Teufelsbrut - G.F. Waco - E-Book

Teufelsbrut E-Book

G. F. Waco

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Beschreibung

Die Romane eines der besten Westernautoren erscheinen seit über 60 Jahren exklusiv im Martin Kelter Verlag. Kaum einer verstand es wie er, Dialoge und Handlungen so mitreißend und spannend zu schildern. Erleben Sie neue Abenteuer in der rauen Zeit des Wilden Westens, in der Männer nur die Wahl zwischen Heldentum oder Tod hatten. Auf dem Steckbrief an der grüngetünchten Wand war es nicht vermerkt, aber in Texas nannte man sie »Teufelsbrut«. Der Steckbrief war inzwischen ein Jahr alt. Die Summe, die man auf die vier Männer damals ausgeschrieben hatte, lautete 1000 Dollar, doch sie waren längst mehr ›wert‹. Der erste Mann, der lautlos in den alten Stationsraum glitt, warf einen stechenden Blick auf das Plakat. Er sah sich an, las seinen Namen und grinste. Burt Carry starrte sein Konterfei an. Es war kein besonders gutes Bild, fand er. Sie hatten ihm ein zu eckiges Kinn gemalt. Dabei war es viel spitzer. Auch seine Augen hatte man nicht richtig wiedergegeben. Sie waren etwas zu groß geraten, während er in Wahrheit Schlitzaugen hatte. Carry blickte die dicke Frau im Schaukelstuhl an, die in den letzten drei Jahren noch dicker geworden war. Den Schaukelstuhl hatte Rosalia Rocca schon in Barancas besessen. Nun quollen die Fleischmassen Rosalias unter den Lehnen hervor. Auf der Ofenbank lag jemand. Er war knapp fünf Fuß und drei Zoll groß. Und er war mager und mickrig. Er hieß Agustin Rocca und war ein Zwerg gegen Rosalia, seine Frau. Agustin Rocca schlief den Schlaf der Gerechten, einen lautlosen Schlaf. Dafür schnarchte Rosalia, sein Riesenweib, mit der Carry einmal… Nun ja, damals war sie wesentlich schlanker gewesen und elf Jahre jünger.

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Waco – 3 –

Teufelsbrut

G.F. Waco

Auf dem Steckbrief an der grüngetünchten Wand war es nicht vermerkt, aber in Texas nannte man sie »Teufelsbrut«. Der Steckbrief war inzwischen ein Jahr alt. Die Summe, die man auf die vier Männer damals ausgeschrieben hatte, lautete 1000 Dollar, doch sie waren längst mehr ›wert‹.

Der erste Mann, der lautlos in den alten Stationsraum glitt, warf einen stechenden Blick auf das Plakat. Er sah sich an, las seinen Namen und grinste.

Burt Carry starrte sein Konterfei an. Es war kein besonders gutes Bild, fand er. Sie hatten ihm ein zu eckiges Kinn gemalt. Dabei war es viel spitzer. Auch seine Augen hatte man nicht richtig wiedergegeben. Sie waren etwas zu groß geraten, während er in Wahrheit Schlitzaugen hatte.

Carry blickte die dicke Frau im Schaukelstuhl an, die in den letzten drei Jahren noch dicker geworden war.

Den Schaukelstuhl hatte Rosalia Rocca schon in Barancas besessen. Nun quollen die Fleischmassen Rosalias unter den Lehnen hervor.

Auf der Ofenbank lag jemand. Er war knapp fünf Fuß und drei Zoll groß. Und er war mager und mickrig. Er hieß Agustin Rocca und war ein Zwerg gegen Rosalia, seine Frau. Agustin Rocca schlief den Schlaf der Gerechten, einen lautlosen Schlaf. Dafür schnarchte Rosalia, sein Riesenweib, mit der Carry einmal… Nun ja, damals war sie wesentlich schlanker gewesen und elf Jahre jünger.

Burt Carry trat an die Wand und ließ seinen Revolver ins Halfter gleiten.

Dann kamen zwei andere Männer hinein: Ross und Sul Morris. Sie hatten das Schleichen bei der Armee gelernt, wenn sie ins Depot eingestiegen waren und sich etwas geholt hatten. Und dann hatten sie Pech gehabt und waren entdeckt worden. Zwei von denen, die sie überrascht hatten, waren gleich darauf tot gewesen, weil die Morris-Brüder schnelle und gute Revolverschützen gewesen waren. Seitdem nannte man sie Deserteure. Sie hatten der US-Army den Rücken gekehrt und waren zu Banditen geworden, zur Teufelsbrut.

Sul Morris, der ewig mürrische jüngere Bruder, dessen Schnauzbart­enden traurig herabhingen, starrte ebenfalls sein Konterfei auf dem Plakat an. Sie hatten ihm zu lange Haare gemalt, er trug sie nun etwas kürzer. Sul hielt sein Gewehr vor der Brust. Sein Bruder Ross hatte sich einen Bart wachsen lassen. Er sah völlig anders aus als auf dem schrecklichen Bild an der Wand.

Ross Morris ging leise an Burt Carry vorbei. Sie standen in einer Reihe, nur der vierte Mann fehlte noch.

Als er über die Schwelle trat, glitt sein Blick über die schlafenden Roccas.

Logan Porter, der Rebell, der zum Mörder geworden war, weil die Yankees seinen Vater von der kleinen Ranch am Pecos verjagt und niedergeschossen hatten, als der Alte sich zu wehren gewagt hatte.

Logan Porter, der Kopf und Denker, der so eiskalt wirkte und es vielleicht gar nicht war, trat neben seine Partner. Er hatte den verbeulten dunkelbraunen Hut tief in die Stirn gezogen, das braungrüne Halstuch gelockert und trug ein ausgebleichtes gelbliches Hemd unter der rotbraunen Weste.

Logan Porter, der Südstaatler, der Rebell, den die ganze Yankee-Armee suchte, befand sich 50 Meilen auf texanischem Gebiet und an der ödesten Stelle des Südwestzipfels seiner Heimat.

Er war ein gutaussehender Mann, der immer ein wenig zu lächeln schien, selbst dann, wenn er einen Armeetransport überfiel und auf die verhaßten Yankees schießen mußte.

Logan Porter trat vor seine drei Partner, verdeckte seinen Freund Carry, dem man die Ranch und den Mietstall geraubt hatte, weil er die hohen Yankeesteuern nicht bezahlen konnte.

Die Teufelsbrut war zur alten Pena Blanca Station gekommen, einem einsamen Anwesen an einer aufgegebenen Stagecoach- und Frachtlinie. Die Station war nun nur noch ein Handelsposten in der Weite und Öde des »Campi inferno«, wie die zumeist hier lebenden und weit verstreut wohnenden ehemaligen Mexikaner sagten.

Die vier Männer waren aus dem »Land der Hölle« gekommen, der Satan selbst hatte sie losgeschickt.

Die Teufelsbrut war da.

Logan Porter, der meistgesuchte Bandit in Texas, holte kurz Luft, nachdem er die Hände über der Brust verschränkt hatte. Und dann sagte er nur ein Wort, aber laut, scharf und grimmig: »Aufwachen!«

Zuerst blieb sie stumm, die dicke Rosalia Rocca, doch dann schrie sie, daß die ungeputzten Scheiben des Hauses klirrten und der mickrige Agustin Rocca die Hände an die Ohren preßte.

Agustin Rocca starrte die vier Männer an, dann die Steckbriefe an der Wand.

Rosalia schloß nun den Mund, zitterte jedoch weiter und blickte angstvoll zu Agustin, diesem Mann, der sie hierher verschleppt und ihr weiß Gott was versprochen hatte. Hierher kam ja höchstens zweimal in der Woche jemand, seitdem Bill McCraven, der diese Linie von seinem bankrotten Bruder übernommen hatte, die Station aufgegeben und das Anwesen an Agustin verkauft hatte.

Logan sagte sanft: »Niemand wird euch etwas tun, wenn ihr macht, was euch befohlen wird. Agustin, kennst du Howard McCraven, den Sohn des alten Geizhalses und Gauners, dieses verdammten Yankees Bill McCraven?«

»Nein«, erklärte Agustin Rocca. »ICH kenne nur den Alten, dann Johnson, seinen Revolvermann, und Charlie Kayser, seinen starken Mann. Mit den beiden rauhen Burschen war der Alte hier, als er die Linie einstellte. Seinen Sohn, den Tunichtgut, kenne ich nicht.«

Logan erwiderte zufrieden: »Sehr gut, Agustin. Du magst die McCravens nicht? Sag die Wahrheit, Kleiner, denn Lügner hasse ich.«

»Dieser betrügerische Kansas-Yankee«, stieß Agustin hervor. »Er hat gesagt, eines Tages würde er die Linie wieder eröffnen, ich sollte hier Eigentümer werden. Das bin ich auch geworden, aber die Linie besteht nicht hehr. So sieht’s aus. Er hat mich betrogen, dieser Vater eines Schürzenjägers. Nur…«

»Nur?«

»John McCraven ist kein Yankee, den hat der Alte genauso betrogen wie dessen Vater, seinen Bruder. John mag ich schon, aber er war seit Jahren nicht mehr hier, seit dem Tod seines Vaters.«

»Gut«, sagte Logan, der Rebell, freundlich. »Ihr werdet tun, was ich euch sage. Und wenn wir weg sind, vergeßt ihr uns. Sollte man euch fragen, haben wir euch gebunden und geknebelt, verstanden? Ihr habt nichts tun können, um Howie McCraven zu helfen. Ist das klar? Und nun wollen wir die anderen holen. Rosalia, steh auf und koch Kaffee, es wird alles gut bezahlt.«

»Si, Logan, sofort.«

Porter ging hinaus, während seine drei Partner grinsten. Sogar Sul Morris rang sich ein Lächeln ab, als sich Rosalia aus dem Schaukelstuhl quälte.

Draußen pfiff Logan zweimal. Dann wurde Hufschlag laut. Logan kam zurück. Er blieb seitlich der Tür stehen, damit der Mann, der ihm folgte, eintreten konnte.

Rosalia und Agustin Rocca starrten den Mann ängstlich an. Ein hagerer mit tiefliegenden Augen, schmalem Mund und düsterem, drohendem Blick schob sich herein und musterte die Roccas verächtlich.

Sein Steckbrief klebte neben dem der Teufelsbrut. Er hieß Luis Pereira, und man kannte ihn diesseits und jenseits des Rio Grande von El Paso bis nach Laredo. Sie nannten ihn »El Corchete«, den Häscher. Er war tatsächlich einer gewesen, ehe drüben der Befreiungskrieg ausgebrochen war. Er hatte Verbrecher und Guerilleros für die Regierung gejagt und manchmal sogar lebend abgeliefert. Unter Juarez zum Colonel avanciert, war er einer der grausamsten und gefürchtetsten Truppenkommandanten gewesen.

Kurz vor der Niederlage der Maximilaneros, der Kaiserlichen, war er in Ungnade gefallen. Angeblich sollte seine faszinierend schöne Geliebte – Tarasca, die Hexe, das listigste und verwegenste Weib, das jemals für Juarez gekämpft hatte – für ihn eine Millionenbeute beiseite geschafft haben. Diese Frau hatte für den Corchete spioniert. Sie sollte kaiserliche Offiziere bespitzelt und zu diesem Zweck einige unmoralische Dinge getan haben.

Nun war der Corchete Luis Pereira ein Grenzbandit geworden. Er überfiel Waffen- und Verpflegungstransporte und Geldkutschen.

Und nun war er hier.

An der Wand klebte der Steckbrief, den die Southern Stagecoach Line herausgegeben hatte, weil der Corchete ihre Kutsche zu oft gerupft hatte.

800 Dollar hatte Old Zach Taylor, der Boß der Linie, auf den Kopf des Corchete ausgesetzt.

»Ah«, sagte Luis Pereira mit einer Stimme, die aus einem Grab zu kommen schien. »Agustin und Rosalia Rocca, habt ihr etwa Angst vor mir? Nicht doch, meine Freunde, ihr steht unter dem Schutz meines Compadre Logan. Tut nur genau das, was er will, dann lebt ihr noch hundert Jahre. Komm herein, meine Schöne, sie wissen nun Bescheid.«

Agustin Rocca hatte von vielen Besuchern geträumt. Nun hatte er welche. Sogar eine Frau war hier.

Die kam herein und lächelte. Eine Raubkatze mit messerscharfen Krallen. Sie war so hübsch, daß Agustin Rocca förmlich davon geblendet wurde. Erst als er in ihre schillernden Augen blickte, vergaß er das kostbare Kleid mit dem tiefen Ausschnitt. Sie sah aus wie eine vornehme Donna, nur ihre Augen…

Agustin Rocca wußte plötzlich, WER diese schöne Frau mit den kalten Augen war, die ihn eiskalt musterten. Aber nun lächelte sie wie ein scheues Mädchen, regelrecht verschämt. Es war unglaublich, wie sich diese Frau verwandeln konnte.

Die Tarasca, dachte Agustin Rocca, während es ihm mulmig wurde. Demonio – das ist sie, die Hexe, seine Hexe, die Tarasca. Gott stehe uns bei. Der Satan und seine Hexe bei mir – und dazu die Teufelsbrut. O dios, Logan hat nach Howie McCraven gefragt, diesem Schürzenjäger, diesem Tunichtgut, der es mit allen möglichen Frauen treiben soll und einen der reichsten und geizigsten Männer in Texas zum Vater hat.

Die Tarasca ist hier – und Howard ist ein Weiberheld. O Dios, sie spiele wieder einmal den Lockvogel für den Corchete, oder ich will mein Leben lang vor Rosalia auf den Knien rutschen, wenn das nicht wahr ist.

*

Howard McCraven parierte sein Pferd und sah sich grinsend um. Hinter ihm war nichts zu sehen, aber er wußte, daß ihn Charlie Kayser von der Cibolo Silber-Mine, die dem Alten gehörte, nun völlig verzweifelt in San Estevan suchen würde.

Er hatte sie in der Stagecoach von Stockton nach Presido getroffen, die schönste Frau der Welt. Sie hatte in der Mitte gesessen, er links, aber rechts neben ihr ihr Bruder. Sie war Witwe und steinreich – eine Correga de Penas, denen drüben in Mexiko viel Land gehörte. So viel Glück konnte nur er haben, Howie. Inez Correga de Penas hatte ihn in der Dämmerung angeblickt, daß es ihm ganz heiß geworden war.

Als die Passagiere auf einer Station ausgestiegen waren, auch ihr Bruder, der wie ein Schießhund auf sie geachtet hatte, war es zu ein paar Zärtlichkeiten gekommen, und sie hatte geflüstert: »Ich muß dich wiedersehen, mein blonder Americano. Bald bin ich wieder in Texas. Wie kann ich dir eine Nachricht zukommen lassen? Sage es schnell, ehe mein Bruder kommt.«

»Gib einen Brief beim Salooner in Cibolo ab, der Mann besorgt alles für mich. Wann werden wir uns sehen, Inez?«

»Bald, hoffe ich. Mein Bruder hat Geschäfte mit amerikanischen Pferdezüchtern im Gebiet um Stockton. Ich werde mit ihm reiten und unterwegs einen Migräneanfall vortäuschen. Dann bleibe ich irgendwo in einer Station zurück. Du bekommst Nachricht, ich verspreche es.«

Der Brief war gekommen. Der Zufall hatte Howie geholfen, denn ausgerechnet an diesem Tag sollte er mit drei schweren Transportwagen vor dem Rose Paß auf seinen Vetter John warten. John brachte große Maschinenteile für den Steinbrecher in der Cibolo Mine durch halb Texas. Und Howie hatte das Umladen vor der gefährlich schmalen und steilen Strecke am Rose Paß, nördlich von San Estevan, besorgen und beaufsichtigen sollen. Er war Fachmann.

John wird nun vor dem Paß stehen und fluchen wie selten zuvor. Und ich bin verschwunden. Zwei Tage will die schöne Inez auf dieser Station bleiben, zwei Tage und zwei Nächte. Und was das für Nächte sein werden. Ich habe ein unwahrscheinliches Glück und John den Ärger. Soll der blöde Kerl, dieser Sohn eines Bankrotteurs, doch sehen, wie er die Maschinenteile allein über den Paß bekommt. Mich findet er nie, dieser Tölpel, den mein Vater aus Gnade und Barmherzigkeit als Transportboß behalten hat.

Howie McCravens Pferd geloppierte dahin. Vor ihm lag ein Abenteuer, wie er noch keins erlebt hatte und auch nie wieder erleben würde, davon war er überzeugt.

*

Inez mußte ihn schon gehört haben, denn sie stand an der Tür im Laternenlicht und blickte dem Reiter entgegen, der aus der Dunkelheit kam.

Howard McCraven warf nur einen flüchtigen Blick zum Corral. Dort standen ein paar Gespanngäule, sonst gab es kein Pferd hier, auch nicht am Balken. Aber dafür gab es sie: Inez Correga de Penas.

Als er am Balken hielt und abstieg, trat sie aus dem Lichtschein und kam auf ihn zu. Sie trug ein Kleid, daß ihm beinahe den Atem raubte. Der tiefe Ausschnitt verdeckte die wunderbaren Brüste kaum. Durch die Spitzenstola sah er ihre Haut.

Howard McCravens Pulsschlag raste. Ich träume, dachte er verwirrt und hingerissen. So eine Frau und ich, nicht zu fassen.

»Hallo«, sagte sie mit dunkler, vibrierender Stimme und kam näher.

Sie hob ihre schlanken Hände, an denen es blitzte und funkelte, griff nach den Aufschlägen seiner Jacke und lächelte, wie keine Frau jemals zuvor gelächelt hatte.

»Ich dachte schon, ich müßte hier in dieser langweiligen Station sitzen und vergebens auf dich warten. Komm herein. Er hat mir die Migräne geglaubt, mein teurer Bruder Jos. Wir haben Zeit, viel Zeit. Die Leute hier, die Roccas, sehen und hören nichts, verstehst du? Für ein paar Silberpesos sind sie blind und taub.«

Sie lachte übermütig. Und dann zog sie ihn über die Schwelle in den Raum mit der grüngetünchten Wand, an der die Steckbriefe hingen. Und dann gab sie ihm lachend einen Stoß, ziemlich heftig sogar, so daß er bis an den Tisch stolperte.

»Inez, aber Inez«, sagte Howie.

Sie stand vor ihm und lächelte immer noch, nur nicht mehr lockend oder sinnlich. Sie hielt einen schweren Revolver, den sie auf dem Rücken unter die Schärpe des sündigen Kleides gesteckt hatte, nun in der Faust und hatte den Hammer gespannt.

»Inez, was soll das?«

Howies Augen wurden ganz groß und rund wie Mühlsteine, denn neben dem Schrank stand jemand und hielt auch einen Colt in der Hand. In der Tür tauchte ein anderer auf und an der Tür zum Flur gleich zwei Männer. Sie schienen aus dem Boden zu wachsen und sahen ihn an.

So hatte sich der Rebell Logan das vorgestellt: ganz sicher und unverletzt, denn sonst zahlte Howards Vater nicht, dieser stinkreiche und geizige Bruderbetrüger, der Yankee aus Kansas, der die heruntergekommene Cibolo-Mine, die Frachtlinie und alles andere, was seinem Bruder gehörte, für ein Butterbrot ergaunert hatte.

Er war ungemein schlau, dieser Rebell Logan. Er hatte schon seit einem halben Jahr keinen einzigen Armeetransport mehr überfallen, weil der Generalstab Comanche-Joe Gowan angeworben und ihm die Sicherung aller Transporte übertragen hatte.

Der ehemalige Südstaatler und Rebell Logan kannte Comanche-Joe Gowan. Dieser Mann war tödlich gefährlich, gefährlicher als die ganze Yankee-Armee in Texas, denn Gowan war dieses Land vertraut. Er kannte es von Monterrey in Mexiko bis Corpus Christi an der Bay und von dort bis nach Santa Fe und etliche hundert Meilen weiter.

Der Rebell Logan dachte einen Moment an den gefährlichen Co­manche-Joe Gowan, denn dessen Erscheinen hatte Logan gezwungen, sich etwas anderes einfallen zu lassen. Logan hatte dann das inszeniert, was hier geschah. Es sollte sein letzter Schlag in Texas werden, und er sollte zugleich einen Yankee treffen.

»Kennst du mich, Junge?« fragte Logan und lächelte. Er stand neben seinem Steckbrief und bemerkte, wie Howie kurz einen Blick darauf warf und es ihm heiß und kalt über den Rücken lief. Plötzlich wurde Howies Gesicht aschgrau.

Carry glitt hinter ihn, nahm ihm den Revolver ab und sah den Cor­chete Luis Pereira hereinkommen.

Der stechendscharfe Blick des finsteren Bravados musterte Howie McCraven von Kopf bis Fuß. Er befahl: »Packt ihn, ab mit ihm in die Scheune! Und dann will ich hören, was er alles über das Vermögen seines geizigen Vaters zu sagen weiß. Mann, wenn du nicht redest, lasse ich mir ganz schnell etwas einfallen, um deinen Alten gefügig zu machen.«

*

Der Schrei drang aus der Scheune bis ins Haus und ließ die beiden Roccas entsetzt zusammenfahren. Dann wurde es totentstill, bis das kehlige, spöttische Lachen der Tarasca auf dem Hof zu hören war. Das Scheunentor klappte, die Tarasca kam herein, musterte Rosalia und Agustin Rocca spöttisch und winkte dem kleinen Bravado Cristo. Der magere Mexikaner, in dessen Gürtel drei Wurfmesser steckten, hatte die Roccas bewacht.