Vorsicht, leicht entflammbar! - Diana Palmer - E-Book

Vorsicht, leicht entflammbar! E-Book

Diana Palmer

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Beschreibung

Dank ihres Halloweenkostüms hält der reiche Rinderbaron Rey sie bei ihrem ersten Treffen für eine Prostituierte. Amüsiert lässt Meredith ihn in dem Glauben. Ein folgenschwerer Fehler, wie sie schon bald erkennen muss. Denn sie hat sich leidenschaftlich in Rey verliebt ...

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Seitenzahl: 200

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IMPRESSUM

Vorsicht, leicht entflammbar! erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2002 by Diana Palmer Originaltitel: „A Man of Means“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 1225 Übersetzung: Eleni Nikolina

Umschlagsmotive: Kladyk, Nagaiets / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 2/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751513715

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Meredith Johns betrachtete mit wachsender Besorgnis die angeheiterten Partygäste in ihren bunten Halloween-Kostümen. Sie selbst trug ein Outfit, das noch aus ihren Collegetagen stammte. Obwohl sie recht gut verdiente, blieb kein Geld für Luxusausgaben wie ein Faschingskostüm übrig, denn sie musste vorsichtig wirtschaften, um die laufenden Kosten für das Haus zu bezahlen, in dem sie mit ihrem Vater wohnte.

Die letzten paar Monate waren ein wahrer Albtraum gewesen, und sie hatten ihre Spuren bei ihr hinterlassen. Sie müsse mehr unter die Leute gehen hatte Jill, eine Kollegin, zu ihr gesagt – ganz besonders nach ihren schrecklichen Erlebnissen. Meredith hatte gezögert, da ihr Vater erst seit drei Tagen wieder zu Hause war, aber Jill hatte darauf bestanden. Und so hatte Meredith das einzige Kostüm angezogen, das sie besaß – eine schlechte Wahl in vielerlei Hinsicht –, und war die drei Straßen bis zu Jills Apartment zu Fuß gegangen.

Die Woche war sehr anstrengend gewesen, und Meredith hatte in der Tat etwas gebraucht, was sie von ihren Problemen ablenkte. Das gewalttätige Benehmen ihres Vaters zehrte an ihren Nerven. Beide trauerten sie noch, aber ihr Vater hatte sich die Tragödie sehr viel mehr zu Herzen genommen. Er fühlte sich verantwortlich für alles, was geschehen war, hatte seine Arbeit als College-Professor aufgegeben und sich von einem ruhigen, konservativen Mann in einen Alkoholiker verwandelt. Meredith hatte alles versucht, um ihn zu einer Therapie zu überreden, aber er weigerte sich. Vor Kurzem war er nach einer besonders schlimmen Nacht im Gefängnis gelandet, aber drei Tage später war er wieder entlassen worden und hatte sich als Erstes eine neue Flasche Whiskey besorgt. Und nach der Party würde Meredith sich ihm wieder stellen müssen. Er hatte sie ermahnt, ja nicht zu spät zu kommen. Als ob sie jemals zu spät käme.

Sie sah gedankenverloren vor sich hin, während sie an ihrer Limonade nippte. Sie vertrug Alkohol nicht sehr gut, und sie war hier so fehl am Platze wie eine Tasse Tee in einem Weinkeller. Und zu allem Übel zogen ihr Kostüm und ihr blondes Haar, das sie ausnahmsweise heute einmal offen trug, viel zu viel ungewünschte Aufmerksamkeit auf sich. Andererseits hatte sie doch nicht in normaler Straßenkleidung zu einem Kostümfest kommen können.

Sie befreite sich von einem eindeutig angetrunkenen Kollegen, der ihr das Schlafzimmer der Gastgeberin zeigen wollte, und machte sich auf die Suche nach Jill. Sie bedankte sich für die Einladung, schützte Kopfschmerzen vor und schlüpfte unbemerkt aus der Wohnung. Als sie auf der Straße stand, atmete sie tief die frische, kühle Luft ein.

Sie hatte gehofft, dass ihr die Party Spaß machen würde. Vielleicht hätte sie ja einen Mann kennenlernen können. In letzter Zeit hatte sie es aufgegeben, irgendjemanden für sich zu interessieren. Sie hatte einfach zu viele Sorgen, um sich auf eine Beziehung zu konzentrieren, und sie hatte sich noch immer nicht von ihrem Verlust erholt.

Sie war schon ein paar Schritte gegangen, da ließ ein seltsames Geräusch sie aufhorchen. Wieder bedauerte sie ihr freizügiges Kostüm. Zumindest hätte sie sich einen Mantel überziehen können. Kein Wunder, dass der sonst sehr höfliche, liebenswürdige Kollege eine obszöne Bemerkung gemacht hatte. Sie schlang die Arme um sich und hoffte, damit genügend nackte Haut zu bedecken und niemanden auf dumme Gedanken zu bringen. Aber ihr Rock war sehr kurz und eng. Dazu trug sie eine Netzstrumpfhose, Schuhe mit extrem hohen Absätzen, eine tief ausgeschnittene Bluse und eine knallrosa Federboa. Das blonde Haar fiel ihr bis über die Schultern, und ihr Make-up hätte für eine ganze Mädchenschule gereicht. Sie war als Revuegirl zur Party gegangen, aber im Moment erinnerte sie wohl eher an ein Straßenmädchen.

Als sie jetzt um eine Ecke kam, bemerkte sie zwei Gestalten, die sich über einen auf der Straße liegenden Mann beugten.

Sie zögerte nicht lange. „He! Was macht ihr da?“, schrie sie so laut sie konnte und lief auf sie zu, wobei sie mit den Armen wedelte und Drohungen ausstieß.

Wie sie erwartet hatte, war die Überraschung für die beiden groß genug, um sie in die Flucht zu schlagen. Ohne sich auch nur ein einziges Mal nach ihr umzusehen, sprangen sie auf und rannten davon. Angriff ist die beste Verteidigung, dachte Meredith leicht amüsiert. Es war nur ein Bluff, aber sie hatte oft erlebt, dass er wirkte, selbst wenn eine zierliche Frau wie sie ihn anwandte.

Sie hockte sich neben den am Boden liegenden Mann und untersuchte ihn, so gut es ihr beim schwachen Straßenlicht möglich war. Vermutlich hat er eine Gehirnerschütterung, dachte sie, als sie behutsam seinen Kopf abtastete und Feuchtigkeit fühlte. Blut. Er war von seinen Angreifern auf den Kopf geschlagen und vielleicht auch beraubt worden. Sie griff unter seine Jacke und fand etwas Kleines, Eckiges an seinem Gürtel.

„Aha“, sagte sie erleichtert und zog das Handy heraus. Ein so gut gekleideter Mann wie er musste auch damit ausgestattet sein. Sie wählte den Notruf und gab der Telefonistin ihren Standort und das Befinden des Verletzten durch. Während sie dann auf den Rettungswagen wartete, setzte sie sich auf den Bürgersteig und hielt die Hand des Mannes.

Er stöhnte und versuchte, sich zu bewegen.

„Nicht“, sagte sie. „Sie müssen ruhig liegen bleiben, bis der Krankenwagen kommt.“

„Mein Kopf … tut weh.“

„Das glaube ich Ihnen. Sie haben eine Riesenbeule am Hinterkopf. Ist Ihnen übel? Sind Sie müde?“

„Übel“, brachte er mühsam hervor.

„Nicht bewegen.“ Sie lauschte auf die Sirene, und tatsächlich, da hörte sie sie schon. Das Krankenhaus lag nur wenige Blocks von hier entfernt. Der Mann, wer immer er war, hatte Glück. Kopfverletzungen konnten sich als sehr gefährlich erweisen.

„Meine … Brüder“, stammelte er. „Hart … Ranch. Jacobsville, Texas.“

„Ich sorge dafür, dass sie benachrichtigt werden“, versprach sie.

Er umklammerte fest ihre Hand, als kämpfe er dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren. „Gehen … Sie nicht“, brachte er hervor.

„Nein. Ich verspreche es Ihnen.“

„Engel“, flüsterte er, holte tief und zitternd Luft und versank wieder in den Dämmerzustand, dem er nur kurz entkommen war.

Der Krankenwagen bog um die Ecke, und die Scheinwerferkegel erfassten Meredith und ihren Patienten. Sie stand auf, als eine Krankenschwester und der Fahrer ausstiegen und auf sie zugelaufen kamen.

„Er hat eine Kopfverletzung“, klärte Meredith sie auf. „Sein Puls ist langsam, aber fühlbar. Er ist ansprechbar, hat ein Übelkeitsgefühl, und seine Haut fühlt sich feucht an. Wahrscheinlich eine leichte Gehirnerschütterung.“

„Kenne ich Sie nicht?“, fragte die Schwester, und plötzlich hellte sich ihre Miene auf. „Ach ja, Sie sind die Johns!“

„Genau“, erwiderte Meredith mit einem verlegenen Lächeln. „Ich muss ja berühmt sein.“

„Na ja, eher Ihr Vater.“

Meredith seufzte. „Stimmt, er hält sich in letzter Zeit sehr viel in Krankenwagen auf.“

„Und was ist hier passiert? Haben Sie etwas gesehen?“

„Ich habe mit meinem Geschrei zwei Männer davongejagt, die sich gerade über ihn beugten. Ich weiß nicht, ob sie es waren, die ihn niedergeschlagen haben. Wie ist Ihre Diagnose?“, fragte sie, als die Schwester den Mann prüfend betastete.

„Auf jeden Fall hat er eine Gehirnerschütterung“, stimmte sie zu. „Gebrochen hat er sich nichts, aber er hat am Hinterkopf eine Beule, die ist so groß wie unsere Staatsschulden. Wir nehmen ihn mit. Wollen Sie mitfahren?“

„Ich glaube, ich sollte.“ Sie wartete, bis sie den Mann auf die Trage gelegt hatten. Er war immer noch bewusstlos. „Ich bin aber nicht gerade passend für einen Besuch im Krankenhaus angezogen.“

Die Krankenschwester warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Weiß der Boss, dass Sie schwarzarbeiten?“, witzelte sie.

„Es ist natürlich ein Kostüm. Jill Baxley gibt eine Halloween-Party und hat mich eingeladen.“

Die Schwester hob die Augenbrauen. „Jills Partys sind berüchtigt.“

„Deshalb bin ich ja auch eher gegangen. Zum Glück.“

Die Schwester nickte. „So, wie er zugerichtet ist, hätte er sterben können, wenn Sie ihn nicht rechtzeitig gefunden hätten.“

Meredith stieg in den Rettungswagen und setzte sich auf die Bank neben der Trage, während der Fahrer schon aufs Gaspedal trat und die Schwester im Krankenhaus anrief, um die Notaufnahme vorzubereiten. Das wird eine lange Nacht, dachte Meredith besorgt. Ihr Vater würde toben, wenn sie so spät nach Hause kam, und sie wieder einmal mit ihrer Mutter vergleichen. Auch sie war gern auf Partys gegangen und bis in die frühen Morgenstunden geblieben, manchmal sogar mit anderen Männern. Gerade in letzter Zeit sprach er öfter davon und schien dann seine ganze Verachtung auf die Tochter zu übertragen. Kaum auszudenken, was geschehen könnte, wenn sie erst am nächsten Morgen zurückkehrte. Andererseits konnte sie den fremden Mann unmöglich allein lassen. Sie hatte ihm versprochen, bei ihm zu bleiben, und wollte ihn nicht enttäuschen.

Der Verletzte wurde in der Notaufnahme vom diensthabenden Arzt untersucht, und auch der diagnostizierte eine Gehirnerschütterung. Der Mann war fast während der ganzen Fahrt bewusstlos gewesen, nur einmal wachte er kurz auf. Er sah Meredith an, lächelte und schloss seine große Hand um ihre Finger.

Seine Familie musste benachrichtigt werden, und Meredith wurde schließlich von dem überarbeiteten, erschöpften Personal überredet, die Aufgabe zu übernehmen und in Jacobsville anzurufen.

Man gab ihr ein Telefonbuch für Jacobs County, und sie blätterte darin, bis sie die Angabe für Hart Ranch Properties, Inc. fand. Das musste die richtige Nummer sein.

Sie wählte und wartete. Eine tiefe Stimme meldete sich mit dem typisch schleppenden Südstaatenakzent. „Hart-Ranch.“

„Äh … ich rufe für einen Mr Leo Hart an“, sagte Meredith. Sie wusste den Namen vom Führerschein, den sie in seiner Brieftasche gefunden hatte. Glücklicherweise hatten die beiden Männer keine Zeit gehabt, ihn auszurauben. „Er liegt im Houston General Hospital.“

„Was ist passiert?“, unterbrach der Mann sie ungeduldig. „Wie geht es ihm?“

„Er wurde auf der Straße überfallen und hat eine Gehirnerschütterung.“

„Wer sind Sie?“

„Ich bin Meredith Johns. Ich …“

„Wer hat ihn gefunden?“

„Nun, ich. Ich rief mit seinem Handy einen Krankenwagen, und er bat mich, seine Brüder zu benachrichtigen, und sagte mir, wo ich sie erreichen würde.“

„Es ist jetzt zwei Uhr morgens“, bemerkte der Mann gereizt.

„Ja, dessen bin ich mir bewusst. Es ist erst vor einer Weile passiert. Er braucht seine Familie …“

„Ich bin sein Bruder Rey. In dreißig Minuten bin ich da.“

„Sir, es ist ein langer Weg nach Houston von da, wo Sie wohnen. Wenn Sie so schnell fahren …“

„Wir haben ein Flugzeug. Ich hole den Piloten sofort aus dem Bett. Danke“, fügte er noch hinzu, doch es klang, als würde es ihn Überwindung kosten. Dann legte er auf.

Meredith ging in den Warteraum zurück. Zehn Minuten später kam ein Arzt und brachte sie in das Behandlungszimmer, in dem Leo Hart noch immer lag. „Er ist jetzt bei Bewusstsein“, erklärte er. „Ich werde ihn über Nacht hier behalten, um sicherzugehen. Haben Sie seine Familie ausfindig machen können?“

„Ja. Sein Bruder ist auf dem Weg. In seinem eigenen Flugzeug, wie er sagte. Aber leider konnte ich nicht mehr Informationen aus ihm herausbekommen.“

„Die Leute regen sich immer gleich so auf, dass sie das Wichtigste vergessen“, sagte der Arzt mit einem müden Lächeln. „Können Sie eine Weile auf ihn achten? Wir sind heute extrem unterbesetzt, und er sollte nicht allein bleiben.“

„In Ordnung“, sagte sie und seufzte. Sie wollte lieber nicht daran denken, was sie zu Hause erwartete.

Eine Dreiviertelstunde später gab es ein Problem. Es war ein Meter fünfundachtzig groß, hatte schwarzes Haar und dunkle Augen und kam mit der Aggressivität eines Kriegsbombers in die Notaufnahme gestürzt. Der breitkrempige Stetson warf einen Schatten über drohend blickende Augen. Der Mann trug Jeans und Stiefel und eine Raulederjacke mit Fransen, die er achtlos über ein kostbares Seidenhemd geworfen hatte. Er sah reich aus. Und ausgesprochen wütend.

Als er feststellte, dass sein Bruder immer noch in Straßenkleidung auf einem Untersuchungstisch lag, während er zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit schwankte, stieg seine Wut. Er wandte sich empört an Meredith und musterte ihr Kostüm.

„Nun, das erklärt wenigstens, warum Sie um zwei Uhr morgens auf der Straße waren“, höhnte er. „Was ist passiert? Hatten Sie ein schlechtes Gewissen und Hilfe geholt, nachdem sie versucht hatten, ihn zu bestehlen?“

„Hören Sie …“, begann Meredith.

„Sparen Sie sich Ihre Worte.“ Er drehte sich wieder zu seinem Bruder um und legte ihm eine Hand auf die Brust. „Leo. Leo, ich bin’s, Rey. Kannst du mich hören?“, fragte er mit sanfter, besorgter Stimme.

Leo Harts Lider flatterten kurz, und dann öffnete er die Augen. Er schien verwirrt. „Rey?“

„Was ist mit dir passiert?“, fragte Rey Hart leise.

Leo grinste schwach. „Ich dachte an das neue Weideland und achtete nicht auf meine Umgebung. Dann traf mich etwas am Kopf, und ich war sofort weg. Ich hab nichts gesehen.“ Plötzlich zuckte er zusammen und tastete ungeschickt seine Jackentasche ab. „Verdammt! Sie haben meine Brieftasche und mein Handy geklaut.“

Meredith wollte ihm sagen, dass sie Brieftasche und Handy sicher in ihrer Tasche verwahrt habe, aber bevor sie den Mund aufmachen konnte, warf Rey Hart ihr einen vernichtenden Blick zu und schritt aus dem Raum wie ein Mann, der sich zusammenreißen musste, um seiner Wut nicht die Zügel schießen zu lassen.

Sein Bruder schlief wieder ein. Meredith stand da und fragte sich, was sie jetzt tun sollte. Fünf Minuten später kehrte Rey Hart mit einem Polizisten zurück. Er kam Meredith irgendwie bekannt vor. Sie musste ihn schon einmal gesehen haben, aber sie erinnerte sich nicht, wo.

„Das ist sie“, sagte Rey zu dem Polizisten und wies auf Meredith. „Ich unterschreibe alles Nötige, sobald ich mich über den Zustand meines Bruder informiert habe. Aber jetzt schaffen Sie sie mir aus den Augen.“

„Keine Sorge, ich kümmere mich darum“, erwiderte der Polizist, legte Meredith geschickt Handschellen an und führte sie aus dem Untersuchungszimmer, bevor sie wusste, wie ihr geschah.

„Ich bin festgenommen?“, rief sie entsetzt. „Aber warum? Ich habe nichts getan!“

„Ja, ich weiß. Das sagen sie alle“, meinte der Polizist gelangweilt. „Niemand ist schuldig. Aber mal ehrlich, in dieser Aufmachung und mitten in der Nacht allein auf der Straße, was soll ich mir da denken, hm? Was haben Sie mit seinem Handy und der Brieftasche gemacht?“

„Sie sind in meiner Tasche.“

Er nahm ihre Tasche kurzerhand an sich und schob Meredith aus dem Krankenhausgebäude hinaus. „Sie haben sich sehr viel Ärger eingehandelt. Diesmal haben Sie den falschen Mann beraubt.“

Sie blieb stehen. „Aber ich habe ihn doch gar nicht beraubt! Es waren zwei Männer. Ich habe ihre Gesichter nicht sehen können, denn sie beugten sich gerade über ihn, als ich um eine Ecke kam.“ Sie las sein Namensschild. „Officer Sanders, Sie müssen mir glauben!“

Er sagte nichts, sondern packte sie am Arm, zog sie mit sich und verfrachtete sie auf den Rücksitz des Streifenwagens.

„Warten Sie“, sagte sie schnell, bevor er die Tür schließen konnte. „Mein Ausweis steckt in meiner Tasche. Holen Sie ihn heraus und sehen Sie nach. Dann wissen Sie, wer ich bin. Jetzt sofort.“

Sanders zögerte einen Augenblick, tat ihr aber dann den Gefallen und suchte nach dem Ausweis. Nachdem er ihn gefunden und genau studiert hatte, blickte er mit einem veränderten Gesichtsausdruck auf. „Mir kam es gleich so vor, als ob ich Sie kennen würde, Miss Johns“, sagte er.

„Ich habe Mr Hart nicht überfallen“, beteuerte sie noch einmal. „Und ich kann Ihnen erklären, warum ich, als es passierte, zufällig in der Nähe war.“ Sie nannte ihm die Adresse ihrer Freundin Jill.

Halbwegs von ihrer Unschuld überzeugt, fuhr der Polizist zu Jills Wohnung, stieg aus, klingelte und sprach mit einer offensichtlich nicht sehr nüchternen, aber amüsierten Jill. Danach kam er zum Streifenwagen zurück. Jetzt erst ließ er Meredith aussteigen und nahm ihr die Handschellen ab. Die Nachtluft war kühl, und Meredith fröstelte. Wieder einmal verwünschte sie ihr knappes Kostüm.

„Es tut mir leid“, sagte der Polizist, „dass ich Sie nicht gleich wieder erkannt habe. Ich wusste nur, was Mr Hart mir erzählte, und Sie müssen selbst zugeben, dass Sie in diesem Aufzug einen ganz bestimmten Eindruck machen.“

„Das ist mir klar. Mr Hart ist besorgt wegen seines Bruders, und er weiß nicht, was vorgefallen ist. Aber diese zwei Männer, die ihn niedergeschlagen haben, laufen noch frei herum.“

„Können Sie mir zeigen, wo Sie ihn gefunden haben?“, fragte Sanders hoffnungsvoll.

„Natürlich. Es war gleich hier die Straße runter um die nächste Ecke.“

Sie ging ihm voraus, und er folgte ihr, wobei er den Bürgersteig und das Unkraut zu beiden Seiten mit einer großen Taschenlampe absuchte. Als sie um die Ecke kamen, wies Meredith auf ein Stück flach getretenes Gras. Der Polizist bückte sich und untersuchte die Stelle genau. Er fand ein Bonbonpapier und eine Zigarettenkippe.

Er blickte zu ihr hoch. „Ich nehme an, Sie wissen nicht, ob Mr Hart raucht oder Bonbons isst?“

Sie schüttelte den Kopf. „Er sagte mir nur, wie er heißt und wo er wohnt. Sonst weiß ich nichts über ihn.“

Er richtete sich wieder auf. „Ich werde später seinen Bruder fragen. Warten Sie einen Moment. Ich gebe kurz durch, dass die Spurensicherung die Stelle hier noch einmal gründlich untersuchen soll.“

„Okay“, sagte Meredith resigniert und zog die Boa enger um sich. Allmählich reichte es ihr. „Da wird sich aber jemand freuen, wenn man ihn um diese Stunde aus dem Bett holt, damit er sich einen Zigarettenstummel und ein Bonbonpapier ansieht.“

„Sie würden sich wundern, wie begeistert die Jungs sein werden“, entgegnete er schmunzelnd. „Einen Verbrecher zu fangen ist ihnen eine Freude.“

„Ich hoffe jedenfalls, dass sie diese Zwei fangen. Niemand sollte Angst davor haben, nachts unterwegs zu sein. Selbst wenn er allein ist oder eine Frau wie ich.“

„Da haben Sie natürlich recht.“

Er rief über Funk in der Zentrale an und forderte ein Spurensicherungs-Team an. Meredith wäre jetzt gern nach Hause gegangen, aber sie musste noch bleiben, um dem Polizisten ihre Aussage zu machen. Wenig später saß sie in seinem Wagen und schrieb auf, was sie über den Überfall auf Leo Hart wusste. Es dauerte nicht sehr lange, da sie nicht sehr viel wusste.

Schließlich gab sie ihm das Formular zurück. „Darf ich nun gehen?“, fragte sie. „Ich wohne mit meinem Vater zusammen, und er wird sich sehr aufregen, wenn ich so spät komme.“

Er runzelte die Stirn. „Ihr Vater ist Dr. Alan Johns, nicht wahr? Soll ich Sie begleiten?“

Meredith fürchtete sich sonst nicht davor, ihrem wütenden Vater entgegenzutreten, aber nach dieser ereignisreichen Nacht war sie zu erschöpft, um sich mit ihm zu streiten. „Würde es Ihnen denn nichts ausmachen?“, fragte sie verlegen.

„Aber nein. Steigen Sie ein.“

Er fuhr sie zu ihrem Haus und folgte ihr bis an die Tür. Es war dunkel, nichts schien sich zu rühren. Meredith seufzte erleichtert auf. „Es ist schon gut. Wenn er wach wäre, hätte er Licht an. Aber ich danke Ihnen trotzdem“, sagte sie mit einem Lächeln.

„Wenn Sie uns brauchen, rufen Sie an. Ich fürchte, ich werde mich in dieser Sache wieder an Sie wenden müssen. Rey Hart hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass sein Bruder unser Bezirksstaatsanwalt ist. Er wird nicht zulassen, dass dieser Fall unaufgeklärt bleibt.“

„Kann man ihm auch nicht übel nehmen. Dann also gute Nacht, Officer.“

„Ihnen auch. Und es tut mir wirklich leid wegen der Handschellen.“

„Meine Schuld. Was laufe ich auch so herum. Jedenfalls wird es mir eine Lehre sein. Und vielen Dank fürs Heimbringen.“

Im Krankenhaus wachte Rey Hart bis zum frühen Morgen am Bett seines Bruders. Er machte sich Sorgen. Leo war der Gesündeste von ihnen allen und normalerweise auch der Vorsichtigste. Er war ein Witzbold, der es liebte, seinen Brüdern Streiche zu spielen und sie in schwierigen Zeiten aufzumuntern. Und jetzt bot er einen so jämmerlichen Anblick, dass es Rey ans Herz rühre.

Noch immer packte ihn ohnmächtige Wut, wenn er daran dachte, wie kaltschnäuzig diese Frau daran gegangen war, Leo auszurauben, während er hilflos auf der Straße lag. Womit sie ihn wohl niedergeschlagen hatte? Sie war keine besonders kräftige Frau. Es war schon seltsam, wie sie es geschafft hatte, seinen Hinterkopf zu treffen. Rey erinnerte sich voller Abscheu an das Kostüm, das sie getragen hatte. Er war gewiss nicht prüde, aber als er nur wenig über zwanzig gewesen war, hatte er eine Affäre mit einer Frau gehabt, die sich später als Callgirl herausstellte. Er war in sie verliebt gewesen und hatte geglaubt, dass auch sie ihn liebte. Als er ihren Beruf entdeckte und herausfand, dass sie nur auf dein Geld ausgewesen war, hatte es ihm einen schweren Schlag versetzt. So wie Leo war auch Rey Frauen gegenüber argwöhnisch geworden. Wenn er einen Mann fände, der Brötchen backen konnte, würde er nie wieder eine Frau ins Haus lassen.

Er dachte bekümmert an die Konditorin, die er und Leo aufgetrieben hatten und die bei ihnen eingezogen war – den beiden letzten Junggesellen der Hart-Familie –, um ihnen ihre geliebten Brötchen zu backen. Doch dann war sie krank geworden und hatte kündigen müssen. Es würde schwer sein, einen Ersatz für sie zu finden. Es gab nicht viele Leute, die bereit waren, auf einer entlegenen Ranch zu leben und zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten Brötchen zu backen. Selbst ein großzügiges Gehalt hatte bis jetzt keinen Bewerber angezogen. Es war deprimierend. Genauso wie Leos Anblick jetzt.

Rey schloss die Augen, streckte die Beine aus und versuchte, etwas zu dösen. Er war es gewöhnt, an den ungewöhnlichsten Orten und in den unbequemsten Stellungen zu schlafen. Rancher mussten das sogar im Sattel können, besonders während die Kühe kalbten und es viel zu tun gab.

Aber er war sofort hellwach, als der Polizist, der die Frau heute Nacht festgenommen hatte, mit einer leisen Entschuldigung ins Zimmer trat.

„Ich beende gerade meine Schicht“, sagte er. „Vorher wollte ich Ihnen aber noch sagen, dass wir die Stelle, wo der Überfall stattfand, überprüft haben und einige Indizien sicherstellen konnten. Heute werden meine Kollegen nach anderen Augenzeugen suchen. Wir werden die Männer finden, die für den Überfall auf Ihren Bruder verantwortlich sind.“

Rey runzelte die Stirn. „Die Männer?“, fragte er. „Aber sie haben die Verantwortliche doch schon. Sie haben sie gestern festgenommen!“

Polizist Sanders senkte den Blick. „Ich musste sie freilassen. Sie hatte nämlich ein Alibi, das bestätigt wurde. Nachdem sie ihre Aussage gemacht hatte, habe ich sie nach Hause gefahren.“

Rey sprang wütend auf. „Sie haben sie gehen lassen?“ Dann kam ihm ein Gedanke. „Und wo ist das Handy und die Brieftasche meines Bruders?“

Der Polizist machte ein betroffenes Gesicht. „Noch in ihrer Tasche. Die hatte ich ihr wieder ausgehändigt und ganz vergessen, sie darum zu bitten. Hören Sie, ich fahre auf dem Weg nach Hause bei ihr vorbei und hole die Sachen Ihres Bruders ab.“

„Ich komme mit Ihnen“, sagte Rey knapp. „Ich glaube immer noch, dass sie schuldig ist. Wahrscheinlich steckt sie mit den Kerlen unter einer Decke. Und sie könnte jemanden bezahlt haben, damit er ihr ein Alibi gibt.“

„Sie ist nicht eine von denen …“

„Ich will kein Wort mehr über sie hören!“, unterbrach Rey ihn ärgerlich. „Lassen Sie uns sofort fahren.“ Während er nach seinem Hut griff, warf er noch einen letzten besorgten Blick auf seinen Bruder. Wut schnürte ihm die Kehle zu. Wie konnte der Polizist so überzeugt von der Unschuld einer Frau sein, die er gar nicht kannte? Aber er würde schon dafür sorgen, dass sie hinter Gitter kam.