedarf es hierüber keiner Erklärung, aber auch in den Augen derer, die mich nicht kennen, hoffe ich durch die einfache Erzählung dessen, was mich dazu veranlaßte, jeden Schein einer Anmaßung von mir zu entfernen.
Das Werk, dem diese Zeilen vorangehen sollen, hat meinen unaussprechlich geliebten, mir und dem Vaterlande leider zu früh entrissenen Mann während der letzten zwölf Jahre seines Lebens fast ausschließend beschäftigt. Es zu vollenden, war sein sehnlichster Wunsch, aber nicht seine Absicht, es während seines Lebens der Welt mitzuteilen; und wenn ich mich bemühte, ihn von diesem Vorsatz abzubringen, gab er mir oft, halb im Scherz, halb aber auch wohl im Vorgefühl eines frühen Todes, zur Antwort: »Du sollst es herausgeben.« Diese Worte (die mir in jenen glücklichen Tagen oft Tränen entlockten, sowenig ich damals geneigt war, ihnen eine ernsthafte Bedeutung unterzulegen) sind es nun, die es mir nach der Ansicht meiner Freunde zur Pflicht machen, den hinterlassenen Werken meines geliebten Mannes einige Zeilen vorauszuschicken; und wenn man auch hierüber verschiedener Meinung sein kann, so wird man doch das Gefühl gewiß nicht mißdeuten, das mich veranlaßt hat, die Schüchternheit zu überwinden, welche einer Frau jedes auch noch so untergeordnete Auftreten der Art so sehr erschwert.
Es versteht sich von selbst, daß ich dabei auch nicht die entfernteste Absicht haben kann, mich als die eigentliche Herausgeberin eines Werkes zu betrachten, das weit über meinem Horizont liegt. Nur als eine teilnehmende Begleiterin will ich demselben bei seinem Eintritt in die Welt zur Seite stehen. Diese Stelle darf ich wohl in Anspruch nehmen, da mir auch bei dessen Entstehung und Ausbildung eine ähnliche vergönnt wurde. Wer unsere glückselige Ehe gekannt hat und weiß, wie wir alles miteinander teilten, nicht allein Freude und Leid, sondern auch jede Beschäftigung, jedes Interesse des täglichen Lebens: der wird begreifen, daß eine Arbeit dieser Art meinen geliebten Mann nicht beschäftigen konnte, ohne auch mir genau bekannt zu sein. Es kann also auch niemand so wie ich, Zeugnis geben von dem Eifer, von der Liebe, mit der er sich ihr widmete, von den Hoffnungen, die er damit verband, sowie von der Art und dem Zeitpunkt ihres Entstehens. Sein so reich begabter Geist hatte von früher Jugend an das Bedürfnis des Lichts und der Wahrheit empfunden, und so vielseitig er auch gebildet war, hatte sich sein Nachdenken doch hauptsächlich auf die Kriegswissenschaften gerichtet, welchen sein Beruf ihn widmete, und welche von so großer Wichtigkeit für das Wohl der Staaten sind. Scharnhorst[1] hatte ihn zuerst auf die richtige Bahn geführt, und seine im Jahre 1810 erfolgte Anstellung als Lehrer bei der Allgemeinen Kriegsschule sowie die Ehre, die ihm in derselben Zeit zuteil wurde, Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen den ersten militärischen Unterricht zu erteilen, waren ihm neue Veranlassungen, seinen Forschungen und Bestrebungen diese Richtung zu geben sowie dasjenige niederzuschreiben, worüber er mit sich selbst aufs reine gekommen war. Ein Aufsatz, mit welchem er im Jahre 1812 den Unterricht Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen schloß, enthält schon die Keime seiner folgenden Werke. Aber erst im Jahre 1816 in Koblenz fing er wieder an, sich mit wissenschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen und die Früchte zu sammeln, welche die reichen Erfahrungen von vier so gewichtigen Kriegsjahren in ihm zur Reife gebracht hatten. Er schrieb seine Ansichten zuerst in kurzen, untereinander nur lose verbundenen Aufsätzen nieder. Der nachfolgende, der sich ohne Datum unter seinen Papieren fand, scheint auch aus jener früheren Zeit herzustammen:
»Durch die hier niedergeschriebenen Sätze sind nach meiner Meinung die Hauptsachen, welche die sogenannte Strategie ausmachen, berührt. Ich sah sie noch als bloße Materialien an und war ziemlich so weit gekommen, sie zu einem Ganzen zu verschmelzen.
Es sind nämlich diese Materialien ohne vorher gemachten Plan entstanden. Meine Absicht war anfangs, ohne Rücksicht auf System und strengen Zusammenhang über die wichtigsten Punkte dieses Gegenstandes dasjenige in ganz kurzen, präzisen, gedrungenen Sätzen niederzuschreiben, was ich darüber mit mir selbst ausgemacht hatte. Die Art, wie Montesquieu seinen Gegenstand behandelt hat, schwebte mir dabei dunkel vor. Ich dachte mir, solche kurze, sentenzreiche Kapitel, die ich anfangs nur Körner nennen wollte, würden den geistreichen Menschen anziehen ebensosehr durch das, was weiter aus ihnen entwickelt werden konnte, als durch das, was sie selbst feststellten; es schwebte mir also ein geistreicher, schon mit der Sache bekannter Leser vor. Allein meine Natur, die mich immer zum Entwickeln und Systematisieren treibt, hat sich am Ende auch hier wieder hervorgearbeitet. Eine Zeitlang vermochte ich es über mich, aus den Abhandlungen, welche ich für einzelne Gegenstände schrieb, weil sie mir dadurch selbst erst recht klar und sicher werden sollten, nur die wichtigsten Resultate herauszuheben und also den Geist in ein kleineres Volumen zu konzentrieren; später aber ist meine Eigentümlichkeit völlig mit mir durchgegangen, ich habe entwickelt, was ich gekonnt habe, und mir dann natürlich dabei einen mit dem Gegenstand noch nicht bekannten Leser gedacht.
Je mehr ich fortgearbeitet, je mehr ich mich dem Geiste der Untersuchung hingegeben habe, um so mehr bin ich auch auf das System zurückgeführt, und so Bind denn nach und nach Kapitel eingeschaltet worden.
Meine letzte Absicht war nun, alles noch einmal durchzugehen, in den früheren Aufsätzen manches mehr zu motivieren, in den späteren vielleicht manche Analyse in ein Resultat zusammenzuziehen und so ein erträgliches Ganze daraus zu machen, welches einen kleinen Oktavband bildete. Aber auch dabei wollte ich durchaus alles Gewöhnliche, was sich von selbst versteht, hundertmal gesagt, allgemein angenommen ist, vermeiden; denn mein Ehrgeiz war, ein Buch zu schreiben, was nicht nach zwei oder drei Jahren vergessen wäre, und was derjenige, welcher sich für den Gegenstand interessiert, allenfalls mehr als einmal in die Hand nehmen könnte.«
In Koblenz, wo er viele Dienstgeschäfte hatte, konnte er seinen Privatarbeiten nur abgebrochene Stunden widmen; erst durch seine im Jahre 1818 erfolgte Ernennung zum Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin gewann er die Muße, seinem Werk eine weitere Ausdehnung zu geben und es auch durch die Geschichte der neueren Kriege zu bereichern. Diese Muße söhnte ihn auch mit seiner neuen Bestimmung aus, die ihm in anderer Hinsicht wohl nicht ganz genügen konnte, da nach der einmal bestehenden Einrichtung der Kriegsschule der wissenschaftliche Teil der Anstalt nicht unter dem Direktor steht, sondern von einer besonderen Studienkommission geleitet wird. So frei er auch von jeder kleinlichen Eitelkeit, von jedem unruhigen egoistischen Ehrgeiz war, so fühlte er doch das Bedürfnis, wahrhaft nützlich zu sein und die Fähigkeiten, mit welchen Gott ihn begabt hatte, nicht ungebraucht zu lassen. Im tätigen Leben stand er nicht an einer Stelle, wo dies Bedürfnis Befriedigung finden konnte, und er machte sich wenig Hoffnung, noch einst zu einer solchen zu gelangen; sein ganzes Streben richtete sich also auf das Reich der Wissenschaft, und der Nutzen, den er einst durch sein Werk zu stiften hoffte, wurde der Zweck seines Lebens. Wenn trotzdem der Entschluß, dies Werk erst nach seinem Tode erscheinen zu lassen, immer fester in ihm wurde, so ist dies wohl der beste Beweis, daß kein eitles Verlangen nach Lob und Anerkenntnis, keine Spur irgendeiner egoistischen Rücksicht diesem edlen Drange nach einer großen und dauernden Wirksamkeit beigemischt war.
So arbeitete er eifrig fort, bis er im Frühjahr 1830 zur Artillerie versetzt und seine Tätigkeit nun auf eine ganz andere Weise, und zwar in so hohem Grade in Anspruch genommen wurde, daß er, wenigstens fürs erste, allen schriftstellerischen Arbeiten entsagen mußte. Er ordnete seine Papiere, versiegelte die einzelnen Pakete, versah sie mit Aufschriften und nahm einen wehmütigen Abschied von dieser ihm so liebgewordenen Beschäftigung. Er wurde im August desselben Jahres nach Breslau versetzt, wo er die zweite Artillerieinspektion erhielt, aber schon im Dezember wieder nach Berlin zurückberufen und als Chef des Generalstabes bei dem Feldmarschall Grafen von Gneisenau (für die Dauer des demselben verliehenen Oberkommandos) angestellt. Im März 1831 begleitete er seinen verehrten Feldherrn nach Posen. Als er nach dem schmerzlichsten Verlust im November von dort nach Breslau zurückkehrte, erheiterte ihn die Hoffnung, sein Werk wieder vornehmen und vielleicht im Laufe des Winters vollenden zu können. Gott hatte es anders gewollt; er war am 7. November nach Breslau zurückgekehrt, am 16. war er nicht mehr, und die von seiner Hand versiegelten Pakete wurden erst nach seinem Tode eröffnet! -
Dieser Nachlaß ist es nun, der in den folgenden Bänden mitgeteilt wird, und zwar ganz so, wie er sich vorfand, ohne daß ein Wort hinzugefügt oder gestrichen worden wäre. Dennoch war bei der Herausgabe desselben vieles zu tun, zu ordnen und zu beraten, und ich bin mehreren treuen Freunden für den mir hierbei geleisteten Beistand den herzlichsten Dank schuldig. Namentlich dem Herrn Major O’Etzel, der die Korrektur des Druckes sowie die Anfertigung der Karten, welche den historischen Teil des Werkes begleiten sollen, gütigst übernommen hat. Ich darf auch wohl meinen geliebten Bruder hier nennen, der meine Stütze war in der Stunde des Unglücks, und der sich auch um diesen Nachlaß in so vieler Hinsicht verdient gemacht hat. Er hat unter anderem bei dem sorgfältigen Durchlesen und Ordnen desselben die angefangene Umarbeitung gefunden, welche mein geliebter Mann in der im Jahre 1827 geschriebenen und weiter unten folgenden Nachricht als eine beabsichtigte Arbeit erwähnt, und hat sie an den Stellen des ersten Buches, für welche sie bestimmt war (denn weiter reichte sie nicht), eingeschaltet.
Noch vielen anderen Freunden möchte ich danken für den mir erteilten Rat, für die mir erwiesene Teilnahme und Freundschaft, aber wenn ich sie auch nicht alle nennen kann, werden sie doch gewiß an meiner innigsten Dankbarkeit nicht zweifeln. Diese ist um so größer, je fester ich überzeugt bin, daß alles, was sie für mich taten, nicht allein um meinetwillen geschah, sondern dem Freunde galt, den ihnen Gott so früh entrissen hat.
War ich einundzwanzig Jahre Lang hochbeglückt an der Hand eines solchen Mannes, so bin ich es auch noch ungeachtet meines unersetzlichen Verlustes durch den Schatz meiner Erinnerungen und meiner Hoffnungen, durch das reiche Vermächtnis von Teilnahme und Freundschaft, das ich dem geliebten Verstorbenen verdanke, und durch das erhebende Gefühl, seinen seltenen Wert so allgemein und so ehrenvoll anerkannt zu sehen.
Das Vertrauen, mit welchem ein edles Fürstenpaar mich zu sich rief, ist eine neue Wohltat, für die ich Gott zu danken habe, da es mir einen ehrenvollen Beruf eröffnet, dem ich mich freudig widme. Möchte dieser Beruf gesegnet sein, und möchte der teure kleine Prinz, der in diesem Augenblick meiner Obhut anvertraut ist, einst dieses Buch lesen und durch dasselbe zu Taten begeistert werden, ähnlich denen seiner glorreichen Ahnen!
Geschrieben im Marmor-Palais bei Potsdam, den 30. Juni 1832.
Marie von Clausewitz,
geborene Gräfin Brühl,
Oberhofmeisterin Ihrer Königlichen Hoheit der
Prinzessin Wilhelm.
»Ich betrachte die ersten sechs Bücher, welche sich schon ins reine geschrieben finden, nur als eine noch ziemlich unförmliche Masse, die durchaus noch einmal umgearbeitet werden soll. Bei dieser Umarbeitung wird die doppelte Art des Krieges überall schärfer im Auge behalten werden, und dadurch werden alle Ideen einen schärferen Sinn, eine bestimmte Richtung, eine nähere Anwendung bekommen. Diese doppelte Art des Krieges ist nämlich diejenige, wo der Zweck das Niederwerfen des Gegners ist, sei es, daß man ihn politisch vernichten oder bloß wehrlos machen und also zu jedem beliebigen Frieden zwingen will, und diejenige, wo man bloß an den Grenzen seines Reiches einige Eroberungen machen will, sei es, um sie zu behalten, oder um sie als nützliches Tauschmittel beim Frieden geltend zu machen. Die Übergänge von einer Art in die andere müssen freilich bestehenbleiben, aber die ganz verschiedene Natur beider Bestrebungen muß überall durchgreifen und das Unverträgliche voneinander sondern.
Außer diesem faktisch bestehenden Unterschied in den Kriegen muß noch der ebenfalls praktisch notwendige Gesichtspunkt ausdrücklich und genau festgestellt werden, daß der Krieg nichts ist als die fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln[2]. Dieser Gesichtspunkt, überall festgehalten, wird vielmehr Einheit in die Betrachtung bringen, und es wird sich alles leichter auseinanderwirren. Obgleich dieser Gesichtspunkt hauptsächlich erst im achten Buche seine Wirksamkeit haben wird, so muß er doch schon im ersten Buche vollständig entwickelt werden und auch bei der Umarbeitung der sechs ersten Bücher mitwirken. Mit einer solchen Umarbeitung werden die sechs ersten Bücher manche Schlacke loswerden, manche Spalte und Kluft wird sich zusammenziehen, und manche Allgemeinheit wird in bestimmtere Gedanken und Formen übergehen können.
Das siebente Buch, Vom Angriff, wozu die Skizzen der einzelnen Kapitel bereits entworfen sind, ist als ein Reflex des sechsten Buches zu betrachten und soll sogleich nach den eben angegebenen bestimmteren Gesichtspunkten bearbeitet werden, so daß es keiner neuen Umarbeitung bedürfen wird, sondern vielmehr bei der Umarbeitung der sechs ersten Bücher als Norm dienen kann.
Zum achten Buch, Vom Kriegsplan, d. h. überhaupt von der Einrichtung eines ganzen Krieges, finden sich mehrere Kapitel entworfen, die aber nicht einmal als wahre Materialien betrachtet werden können, sondern ein bloßes rohes Durcharbeiten durch die Masse sind, um in der Arbeit selbst erst recht gewahr zu werden, worauf es ankommt. Diesen Zweck haben sie erfüllt, und ich denke nach Beendigung des siebenten Buches gleich zur Ausarbeitung des achten zu schreiten, wo dann hauptsächlich die beiden oben angegebenen Gesichtspunkte geltend gemacht werden und alles vereinfachen, aber auch zugleich vergeistigen sollen. Ich hoffe in diesem Buche manchen Faltenkniff in den Köpfen der Strategen und Staatsmänner auszubügeln, und wenigstens überall zu zeigen, worum es sich handelt, und was bei einem Kriege eigentlich in Betrachtung zu ziehen ist.
Bin ich nun durch die Ausarbeitung dieses achten Buches mit meinen Ideen ins klare gekommen, und haben die großen Lineamente des Krieges sich gehörig festgestellt, so wird es mir dann um so leichter werden, diesen Geist in die ersten sechs Bücher überzutragen und jene Lineamente auch hier überall durchschimmern zu lassen. Also erst alsdann werde ich die Umarbeitung der sechs ersten Bücher vornehmen.
Sollte mich ein früher Tod in dieser Arbeit unterbrechen, so wird das, was sich vorfindet, freilich nur eine unförmliche Gedankenmasse genannt werden können, die, unaufhörlichen Mißverständnissen ausgesetzt, zu einer Menge unreifer Kritiken Veranlassung geben wird; denn in diesen Dingen glaubt jeder das, was ihm einfällt, indem er die Feder ergreift, eben gut genug, um gesagt und gedruckt zu werden, und hält es für ebenso unbezweifelhaft, als daß zwei mal zwei vier ist. Wollte er sich die Mühe geben wie ich, jahrelang über den Gegenstand nachzudenken und ihn immer mit der Kriegsgeschichte zu vergleichen, so würde er freilich mit der Kritik behutsamer sein.
Aber trotz dieser unvollendeten Gestalt glaube ich doch, daß ein vorurteilsfreier, nach Wahrheit und Überzeugung dürstender Leser in den sechs ersten Büchern die Früchte eines mehrjährigen Nachdenkens und eifrigen Studiums des Krieges nicht verkennen und vielleicht darin die Hauptgedanken finden werde, von denen eine Revolution in dieser Theorie ausgehen könnte.
Berlin, den 10. Juli 1827.«
Außer dieser Nachricht fand sich noch in dem Nachlasse folgender unvollendete Aufsatz, der, wie es scheint, von sehr neuem Datum ist.
»Das Manuskript über die Führung des großen Krieges, welches man nach meinem Tode finden wird, kann, so wie es da ist, nur als eine Sammlung von Werkstücken betrachtet werden, aus denen eine Theorie des großen Krieges aufgebaut werden sollte. Das meiste hat mich noch nicht befriedigt, und das sechste Buch ist als ein bloßer Versuch zu betrachten; ich würde es ganz umgearbeitet und den Ausweg anders gesucht haben.
Allein die Hauptlineamente, welche man in diesen Materialien herrschen sieht, halte ich für die richtigen in der Ansicht vom Kriege; sie sind die Frucht eines vielseitigen Nachdenkens mit beständiger Richtung gegen das praktische Leben, in beständiger Erinnerung dessen, was die Erfahrung und der Umgang mit ausgezeichneten Soldaten mich gelehrt hatten.
Das siebente Buch sollte den Angriff enthalten, wovon die Gegenstände flüchtig hingeworfen sind; das achte den Kriegsplan, worin ich die politische und menschliche Seite des Krieges noch besonders aufgefaßt haben würde.
Das erste Kapitel des ersten Buches ist das einzige, was ich als vollendet betrachte; es wird wenigstens dem Ganzen den Dienst erweisen, die Richtung anzugeben, die ich überall halten wollte.
Die Theorie des großen Krieges oder die sogenannte Strategie hat außerordentliche Schwierigkeiten, und man kann wohl sagen, daß sehr wenig Menschen von den einzelnen Gegenständen deutliche, d. h. bis auf das Notwendige in beständigem Zusammenhange zurückgeführte Vorstellungen haben. Beim Handeln folgen die meisten einem bloßen Takt des Urteils, der mehr oder weniger gut trifft, je nachdem mehr oder weniger Genie in ihnen ist.
So haben alle großen Feldherren gehandelt, und darin lag zum Teil ihre Größe und ihr Genie, daß Sie mit diesem Takt immer das Rechte trafen. So wird es auch für das Handeln immer bleiben; und dieser Takt reicht dazu vollkommen hin. Aber wenn es darauf ankommt, nicht selbst zu handeln, sondern in einer Beratung andere zu überzeugen, dann kommt es auf klare Vorstellungen, auf das Nachweisen des inneren Zusammenhanges an; und weil die Ausbildung in diesem Stück noch so wenig fortgeschritten ist, so sind die meisten Beratungen ein fundamentloses Hin-und Herreden, wobei entweder jeder seine Meinung behält, oder ein bloßes Abkommen aus gegenseitiger Rücksicht zu einem Mittelwege führt, der eigentlich ohne allen Wert ist.
Die klaren Vorstellungen in diesen Dingen sind also nicht unnütz, außerdem hat der menschliche Geist nun einmal ganz allgemein die Richtung auf Klarheit und das Bedürfnis, überall in einem notwendigen Zusammenhang zu stehen.
Die großen Schwierigkeiten, welche ein solcher philosophischer Aufbau der Kriegskunst hat, und die vielen sehr schlechten Versuche, welche darin gemacht sind, hat die meisten Leute dahin gebracht, zu sagen: es ist eine solche Theorie nicht möglich, denn es ist von Dingen die Rede, die kein stehendes Gesetz umfassen kann. Wir würden in diese Meinung einstimmen und jeden Versuch einer Theorie aufgeben, wenn sich nicht eine ganze Anzahl von Sätzen ohne Schwierigkeit ganz evident machen ließe: daß die Verteidigung die stärkere Form mit dem negativen Zweck, der Angriff die schwächere mit dem positiven Zweck ist; daß die großen Erfolge die kleinen mitbestimmen; daß man also die strategischen Wirkungen auf gewisse Schwerpunkte zurückführen kann; daß eine Demonstration eine schwächere Kraftverwendung ist als ein wirklicher Angriff, daß sie also besonders bedingt sein muß; daß der Sieg nicht bloß in der Eroberung des Schlachtfeldes, sondern in der Zerstörung der physischen und moralischen Streitkraft besteht, und daß diese meistens erst im Verfolgen der gewonnenen Schlacht erreicht wird; daß der Erfolg immer am größten ist, wo man den Sieg erfochten hat, daß also das Überspringen von einer Linie und Richtung auf die andere nur als ein notwendiges Übel betrachtet werden kann; daß die Berechtigung zum Umgehen nur von der Überlegenheit überhaupt oder von der Überlegenheit der eigenen Verbindungs-und Rückzugslinie über die des Gegners entstehen kann; daß Flankenstellungen also auch durch dieselben Verhältnisse bedingt werden; daß sich jeder Angriff im Vorgehen schwächt.«
Fußnoten
1 S. Vorrede S. 7.
Daß der Begriff des Wissenschaftlichen nicht allein oder hauptsächlich im System und seinem fertigen Lehrgebäude besteht, bedarf heutigentages keiner Auseinandersetzung. - System ist in dieser Darstellung auf der Oberfläche gar nicht zu finden, und statt eines fertigen Lehrgebäudes sind es nichts als Werkstücke.
Die wissenschaftliche Form liegt in dem Bestreben, das Wesen der kriegerischen Erscheinungen zu erforschen, ihre Verbindung mit der Natur der Dinge, aus denen sie zusammengesetzt sind, zu zeigen. Nirgends ist der philosophischen Konsequenz ausgewichen, wo sie aber in einem gar zu dünnen Faden ausläuft, hat der Verfasser es vorgezogen, ihn abzureißen und an die entsprechenden Erscheinungen der Erfahrung wieder anzuknüpfen; denn so wie manche Pflanzen nur Früchte tragen, wenn sie nicht zu hoch in den Stengel schießen, so müssen in praktischen Künsten die theoretischen Blätter und Blumen nicht zu hoch getrieben, sondern der Erfahrung, ihrem eigentümlichen Boden, nahegehalten werden.
Unstreitig wäre es ein Fehler, aus den chemischen Bestandteilen des Weizenkorns die Gestalt der Ähre erforschen zu wollen, die es treibt, da man nur aufs Feld zu gehen braucht, um die Ähren fertig zu sehen. Untersuchung und Beobachtung, Philosophie und Erfahrung dürfen nie einander verachten noch ausschließen; sie leisten einander gegenseitige Bürgschaft. Die Sätze dieses Buches stützen sich daher mit dem kurzen Gewölbe ihrer inneren Notwendigkeit entweder auf die Erfahrung oder auf den Begriff des Krieges selbst als einen äußeren Punkt und entbehren also der Widerlagen nicht2.
Es ist vielleicht nicht unmöglich, eine systematische Theorie des Krieges voll Geist und Gehalt zu schreiben, unsere bisherigen aber sind weit davon entfernt. Ihres unwissenschaftlichen Geistes gar nicht zu gedenken, strotzen sie in dem Bestreben nach dem Zusammenhang und der Vollständigkeit des Systems von Alltäglichkeiten, Gemeinsprüchen und Salbadereien aller Art. Will man ein treffendes Bild davon, so lese man Lichtenbergs Auszug aus einer Feuerverordnung: »Wenn ein Haus brennt, so muß man vor allen Dingen die rechte Wand des zur Linken stehenden Hauses und hingegen die linke Wand des zur Rechten stehenden Hauses zu decken suchen; denn wenn man zum Exempel die linke Wand des zur Linken stehenden Hauses decken wollte, so liegt ja die rechte Wand des Hauses der linken Wand zur Rechten, und folglich, da das Feuer auch dieser Wand und der rechten Wand zur Rechten liegt (denn wir haben ja angenommen, daß das Haus dem Feuer zur Linken liege), so liegt die rechte Wand dem Feuer näher als die linke, und die rechte Wand des Hauses könnte abbrennen, wenn sie nicht gedeckt würde, ehe das Feuer an die linke, die gedeckt wird, käme; folglich könnte etwas abbrennen, das man nicht deckt, und zwar eher, als etwas anderes abbrennen würde, auch wenn man es nicht deckte; folglich muß man dieses lassen und jenes decken. Um sich die Sache zu imprimieren, darf man nur merken: wenn das Haus dem Feuer zur Rechten liegt, so ist es die linke Wand, und liegt das Haus zur Linken, so ist es die rechte Wand.«
Um mit solchen Gemeinsprüchen den Leser von Geist nicht zurückzuschrecken und das wenige Gute durch den wäßrigen Aufguß unschmackhaft zu machen, hat der Verfasser es vorgezogen, was vieljähriges Nachdenken über den Krieg, der Umgang mit gescheiten Leuten, die ihn kannten, und manche eigene Erfahrung in ihm hervorriefen und feststellten, in kleinen Körnern gediegenen Metalls zu geben. So sind die äußerlich nur schwach verbundenen Kapitel dieses Buches entstanden, denen es doch hoffentlich nicht an innerem Zusammenhange fehlt. Vielleicht erscheint bald ein größerer Kopf, der statt dieser einzelnen Körner das Ganze in einem Guß gediegenen Metalls ohne Schlacken gibt.
Fußnoten
2 Daß dies bei vielen militärischen Schriftstellern, besonders solchen, die den Krieg selbst wissenschaftlich behandeln wollten, nicht der Fall ist, beweisen die vielen Beispiele, wo in ihrem Räsonnement das pro et contra sich gegenseitig so verschlingen, daß nicht einmal wie bei den beiden Löwen die Schwänze übrigbleiben.
Inhalt
Wir denken die einzelnen Elemente unseres Gegenstandes, dann die einzelnen Teile oder Glieder desselben und zuletzt das Ganze in seinem inneren Zusammenhange zu betrachten, also vom Einfachen zum Zusammengesetzten fortzuschreiten. Aber es ist hier mehr als irgendwo nötig, mit einem Blick auf das Wesen des Ganzen anzufangen, weil hier mehr als irgendwo mit dem Teile auch zugleich immer das Ganze gedacht werden muß.
Wir wollen hier nicht erst in eine schwerfällige publizistische Definition des Krieges hineinsteigen, sondern uns an das Element desselben halten, an den Zweikampf[4]. Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf[1q]. Wollen wir uns die Unzahl der einzelnen Zweikämpfe, aus denen er besteht, als Einheit denken, so tun wir besser, uns zwei Ringende vorzustellen. Jeder sucht den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen.
Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.
Die Gewalt rüstet sich mit den Erfindungen der Künste und Wissenschaften aus, um der Gewalt zu begegnen. Unmerkliche, kaum nennenswerte Beschränkungen, die sie sich selbst setzt unter dem Namen völkerrechtlicher Sitte, begleiten sie, ohne ihre Kraft wesentlich zu schwächen. Gewalt, d. h. die physische Gewalt (denn eine moralische gibt es außer dem Begriffe des Staates und Gesetzes nicht), ist also das Mittel, dem Feinde unseren Willen aufzudringen, der Zweck. Um diesen Zweck sicher zu erreichen, müssen wir den Feind wehrlos machen, und dies ist dem Begriff nach das eigentliche Ziel der kriegerischen Handlung. Es vertritt den Zweck und verdrängt ihn gewissermaßen als etwas nicht zum Kriege selbst Gehöriges.
Nun könnten menschenfreundliche Seelen sich leicht denken, es gebe ein künstliches Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zuviel Wunden zu verursachen, und das sei die wahre Tendenz der Kriegskunst. Wie gut sich das auch ausnimmt, so muß man doch diesen Irrtum zerstören, denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten. Da der Gebrauch der physischen Gewalt in ihrem ganzen Umfange die Mitwirkung der Intelligenz auf keine Weise ausschließt, so muß der, welcher sich dieser Gewalt rücksichtslos, ohne Schonung des Blutes bedient, ein Übergewicht bekommen, wenn der Gegner es nicht tut. Dadurch gibt er dem anderen das Gesetz, und so steigern sich beide bis zum äußersten, ohne daß es andere Schranken gäbe als die der innewohnenden Gegengewichte.
So muß man die Sache ansehen, und es ist ein unnützes, selbst verkehrtes Bestreben, aus Widerwillen gegen das rohe Element die Natur desselben außer acht zu lassen.
Sind die Kriege gebildeter Völker viel weniger grausam und zerstörend als die der ungebildeten, so liegt das in dem gesellschaftlichen Zustande, sowohl der Staaten in sich als unter sich. Aus diesem Zustande und seinen Verhältnissen geht der Krieg hervor, durch ihn wird er bedingt, eingeengt, ermäßigt: aber diese Dinge gehören ihm nicht selbst an, sind ihm nur ein Gegebenes, und nie kann in der Philosophie des Krieges selbst ein Prinzip der Ermäßigung hineingetragen werden, ohne eine Absurdität zu begehen.
Der Kampf zwischen Menschen besteht eigentlich aus zwei verschiedenen Elementen, dem feindseligen Gefühl und der feindseligen Absicht. Wir haben das letztere dieser beiden Elemente zum Merkmal unserer Definition gewählt, weil es das allgemeine ist. Man kann sich auch die roheste, an Instinkt grenzende Leidenschaft des Hasses nicht ohne feindliche Absicht denken, dagegen gibt es viele feindselige Absichten, die von gar keiner oder wenigstens von keiner vorherrschenden Feindschaft der Gefühle begleitet sind. Bei rohen Völkern herrschen die dem Gemüt, bei Gebildeten die dem Verstande angehörenden Absichten vor; allein dieser Unterschied liegt nicht in dem Wesen von Roheit und Bildung selbst, sondern in den sie begleitenden Umständen, Einrichtungen usw.: er ist also nicht notwendig in jedem einzelnen Fall, sondern er beherrscht nur die Mehrheit der Fälle, mit einem Wort: auch die gebildetsten Völker können gegeneinander leidenschaftlich entbrennen.
Man sieht hieraus, wie unwahr man sein würde, wenn man den Krieg der Gebildeten auf einen bloßen Verstandesakt der Regierungen zurückführen und ihn sich immer mehr als von aller Leidenschaft loslassend denken wollte, so daß er zuletzt die physischen Massen der Streitkräfte nicht wirklich mehr brauchte, sondern nur ihre Verhältnisse, eine Art Algebra des Handelns.
Die Theorie fing schon an, sich in dieser Richtung zu bewegen, als die Erscheinungen der letzten Kriege sie eines Besseren belehrten. Ist der Krieg ein Akt der Gewalt, so gehört er notwendig auch dem Gemüt an. Geht er nicht davon aus, so führt er doch darauf mehr oder weniger zurück, und dieses Mehr oder Weniger hängt nicht von dem Grade der Bildung, sondern von der Wichtigkeit und Dauer der feindseligen Interessen ab.
Finden wir also, daß gebildete Völker den Gefangenen nicht den Tod geben, Stadt und Land nicht zerstören, so ist es, weil sich die Intelligenz in ihre Kriegführung mehr mischt und ihnen wirksamere Mittel zur Anwendung der Gewalt gelehrt hat als diese rohen Äußerungen des Instinkts.
Die Erfindung des Pulver[3]s, die immer weitergehende Ausbildung des Feuergewehrs zeigen schon hinreichend, daß die in dem Begriff des Krieges liegende Tendenz zur Vernichtung des Gegners auch faktisch durch die zunehmende Bildung keineswegs gestört oder abgelenkt worden ist.
Wir wiederholen also unseren Satz: der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt jeder dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wechselwirkung, die dem Begriff nach zum äußersten führen muß. Dies ist die erste Wechselwirkung und das erste Äußerste, worauf wir stoßen.
(Erste Wechselwirkung.)
Wir haben gesagt: den Feind wehrlos zu machen sei das Ziel des kriegerischen Aktes, und wir wollen nun zeigen, daß dies wenigstens in der theoretischen Vorstellung notwendig ist.
Wenn der Gegner unseren Willen erfüllen soll, so müssen wir ihn in eine Lage versetzen, die nachteiliger ist als das Opfer, welches wir von ihm fordern; die Nachteile dieser Lage dürfen aber natürlich, wenigstens dem Anscheine nach, nicht vorübergehend sein, sonst würde der Gegner den besseren Zeitpunkt abwarten und nicht nachgeben. Jede Veränderung dieser Lage, welche durch die fortgesetzte kriegerische Tätigkeit hervorgebracht wird, muß also zu einer noch nachteiligeren führen, wenigstens in der Vorstellung. Die schlimmste Lage, in die ein Kriegführender kommen kann, ist die gänzliche Wehrlosigkeit. Soll also der Gegner zur Erfüllung unseres Willens durch den kriegerischen Akt gezwungen werden, so müssen wir ihn entweder faktisch wehrlos machen oder in einen Zustand versetzen, daß er nach Wahrscheinlichkeit damit bedroht sei. Hieraus folgt: daß die Entwaffnung oder das Niederwerfen des Feindes, wie man es nennen will, immer das Ziel des kriegerischen Aktes sein muß.
Nun ist der Krieg nicht das Wirken einer lebendigen Kraft auf eine tote Masse, sondern, weil ein absolutes Leiden kein Kriegführen sein würde, so ist er immer der Stoß zweier lebendiger Kräfte gegeneinander, und was wir von dem letzten Ziel der kriegerischen Handlung gesagt haben, muß von beiden Teilen gedacht werden. Hier ist also wieder Wechselwirkung. Solange ich den Gegner nicht niedergeworfen habe, muß ich fürchten, daß er mich niederwirft, ich bin also nicht mehr Herr meiner, sondern er gibt mir das Gesetz, wie ich es ihm gebe. Dies ist die zweite Wechselwirkung, die zum zweiten Äußersten führt.
(Zweite Wechselwirkung.)
Wollen wir den Gegner niederwerfen, so müssen wir unsere Anstrengung nach seiner Widerstandskraft abmessen; diese drückt sich durch ein Produkt aus, dessen Faktoren sich nicht trennen lassen, nämlich: die Größe der vorhandenen Mittel und die Stärke der Willenskraft.
Die Größe der vorhandenen Mittel würde sich bestimmen lassen, da sie (wiewohl doch nicht ganz) auf Zahlen beruht, aber die Stärke der Willenskraft läßt sich viel weniger bestimmen und nur etwa nach der Stärke des Motivs schätzen. Gesetzt, wir bekämen auf diese Weise eine erträgliche Wahrscheinlichkeit für die Widerstandskraft des Gegners, so können wir danach unsere Anstrengungen abmessen und diese entweder so groß machen, daß sie überwiegen, oder, im Fall dazu unser Vermögen nicht hinreicht, so groß wie möglich. Aber dasselbe tut der Gegner; also neue gegenseitige Steigerung, die in der bloßen Vorstellung wieder das Bestreben zum Äußersten haben muß. Dies ist die dritte Wechselwirkung und ein drittes Äußerstes, worauf wir stoßen.
(Dritte Wechselwirkung.)
So findet in dem abstrakten Gebiet des bloßen Begriffs der überlegende Verstand nirgends Ruhe, bis er an dem Äußersten angelangt ist, weil er es mit einem Äußersten zu tun hat, mit einem Konflikt von Kräften, die sich selbst überlassen sind, und die keinen anderen Gesetzen folgen als ihren inneren; wollten wir also aus dem bloßen Begriffe des Krieges einen absoluten Punkt für das Ziel, welches wir aussetzen, und für die Mittel, welche wir anwenden sollen, ableiten, so würden wir bei den beständigen Wechselwirkungen zu Extremen geraten, die nichts als ein Spiel der Vorstellungen wären, hervorgebracht durch einen kaum sichtbaren Faden logischer Spitzfindigkeit. Wenn man, fest an das Absolute haltend, alle Schwierigkeiten mit einem Federstrich umgehen und mit logischer Strenge darin beharren wollte, daß man sich jederzeit auf das Äußerste gefaßt machen und jedesmal die äußerste Anstrengung daransetzen müsse, so würde ein solcher Federstrich ein bloßes Büchergesetz sein und keins für die wirkliche Welt.
