Wasser und andere Welten - John Düffel - E-Book

Wasser und andere Welten E-Book

John Düffel

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Beschreibung

Wie wird man Brust-, Rücken- oder Kraulschwimmer, und was denken Langstreckenmatadore auf den endlosen Bahnen wirklich? Gibt es noch Hoffnung für die männliche Badehose und was will ein Schriftsteller eigentlich im Fitnessstudio? John von Düffel gibt in Wasser und andere Welten seine sehr persönlichen Antworten. Doch der Autor von ›Vom Wasser‹ und dem Körperkultroman ›Ego‹ ist nicht nur ein intimer Kenner von Schwimmbädern und Maschinenparks. Er zeigt sich auch von seiner Seite als Dramatiker und Dramaturg, als Literat vor und hinter den Kulissen. Ein Mosaik von Geschichten: Von einem, der Schreiben immer als Selbstversuch, ein durch die Mischung von Biografie und Fiktion gesteigertes Lebensexperiment begreift. John von Düffels gesammelte Texte und Feuilletons führen komisch und klug durch die vielfältigen Welten des Wassers, des Körpers und der Bühne.

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Seitenzahl: 183

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»Eigentlich hatte ich mir geschworen, in Zukunft nur noch zu schwimmen, ohne darüber zu schreiben.«

John von Düffel

Wasser und andere Welten

Geschichten

vom Schwimmen und Schreiben

Dank an Elmar Krekeler (Literarische Welt), Petra Mies (Frankfurter Rundschau), Siegfried Schober (Stern), Michael Kohtes (WDR), Sibylle Thelen (Stuttgarter Zeitung), Christine Dössel (Süddeutsche Zeitung), Ute Sárkány (NDR), Detlef Brandenburg (Deutsche Bühne), Ilka Piepgras (Die Zeit), Moritz Rinke, Ulrich Khuon (Thalia Theater), Thomas Irmer (Theater der Zeit), Reinhard Wengirek (Die Welt), Adriano Sack (Welt am Sonntag), Dorothee Stoebener (Die Zeit), Ulrike Janssen und Ute-Christine Krupp (Kölner Poetikreihe).

eBook 2015

©2002 DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Groothuis, Lohfert, Consorten (Hamburg)

Satz: Greiner & Reichel, Köln

eBook-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN eBook 978-3-8321-8842-9

SCHWIMMEN UND SCHREIBEN

Über den Autor als Amphibium

Es ist mir noch nie leichtgefallen, über das Schreiben zu schreiben. »Wie schreiben Sie?« ist die Frage, die ich nach Lesungen immer am meisten fürchte. Jeder Profi hätte mittlerweile längst die passende Antwort parat – zumal diese Frage Abend für Abend mit tödlicher Sicherheit kommt. Trotzdem bringt sie mich regelmäßig in Verlegenheit. Eine Zeitlang war ich dazu übergegangen, mir intelligent klingende Repliken im voraus zurechtzulegen, von denen ich aber im Ernstfall nie eine einzige über die Lippen gebracht habe. Inzwischen akzeptiere ich das allabendliche Verstummen und die leichten Schweißausbrüche in der Rollkragengegend als mein Schicksal. »Wie schreiben Sie?« ist meine klassische Angstfrage. Und das wird auch so bleiben.

Um die Peinlichkeit nicht jedesmal ausufern zu lassen, habe ich mir angewöhnt, schnell das Thema zu wechseln. Ein, zwei Bemerkungen, und ich gelange vom Schreiben scheinbar zwanglos zum Schwimmen. Ich ziehe Parallelen zwischen der Endlosigkeit des glatten, kachelblauen Wassers vor dem Startsprung und den langen Strecken weißen Papiers am Anfang eines Romans. Ich vergleiche den berühmten ersten Satz mit dem Moment, in dem ein Schwimmer zum ersten Mal spürt, wie das Wasser geht. Es ist der Augenblick, in dem man die Geschichte unter den Händen spürt und plötzlich weiß, wie sich die bevorstehende Strecke dem Rhythmus von Atem und Bewegung fügen wird. Alles ist darin enthalten, auch die Angst vor der Erschöpfung und das Gefühl des Angewiesenseins auf eine Gunst, die größer ist als man selbst.

Was also braucht man zum Schreiben? Dasselbe wie zum Schwimmen: vor allem Kondition und Disziplin. Soweit das Gelingen eines Satzes oder einer Strecke überhaupt von einem selbst abhängt, sind das die Voraussetzungen. Dabei ist die Kondition, die das Schreiben erfordert, sehr viel körperlicher und die Disziplin beim Schwimmen sehr viel geistiger, als man glaubt. Man braucht nicht nur einen eisernen Willen, um drei oder fünf Kilometer Wasser im Freistil zu durchpflügen. Man muß sich dem Wasser widmen mit einer Hingabe und inneren Beharrlichkeit, wie sie eine große Geschichte von ihrem Erzähler verlangt. In diesem Sinne denke ich nach über das Schreiben als Schwimmen und das Schwimmen als Schreiben, bis ich den Unterschied selbst nicht mehr kenne und mir nur noch wünsche, ich würde noch einmal eintauchen können in den Strom der Worte und Bewegungen, in die Unterwasserwelt der Figuren und des Atems, der sie lebendig macht.

Am Anfang ist immer das Eintauchen, der Wechsel von einem vertrauten Element in das andere, fremde. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, daß es mich keinerlei Überwindung kostet. Im Gegenteil. Sich hineinzubegeben in die Welt des Wassers oder einer Geschichte heißt auch immer, Abschied zu nehmen von dem Leben, das man im Augenblick gerade lebt. Und dieser Abschied fällt nicht immer leicht. Oft muß man sich losreißen von den Menschen und Annehmlichkeiten, die einen umgeben. Es gibt vieles, was man lieber täte, denn das Element des Schwimmens und des Schreibens kennt vom Augenblick des Eintauchens an keine Rücksichten mehr. Man ist ihm ausgeliefert, ganz und gar.

Es nützt dem Schwimmer überhaupt nichts, wenn er bis eben in einer geselligen Runde ein netter Kerl gewesen ist. Das Wasser macht es ihm darum nicht leichter, genausowenig wie man mit ein paar flotten Sprüchen über die Abgründe des Schreibtischs hinwegkommt. Das Element des Schreibens und des Schwimmens ist ein eifersüchtiges Element. Es duldet keine andere Nähe als die zu den Figuren seiner Geschichte oder zum Wasser selbst. Und es gilt darin kein anderes Glück als das Gelingen eines Satzes oder einer Bahn.

Jeder, der ernsthaft schwimmt oder schreibt, hat Angst vor dem, was er tut. Ihm begegnet auf den langen Strecken jedesmal die Möglichkeit des Scheiterns, des völligen Untergangs. Und da es im Wasser wie auf dem Papier niemanden gibt, keine Menschen außer denen, die man in sich trägt, kann einem auch niemand zu Hilfe kommen. Jeder Schwimmer weiß das. Er weiß, daß er vom Moment des Eintauchens an mit dem Wasser allein ist, und er kann nur hoffen, daß es ihn trägt. Er weiß, daß er seinen ganzen Willen zusammennehmen muß, um in diesem Element zu bestehen, und er weiß auch, daß das nicht reicht. Letztlich ist es der Gunst des Wassers zu verdanken, wenn sich dieser Wille in Bewegung verwandelt und er mit schnellen, geschmeidigen Zügen durch das Becken gleitet, so als gäbe es keinen Widerstand zwischen dem Wasser und seiner Bewegung, so als wären Schwimmen und Geschwommenwerden eins.

Die Angst schreibt und schwimmt immer mit. Und wenn man täglich das tut, wovor man am meisten Angst hat, wird man irgendwann süchtig danach. Man wird süchtig nach dem Besiegen seiner Angst. Und ohne diesen täglichen Sieg kann man auf einmal nicht mehr in den Spiegel schauen.

Wie ein Süchtiger plane ich meine Tage. Ich schiebe sämtliche Reisen und Termine so, daß immer eine Lücke entsteht für meine Sucht, für die zeitlosen anderthalb Stunden, in denen ich nicht dem Alltag, sondern dem Wasser gehöre. Bis es soweit ist, finde ich keine Ruhe. Ich bin nervös und angespannt – unmöglich zu sagen, ob es eine Art von Ungeduld oder Vorfreude ist oder ganz einfach die Angst, heute im Wasser nicht zu bestehen.

Ich versuche, mich zu beherrschen und erkundige mich an der Hotelrezeption in möglichst unaufgeregtem Ton nach dem nächstliegenden Schwimmbad. Mit zittrigen Fingern fahre ich über den Stadtplan und folge dem Weg zum Wasser. Glasfassaden, 70er-Jahre-Architektur. Ich betrete den Eingangsbereich der Schwimmhalle. Der Geruch von Chlordunst und Ammoniak schlägt mir entgegen. Schwüle, schweißige Luft.

Ich zahle und passiere das Drehkreuz. Das Geschrei von Kindern im Wasser, anschlagende Sprungbretter, das Platschen eintauchender Körper. Mit einem Ohr versuche ich herauszuhören, wie voll das Becken heute sein wird, was für Revierkämpfe mich diesmal erwarten, bis ich ein Stück Einsamkeit im Wasser erobert habe und verschmelzen kann mit meiner Bahn. Währenddessen ziehe ich mich aus und hänge meine Kleidung auf den torsoförmigen Bügel – Jacke, Pullover und Hose, die ganze äußere Hülle. Ich schließe sie ein und gehe barfuß die gekachelten Gänge hinunter, den Geräuschen des Wassers entgegen.

Meine Angst erreicht ihren Höhepunkt. Es ist stickig in den Duschräumen und Zwischengängen, doch ich friere. Ich fühle mich wie gehäutet. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. In den Eingeweiden eine Angst wie vor Wettkämpfen, so als hätte ich ein großes Finale zu bestreiten und eine Zeit zu schwimmen, die im Wasser von mir bislang unerreicht war. Nichts dergleichen ist der Fall. Es geht um nichts, ich sage mir das, aber es beruhigt mich keineswegs. Ich bin verloren in einer Fuge zwischen zwei Welten, zwischen der Festigkeit des Tages und den Unwägbarkeiten des Wassers, ein Amphibium im Übergang.

Unter meinen Händen die Armaturen der Vordusche. Ich drücke einen Knopf und lasse das kalte Wasser auf mich niederprasseln. Es trifft hart auf Kopf und Schultern und rinnt mit flüssigen Fingern an mir herab. Ich habe das Element noch nicht gewechselt. Noch umgibt mich das Wasser nicht. Tropfend lege ich die letzten Meter zurück. Meine klatschenden Schritte auf dem Weg zum Beckenrand. Ich schaue auf das Wasser, das unverwandte Blau, die unruhig verzitternde Oberfläche, immer auf der Suche nach einer möglichen Bahn. Neben einem Startblock bleibe ich stehen. Ich setze meine Chlorbrille auf und drücke sie tief in die Augenhöhlen. Mein Atem beschleunigt. Ich gehe in die Hocke, die Zehen am Beckenrand festgekrallt. Eine Sekunde des Innehaltens wie für einen unhörbaren Schuß. Dann ist es soweit. Ich springe. Und schreibe.

Es ist immer dieselbe Angst, die überwunden werden will – beim Schwimmen wie beim Schreiben. Ich kenne sie sehr gut. Aber ich könnte nicht sagen, woher sie eigentlich kommt. Mir scheint, sie war immer schon da. Seit ich denken kann. Sie schwimmt und schreibt mit auf jeder Bahn, bei jeder Zeile. Sie ist zu meiner engsten Vertrauten geworden. Ich würde sie vermissen, wenn sie nicht mehr da wäre. Sie ist der Leitfaden meiner Arbeit.

Es ist keineswegs so, daß diese Angst vorm Schwimmen und Schreiben mit der Zeit ihre Bedrohlichkeit eingebüßt hätte. Sie kann mir noch immer sehr gefährlich werden, und zuweilen läßt sie mich das spüren. Aber ich habe gelernt, mit dieser Gefahr zu leben und sie anzunehmen als einen Teil von mir. Inzwischen weiß ich, daß Angst auch nur eine Art ist, sich selbst zu erleben, beinahe wie Glück. Und vielleicht ist dies die dritte Voraussetzung fürs Schwimmen und Schreiben, neben Kondition und Disziplin. Vielleicht ist Angst die eigentliche Gabe des Schreibens oder das Schreiben eine besondere Begabung zur Angst.

Wie also schreibe ich? Ich schreibe, wie ich schwimme, indem ich die Angst aufsuche, jeden Morgen, jeden Tag. Ich tauche ein in ihre Geschichten und Gedanken. Ich spüre unter der Wasseroberfläche ihren Figuren und Verwandlungen nach. Jeden Tag, jeden Morgen schreibe und schwimme ich so lange, bis mir ganz leicht wird vor Angst und sie mich mit ihrer unfaßbaren Vertrautheit umgibt. Ich schreibe und schwimme für die lichten Momente des Schreckens und ihre bitterzarte Schönheit, wenn sich die Angst ganz behutsam über alles legt und die Dinge aus der Vergessenheit hebt.

VOM LIEBESLEBEN DER KACHELZÄHLER oder

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