WARP (Band 1) - Der Quantenzauberer - Eoin Colfer - E-Book

WARP (Band 1) - Der Quantenzauberer E-Book

Eoin Colfer

4,5

Beschreibung

Die neue Jugendbuchreihe vom Spiegel-Bestseller-Autor der Artemis Fowl-Bücher. Ein grandioses Zeitreise-Abenteuer für Fantasy-Leser mit Humor. Was soll es anderes sein als eine Strafversetzung? FBI-Junior-Agentin Chevie Savano wurde nach London geschickt, um im Auftrag von WARP eine merkwürdige alte Metallkapsel zu bewachen. Das war vor neun Monaten. Und seitdem sitzt sie vor dem Ding und wartet darauf, dass irgendjemand oder etwas da rauskommt. Als ein Wandspiegel mit einem Knall zerplatzt, die Deckenleuchten anfangen zu flackern und draußen eine Straßenlaterne nach der anderen explodiert, ist Chevie sofort klar, dass die Kapsel im Keller aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht ist. Mit vorgehaltener Waffe stürmt sie die Treppe herunter und findet ... einen 14-jährigen Jungen, der aussieht, als wäre er soeben aus einem Buch von Charles Dickens gefallen. "Der Quantenzauberer" ist der erste Band der WARP-Reihe.

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Die Todeskammer

Bedford Square, Bloomsbury, London. 1898

Zwei Flecken schwebten in den Schatten zwischen der Standuhr und den Samtvorhängen. Einer oben und einer weiter unten. Zwei blasse Fingerabdrücke in einer schwarzen Nacht, zusätzlich verdunkelt durch die schweren Vorhänge und das Sackleinen, das vor die Fenster des Kellerra ums gespannt war.

Der untere Fleck war das Gesicht eines Jungen, rußbeschmiert und ein wenig zitternd. Es gehörte Riley, der sich in dieser Nacht einer Prüfung unterziehen musste: Er sollte seinen ersten Mord begehen.

Der obere Fleck war das Gesicht eines Mannes, den seine Auftraggeber Albert Garrick nannten, obgleich er in der Öffentlichkeit früher unter einem anderen Namen berühmt gewesen war. Der Große Lombardi war sein Künstlername gewesen, und vor vielen Jahren hatte man ihn als den berühmtesten Illusionisten des West End gefeiert – bis er eines Tages während der Vorstellung seine hübsche Assistentin tatsächlich in der Mitte durchgesägt hatte. An dem Abend hatte Garrick entdeckt, dass das Auslöschen eines Lebens ihm beinahe genauso viel Freude bereitete wie der begeisterte Applaus des Publikums, und so hatte der Zauberer umgesattelt und war zum Auftragsmörder geworden.

Garrick fixierte den Jungen mit seinem kalten, ausdruckslosen Blick und packte ihn an der Schulter. Seine langen knochigen Finger bohrten sich schmerzhaft durch den Stoff von Rileys Mantel. Er sagte nichts, sondern nickte nur kurz, als Erinnerung und Aufforderung.

Denk an deine Lektion von heute Nachmittag, sagte das Nicken. Beweg dich so lautlos wie der Nebel in Whitechapel und schieb die Klinge hinein, bis deine Finger in der Wunde versinken.

Garrick hatte Riley aufgetragen, einen Hundekadaver in ihre Räume in Holborn zu schaffen und daran den Einsatz seines Dolchs zu üben, damit er sich an den Widerstand der Knochen gewöhnte.

Neulinge denken meist, eine scharfe Klinge würde hineingleiten wie ein glühendes Schüreisen in Wachs, doch das ist ein Irrtum. Manchmal stößt selbst ein Meister wie ich auf Knochen und Muskeln, und dann hilft nur eins: runterdrücken und raufschieben. Merk dir das, Junge: runterdrücken und raufschieben. Benutz den Knochen als Hebelpunkt.

Garrick machte die Bewegung erneut mit seinem langen schmalen Dolch vor, die hohe, geschwärzte Stirn zur Seite geneigt, um sich zu vergewissern, dass der Junge auch zusah.

Riley nickte, dann nahm er den Dolch und wechselte ihn unauffällig in die andere Hand, wie er es gelernt hatte.

Garrick stupste Riley auf das große Himmelbett zu, in dem der Dahinzuscheidende lag.

Dahinzuscheidender. Das war einer von Garricks kleinen Scherzen.

Riley wusste, er musste die Prüfung bestehen. Das hier war ein echter Mordauftrag, mit einer prall gefüllten Börse als Vorauszahlung. Entweder er pustete sein erstes Licht aus, oder Albert Garrick würde zwei Leichen in diesem düsteren, schrecklichen Zimmer hinterlassen und sich einen neuen Lehrling aus der Londoner Gosse fischen. Möglicherweise würde es ihn zwar schmerzen, aber Garrick blieb nichts anderes übrig. Riley sollte lernen, mehr zu tun, als Würstchen zu braten und Stiefel zu wienern.

Vorsichtig setzte Riley einen Fuß vor den anderen, wobei er mit den Zehen jedes Mal einen weiten Kreis beschrieb, wie er es gelernt hatte, um den Boden abzutasten. Das machte ihn langsamer, aber schon das Knistern eines herumliegenden Papierfetzens konnte ausreichen, um sein Opfer zu wecken. Riley sah seine Hand mit dem Dolch vor sich, und er konnte kaum glauben, dass er wirklich hier war und gleich etwas tun würde, wofür er für immer in der Hölle schmoren würde.

Wenn du die Macht gespürt hast, kannst du mein Juniorpartner im Familienunternehmen werden, sagte Garrick oft. Vielleicht sollten wir uns Visitenkarten zulegen, was, mein Junge? Garrick und Sohn – Auftragsmörder. Wir sind willig, aber nicht billig.

Dann lachte er immer, und dieser dunkle, versonnene Klang brachte Rileys Nerven zum Flattern und drehte ihm den Magen um.

Wieder trat Riley einen Schritt vor. Er sah keinen anderen Ausweg, fühlte sich wie in einer Falle.

Ich muss diesen Mann töten, sonst werde ich selbst getötet. Rileys Kopf begann zu dröhnen, bis seine Hand anfing zu zittern und ihm beinahe der Dolch entglitt.

Sofort war Garrick neben ihm, wie ein Geist, und berührte Riley mit seinem kalten, krallenartigen Finger am Ellbogen.

»Denn Staub bist du …«, flüsterte er so leise, dass die Worte genauso gut von einem Windhauch hätten stammen können.

»… und zum Staub sollst du zurückkehren«, vervollständigte Riley nahezu lautlos das Bibelzitat. Garricks Lieblingsworte.

»Meine Version der letzten Ölung«, hatte er eines Winterabends zu Riley gesagt, als sie von ihrem Tisch in einem italienischen Restaurant auf den Leicester Square hinaussahen. Der Zauberer hatte bereits seinen zweiten Krug bitteren Rotweins geleert, und seine sonst so gewählte Ausdrucksweise geriet ins Rutschen wie ein Fisch auf einer nassen Fliese.

»Jeder Einzelne von uns ist aus dem Staub gekrochen und genau da landen wir am Ende auch wieder, hörst du? Ich sorge bloß dafür, dass es bei einigen schneller geht. Ein paar Herzschläge weniger, damit wir uns ein schönes Leben machen können. So läuft das bei mir, und wenn du nicht den nötigen Biss hast, Riley, dann …«

Garrick hatte seine Drohung nie ausgesprochen, aber es war klar, dass für Riley die Zeit gekommen war, seinen Platz am Tisch zu verdienen.

Riley spürte jede Dielenritze durch die dünnen Sohlen seiner Schuhe, die auf der Drehbank in Garricks Werkstatt sorgfältig abgeschliffen worden waren. Jetzt konnte er das Opfer im Bett erkennen. Ein alter Mann mit einem Wust grauer Haare, der unter der dicken Decke hervorlugte.

Ich kann sein Gesicht nicht sehen. Dafür immerhin war er dankbar.

Riley näherte sich dem Bett, Garrick direkt hinter ihm, und er wusste, die Uhr tickte.

Zum Staub. Du sollst zum Staub zurückkehren.

Er sah die Hand des alten Mannes auf dem Kissen liegen, der Zeigefinger nur noch ein Stummel, wohl aufgrund einer alten Verletzung, und da wusste er, er konnte es nicht tun. Er war kein Mörder.

Ohne den Kopf zu bewegen, blickte Riley sich im Raum um. Er hatte gelernt, dass er im Notfall seine Umgebung nutzen sollte, doch sein Mentor stand hinter ihm und beobachtete jede seiner Bewegungen mit diesem unheimlichen starren Blick. Der alte Mann im Bett würde ihm nicht helfen können. Was konnte so ein Grauschopf schon gegen Garrick ausrichten? Was konnte überhaupt irgendwer gegen ihn ausrichten?

Viermal war Riley schon weggelaufen, und viermal hatte Garrick ihn gefunden.

Der Tod ist der einzige Ausweg, hatte Riley gedacht. Meiner oder Garricks.

Aber Garrick konnte man nicht töten, denn er war selbst der Tod.

Zum Staub.

Plötzlich fühlte Riley sich ganz schwach, und er dachte, er würde zu Boden sinken. Vielleicht war das ja das Beste? Ohnmächtig daliegen und Garrick die blutige Arbeit tun lassen. Aber dann würde der alte Mann trotzdem sterben, und das Wissen würde im Jenseits auf Rileys Seele lasten.

Ich werde kämpfen, beschloss der Junge. Er hatte zwar wenig Hoffnung zu überleben, aber irgendetwas musste er tun.

Ein Plan nach dem anderen schoss durch sein fiebriges Hirn, jeder aussichtsloser als der vorige. Die ganze Zeit über bewegte er sich weiter vorwärts, Garricks kalten Atem im Nacken wie ein böses Omen. Der Mann im Himmelbett zeichnete sich deutlicher ab. Jetzt konnte er ein Ohr sehen, mit einer ganzen Reihe von Löchern, wo einst Ringe gewesen sein mussten.

Vielleicht ein Ausländer? Oder ein Seefahrer?

Er sah ein kantiges Kinn, darunter mehrere schlaffe Hautfalten und eine Schnur mit einem seltsamen Anhänger, der auf der Decke lag.

»Sieh dir jede Einzelheit genau an«, hatte Garrick ihm eingeschärft. Alles, was du mit deinen Augen aufsaugst, kann dir vielleicht das Leben retten.«

Aber nicht heute Nacht.

Als Riley den nächsten vorsichtigen Schritt setzte, spürte er, wie sein vorderer Fuß merkwürdig warm wurde. Er blickte nach unten und sah zu seiner Überraschung und Verwirrung, dass seine Schuhspitze grün leuchtete. Und nicht nur das: Um den schlafenden Mann hatte sich eine Kuppel aus Licht gebildet, und das Zentrum war der seltsame Anhänger, der smaragdgrün glühte.

Garricks Worte rauschten wie eine Windbö in sein Ohr. »Verdammt! Hier ist was faul! Los, stech ihn ab, Junge!«

Doch Riley konnte sich nicht rühren, er war wie gebannt von dem geisterhaften Licht.

Garrick stieß ihn weiter in die seltsam warme Lichtkuppel hinein, die plötzlich die Farbe wechselte und scharlachrot wurde. Aus dem Bett erscholl ein schauriges Heulen, so durchdringend und furchterregend, dass Riley das Hirn im Schädel bebte.

Prompt wachte der alte Mann auf und schoss hoch wie ein Springteufel.

»Der Sensor spinnt schon wieder«, brummte er mit schottischem Akzent und blinzelte mit seinen trüben Augen. »Verdammtes Mistding.«

Da bemerkte er Riley und die Klinge, die wie ein Eiszapfen aus seiner Faust ragte. Langsam legte er die Hand auf den glühenden Anhänger, der nun auf seiner hageren Brust lag, und tippte zweimal darauf. Das schreckliche Heulen verklang, und in der Mitte des Anhängers leuchteten Zahlen auf, wie aus Licht geschrieben, die von zwanzig rückwärts zählten.

»Ganz ruhig, mein Junge«, sagte der alte Mann. »Wir können über alles reden. Ich habe Geld.«

Riley starrte wie gebannt auf den Anhänger. Er war magisch, aber vor allem kam er ihm irgendwie bekannt vor.

Garrick unterbrach seine Gedanken mit einem derben Stoß in die Rippen.

»Schluss mit dem Gezauder«, sagte er energisch. »Tu, was zu tun ist, Junge. Zum Staub.«

Doch Riley konnte nicht. Er wollte nicht wie Garrick werden und sich zu einer Ewigkeit in der Hölle verdammen.

»Ich … ich …«, stammelte er und suchte verzweifelt nach Worten, die ihn und den alten Mann aus dieser Notlage befreien würden. Der Mann hob die geöffneten Hände, um zu zeigen, dass er wehrlos war, als gäbe es in diesem Raum irgendeine Aussicht auf Fairness.

»Ich bin unbewaffnet«, sagte er. »Aber ich habe Geld, so viel ihr wollt. Es ist für mich ein Kinderspiel, ein paar Tausend Pfund zu drucken. Aber wenn ihr mir etwas antut, dann werden Männer kommen, um sich davon zu überzeugen, dass ihr mir nicht meine Geheimnisse genommen habt – Männer mit Waffen, wie ihr sie noch nie gesehen habt.«

Der alte Mann verstummte, denn plötzlich steckte ein Dolch in seiner Brust. Riley sah seine eigene Hand auf dem Griff, und einen schrecklichen Moment lang dachte er, seine Muskeln hätten sich seinem Herzen widersetzt und die Tat begangen; doch dann spürte er, wie sich kalte Finger von seinem Unterarm lösten, und da wusste er, dass Garrick seine Hand geführt hatte.

»Das war’s«, sagte Garrick, als das warme Blut auf Rileys Arm rann. »Halte den Dolch, dann spürst du, wie das Leben ihn verlässt.«

»Ich hab das nicht getan«, sagte Riley verzweifelt zu dem Mann. »Ich war’s nicht.«

Der alte Mann saß stocksteif da, die Anhängerschnur halb von der Klinge durchtrennt.

»Das darf nicht wahr sein«, ächzte er. »All die Leute, die hinter mir her sind, und dann erwischen mich ausgerechnet diese beiden Clowns.«

Garricks Worte krochen wie Schnecken in Rileys Ohren. »Das hier ist nicht dein Verdienst, Junge. Meine Hand hat die Lücke zwischen seinen armseligen Rippen gefunden, aber ich gebe zu, hier liegen besondere Umstände vor. Deshalb gebe ich dir vielleicht eine zweite Chance.«

»Das darf nicht wahr sein«, röchelte der alte Mann noch einmal, dann piepte sein Anhänger, und er verschwand. Buchstäblich. Löste sich auf in eine Wolke orangeroter Funken, die vom Zentrum des Anhängers aufgesogen wurden.

»Magie«, hauchte Garrick ehrfürchtig. »Es gibt sie wirklich.«

Hastig wich der Mörder zurück, um sich vor möglichen Auswirkungen der Auflösung zu schützen, doch Riley war nicht geistesgegenwärtig genug, es ihm gleichzutun. Er hielt noch immer den Dolch fest und sah verwirrt zu, wie die Funkenwolke auf seinen Arm übersprang und ihn ebenfalls auflöste, und zwar schneller, als ein Bettler ausspucken konnte.

»Ich verschwinde«, sagte er, und das stimmte, obwohl er nicht wissen konnte, wohin.

Er sah, wie sein Rumpf durchsichtig wurde, und einen Moment lang waren seine Organe sichtbar, dicht aneinandergedrängt hinter den glasartigen Rippen, dann waren auch sie verschwunden, ersetzt durch Funken.

Als Riley sich ganz aufgelöst hatte, wurde er in das Herz des Anhängers gesogen. Er landete in einem Strudel, und plötzlich erinnerte er sich daran, wie er am Strand von Brighton von einer Welle erfasst worden war, und er sah einen Jungen, der ihn vom Ufer aus beobachtete.

Ginger. Ich erinnere mich an dich.

Dann war Riley nur noch ein einziger glühender Punkt reiner Energie. Der Punkt zwinkerte Garrick noch einmal zu und verschwand. Der alte Mann und der Junge waren fort.

Garrick streckte die Hand nach dem Anhänger aus, der auf die Decke gefallen war, und dachte: Dieses Ding habe ich schon mal gesehen oder jedenfalls ein ganz ähnliches. Vor vielen Jahren … Doch statt des seltsamen Talismans berührten seine Finger nur einen Rußfleck.

»Mein ganzes Leben lang«, sagte er. »Mein ganzes Leben lang …«

Seine Lippen formten die Worte, doch er sprach sie nicht aus, denn er war allein in diesem Raum der Wunder.

Mein ganzes Leben lang habe ich nach echter Magie gesucht. Und jetzt weiß ich, dass es sie gibt.

Garrick war ein Mann stürmischer Gefühle, die er gewöhnlich in seinem Herzen verschloss, doch jetzt rannen ihm warme Tränen des Glücks über die Wangen und tropften auf seinen Hemdkragen.

Keine Zauberkunststücke. Echte Magie.

Der Mörder sank zu Boden, die langen dürren Beine angezogen, sodass seine Knie auf einer Höhe mit den Ohren waren. Blut durchdrang das Gesäß seiner teuren Hosen, doch das kümmerte ihn nicht, denn von jetzt an würde nichts mehr so sein wie zuvor. Seine einzige Sorge war, dass die Magie womöglich für immer von diesem Ort verschwunden war. Ihr so nahe gewesen zu sein und sie dann um Haaresbreite verpasst zu haben, wäre wahrhaft Folter.

Ich werde hier warten, Riley, dachte er. Die Chinesen glauben, dass Magie oft an bestimmte Orte gebunden ist. Also ist das meine einzige Chance. Und wenn die Männer mit ihren fantastischen Waffen kommen, werde ich dich rächen. Ich werde mir die Magie aneignen und sie meinem Willen unterwerfen, und dann kann mich niemand mehr aufhalten.

Powergirl

Bedford Square, Bloomsbury, London. Heute

Chevron Savano hatte noch nie viel von der Parabel über den verlorenen Sohn gehalten. Genau genommen hasste sie diese Geschichte, und sie knirschte jedes Mal mit den Zähnen, wenn jemand davon anfing. Im Himmel ist große Freude, wenn ein verlorener Sohn in den Schoß der Familie zurückkehrt.

Ach ja? Tatsächlich? Und was war mit dem Sohn beziehungsweise der Tochter, die im Schoß der Familie geblieben war und die Ferien und Wochenenden durchgearbeitet hatte, um besagte Familie vor Korruption und organisiertem Verbrechen zu beschützen? Was war mit der Tochter, die so ziemlich alles geopfert hatte, um zu verhindern, dass die Familie in Gefahr geriet? Hm? Tja, die Tochter wurde quer um die halbe Welt nach London abgeschoben, um auf ein Zeugenschutzhaus aufzupassen. Nicht gerade ein karrierefördernder Einsatz, so viel war klar.

Spezialagent Lawrence Witmeyer, ihr Chef beim FBI in Los Angeles, hatte ihr versichert, das sei keine inoffizielle Strafe für ihren blamablen Auftritt, den sie vor Kurzem in aller Öffentlichkeit hingelegt hatte.

»Das hier ist ein wichtiger Auftrag, Chevie. Sehr wichtig sogar. Das WARP ist schon seit über dreißig Jahren ein zentraler Teil des FBI.«

»Wofür steht WARP überhaupt?«, hatte Chevie gefragt.

Witmeyer ging gerade die Mails auf seinem Bildschirm durch. »Äh … Witness Anonymous Relocation Programme– anonymes Zeugenschutzprogramm.«

»Wieso ›anonym‹? Na, wahrscheinlich haben sie das nur reingenommen, damit man die Abkürzung aussprechen kann. Sonst hieße es WRP, und das klingt, als hätte sich jemand verschluckt.«

»Ich nehme an, es sollte cool klingen. Sie wissen doch, wie die Jungs sind, wenn es um Namen geht.«

Chevie war stocksauer. Es war offensichtlich, dass das FBI sie nach London abschob, damit die Presse sie nicht fand.

»Ich habe doch nur meinen Job gemacht. Ich habe Leben gerettet.«

»Das weiß ich.« Für einen Moment wurde Witmeyers Miene weicher. »Chevron, noch können Sie wählen. Die anderen aus der Gruppe haben die Abfindung genommen. Sie sind sechzehn, Sie können tun, was immer Sie wollen.«

»Außer weiter FBI-Agent sein.«

»Sie waren nie ein echter Agent, Chevie. Sie waren eine offizielle Geheimdienstquelle. Das ist etwas ganz anderes.«

»Aber auf meinem Ausweis stand Agent. Mein Betreuer hat mich Agent Savano genannt.«

Witmeyer lächelte Chevie an, als wäre sie fünf Jahre alt. »Wir dachten, der Ausweis würde euch Freude machen. Euch das Gefühl geben, wichtig zu sein. Aber ein Ausweis macht noch keine Agentin, Chevie.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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