Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Eine traurige und gleichzeitig fröhliche Geschichte über Einsamkeit, neues Glück, Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe! Geeignet für Kinder ab 8 Jahren! Auch für Erwachsene, vor allem für jene, die vorhaben, sich ein Haustier zu nehmen oder eines haben!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 109
Veröffentlichungsjahr: 2021
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Im Tierheim – Tage des Wartens
Eine neue Familie – Tage des Glücks
Eine neue Familie – Tage der Ignoranz..
In der Wildnis – Tage der Entscheidungen
Ein neues Zuhause – Tage der Hoffnung
Eines schönen Tages war er da. Pauli. Ein kleiner süßer Mischlingsrüde erblickte das Licht der Welt.
Seine Fellzeichnung war noch nicht ganz ausgereift, doch man konnte schon den braunen Fellunterboden und die braunen Augenbrauen am schwarzen Fell erkennen, die hauptsächlich sein Muster bestimmen werden. Mit ihm waren vier andere Hundebabys auf die Welt gekommen – seine Geschwister. Weil sie gerade erst geboren waren, kuschelten sie sich ganz eng an ihre Mutter, um sich zu wärmen. Die Mutter schloss sie liebevoll in ihre Embryostellung hinein, sodass jedes ihre Liebe und Wärme spüren konnte.
Mann o Mann, was ist denn hier los? Wer sind die alle? He, das ist mein Zipf. Ich will nuckeln. Habe Hunger. Ups. Das war Mama. War keine Absicht. Bin hungrig.
Und so nahm Pauli seine erste Nahrung zu sich auf. Er war gierig von klein an und hatte immer Hunger. Immer. Er konnte essen ohne Hunger. Bei Pauli gab es das Wort »satt« nicht. Das kannte er nicht. Er war die geborene Fressmaschine.
Ein paar Tage vergingen, als Pauli das erste Mal mit seinen vier Geschwistern durch den Käfig stolperte. Groß war dieser nicht, da sich die Hundefamilie in der Brutstation eines Tierheims befand. Später, nach dem Wechsel in einen normalen Zwinger, wurden die Käfige leider auch nicht größer.
Doch das störte Pauli, den jüngst geborenen der Fünf nicht besonders. Er hatte seine Mama und seine Geschwister. Sie waren die glücklichsten Hunde der Welt. Mehr gab es und kannte er nicht. Seine Mama war seine Nahrungsquelle und die gab jede Menge Milch von sich. Auch schleckte sie Pauli und die anderen über den ganzen Körper mit der Zunge ab, was er sehr liebte. Körperpflege war wichtig.
Wenn Pauli auf das Klo musste, machte er wie seine Geschwister und seine Mama, die sich nicht oft auf bewegte, in die Ecke.
Jeden Tag kam der Putzdienst, genauer gesagt, ein Mensch und machte sauber. Mit einem Schlauch spritzte er den Kot und den Urin weg. Sehr unliebsam für Pauli, denn der Schlauch mit dem kalten Wasser traf auch oft ihn und seine Geschwister. Von der Seite des Pflegers war das natürlich keine Absicht, denn der Brutkasten war so klein, dass die Spritzer einfach überallhin gelangten.
Ein paar wenige Wochen später kam Pauli mit seiner Mama und seinen Geschwistern in einen anderen Käfig.
Er war schon ein bisschen gewachsen, wie die anderen, und deshalb bekamen sie das neue Zuhause. Seine Mutter hingegen wurde immer dünner und dünner, was Pauli aber nicht bemerkte. Sie gab ihm trotz der Umstände weiterhin den Schutz, die Liebe und die Wärme, die Pauli und seine Geschwister benötigten.
Pauli hielt sehr viel auf seine Mutter. Er liebte es, mit ihr und seinen Geschwistern zu kuscheln und zu spielen. Manchmal konnten sie sogar ihre Mutter zum Mitspielen bringen. Sie spielten Fangen, Verstecken (wobei das ja eigentlich nur hinter der Mutter ging) und kämpften. Durch das Kämpfen machten sich die Geschwister untereinander eine Rangordnung aus. Es heißt nicht immer, dass der Jüngste der Schwächste war, doch in Paulis Fall war das so. Diese Tatsache bereitete ihm aber weder Kummer, noch zerbrach er sich darüber den Kopf. War halt so. Er bekam zwar dadurch immer als Letzter einen Zipf von der Mutter, dafür nuckelte er am längsten.
Es kam der Tag, an dem ein Mensch kam und Paulis Mutter »Raus« aus dem Käfig deutete. Pauli und seine Geschwister schauten dem Schauspiel zu und wurden dabei in die Ecke von einem anderen Pfleger gedrängt. Als Mama aufstand, sah er, dass sie nur noch aus Knochen und Haut bestand.
Was war mit Mama los? Wisst ihr was?
Keine Ahnung.
Hat sie vielleicht zu wenig gegessen?
Hat sie überhaupt mal gegessen?
Kommt Mama wieder?
… waren die Fragen, die sich die kleinen Hundewelpen stellten.
Das Gitter des Käfigs schloss sich wieder und die Menschen brachten ihre Mutter in einen anderen Raum, wo sie sie nicht mehr sehen konnten. Alle Fünf schauten ihr nach und winselten, dass sie wieder zurückkommen solle. Sie hatten die traurigsten Hundeblicke drauf, die man sich nur vorstellen konnte.
Für Pauli brach an diesem Tag das erste Mal eine kleine Welt zusammen. Er stand am längsten am Käfigrand und guckte, ob seine Mutter wiederkam. Die anderen waren vor Erschöpfung schon eingeschlafen, aber Pauli stand immer noch da und wartete voller Hoffnung. Mit glasigen Augen und trauernden Augenbrauen beobachtete er die ganze Nacht die Tür, in der Mama verschwunden war.
Irgendwann schlief auch er ein. Die Nacht war trotzdem lang. Pauli wälzte sich hin und her, war innerlich unruhig und träumte schlecht – von Personen, die einfach seine geliebte Mutter wegnahmen. Was waren das für Gestalten? Warum?
Am nächsten Tag blickte er sich um und dachte, dass Mami zurückgekehrt wäre. Fehlanzeige.
Auch seine Geschwisterchen guckten sich um und suchten den kleinen Käfig ab. Doch Mutter war noch immer nicht da. Ob sie jemals wieder kam?
Nach ein paar vergangenen Tagen mussten die Hundewelpen die Abwesenheit der Mutter akzeptieren. Das Leben ging weiter. Nur nicht mehr ganz so wie vorher. Sie mussten zukünftig aus einer Schüssel Wasser trinken und aus einer anderen gab es zweimal am Tag Fleisch. Die Portionen waren klein und immer unzureichend für jeden von ihnen.
Wisst ihr, wieso wir immer so wenig bekommen?
Mir knurrt schon wieder der Magen.
Du hast doch am meisten gefressen.
Ich will zu Mama.
Pauli sagte nichts zu der Unterhaltung von seinem Bruder und seinen drei Schwestern. Auch ihm knurrte der Magen.
In der Wasserschüssel befanden sich Staub und viele Hundehaare. Sie wurde schon zwei Tage nicht gewechselt oder nachgeschenkt. Hatte man auf sie vergessen?
Die Tage waren lang und nichts tat sich. Es gab immer nur den Käfig und den kalten Steinboden. Von Abwechslung war kaum die Rede.
Der Raum, in dem ihr Käfig stand, war eher düster. Von anderen Räumen konnte man ein wenig Gebell der Artgenossen mitanhören. Was genau diskutiert wurde, konnte man aber nicht verstehen.
Wenn den Fünf schon zu langweilig wurde, hörten sie genauer auf die Stimmen in den Nebenräumen hin. Doch das wurde auch bald überflüssig, denn sie bekamen es nach ein paar weiteren Wochen am eigenen Leibe mit. Und das nächste Unheil folgte …
Pauli wurde mit seinem Bruder in einen Zwinger voller anderer Hunderüden gesperrt, während seine drei Schwestern zu den weiblichen Hunden kamen. Fortan hatten sie nicht mehr den Kontakt zu ihren Schwestern, denn der Zwinger von ihnen war zu weit entfernt.
Es war schrecklich im neuen Gehege. Lauter neue Hunde! Nicht nur die Trennung der Mutter, dann der Schwestern, nein. Auch waren sie die kleinsten und jüngsten hier und mussten sich von allen beschnuppern lassen.
Ängstlich zogen sie ihre Rute ein und trauten sich nicht, hoch zu den anderen zu blicken.
Pauli war von seinem Bruder, und der von ihm, keine Sekunde voneinander weg zu bringen. Sie standen immer Körper an Körper, auch wenn sein Bruder oder er mal in eine andere Richtung schauten.
Es waren neun andere Hunde im Zwinger. Leider alle viel größer und älter als die beiden.
Mit der Zeit legte sich die Aufmerksamkeit von den anderen und sie wurden als normal akzeptiert. In der Rangliste waren sie natürlich ganz unten.
Allmählich trauten sich die Brüder sogar schon voneinander zu trennen, nachdem sie keine Gefahr für sich oder den anderen feststellen mussten. Einzig und allein beim Futter musste man sich fest an die Regeln halten. Mit den zwei Terriern war nicht zu spaßen. Richtige Giftzwerge waren das.
Auch bei den anderen war Abstand die klügste Variante, wenn es Futterzeit war.
Das Beschnuppern von den anderen Hunden war wenigstens wieder mal eine willkommene Abwechslung. Pauli unterhielt sich trotz der vielen anderen Hunde am liebsten mit seinem Bruder.
»Was sind denn das für komische Leute, die hier jeden Tag ein- und ausgehen?«
»Keine Ahnung. Ein paar Mal haben die wen mitgenommen und die sind dann nicht wiedergekommen. So wie bei Mama.«
»Unsere drei Schwestern sind aber noch immer da. Ich glaube, die haben Probleme mit dem rotorangenen Weibchen.«
»Wenn ich könnte, würde ich rübergehen und es ihr zeigen, wer hier der Stärkste ist«, sprach Paulis Bruder.
»Gott sei Dank sind bei uns alle friedlich.«
»Ja, die sind irgendwie lahm. Außer die beiden.« Paulis Bruder schaute Richtung den Terriern. »Die machen voll die großen Haufen, und obwohl wir größer sind als die, schaffen wir das nicht.«
»Ja, die fressen ja auch für zwei.«
Beide Brüder lachten über das Gesagte, passten aber auf, dass sie die Terrier, die am anderen Ende des Geheges gerade dösten, nicht hörten.
Henry, ein dreißigjähriger junger Mann, war ein Mitarbeiter des Tierheims und betreute hauptsächlich den Zwinger von Pauli. Er mochte Tiere gerne streicheln und spielte daheim auch gerne mit seinem Feuersalamander, darum wählte er diesen Beruf.
Doch sich um Hunde zu kümmern war leider kein Vergleich und ein anderes Kapitel. Ausmisten und das Futter zu bringen war in seine Augen viel Arbeit. Und so war ihr Zwinger öfters länger verdreckt, als der von den anderen. Nicht einmal das Wasser wurde täglich gewechselt.
Wenn Henry mit dem Gartenschlauch den Käfig von den Hundehaufen und dem Lulu befreite, spritzte er immer gleich Wasser in die Schüssel hinein. Leider auch in das Trockenfutter, das dann klebrig wurde. Fressen wollte das sowieso nie einer der Hunde. Es stank zum Himmel.
Auch war das Vergessen der Nachteilung vom Futter ein Nervenkrieg im Zwinger. Sobald es mal zwei Tage ausblieb, wurde es zunehmend lauter und unruhiger unter den Hunden. Die Terrier begannen die anderen leicht aufzumischen und der Dackel hörte gar nicht mehr auf zu kläffen.
Henry hatte zwar seine Liste, bei der er abhaken konnte, ob er das Futter schon ausgeteilt hatte, doch irgendwie vergaß er auch auf diesen Zettel zu schauen. Jedes Mal, wenn er beim Zwinger seine Arbeiten verrichtete, murmelte er Dinge vor sich hin, die er einfach nicht tun wollte und warum das Leben gerade ihn so hart bestrafte. Auf die Idee, dass die Hunde in Wirklichkeit ärmer dran waren als er, kam er nicht.
Eines Tages vernachlässigte Henry wieder mal seine Pflicht im Zwinger von Pauli und Co und er vergaß das Futter. Seine Zettelarbeit im Büro war ihm etwas lieber und er setzte so die falschen Prioritäten.
Die Chefleute sagten immer, dass es sehr wichtig sei, dass die Protokolle und die Dokumente immer richtig abgelegt wurden und dass diese auch immer ordnungsgemäß ausgefüllt werden mussten. Nur die eine Liste mit dem Futter, die eigentlich immens wichtig war, wurde etwas aus seinem Kopf gestrichen.
Und so kam es, dass die beiden Terrier durch das Gehege gingen und alle anderen vor lauter Hungerwut anmotzten. Alle gingen sie an, außer den alten Dobermann. Der war ihnen nie geheuer, obwohl er immer nur ruhig da stand und meistens döste. Auch ließ er die anderen, obwohl er in der Rangliste am höchsten stand, meistens den Vortritt. Eine gute Seele eben.
Zu Pauli und seinem Bruder kamen die Terrier zuletzt. Zurückhaltend wie sie waren, standen sie in einer Ecke und mieden den Blickkontakt mit den beiden.
»Na, was los mit euch?« »Ja, was los mit euch?«
»Nichts.« »Nichts.«
»Nichts?« »Nichts?«
»Hier wird gleich was los sein.«
»Was los sein«, äffte der zweite Terrier dem ersten wieder nach.
Pauli und sein Bruder waren schon fast doppelt so groß wie die beiden, doch immer noch ehrfürchtig.
»Hast du unser Futter versteckt?«
»Ja, hast du unser Futter versteckt?«
»Du bist schuld!«, sagte der Terrier bedrohlich zu Pauli und dann ging alles sehr schnell.
Aufgrund dessen, dass die Terrier wussten, dass Pauli und sein Bruder die Neuen waren und sich noch nie beweisen konnten, nahmen sie die Sache nicht sehr ernst und dachten, sie konnten mit ihnen tun, was sie wollen. Der Terrier schnappte nach Paulis linker Pfote, obwohl Pauli schon geduckt in der Ecke stand und keinen Ton von sich gab. Der Terrier biss zu und Pauli jaulte auf. Der zweite keifte die beiden an.
Als Paulis älterer Bruder den Angriff auf sein eigen Fleisch und Blut sah, ging er ohne Vorwarnung, ohne dass er vorher die Lefze hochzog als kleine Warnung, auf den Terrier los und verbiss sich in dessen Genick. Er ließ sich, ohne dem Wissen, was er für Kräfte hatte, auf den Kampf ein. Ein richtiges Blackout hatte ihn da erwischt.
Jetzt jaulte der Terrier auf und wollte entkommen, doch zu spät. Ungeahnte Kräfte trieben den Mischlingshund an und er biss ihn durch den ganzen Käfig. Es wurde laut. Sehr laut. Nicht nur in ihrem Zwinger, sondern auch in den anderen Zwingern wurde gebellt, geknurrt und gekläfft.
Der zweite Terrier versuchte sogleich seinem Kumpel zu helfen und schnappte nach den Beinen des Gegners. Doch irgendwie hatten sie sich da verkalkuliert. Paulis Bruder ließ den anderen endlich los, dem schon einige Fellbüschel fehlten und griff jetzt den anderen Terrier an. Eine leichte Wunde im Gesicht musste auch Paulis Bruder bereits einstecken, doch er begriff schnell, wenn er