Walking on Sunshine with the Boss - Tina Keller - E-Book
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Walking on Sunshine with the Boss E-Book

Tina Keller

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Beschreibung

Bloß weg hier! Lena lechzt nach ein paar Tagen Erholung, nachdem ihr – zugegebenermaßen höchst attraktiver – Chef Luke ihr den letzten Nerv raubt. Endlich mal durchatmen und die Seele baumeln lassen! Als sie jedoch in ihrem Hotel eintrifft, erwartet sie der erste Schock: Statt des erhofften Wellness-Urlaubs hat sie versehentlich eine zünftige Fasten-Wandertour gebucht. Doch es kommt noch schlimmer: Wer nimmt ebenfalls an dieser Hunger-Wanderung teil? Richtig, Lenas Boss, den sie in ihrem Urlaub ganz bestimmt nicht mehr sehen wollte. Ist es wirklich Zufall, dass er hier ist? Oder hat ER das Ganze eingefädelt? Und wenn ja, warum? Er kann sie doch genauso wenig leiden wie sie ihn! Doch dann macht Luke Lena ein überraschendes Geständnis, mit dem sie niemals gerechnet hätte – und die Wanderung wird plötzlich sehr prickelnd …

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 - Lena

Kapitel 2 - Lena

Kapitel 3 - Lena

Kapitel 4 - Lena

Kapitel 5 - Lena

Kapitel 6 - Lena

Kapitel 7 - Lena

Kapitel 8 - Lena

Kapitel 9 - Lena

Kapitel 10 - Lena

Kapitel 11 - Lena

Kapitel 12 - Luke

Kapitel 14 - Lena

Kapitel 15 - Luke

Kapitel 16 - Lena

Kapitel 17 - Lena

Kapitel 18 - Lena

Kapitel 19 - Luke

Kapitel 20 - Lena

Kapitel 21 - Lena

Kapitel 22 - Lena

Kapitel 23 - Luke

Epilog – 1 Jahr später

Impressum

Tina Keller

Walking on Sunshine

with the Boss

Humorvoller Liebesroman

 

Bloß weg hier! Lena lechzt nach ein paar Tagen Erholung, nachdem ihr – zugegebenermaßen höchst attraktiver – Chef Luke ihr den letzten Nerv raubt. Endlich mal durchatmen und die Seele baumeln lassen! Als sie jedoch in ihrem Hotel eintrifft, erwartet sie der erste Schock: Statt des erhofften Wellness-Urlaubs hat sie versehentlich eine zünftige Fasten-Wandertour gebucht. Doch es kommt noch schlimmer: Wer nimmt ebenfalls an dieser Hunger-Wanderung teil? Richtig, Lenas Boss, den sie in ihrem Urlaub ganz bestimmt nicht mehr sehen wollte. Ist es wirklich Zufall, dass er hier ist? Oder hat ER das Ganze eingefädelt? Und wenn ja, warum? Er kann sie doch genauso wenig leiden wie sie ihn!

Doch dann macht Luke Lena ein überraschendes Geständnis, mit dem sie niemals gerechnet hätte – und die Wanderung wird plötzlich sehr prickelnd …

Kapitel 1 - Lena

„Wenn du noch einmal sagst, dass ich mit Luke Glück gehabt habe, schütte ich dir Abführpulver in deinen Milchkaffee – und zwar dann, wenn du zwanzig Konferenzteilnehmern die Getränke servieren sollst“, gifte ich meine Kollegin Betty an, die grinsend vor meinem Schreibtisch steht.

Es ist ein ganz normaler Tag in einer ganz normalen Kanzlei. Ich routiere wie üblich als Assistentin eines übellaunigen Anwalts und weiß schon zwei Stunden nach Arbeitsbeginn nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Die Arbeit stapelt sich bereits jetzt bis an die Decke.

Hey, vielleicht sollte ich nicht Betty, sondern meinem Boss Abführmittel in den Kaffee kippen! Dann ist er zumindest eine Weile mit ganz anderen Dingen beschäftigt, als mich sinnlos herumzuscheuchen. Erfreut blicke ich Betty an. Was für eine geniale Idee!

„Mehr Unglück, als diesen Sklaventreiber und Terroristen als Boss zu haben, geht ja wohl gar nicht“, finde ich, während ich ein Dokument ausdrucke und eine Mail schreibe.

„Er ist ein Teufel in Menschengestalt.“

„Aber ein verdammt heißer Teufel“, lässt Betty sich nicht beirren und verdreht schmachtend die Augen.

„Sieh es doch mal so: Du hast tagtäglich einen wahnsinnig attraktiven Mann vor Augen, der glatt einem Model-Magazin entsprungen sein könnte. Also, ich würde das zu schätzen wissen – und etwa hundert andere Kolleginnen auch. Du bist echt total undankbar.“

„Klar“, schnaufe ich ungnädig. „Ich habe ja auch den ganzen Tag keine andere Beschäftigung, als diesen Typen anzustarren. Danke für den Tipp. Gleich morgen werde ich die Wand entfernen und eine Glasscheibe einsetzen lassen, damit ich ihn immer im Blick habe. Von morgens bis abends werde ich ihn nonstop beobachten. Das wird mich für alles andere entschädigen.“

Betty beginnt schallend zu lachen.

„Immerhin hast du deinen Humor nicht verloren“, lobt sie mich. „Denk mal an mein Schicksal mit Uwe. Der hat einen dicken Bierbauch, kaum noch Haare auf dem Kopf, dafür umso mehr in der Nase und in den Ohren. Meinst du etwa, das ist ein schöner Anblick? Ganz bestimmt nicht. Außerdem isst er gern und viel Knoblauch, raucht, hat gelbe Fingernägel, nur noch ein paar Stummelzähne im Mund, Ausschlag an den Händen, Warzen im Gesicht und …“

„Hör sofort auf!“

Ich stecke mir beide Zeigefinger in die Ohren und rolle entnervt mit den Augen.

„Ich habe es verstanden. Okay, okay, ich habe den schönsten Chef der Welt. Ja, es kann sein, dass er gut aussieht.“

„Gut?“

Betty zieht ihre Augenbrauen in die Höhe.

„Er sieht nicht nur gut aus, sondern fantastisch. Er sieht aus wie ein Unterwäsche-Model. Oh Mann, ich würde ihn zu gern mal in Unterwäsche sehen.“ Betty seufzt sehnsüchtig auf.

„Oder am besten ganz ohne Klamotten“, träumt sie weiter. „Der hat so starke Muskeln, dass er seine Hemden fast sprengt. Ich kriege jedes Mal beinahe einen Orgasmus, wenn ich nur hingucke. Bestimmt hat er auch ein Sixpack und durchtrainierte Oberschenkel. Feste, harte, muskulöse Oberschenkel. Und dadurch kann er eine Frau stundenlang so richtig rannehmen.“

„Wie schön für ihn und seine Gefährtinnen“, erwidere ich unbeeindruckt. „Um das Sexleben meines Chefs mache ich mir ehrlich gesagt nicht besonders viel Sorgen.“

„Das brauchst du auch nicht. Die Frauen stehen bei ihm garantiert Schlange“, mutmaßt Betty. „Weißt du eigentlich, auf welchen Typ Frau er steht? Käme ich da in Frage? Du kriegst doch sicher mit, wen er dated, oder?“

„Selbstverständlich nicht“, knurre ich. „Zum Glück halst er mir das nicht auch noch auf. Das hätte mir gerade noch gefehlt, dass ich seine Bettgefährtinnen koordinieren muss. Das soll er mal schön selbst managen. Ich habe genug mit dem anderen Kram zu tun.“

Ich vernehme energische Schritte auf dem Flur, die sich nähern. Das muss er sein.

Sein verführerisches Parfüm weht um die Ecke und gleich darauf erscheint er im Türrahmen. Groß, breitschultrig, markantes Gesicht, Bartschatten, durchtrainiert, finstere Miene.

„Frau Seeling, ich brauche Sie in meinem Büro“, ertönt seine herrische Stimme zum lieblichen Morgengruß.

„Sie werden nicht dafür bezahlt, dass Sie einen Plausch mit Ihren Kolleginnen halten.“

Ich werfe Betty einen vielsagenden Blick zu, während sie knallrot anläuft und Luke unverholen anhimmelt.

„Guten Morgen, Herr Luke … äh … Lindner“, stottert sie aufgeregt und zieht ihren Rock glatt.

„Ich hatte nur eine Frage an … an … äh ….“

Hilfesuchend schaut sie in meine Richtung. Jetzt hat sie auch noch meinen Namen vergessen. Aber da helfe ich ihr nicht raus.

Luke wirft ihr einen genervten Blick zu und hält es nicht für nötig, ihren Gruß zu erwidern. Warum auch? Höflich können die anderen sein, er nicht. Es reicht völlig, dass er attraktiv ist. Damit schenkt er der Welt schließlich schon genug. Wenn er auch noch nett wäre, wäre das eindeutig zu viel des Guten.

Ich springe auf, greife nach Block und Stift und renne hinter ihm her.

Ich könnte ihm sagen, dass Betty nur eine Kollegin ist und er daher nicht im Plural zu sprechen braucht. Ich könnte ihn fragen, warum der Termin schon so früh zu Ende ist. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass mein Boss auf solche überflüssigen Kommentare absolut keinen Wert legt. Er hat schlichtweg keine Zeit für sinnlose Auskünfte und reagiert darauf äußerst aggressiv. Also halte ich meinen Mund.

Finster blickt er mich an und ich frage mich nicht zum ersten Mal, warum er eigentlich ständig schlechte Laune hat. Er hat als Anwalt einer renommierten Kanzlei einen guten, sicheren, erstklassig bezahlten Job. Er sieht fantastisch aus und legt sicher eine Frau nach der anderen flach, weil er sich vor Angeboten gar nicht retten kann. Das ist weitaus mehr, als viele andere Männer von sich behaupten können. Glücklich scheint ihn das allerdings nicht zu machen, sonst würde er mich nicht dauernd anschnauzen.

Dass es an mir liegt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich erledige meine Aufgaben sehr gewissenhaft und hatte mit seinem Vorgänger überhaupt keine Probleme. Leider hat der sich vor einem halben Jahr nach London versetzen lassen und Luke wurde aus München nach Berlin abkommandiert, weil er Spezialist für Kapitalmaßnahmen, Umwandlungen und Transaktionen in Unternehmen ist. Und natürlich Spezialist im Herumkommandieren und miese Laune verbreiten. Seit ich für ihn arbeite, habe ich vier Kilo abgenommen, weil ich nicht mal mehr zum Essen komme.

„Haben Sie die Termine mit a) Johnson, b) Lenard c) Behringer vereinbart? Ist die Mail nach Luxemburg raus? Hat Edward geantwortet? Haben Sie die Korrekturen eingearbeitet?“, überfällt Luke mich, als ich noch gar nicht Platz genommen habe. Aber klar, seine Fragen kann ich mir auch im Stehen anhören. Bloß keine Zeit verlieren.

„Ja zu allen Fragen bis auf Edward. Der hat sich noch nicht gemeldet“, pariere ich.

Luke runzelt die Stirn.

„Nachhaken“, ordnet er schroff an und zieht seine Jacke aus.

Betty hat Recht: Sein weißes, leicht durchsichtiges Hemd spannt sich über seinen muskulösen Oberarmen. Seine Taille ist schmal, sein Hintern knackig, der Bauch flach und hart. Es stimmt schon, dass mein Boss eine echte Augenweide ist. Das ändert allerdings nichts daran, dass er ohne Probleme den Preis des Jahres als schlimmster Vorgesetzter bekommen würde.

„Nächste Aufgabe: In meinem Mail Ordner ist ein 50seitiger Vertrag“, fährt Luke fort und lockert seine Krawatte, was irgendwie sexy aussieht.

Es ist keineswegs so, dass ich nicht registriere, wie attraktiv er ist. Ich bin ja nicht blind. Aber da ich den ganzen Tag damit beschäftigt bin, seine zahlreichen Befehle auszuführen, bleibt mir gar keine Zeit, mich damit zu beschäftigen. Ich bin einfach immer im Stress. Sobald mir auffällt, dass er die unglaublichsten blauen Augen hat, die ich jemals gesehen habe, scheucht er mich schon wieder ins Aktenverlies, um ein paar dämliche Ordner zu holen. Ich habe schlichtweg keine Zeit, um meinen Boss anziehend zu finden.

„Er ist heute um 7.54 Uhr eingetroffen. Vergleichen Sie ihn mit dem Originalvertrag vom 10. Juli und markieren Sie die Änderungen. Diese Idioten sind nicht mal in der Lage, das Dokument im Änderungsmodus zu schicken.“

Ich starre Luke entsetzt an. Ist er von allen guten Geistern verlassen? Ich kann doch nicht 50 Seiten in unverständlichem Juristendeutsch miteinander vergleichen! Das dauert Stunden, wenn nicht Tage!

„Aber …“, setze ich an, doch mein schöner Chef winkt unwirsch ab.

„Keine Diskussionen!“, bellt er. „Ich weiß selbst, dass das eine Scheiß-Arbeit ist.“

Da hat er ausnahmsweise Recht. Und ich kann diese Scheiß-Arbeit auch nicht delegieren, denn das mag Luke überhaupt nicht. Nein, ich muss alles höchstpersönlich erledigen. Verzweifelt schließe ich die Augen und überlege, ob ich mich krankmelden soll. Das habe ich zwar noch nie getan, aber irgendwann ist immer das erste Mal.

„Vom 16. bis 31. August bin ich nicht da“, vernehme ich die erste gute Nachricht dieses Tages.

„Sie nehmen sich in dieser Zeit ebenfalls Urlaub. Wenn ich nicht hier bin, haben Sie schließlich nichts zu tun.“

Das ist aber wirklich zu gütig, dass sich mein Boss Sorgen darüber macht, ich könne mich im Büro langweilen.

„Ist das ein Vorschlag oder ein Befehl?“, will ich wissen.

„Ein Befehl natürlich“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Klar. Ich hatte nichts anderes erwartet.

„Kann ich noch eine Woche dranhängen?“, erkundige ich mich.

Ich bräuchte mindestens sechs Wochen, um mich auch nur ansatzweise von diesem Antreiber zu erholen.

Luke sieht mich muffig an.

„Selbstverständlich nicht“, knurrt er. „Wer sollte in der Zeit für mich arbeiten?“

Ich zucke mit den Achseln.

„Da würde sich bestimmt jemand finden“, bin ich zuversichtlich. „Betty zum Beispiel ist ganz wild darauf, mal mit Ihnen zu … ähm … arbeiten.“

Ich grinse ihn vielsagend an, doch das perlt an ihm ab wie Regen an einem Gummimantel.

„Zwei Wochen“, wiederholt er. „Keinen Tag länger.“

Ich überlege, was passieren würde, wenn ich mich ein paar Monate lang krankschreiben lassen würde. Die Diagnose Burnout bekomme ich sofort, wenn ich meinen Arbeitsalltag schildere. Wenn ich Glück habe, hat Luke bis dahin eine andere Sklavin gefunden und will mich gar nicht mehr. Ist das die Lösung?

„Warum lächeln Sie?“, fragt Luke scharf. „Freuen Sie sich etwa darauf, mich zwei Wochen lang nicht mehr zu sehen oder was?“

„Aber nein“, säusele ich. „Ich werde Sie mit jedem Tag mehr vermissen. Ich werde mir einen Film mit einem Feldmarschall besorgen, damit ich Ihre Stimme nicht vergesse.“

Ich muss dazu sagen, dass ich keins der Mäuschen bin, die vor ihrem Chef kuschen. Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren in dieser Kanzlei, habe schon diverse Vorgesetzte überstanden und bin sehr beliebt. Ich lasse mir nicht die Butter vom Brot nehmen, Boss hin oder her. Ich kenne meinen Marktwert und weiß, dass ich eine hervorragende Assistentin bin. Daran gibt es nichts zu rütteln und auch Luke kann mein Selbstbewusstsein nicht erschüttern, obwohl er sich alle Mühe gibt. Natürlich kann ich mir ihm gegenüber gewisse Dinge nicht herausnehmen, weil er nun mal mein Vorgesetzter ist, aber das bedeutet trotzdem nicht, dass ich ihm nicht Paroli biete.

Für einen kurzen Moment entgleisen Luke seine Gesichtszüge – so, als würde seine Maske für einen Sekundenbruchteil herunterfallen und ihn so zeigen, wie er im tiefsten Innern wirklich ist. Aber blitzschnell hat er die Maske wieder aufgesetzt und schaut mich drohend an.

„Ich muss doch sehr bitten, Frau Seeling!“, sagt er empört. „Ich bin doch kein Feldmarschall.“

„Nein, sind Sie nicht, aber Sie führen sich genauso auf“, erkläre ich. „Vielleicht erholen Sie sich im Urlaub ja mal. Das wäre für uns beide zu hoffen. Sie sind manchmal wirklich unerträglich.“

„Sagen Sie mal, wie reden Sie denn mit mir?“, regt sich Luke auf. „Wissen Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben? Ich bin Ihr Vorgesetzter!“

Milde lächele ich ihn an. Ich weiß, dass es ihn auf die höchste Palme bringt, wenn er ausflippt und ich ganz ruhig bleibe. Da fühlt er sich irgendwie unterlegen.

„Das ist mir durchaus bekannt“, entgegne ich sanft. „Liegt sonst noch irgendetwas an? Ich würde dann wieder in mein Büro gehen, denn ich habe jede Menge zu tun. Mein Boss schätzt es gar nicht, wenn ich mich sinnlos unterhalte. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.“

Luke glotzt mich mit inzwischen wutrotem Gesicht an und sagt keinen Ton mehr. Grinsend erhebe ich mich und rausche aus seinem Büro. Es tut immer gut, wenn man seinen cholerischen Chef mit den eigenen Waffen schlagen kann.

Ich werfe einen Blick auf den Kalender. Luke hat seinen Urlaub sehr kurzfristig angesagt. Das ist mal wieder typisch. Heute ist Donnerstag und am Montag ist der 16. August. Das bedeutet, ich werde bereits in vier Tagen in meinen Zwangsurlaub geschickt. Das hätte er mir wirklich mal früher sagen sollen. Schließlich sind gerade Schulferien und da finde ich wahrscheinlich so schnell gar keine Unterkunft mehr.

Ich seufze auf. Jetzt werde ich diesen schrecklichen Vertrag durchsehen und mich danach aus dem Fenster stürzen.

***

Fühlen Sie sich ausgelaugt, müde und erschöpft? Stresst Ihr Beruf Sie? Sehnen Sie sich danach, mal richtig auszuspannen und wieder aufzutanken? Wollen Sie sich nach Strich und Faden verwöhnen lassen? Möchten Sie wissen, wie Sie Ihren Akku wieder aufladen können?

Dann kommen Sie zu uns! Verleben Sie unvergessliche Tage inmitten unserer herrlichen Natur.

Sie können einfach nur relaxen und sich verwöhnen lassen oder einige unserer vielfältigen Kurse buchen. Auch eine zünftige Fasten-Wandertour mit anschließender Erholungswoche ist eine gelungene Kombination. Für jeden ist etwas dabei!

Genießen Sie allein oder im Kreise von Gleichgesinnten Ihre unbeschwerte Auszeit.

Tanken Sie auf und kehren Sie wie neugeboren und mit frischen Kräften zurück! Wir freuen uns auf Sie!

Meine müden Augen schweifen über den Flyer, der wie aus dem Nichts aufgetaucht ist und auf meinem Schreibtisch liegt. Nanu, wo kommt der denn her? Hat ihn mir irgendeine mitfühlende Seele hingelegt, die weiß, dass ich am Rande eines Nervenzusammenbruchs stehe?

Ich greife nach dem Flyer und klappe ihn auseinander. Wow, das sieht ja fantastisch aus! Man kann sich urige, zweistöckige Holzhäuschen mit einer riesigen Terrasse direkt am See mieten. Die angebotenen Kurse hören sich auch sehr vielversprechend an – Meditation, Qi Gong, Aqua Fitness, Zumba, Nordic Walking, Pilates und vieles mehr. Es gibt Personal Trainer, man kann sich massieren lassen sowie eine ganze Reihe an Kosmetikbehandlungen buchen. Es ist wirklich alles da, was man für einen erholsamen Wellness-Urlaub braucht. Genau das Richtige für mich! Ich werde zwei Wochen lang keinen Finger rühren und mich nach Strich und Faden verwöhnen lassen. Und dann werde ich voller Elan und Lebenslust zurückkehren und mit meiner Power den ganzen Laden hier völlig umkrempeln.

Meine gute Laune kehrt zurück. Ich werde in wenigen Tagen Urlaub haben und eine schöne Zeit verbringen. Vor allem: Ich werde meinen übellaunigen Chef nicht mehr sehen. Das allein ist Holiday genug.

Beschwingt rufe ich mir die Internet Seite auf, fülle ein Formular aus und buche beherzt. Plötzlich kann ich es kaum noch erwarten, dass es endlich losgeht und die vier Tage schon rum sind. Dabei habe ich vor einer halben Stunde noch gar nicht gewusst, dass mein Chef mir befehlen würde, meinen Urlaub anzutreten. Aber jetzt bin ich Feuer und Flamme. Endlich kann ich mich nach Herzenslust erholen!

Kapitel 2 - Lena

Juchu, ich bin da! Nach einer einstündigen Autofahrt treffe ich in einem idyllischen Städtchen in Brandenburg ein. Ich bin an verschiedenen Seen vorbeigefahren und freue mich schon darauf, dort schwimmen zu gehen. Überhaupt ist die Natur überwältigend und ich bin froh, für eine Weile nicht in Berlin zu sein, so sehr ich die Stadt auch liebe.

Bestens gelaunt parke ich meinen Smart mit schwarz-rotem Zebramuster vor dem Hotel und steige aus. Die Anlage ist riesig. Es sieht alles sehr gepflegt und luxuriös aus und ich beglückwünsche mich zu meiner Entscheidung, mich hier einquartiert zu haben.

Ich schiebe meine beiden großen Koffer vor mir her und begebe mich in die Empfangshalle. Der erste Eindruck ist auf jeden Fall sehr positiv. In der Halle stehen überall Sessel und Sofas mit Tischen sowie ein plätschernder Brunnen mit einer lebensgroßen Skulptur. Links befindet sich ein Restaurant und rechts gibt es verschiedene kleine Läden. In der Mitte ist ein gläserner Fahrstuhl und im Untergeschoss offenbar der Wellness-Bereich mit einer großzügigen Schwimmhalle.

Strahlend gehe ich auf die Rezeption zu, wo mich eine junge Frau freundlich anlächelt.

„Guten Tag und herzlich willkommen“, begrüßt sie mich. „Ich bin Lisa. Was darf ich für Sie tun?“

„Hallo, mein Name ist Lena Seeling“, stelle ich mich vor. „Ich habe vor vier Tagen reserviert.“

„Da haben Sie aber Glück gehabt“, erwidert Lisa. „Normalerweise sind wir viele Monate im Voraus ausgebucht. Wahrscheinlich hatte jemand storniert. Lena Seeling…“

Sie tippt auf ihrem Computer herum.

„Da sind Sie ja schon. Ja, genau. Sie haben die Fasten-Wandertour mit der anschließenden Erholungswoche gebucht.“

Ich zucke zusammen.

„Nein, da muss eine Verwechslung vorliegen“, erkläre ich. „Ich wollte die ganzen zwei Wochen hier im Hotel verbringen. Ich will weder wandern noch fasten. Und schon gar nicht in dieser Kombination.“

Lisa zieht ihre Augenbrauen zusammen und starrt auf ihren Bildschirm. Dann schüttelt sie langsam den Kopf.

„Tut mir leid, aber genauso steht es hier“, erwidert sie und dreht den Laptop zu mir um.

Auf zur Fasten-Wanderung in die Schorfheide! 135 Kilometer, das UNESCO Weltnaturerbe Buchenwald Grumsin, das Kloster Chorin sowie weitere Highlights locken raus in den Barnim. „Rund um die Schorfheide“ – das heißt Wandern auf spannenden Wegen.

Mit geschnürten Wanderschuhen und viel Vorfreude kann es losgehen. Die Pfade führen durch tiefe Wälder, vorbei an Seen und Fließen des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin sowie dem Naturpark Barnim. Am Wegesrand beeindrucken Sehenswürdigkeiten wie die Schiffshebewerke Niederfinow – und unser leckerer Bio-Saft gibt uns Kraft. Ein erlebnis- und abwechslungsreicher Rundwanderweg wartet auf seine Entdeckung. Unsere Schlacken werden wir auch gleich noch los.

„Aber … das habe ich nicht gebucht“, stammele ich entsetzt. „Wirklich nicht. Nichts liegt mir ferner, als 135 Kilometer durch die Gegend zu laufen und dabei zu allem Überfluss auch noch zu hungern. Niemals! Nein, ich wollte mich erholen. Ich wollte ausspannen und die Seele baumeln lassen. Und was Leckeres essen wollte ich auch. Aber das ist sicher kein Problem, oder? Ich kann das doch einfach umbuchen?“

Hoffnungsvoll schaue ich Lisa an. Die holt tief Luft und setzt eine kummervolle Miene auf.

„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein“, sagt sie gedehnt. „Hier im Hotel sind wir wie gesagt komplett ausgebucht, sodass wir Sie nirgendwo unterbringen könnten. Und dann ist die Wanderung ja auch organisiert worden. Sie übernachten jede Nacht in einer anderen Pension. Das ist alles fest für Sie gebucht. Das können wir leider nicht stornieren. Dazu ist es zu kurzfristig. Übermorgen geht es ja schon los.“

Ich schlucke und schließe vor lauter Entsetzen die Augen. Ich soll ernsthaft 135 Kilometer wandern? Das sind jeden Tag zwanzig Kilometer! Das schaffe ich nie! Schon gar nicht, wenn ich nichts zu essen kriege! Und dann womöglich noch mit dem Gepäck auf den Schultern!

Auf den Schultern? Ich habe keinen Wander-Rucksack mitgenommen! Soll ich etwa meinen Koffer die ganze Zeit hinter mir herziehen? Vor lauter Enttäuschung schießen mir Tränen in die Augen. Ich sehe mich völlig entkräftet auf dem Boden mitten im Wald liegen, mein Koffer hinter mir im Matsch und ich an einem Ast knabbernd vor lauter Hunger.

„Aber … das geht nicht“, jammere ich. „Ich habe keine Wanderschuhe und auch keinen Rucksack. Wie soll ich denn mein Gepäck mitschleppen?“

„Das ist kein Problem“, beruhigt mich Lisa. „Wanderschuhe gibt es in dem Geschäft da vorn. Ihr Gepäck wird durch einen Fahrdienst von Pension zu Pension transportiert. Das müssen Sie selbstverständlich nicht selbst tragen. Ich kann Ihnen versichern, dass das eine ganz tolle Wanderung ist und bisher alle Teilnehmer begeistert waren. Und nach der Wanderung steht eine Erholungswoche an, die Sie dann in vollen Zügen genießen können.“

Ernüchtert blicke ich das junge Mädchen an. Ich will aber nicht wandern! Ich will faul im Liegestuhl liegen. Oder an einem See. Ich will mir eine wohltuende Massage gönnen und ein Kleopatra-Bad nehmen. Ich will mich verwöhnen lassen. Ich will nicht von früh bis spät über unebene Wege laufen und mit einer Horde fremder Menschen „Das Wandern ist des Müllers Lust“ singen. Und schon gar nicht will ich hungern. Das ist ja wohl das Allerschlimmste! Ich will von früh bis spät schlemmen – ein opulentes Frühstück, ein leckeres Mittagessen, Kaffee und Kuchen am Nachmittag, abends auch noch mal genüsslich speisen. Immerhin muss ich mir die vier Kilo, die ich durch diesen Feldwebel namens Luke abgenommen habe, wieder anfuttern. Das war der Plan. Oh mein Gott, wohin bin ich hier nur geraten?

„Wie lange dauert es denn überhaupt, zwanzig Kilometer zu laufen?“, frage ich und überlege meine Alternativen.

Ich könnte das Geld in den Sand setzen und mir woanders eine Unterkunft suchen. Das widerstrebt mir aber, denn billig war die Buchung nicht gerade.

„Ausgehend von etwa 12 bis 14 Stunden Tageslicht, zwei Stunden Aufbruchzeit am Morgen, zwei Stunden Pausen unterwegs und zwei Stunden Spielraum in der Planung ergibt sich eine reine Gehzeit von sechs bis maximal acht Stunden“, teilt Lisa mir zu meinem Entsetzen mit.

„Sechs bis acht Stunden laufen?“, quietsche ich entgeistert. „Und das jeden Tag, eine ganze Woche lang? Ohne einen Bissen zu essen? Danach bin ich ein Wrack, sofern ich diese Tortur überleben sollte.“

Das ist ja fast noch schlimmer, als mich den ganzen Tag von meinem Chef herumkommandieren zu lassen. Ich weiß wirklich nicht, was anstrengender ist. Da hätte ich es jetzt im Büro besser gehabt, wo er nicht da ist. Und essen hätte ich dort auch können. Ob ich meinen Urlaub spontan rückgängig machen kann? Aber das hatte Satan mir ja verboten, weil er fürchtete, ich würde mir in seiner Abwesenheit allenfalls die Fingernägel lackieren.

„Wenn Sie nicht jeden Tag diese Entfernung schaffen, können Sie auch mal eine Strecke mit dem Zug zurücklegen“, unterbreitet Lisa mir einen verlockenden Vorschlag.

„Wäre das eine Option für Sie? Natürlich können Sie die Wanderung auch ganz sein lassen, aber ich kann Ihnen dann leider nicht den Betrag erstatten. Das Geld wäre praktisch weg. Wollen Sie es nicht wenigstens versuchen?“

Ich hole tief Luft und bin völlig benommen. Wie sehr hatte ich mich auf die Erholung gefreut! Wie sehr hatte ich mich darauf gefreut, absolut gar nichts tun zu müssen und mich verwöhnen zu lassen, auch kulinarisch. Eine anstrengende Wanderung ohne Nahrung ist genau das Gegenteil von dem, was ich will und brauche.

Soll ich das Geld einfach sausen lassen? Aber wo soll ich dann hin? Hier ist alles ausgebucht. Und ich befürchte, jetzt in der Ferienzeit habe ich auch woanders keine Chance.

Außerdem stelle ich mir diese Fasten-Wanderung ziemlich langweilig vor. Da wandern sicher nur schräge Vögel mit. Ich meine, wer verzichtet denn freiwillig auf etwas zu essen und rennt dann auch noch in der Gegend herum? Das sind bestimmt irgendwelche sauertöpfischen Öko-Freaks, die gar nicht zu mir passen. Wahrscheinlich sind das alles Paare und ich bin der einzige Single. Diese Aussicht deprimiert mich zusätzlich.

„Ich würde vorschlagen, dass Sie es einfach mal versuchen“, sagt Lisa und lächelt mich aufmunternd an.

„Wenn es nichts für Sie ist, können Sie immer noch abbrechen und zurückfahren. Aber vielleicht gefällt es Ihnen. Ich bin da relativ optimistisch.“

Also, ich nicht. Ich bin überhaupt nicht optimistisch. Mürrisch blicke ich Lisa an.

„Überlegen Sie es sich“, sagt Lisa und schiebt einen Schlüssel über die Theke.

„Für die nächsten beide Nächte haben Sie immerhin ein schönes Zimmer. Heute Abend um 20 Uhr trifft sich die Wandertruppe hier im Restaurant an Tisch 10. Dort wird dann alles besprochen. Sie können sich das ja mal ganz unverbindlich anhören. Dann schlafen Sie eine Nacht drüber und sagen mir morgen Bescheid, wie Sie sich entschieden haben.“

Ich seufze erneut auf. Wie gern würde ich mein Zimmer die ganzen zwei Wochen lang bewohnen und nicht nur zwei Nächte.

„Unser Geschäft mit Schuhen und anderen Wanderutensilien hat heute bis um 22 Uhr geöffnet und morgen bis um 20 Uhr“, teilt Lisa mir unverändert freundlich mit, obwohl ich sicher gerade mein Mördergesicht aufgesetzt habe.

„Dort finden Sie alles, was Sie für eine zünftige Wanderung brauchen.“

„Hm“, brumme ich und greife nach dem Schlüssel.

Ich stehe unter Schock. Ich kann nicht wandern. Ich will nicht hungern. So stelle ich mir einen gelungenen Urlaub überhaupt nicht vor.

Meine gute Laune ist verständlicherweise komplett dahin. Grimmig schiebe ich meine Koffer in den Aufzug und fahre in den fünften Stock. Dabei hatte ich doch eins dieser entzückenden Holzhäuschen gebucht. Aber das bekomme ich wohl erst in der Woche nach der anstrengenden Wanderung.

Was ist überhaupt passiert? Habe ich wirklich das Kreuz an der falschen Stelle gesetzt? Oder ist jemandem im Hotel ein Fehler unterlaufen? Habe ich eigentlich eine Bestätigung erhalten? Ich kann mich nicht erinnern.

Ich betrete das Zimmer und bin angenehm überrascht, denn es ist groß und hat einen wunderbaren Blick auf den See. Von hier aus kann ich auch die schicken Holzhäuschen erkennen. In einem davon wollte ich die nächsten zwei Wochen verbringen. Aber nein, ich soll ja wandern. Und hungern. Ich weiß immer noch nicht, was ich schlimmer finde. Die Kombination ist jedenfalls der Horror.

Unwillig ziehe ich mein Handy aus der Tasche und versuche zu ergründen, ob ich vom Hotel eine Bestätigung bekommen habe. Nein, da ist nichts. Dann sehe ich im Spam-Ordner nach und finde tatsächlich eine Mail.

Liebe Frau Seeling,

vielen Dank, dass Sie unser Programm „Wandern rund um die Schorffheide und entschlacken mit unserem beliebten Saftfasten“ und die anschließende Erholungswoche gebucht haben. Beiliegend übersenden wir Ihnen unseren Flyer mit allen Informationen, die Sie benötigen. Wir freuen uns, Sie bald bei uns begrüßen zu dürfen und verbleiben mit freundlichen Grüßen

Entkräftet lasse ich mich auf das Boxspringbett sinken. Offenbar habe tatsächlich ich einen Fehler gemacht. Ich habe das falsche Programm gebucht. Wie konnte das nur passieren? Aber das ist jetzt auch egal. Fakt ist, ich habe es gebucht. Das kann ich nicht mehr ändern. Entweder ich fahre zurück nach Berlin und komme in einer Woche wieder, wenn die Erholungswoche beginnt – oder ich füge mich in mein Schicksal und mache diese verdammte Wandertour mit. Wenn sie mir überhaupt nicht gefällt, kann ich Lisas Angebot immer noch wahrnehmen und mit dem Zug zurückfahren.

Ich lege mich auf das Bett und ruhe mich eine Weile aus, denn dazu werde ich in der nächsten Woche nicht kommen. Dann begebe ich mich in den großzügigen Spa-Bereich, schwimme ein paar Runden und schwitze in der Sauna. Das tut gut! Danach relaxe ich in einem Himmelbett und lese ein lustiges Buch. Genauso hatte ich mir den Urlaub vorgestellt. Nur schade, dass das morgen schon wieder vorbei ist.

Als krönenden Abschluss gönne ich mir ein exquisites Essen und schwelge in kulinarischen Köstlichkeiten. Nicht auszudenken, dass ich sieben elendig lange Tage nichts zu mir nehmen soll. Ich habe noch nie in meinem Leben gefastet und hatte das auch nicht vor. Aber so schnell können sich die Pläne ändern.

Die Zeit vergeht wie im Flug und ehe ich mich versehe, ist es kurz vor 19 Uhr. Nervös stehe ich von Tisch 4 auf und begebe mich zu Tisch 10. Wahrscheinlich nehmen nur irgendwelche Waldschrate und Öko-Tussis an dieser bescheuerten Wanderung teil. Wie kann man seinen kostbaren Urlaub nur damit verplempern, zu hungern und zu laufen? Diese Leute müssen doch alle einen an der Waffel haben.

Ja, das haben sie eindeutig. Obwohl es erst 18.53 Uhr ist, sind sie offenbar alle schon da, denn die Sitzbank, die einen Tisch umrundet, ist fast völlig besetzt. Sie können es wohl gar nicht erwarten, endlich mit dem Fasten anzufangen und sind mir allein deshalb schon unsympathisch. Ich habe überhaupt keine Lust, eine ganze Woche lang mit wildfremden Leuten, die so schräg drauf sind, zusammen zu sein. Es wird bestimmt die schlimmste Woche meines Lebens werden – und dafür zahle ich auch noch ein Vermögen. Ich muss völlig verrückt sein.

Die Wanderer sehen so frisch und munter aus, als könnten sie problemlos den Mount Everest besteigen. Ich hingegen komme nicht mal die leichte Erhöhung aus der Tiefgarage hoch. Ich bin hier völlig fehl am Platz. Mir rutscht das Herz nicht nur in die Hose, sondern gleich ganz auf den Boden. Am liebsten würde ich mich umdrehen und schnurstracks nach Berlin zurückfahren. Ich glaube, das werde ich auch tun. Ich bleibe stehen und will gerade die Flucht antreten, als ich meinen Namen höre.

„Hallo, du musst Lena sein!“, ruft ein Typ in einem rot-weiß-karierten Hemd und Kniebundhosen mit traditionell gestrickten Kniestrümpfen. Er sieht aus, als käme er direkt von der Alm.

„Ich bin der Sepp.“

Oh mein Gott, er kommt direkt von der Alm.

Woher zum Teufel weiß er, wer ich bin? Hat Lisa mich verraten? Kann ich nicht einfach sagen: „Lena? Welche Lena? Das bin ich nicht“ und ganz schnell abhauen?

Die anderen lächeln mich aufmunternd an und machen einladende Handbewegungen. Sie sehen bestens gelaunt und höchst unternehmungslustig aus, im Gegensatz zu mir. Zögernd schreite ich auf die Gruppe zu. Ich mag Gruppen generell nicht, und schon gar keine Wander- und Fastengruppen.

„Hallo, Lena“, ertönt es mehrstimmig.

„Hallo“, erwidere ich schüchtern und bleibe vor dem Wandertisch stehen.

Sepp lächelt mich breit an.

„Du bist diejenige, die eigentlich nicht mitwollte und diese Wanderung nur aus Versehen gebucht hat, stimmt’s?“, sagt er in tiefstem bayerischen Dialekt.

Ich zucke zusammen. Na, toll, jetzt stellt er mich auch noch vor der gesamten Gruppe bloß! Besser kann es gar nicht anfangen.

„Hm, ja, irgendwie schon“, nuschele ich beschämt und lasse mich schnell auf der Bank nieder. Ist das peinlich! Ich traue mich nicht, die anderen anzusehen. Die haben bestimmt schon vor einem Jahr diese Wanderung gebucht und sich monatelang darauf gefreut. Was sollen sie da von jemandem halten, der im Grunde gar nicht wandern will? Jetzt bin ich sofort bei denen unten durch. Wahrscheinlich werde ich immer ganz allein hinter ihnen hertraben, weil ich sowieso nicht mithalten kann. Ich werde ihnen die ganze Wanderung verderben und sie werden mich hassen. Warum öffnet sich der Boden nicht gnädig unter mir?

Kapitel 3 - Lena

„Einer fehlt noch“, gibt Sepp bekannt. „Aber der wird gleich kommen. Ich habe ihn schon gesehen. Warten wir mit der Vorstellung, bis wir komplett sind. Sonst müssen wir alles doppelt sagen. Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen?“

Alle nicken zustimmend.

„Es wird dir bestimmt gefallen“, sagt eine rothaarige Frau, die etwa in meinem Alter ist. „Ich mache das jedes Jahr und es ist einfach super. Viel besser, als wenn man einfach nur rumhängt.“

Ich lächele etwas gezwungen zurück. Ehrlich gesagt würde ich jetzt nichts lieber tun, als einfach nur herumzuhängen, und zwar wochenlang. Aber das kann ich natürlich nicht sagen zwischen all den wanderslustigen Leuten hier.

„Die Natur, die Seen, Faun und Flora, den Boden unter den Füßen spüren, das ist himmlisch“, schwärmt ein älterer Herr und strahlt mich an.

„Man fühlt sich mit jedem Schritt besser“, behauptet Sepp. „Man tut etwas für seine Gesundheit und fühlt sich danach wie neugeboren. Du musst dir keine Sorgen machen.“

Ich seufze auf. Ich mache mir aber Sorgen, und zwar erhebliche. Ich werde nicht mal fünf Kilometer schaffen, geschweige denn 24. Ich finde so eine Strecke schon mit dem Auto anstrengend.

„Da kommt unser Nachzügler“, sagt Sepp gut gelaunt und winkt jemandem zu. „Hey, Luck, hierher! Wir sind hier! Deine Wandergruppe!“

Luck? Meint er vielleicht Luke? Das hätte mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt, dass der letzte Wanderer so heißt wie mein Chef, damit ich ihn in der nächsten Woche auch bloß nicht vergesse.

Ich drehe mich um und erstarre zur Salzsäule. Nein, das kann nicht wahr sein. Das ist nicht möglich. Ich träume. Wahrscheinlich habe ich nach dem Schock Halluzinationen.

Ein Mann, der mir nur allzu bekannt vorkommt, bewegt sich in unsere Richtung. Er trägt eine helle Cargohose, ein dunkles Hemd und eine Sonnenbrille. Gibt es einen Mann, der Luke heißt und wie mein Boss aussieht, es aber nicht ist?

Jetzt setzt er die Sonnenbrille ab und seine blauen Augen reißen mir den Boden unter den Füßen weg.

Es mag sein, dass es irgendwo auf der Welt einen Kerl gibt, der Luke heißt und wie mein Boss aussieht, aber nicht mein Boss ist. Aber es gibt mit Sicherheit keinen, der diese unfassbar schönen Augen hat.

Alles um mich herum beginnt sich zu drehen. Ein Albtraum wird wahr. Ein Albtraum im Albtraum sozusagen. Diese knochenharte Fasten-Wanderung allein ist schon Albtraum genug. Aber diese Wanderung mit meinem Chef antreten zu müssen, ist … nein, dafür finde ich einfach keine Worte. Dafür gibt es keine Worte.

„Herzlich willkommen“, begrüßt Sepp Luke und nickt ihm freundlich zu. „Schön, dass du auch dabei bist. Jetzt sind wir komplett. Dann können wir ja starten.“

„Nein“, sage ich entsetzt. „Können wir nicht. Jedenfalls nicht mit mir. Ich wollte ja sowieso nicht mit. Aber jetzt ... nein, das ist völlig unmöglich.“

Überrascht blicken mich mehrere Augenpaare an.

---ENDE DER LESEPROBE---