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+++ TikTok made me buy it +++ Verbotene Liebe und eine Macht verborgen in tiefer Dunkelheit: Band 2 der slow burn, enemies to lovers Fantasy-Dilogie von Bestsellerautorin Hafsah Faizal Im 2. Band der slowburn Romantasy-Dilogie von Hafsah Faizal erfüllt sich das Schicksal der Jägerin Zafira und des Prinzen des Todes Nasir. Trotz aller Verluste sind Zafira, Nasir und Kifah fest entschlossen, dem Königreich Arawiya die Magie zurückzubringen. Doch sie haben kaum noch Verbündete, und die Menschen im Land leben in Angst vor der Rückkehr des Löwen der Nacht. Nasir kämpft außerdem darum, die Magie in seinem Blut zu beherrschen: Er muss lernen, seine Macht zu verfeinern, damit er sie auch gegen seinen Vater einsetzen kann, der unter der Kontrolle des Löwen steht. Währenddessen ringt Zafira mit einer ganz anderen Dunkelheit, die seit ihrer Verbindung mit dem Jawarat in ihr brodelt. Das Summen seiner Stimmen treibt sie an den Rand des Wahnsinns und auf ein Chaos zu, das sie auf gar keinen Fall entfesseln darf, was auch immer geschieht. Gefangen im Dunklen, finden Zafira und Nasir zueinander. Aber die Zeit läuft unerbittlich gegen sie. Und um ihre Welt zu retten, müssen dramatische Opfer gebracht werden … Mitreißende romantische Fantasy in einer arabisch inspirierten Welt Der Fantasy-Roman »We free the Stars« ist die Fortsetzung von »We hunt the Flame«. Der New York Times-Bestseller wird vom TIMES Magazine zu den Top 100 der besten Fantasy-Bücher aller Zeiten gezählt. Die preisgekrönte New Adult Fantasy von Bestseller-Autorin Hafsah Faizal begeistert auch Millionen Leser*innen auf TikTok. Mehr von der Nummer 1-New York Times-Bestsellerautorin Hafsah Faizal erwartet dich in: - We hunt the Flame (Die Reiche von Arawiya 1) - We free the Stars (Die Reiche von Arawiya 2) - A Tempest of Tea (Blood and Tea 1) - A Steeping in Blood. A Tempest of Tea 2 (Blood and Tea 2)
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Seitenzahl: 851
Veröffentlichungsjahr: 2024
Hafsah Faizal
Die Reiche von Arawiya 2
Aus dem amerikanischen Englisch von Bastian Ludwig
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Verbotene Liebe und eine Macht verborgen in tiefer Dunkelheit
Trotz aller Verluste sind Zafira, Nasir und Kifah fest entschlossen, dem Königreich Arawiya die Magie zurückzubringen. Doch sie haben kaum noch Verbündete, und die Menschen im Land leben in Angst vor der Rückkehr des Löwen der Nacht. Nasir kämpft außerdem darum, die Magie in seinem Blut zu beherrschen: Er muss lernen, seine Macht zu kontrollieren, damit er sie auch gegen seinen Vater einsetzen kann, der unter der Kontrolle des Löwen steht. Währenddessen ringt Zafira mit einer ganz anderen Dunkelheit, die seit ihrer Verbindung mit dem Jawarat in ihr brodelt. Das Summen seiner Stimmen treibt sie an den Rand des Wahnsinns und auf ein Chaos zu, das sie auf gar keinen Fall entfesseln darf, was auch immer geschieht. Gefangen im Dunklen finden Zafira und Nasir zueinander. Aber die Zeit läuft unerbittlich gegen sie. Und um ihre Welt zu retten, müssen unmögliche Opfer gebracht werden …
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Charakterillustration Altair
Charakterillustration Kifah
Karte des Reichs Arawiya
Widmung
Motto
Erster Akt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Zweiter Akt
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Kapitel 92
Dritter Akt
Kapitel 93
Kapitel 94
Kapitel 95
Kapitel 96
Kapitel 97
Kapitel 98
Kapitel 99
Kapitel 100
Kapitel 101
Kapitel 102
Kapitel 103
Kapitel 104
Kapitel 105
Kapitel 106
Kapitel 107
Kapitel 108
Kapitel 109
Kapitel 110
Kapitel 111
Kapitel 112
Kapitel 113
Kapitel 114
Danksagungen
Glossar
Für Azraa
Manchmal meine Freundin,
manchmal meine Feindin,
manchmal ungestüm,
immer meine Schwester.
Ehre vor Herz, sprach das Mädchen.
Empfindsamkeit befördert den Tod, sprach der Löwe.
Die Zerstörung folgt der Finsternis, sprach der Junge.
Macht gebiert Schmerz, sagte der König.
Wie recht sie alle doch hatten.
Finster wie ein leeres Grab
Finsternis wogte in seinen Adern. Als dunkle Strähnen strömte sie ihm aus den Fingern und trübte ihm die Sicht, und wenn er zu viel und zu intensiv grübelte, blutete sie ihm in schwarzen Strömen die Arme hinauf.
Die Angst steht dir gut.
Die hoch stehende Sonne warf Nasir Ghameqs Schatten auf das Deck von Jinans Schiff, während er den Deckel der Kiste wieder an seinen Platz schob, gefühlt schon zum tausendsten Mal, seit sie Sharr verlassen hatten. Ein gleichmäßiger Puls pochte ihm gegen die Finger. Er stammte von den vier Herzen, die in der Kiste lagen. Früher einmal hatten sie vieren der Sechs Schwestern von Einst gehört, den Gründerinnen Arawiyas. Mit ihrer Magie hatten sie die Reichsminarette der fünf Kalifate versorgt, Verstärker, durch die diese Magie in kleinen Mengen an die Massen verteilt worden war. Solange die Organe nicht wieder in ihren Minaretten lagen, war die Magie so gut wie verschwunden – so wie es auch die vergangenen neunzig Jahre der Fall gewesen war.
In Nasir jedoch existierte sie weiterhin, ein Umstand, den er wegen der Schatten, die um ihn geisterten, nicht für sich behalten konnte.
»Das fünfte Herz wird nicht einfach so aus dem Nichts erscheinen, nur weil du immer wieder in diese Kiste starrst«, sagte Kifah, die geschmeidig aus dem Krähennest geklettert kam. »Und er auch nicht.« Der Reif um ihren Oberarm funkelte. Gekreuzte Speere waren darauf eingraviert, die daran erinnerten, was sie einst gewesen war: eine der Neun Auserlesenen, die die Kalifin von Pelusia beschützen.
Schmerzlich erkannte Nasir, dass er nur darauf wartete, dass ein gewisser goldhaariger General etwas auf die blitzgescheiten Worte der Kriegerin erwiderte, vielleicht etwas Albernes, vielleicht etwas Kluges, aber auf jeden Fall vollendet mit einem schmeichelhaften »Eine von Neun«.
Was hingegen folgte, war Stille, so laut und beunruhigend wie die tosenden Wellen der Baransee.
Nasir ging zu Jinan. Die tiefe Wunde an seinem Bein, mit der ihn ein Ifrit auf der Insel Sharr beglückt hatte, zwang ihn, sich humpelnd über das Deck zu bewegen. »Wir sind jetzt seit zwei Tagen auf See. Warum dauert das denn so lange?«
Das zaramesische Mädchen sah ihn vom Steuer aus an. Widerspenstige, dunkle Locken kräuselten sich unter ihrem karierten Turban, der ihre braunen Augen in einen rötlichen Schimmer tauchte. »Die Anqa ist das schnellste Schiff weit und breit, mein Prinz.«
»Sie ist ja auch weit und breit das einzige Schiff, Kleine«, bemerkte Kifah.
Jinan funkelte sie an. »Ich bin nicht klein. ›Anqa‹ bedeutet ›Phönix‹. Du weißt schon, wie der unsterbliche Feuervogel? Benannt nach meinem liebsten Stern. Mein Vater …«
»Das interessiert niemanden«, sagte Nasir, der die Kiste mit den Herzen in eine sichere Ecke nahe dem Steuer geschoben hatte. »Wie lange noch?«
Jinan seufzte übertrieben. »Fünf Tage«, verkündete sie mit einem Selbstbewusstsein, das sogleich von Nasirs ernüchterndem Blick zerstört wurde. »Was denn, mein Prinz, hat dein Schiff etwa nur sechs Tage für die Hinreise benötigt? Vergib mir, dass mir nicht die Mittel des Sultans zur Verfügung stehen.«
»Mein Schiff«, entgegnete Nasir langsam, »war in weniger als zwei Tagen vor der Küste von Sharr, und das, obwohl wir unterwegs gegen einen Dandan kämpfen mussten.«
Jinan stieß einen beeindruckten Pfiff aus. »Von diesem Schiff würde ich mir liebend gerne mal die Pläne ansehen, wenn wir dein schickes Serail erreichen. Warum überhaupt die Eile?«
Nasir konnte eine gewisse Gereiztheit nicht verbergen, zumal sich eine schwarze Strähne aus seinen Fingerspitzen schlängelte.
Jinan starrte ihn an.
Kifah tat so, als würde sie es nicht bemerken, was Nasir nur noch mehr verärgerte.
»Hast du eine Schule besucht?«
Jinan verengte die Augen. »Warum ist das wichtig?«
»Weil du dann wüsstest, wie fatal es ist, wenn ich sage, dass der Löwe der Nacht am Leben ist«, erklärte Nasir, und der Haschaschine in ihm freute sich, als sich die Augen der Kapitänin vor Schreck weiteten. Von dem Herzen, das der Löwe gestohlen hatte, erzählte er hingegen nichts, denn es war ihm egal, ebenso sehr wie die Magie. Was ihn jedoch interessierte, war Altair, aber das würde das Mädchen wohl nicht verstehen. Nicht einmal Nasir selbst begriff, was es mit dieser seltsamen Getriebenheit auf sich hatte, der Sorge um einen anderen Menschen. War das nicht eine Empfindung, die mit dem vermeintlichen Tod seiner Mutter aus seinem Herzen verschwunden war? »Dachtest du etwa, Benyamin wäre über einen Stein gestolpert und hätte sich das Genick gebrochen?«
Jinan wandte sich missmutig ab, während sich Kifah gegen den Mast lehnte und die Arme verschränkte. »Er wird zurückkehren.«
Es war nicht Benyamin, von dem sie sprach.
»Ich bin nicht besorgt.« Nasir blickte sie nicht an.
»Das weiß ich doch«, entgegnete Kifah voller Ironie. »Ich wollte mich nur selbst daran erinnern, dass Altair gut auf sich aufpassen kann. Wahrscheinlich kaut er dem Löwen ein Ohr ab, sodass der ihn freiwillig wieder herausrückt. Es würde mich nicht wundern, wenn er diesen Trottel irgendwo aussetzt, um den Hals ein Schild, auf dem steht: ›Ich flehe euch an, nehmt ihn zurück.‹«
Kifah machte sich und Nasir etwas vor, das war ihnen beiden bewusst. Ihr sonst so geerdeter Ton war in schmerzlicher Deutlichkeit von Ungewissheit gefärbt.
Nasir blickte zu Sharr, das fern am Horizont lag. Ein Teil von ihm erwartete, dort auf dem Meer ein Schiff zu entdecken, das sie verfolgte, dunkel und furchterregend wie der Löwe selbst. Noch vor zwei Wochen war Nasir bereit gewesen, Altair zu töten – er war bereit gewesen, jeden zu töten, der ihm über den Weg lief, doch wenn er die Augen nun schloss, sah er die blendenden Lichtstrahlen, die aus Altairs Handflächen strömten. Und er sah den schwarzen Streitkolben des Löwen, der aus Benyamins Herz herausragte.
Aufopferung, hatte der Safi gewispert. Aber Aufopferung war nichts als der Tod in Form eines romantischen Schmierentheaters. Nasir wusste das besser als sonst irgendwer, war er doch für Tod und Finsternis geboren, und es war schwer, noch ein Herz zu haben, wenn man so viele andere zum Stillstand gebracht hatte. Es war schwierig, etwas Gutes zu tun, wenn dies auf ewig von den eigenen Übeltaten würde überschattet werden.
Irgendwo auf Sharr hatte sein Herz einen neuen Rhythmus gefunden, und er hatte die Absicht, diesen aufrechtzuerhalten. Er wollte sich dessen würdig erweisen, selbst wenn das bedeutete, die Magie wiederherzustellen, die seine Familie zerstört hatte.
Und beginnen würde er damit, Altair zu retten und den Löwen zu bezwingen.
Er blickte zu Jinan. »Fünf Tage sind zu viel. Ich gebe dir drei.«
»Das ist unmöglich«, ächzte die junge Kapitänin.
Nasir war schon auf dem Weg die Treppe hinunter, die unter Deck führte, als er sich noch einmal umdrehte. »Wenn du es in drei Tagen schaffst, verdopple ich die Heuer, die Benyamin dir gezahlt hat.«
Sofort begann die junge Kapitänin, Befehle zu bellen, und ihre bunt zusammengewürfelte Besatzung brach in rege Betriebsamkeit aus. Es war nicht zu übersehen, wie heimisch sich die Zaramesen auf See fühlten. Nasir wusste nicht, was das Mädchen mit einem solchen Geldsegen anstellen würde, und es war ihm im Grunde auch egal. Der Thron hatte genug zu entbehren.
Er humpelte die Stufen hinab. Drei Tage waren noch immer drei zu viel. Nun, da der Löwe nicht länger an Sharr gebunden war, hatte er keinen Grund, dort zu bleiben, vor allem nicht, wenn das Jawarat – der Schlüssel zu dem, was er sich am meisten wünschte – sich immer weiter von ihm entfernte. Die Zumra musste das Festland vor dem Löwen erreichen, oder dem Reich würde Übles drohen, und wenn es irgendwen gab, der ihre Reise beschleunigen konnte, dann sicherlich kein sterbliches Mädchen aus Zaram.
Der Geruch brennenden Öls mischte sich im Bauch des Schiffes mit jenem der salzigen Meeresluft. Laternen flackerten, während Nasir an Kajüten, mehrstöckigen Schlafkojen und anderen engen Räumen vorbeischritt, die dicht gedrängt wie Zähne im Mund dalagen und ihn in ihrer Dunkelheit an die finstersten Winkel des Serails von Sultansruhe erinnerten.
Mit einem Mal sah er sich vor seinem Vater stehen und ihm Bericht über seinen Auftrag erstatten. Dass er versagt hatte, des Sultans General zu töten. Versagt hatte, den Jäger zur Strecke zu bringen. Versagt hatte, das Jawarat zu erbeuten.
Versagt, versagt, versagt.
Er schüttelte diesen Gedanken ab und rief sich in Erinnerung, dass nun alles anders war. Die Leine zwischen ihm und seinem Vater hatte sich in den Leben vieler anderer verheddert: in Zafiras, Altairs und Kifahs, in dem seiner Mutter und – am wichtigsten – in jenem des Löwen der Nacht, der seine Krallen in Ghameqs Geist vergraben und jede Bewegung des Sultans kontrolliert hatte.
Nasirs Blick huschte zum Ende des Korridors, wo Zafiras Kabine gleich einem Felsvorsprung dalag, der nur ganz knapp außer Reichweite war.
Die wenigen Male, die sie sich auf Deck hatte blicken lassen, hatte sie sich das Jawarat stets fest an die Brust gedrückt und abwesend in die Ferne geblickt. Es beunruhigte ihn, das Eis in ihren Augen schmelzen zu sehen, während etwas anderes dessen Platz einnahm, aber als der Feigling, der er war, konnte er sich ihr nicht nähern, und je weiter der Wahnsinn ihrer letzten Momente auf Sharr zurücklag, desto weniger wusste er, wie er die immer größer werdende Distanz zwischen ihnen überwinden sollte.
Er hielt an und lehnte sich gegen einen rauen Balken, um seinem Bein eine Pause zu gönnen. Die Silberne Hexe – seine Mutter, Rimaal – hatte eine Kabine fast so abgelegen wie Zafiras gewählt, und als er ihre Tür endlich erreichte, ließ ihn ein dunkler Schimmer auf der Bodenplanke innehalten.
Blut?
Er zog seinen Handschuh aus, fuhr mit zwei Fingern durch die versprenkelten Flecken und schnupperte daran. Scharf und metallisch – ganz sicher Blut. Er wischte sich die Finger an seinem Gewand ab und folgte der Spur bis zu der Tür, hinter der sie schließlich verschwand – der Tür zu Zafiras Kabine.
Macht blutete aus ihren Knochen, sickerte aus ihrer Seele und in einen unsichtbaren Abgrund. Sie laugte sie aus. Solange Zafira bint Iskandar denken konnte, hatte sie sich in den verfluchten Wald namens Arz gewagt, wo ihr die Magie mit der Zeit unter die Haut gekrochen war, stets anwesend, stets in Reichweite.
Und nun war sie verschwunden.
In eine Kiste gepfercht und in eine schimmlige Ecke neben einer zu selbstsicheren Zaramesin gestopft. Das Jawarat spiegelte Zafiras wütende Gedanken wider.
»Ich hatte geplant, das Buch zu zerstören, nachdem die Magie wiederhergestellt wäre.« Anadil, die Silberne Hexe, die Sultana von Arawiya und eine der Sechs Schwestern von Einst, betrachtete mit geschürzten Lippen den Folianten in Zafiras Schoß. Das Licht der Laterne ließ Schatten in ihrem Gesicht tanzen und ihr weißes Haar golden schimmern. Der Rest der Kabine verblasste im Angesicht ihrer Herrlichkeit.
Sie mag uns nicht, erinnerte das Jawarat Zafira.
Die zuckte nicht länger zusammen, wenn es zu ihr sprach. Seine Worte hatten nichts mit dem beruhigenden Flüstern zu tun, das sie einst aus den Schatten des Arz heraus geködert hatte und von dem Zafira überzeugt gewesen war, es stamme von einem Freund, der sich am Ende jedoch als der Löwe der Nacht entpuppt hatte.
Diese Stimme war herrisch und fordernd, dennoch füllte sie die Leere, die die Magie zurückgelassen hatte, und darüber wollte sich Zafira gewiss nicht beklagen.
Nein, das tut sie nicht.
Stattdessen hatte sie begonnen, der Stimme zu antworten.
Nach all den Mühen, die sie auf sich genommen hatte, um das verdammte Ding zu finden, würde sie es sicherlich nicht von einer herablassenden Hexe vernichten lassen. Mächtiger Himmel, war das etwa der Grund, warum die silberne Frau sie in ihrer Kabine besuchte? »Du hast Angst vor dem Buch«, stellte sie fest.
»Das Jawarat sind die stofflich gewordenen Erinnerungen meiner Schwestern«, sagte die Hexe mit einem vernichtenden Blick von ihrer Pritsche aus. Nun, da Zafira wusste, dass sie Nasirs Mutter war, erkannte sie die Ähnlichkeit darin. »Was sollte ich da zu fürchten haben?«
Sie weiß es nicht. Sie weiß nicht, was wir über Sharr herausgefunden haben.
Der Nachhall in Zafiras Lunge war ebenso eine Aufforderung, zu schweigen, wie eine Erinnerung daran, dass nicht einmal sie das Ausmaß dessen kannte, was sie über Sharr erfahren hatte, als sie sich aus Versehene an der Handfläche verletzt und sich mit ihrem Blut an das Buch gebunden hatte. Denn das Jawarat barg mehr als nur die Erinnerungen der Schwestern.
Neunzig Jahre lang war es auf Sharr von der Gegenwart des Löwen der Nacht durchtränkt worden. Deswegen enthielt es auch einige seiner Erinnerungen, wovon die Silberne Hexe nicht die leiseste Ahnung hatte. Niemand wusste davon.
Sag es ihnen. Ihr Gewissen war unter der alles übertönenden Präsenz des Jawarat kaum mehr als ein Flüstern, doch das war nicht der Grund, warum sie ihm keine Beachtung schenkte. Sie konnte es einfach nicht. Sie konnte anderen ebenso wenig vom Jawarat erzählen wie von der Finsternis, die einst zu ihr gesprochen hatte. Angst zerfetzte alle Worte, die sie aus ihrem Innersten hervorkramte, die Angst davor, was die anderen von ihr halten würden.
Lange genug hatte man sie verurteilt, nur weil sie als Frau geboren worden war.
»Aber wir brauchen es, um die Magie zurückzubringen«, sagte Zafira schließlich mit betont ruhiger Miene, wenngleich ihr Magen im Rhythmus der Wellen schwankte.
»Ich bin eine Schwester von Einst, Mädchen. Mir ist bewusst, dass die Magie wiederhergestellt werden muss. Über dieses Buch hingegen weiß ich nur wenig, denn es wurde von meinen Schwestern in ihren letzten Momenten erschaffen – in ihrem letzten Versuch, über den Löwen zu triumphieren.«
Und das hatten sie. Sie waren nicht stark genug gewesen, ihn zu vernichten, doch sie hatten ihn auf Sharr festgesetzt und das Jawarat erschaffen. So wie Zafira es sah, hatten sie Letzteres aus nur einem einzigen Grund getan: um ihre Erinnerungen zu bewahren, damit ihre Geschichte eines Tages bekannt werden würde. Die Schwestern wollten der Nachwelt berichten, warum Arawiya an jenem schicksalhaften Tag von der Magie beraubt worden war, weswegen sie umgekommen waren, und vor allem, wo sich ihre Herzen befanden.
»Als die Herzen aus den Reichsminaretten entfernt wurden«, erklärte die Silberne Hexe zu Zafiras Überraschung, »blieb Arawiya ohne Magie zurück, doch der Zauber, der den Löwen gefangen hielt, zog derart viel Magie an, dass das Reich verflucht und die Energie aus den Kalifaten geradezu herausgesogen wurde. Schreckliche Verwüstungen waren die Folge. Schnee in Demenhur. Dunkelheit in Sarasin. Sharr wurde in der Zeit eingefroren. In der Tat dehnte sich die Lebensspanne derer, die dort lebten, über alles Begreifbare hinaus aus. Der Tod wurde ein unerfüllbarer Wunsch. Indem du das Jawarat und die Herzen befreit hast, hast du Arawiya befreit, einschließlich jener, die auf der Insel gefangen waren. Sie fanden endlich den Frieden, den sie suchten.«
»Dann sind die Kaftar …« Zafira verstummte und zupfte an den Fransen ihres Halstuchs. Es hatte ihr nicht gefallen, wie die Männer, die sich in Hyänen verwandeln konnten, sie angegrinst hatten, doch sie waren der Zumra zu Hilfe gekommen und hatten geholfen, die Horden der Ifrit abzuwehren, die unter dem Befehl des Löwen angegriffen hatten.
»Tot«, vollendete die Silberne Hexe den Satz.
Zafira atmete schwer. Wie lange musste man leben, bevor in einem der Wunsch nach dem Tod erwuchs?
Jinans Rufe hallten in der Stille wider, und das Rauschen der Wellen übertönte das Trippeln der Füße an Deck. Getreu ihrem Vertrag mit Benyamin würde die Kapitänin ihre Passagiere nach Sultansruhe bringen, doch kam das Schiff auf seiner Fahrt Demenhur nah genug, um in Zafira eine Sehnsucht zu erwecken.
»Wenn du weißt, wie man die Magie wiederherstellt, brauchst du mich nicht«, sagte sie, und in Gedanken fügte sie hinzu: oder das Buch. »Ich kann nach Hause zurückkehren.«
Für die Magie hatte sie alles verlassen, was ihr vertraut und wichtig war. Sie war über die Baransee gesegelt, hatte sich über die abscheuliche Insel Sharr gekämpft, doch das war, bevor Zeit und Entfernung diese unstillbare Sehnsucht geweckt hatten – eine Sehnsucht, die von Angst durchzogen war.
Sie würde nämlich Yasmine gegenübertreten müssen.
»Wozu?«, fragte die Silberne Hexe ohne einen Funken Mitgefühl. »Der Arz ist weg. Dein Volk braucht keinen Jäger mehr.«
Die Worte waren sachlich und nüchtern – und grausam. Sie reduzierten Zafira zu einem unbedeutenden Korn in der Weite der Wüste. Ohne recht zu wissen, wieso, griff sie nach dem Ring, den sie an einem Kettchen um den Hals trug … nur um die Hand sogleich wieder auf das Jawarat sinken zu lassen und mit den Fingern über die Wülste auf dessen Buchrücken zu fahren. Fast augenblicklich wurde sie von einem Gefühl des Friedens erfüllt, das jede Beunruhigung einlullte.
»Wenn ich bade, werden die Seiten dann durchweichen?« An den Rändern ihres Verstandes verweilten Ranken der Trauer, zu weit entfernt, um sie zu fassen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals traurig gewesen zu sein, und wusste auch nicht, welchen Grund es dafür geben könnte. Das Jawarat schnurrte.
Die Silberne Hexe blickte sie an. »Manchmal vergesse ich, dass du noch ein Kind bist.«
»In dieser Welt wird einem die Kindheit allzu oft gestohlen«, sagte Zafira und dachte an Babas Bogen in ihren noch winzigen Händen, an Lana, die mit einem warmen Tuch über Umms Stirn strich, an Deen, der nach dem Tod seiner Eltern nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen war.
»Das ist nur allzu wahr. Das Jawarat ist eine magische Schöpfung, gefeit gegen die Elemente, sonst wäre es schon in seinem ersten Jahrzehnt auf Sharr zu Staub zerfallen. Seine Lebenskraft ist nun jedoch mit der deinen verwoben, weil du so töricht warst, dich an das Buch zu binden. Wenn du ein paar Seiten herausreißt, kann es gut sein, dass du ein Bein verlierst.«
Zafira hatte nicht darum gebeten, einen Bund mit dem Jawarat einzugehen. Die Silberne Hexe war es gewesen, die ein Kind angeheuert hatte, um diese Reise anzutreten. Allein ihre Schuld war es, dass Zafira nun an diesen uralten Folianten gebunden war, dabei hätte sie auch jeden anderen nehmen können, der stark genug gewesen wäre, dem Griff des Löwen zu widerstehen, also das zu vollbringen, was die Hexe nicht geschafft hatte und wodurch sie tiefer gefallen war, als irgendwer auch nur erahnen konnte.
Zafira war sich sicher gewesen, dass Sharr ihnen genug Enthüllungen für ein ganzes Leben geboten hatte, doch das war vor Kifahs spitzer Bemerkung gewesen. Bevor sie erfahren hatten, dass Altair sowohl der Sohn des Löwen als auch jener der Silbernen Hexe war. Seltsamerweise war Zafira dem General nur noch geneigter, seit sie von seiner Abstammung wusste.
Sie biss sich auf die Zunge. »Und es gibt keine Möglichkeit, die Bindung zu lösen?«
»Durch den Tod«, erklärte die Silberne Hexe, als hätte Zafira das wissen müssen. »Stoße einen Dolch durch die Mitte des Buches, und du bist es los.«
»Wie nett«, stieß Zafira hervor. »Wenn meine Lebenskraft und die des Jawarat verbunden sind, werde ich dann aber auch von allem anderen ›frei‹ sein.«
Sie strich mit den Fingern über das grüne Leder des Buchdeckels und die feurige Mähne des Löwen, der darauf eingeprägt war.
Die Silberne Hexe brummte nur und betrachtete das Mädchen, das den Löwen fast so gut kannte wie sie selbst.
Sie ist neidisch auf uns.
Zafira wollte zustimmen, doch sogleich biss sie die Zähne zusammen, um sich gegen die Einflüsterungen des Jawarat zu wehren. War diese Behauptung nicht völlig an den Haaren herbeigezogen? Warum sollte eine Schwester von Einst ein sterbliches Mädchen beneiden?
Wir werden uns mit der Zeit schon einander anpassen.
Was auch immer das zu bedeuten hatte.
Zafira fuhr zusammen, als zwei Laternen, die ihre Kabine erhellten, plötzlich mit einem lauten Klirren gegeneinanderschlugen. Ihr Köcher kippte um, die Pfeile rutschten heraus, und Staub wirbelte in alle Richtungen wie der Sand von Sharr. Die Silberne Hexe zuckte nicht einmal mit der Wimper, doch Zafira bemerkte, dass sie ihre Schultern verspannt hatte, was für die sonst so abgeklärte Unsterbliche ungewöhnlich war. In diesem Moment schwang die Tür auf, und eine Gestalt erschien im Durchgang. Sie hatte zerzaustes Haar und stand so still da, wie Zafira es bisher nur bei Rehen gesehen hatte, ehe sie einen tödlichen Pfeil abgefeuert hatte.
Ein Umhang aus Finsternis folgte dem Kronprinzen von Arawiya, als er eintrat. Sein Schritt wirkte gelassen, beinahe nachlässig, doch dem aufmerksamen Beobachter fiel auf, wie umsichtig jede seiner Bewegungen war. Er musterte das Räumchen aus grauen Augen, und Zafira konnte ein Flattern in ihrer Brust nicht unterdrücken, als sein Blick den ihren traf – um dann für einen flüchtigen Moment zu ihren Lippen zu wandern.
»Bist du verletzt?«, fragte Nasir mit dieser Stimme, die sich mit den Schatten verband, weich und fordernd. Doch es lag eine Anspannung darin, ein Missbehagen, das Zafira nur allzu bewusst machte, dass die Silberne Hexe jeden Moment dieser Unterhaltung mit Argusaugen beobachtete.
Eine ähnliche Frage hatte Nasir ihr schon häufiger gestellt, und damals hatte sie den Grund dafür gekannt: Sie war für den Prinzen ein wertvolles Gut gewesen – ein Kompass, der ihm seinen zerstörerischen Weg gewiesen hatte. Weswegen aber war er nun besorgt um sie, da sie doch gefunden hatten, was sie gesucht hatten, und Zafira auf Sharr, in Demenhur – mächtiger Himmel! –, auf der Welt keinen Nutzen mehr hatte?
Ehe sie ihre Stimme wiederfand, sah Nasir die Silberne Hexe an und deutete auf einige dunkle Flecken auf den Bodenplanken, die Zafira bisher nicht aufgefallen waren. Seine Finger waren rot von Blut.
»Das ist also der Grund, warum das Schiff nicht schneller segelt«, sagte er.
Das Brausen der Wellen füllte den kurzen Moment der Stille, der nun folgte.
»Ich kann noch immer die banalen Aufgaben erledigen, die jedem Miragi möglich sind«, entgegnete seine Mutter schließlich, »aber Zeit ist eine Illusion, die Konzentration und Kraft erfordert, die ich im Moment nicht aufbringen kann.«
»Und woran liegt das?« Nasir klang ungeduldig, seine Worte waren abgehackt.
Die Silberne Hexe erhob sich, und alles in ihrer Umgebung schien zusammenzuschrumpfen, selbst Nasir, obwohl er doch eigentlich viel größer war. Sie schlug ihren Umhang beiseite und enthüllte das scharlachrote Kleid, das sie darunter trug und das zerrissen und steif vor Blut war.
Zafira sprang auf die Füße. »Der schwarze Dolch des Löwen.«
Unter der rechten Schulter der Hexe klaffte die Wunde, die sie auf Sharr erlitten hatte, als sie Nasir hatte schützen wollen. Es war ein eitriger, schwarzer Wirbel, der aussah wie ein an den Rändern ausgefranstes Loch.
»Eben jener«, bestätigte die Silberne Hexe, während ein weiterer Blutstropfen von ihrem durchnässten Kleid tropfte. »Es gibt kein Heilmittel für eine Wunde, die durch verfluchtes Erz verursacht wurde. Die alten Heiler lebten zurückgezogen auf den Hessa-Inseln, und sollten von ihnen noch welche existieren, liegt meine einzige Hoffnung dort.«
»Was ist mit dem Bait ul-Ahlaam?«, fragte Nasir.
Zafira übersetzte sich das alte Safaitisch. Das Haus der Träume. Sie hatte noch nie davon gehört.
»Du kannst die Meerenge von Sultansruhe aus leicht überqueren und dort finden, was du brauchst.«
»Zu welchem Preis? Ich werde keinen Fuß in diese Mauern setzen«, antwortete die Hexe, und Zafira hörte die unausgesprochenen Worte »nicht noch einmal«. Offenbar war sie bereits an diesem geheimnisvollen Ort gewesen, und es war klar, dass der Preis, von dem sie sprach, nichts mit Dinaren zu tun hatte.
Die Silberne Hexe ließ sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, umso befremdlicher und beachtenswerter wirkte der Zorn, der in ihrem Blick aufflackerte und sich um ihren Mund legte.
»Dann wirst du uns also verlassen«, sagte Nasir, und Zafira zuckte angesichts seiner harschen Gleichgültigkeit zusammen.
»Ich werde ein wandelndes Gefäß der Magie sein. Nutzlos für euch, jedoch umso hilfreicher für den Löwen, wenn er mich dereinst unweigerlich in die Finger bekommt. Mit meinem Blut und seinem Wissen über die Dum Sihr wird kein Flecken Arawiyas mehr sicher sein. Du, mein Sohn, und dein Bruder seid für den Löwen hingegen nur von begrenztem Nutzen, denn ihr seid nur zur Hälfte Si’lah.«
Nasir schaute auf seine Hände hinunter, wo schwarze Strähnen aus seiner Haut heraus- und wieder hineinströmten, fast so, als würden sie atmen. Im Gegensatz zu Zafiras magischem Orientierungssinn hatten sich seine Schatten nicht wieder zurückgezogen. Er brauchte die Magie der Herzen nicht, konnte er doch aus jener schöpfen, die ihm innewohnte. Er war vor der Leere gefeit, an der Zafira litt.
Etwas Hässliches bäumte sich in ihr auf, und beinahe fiel ihr vor Panik das Jawarat aus den Händen. Genauso plötzlich, wie sie gekommen war, verflog die Wut aber auch wieder.
Was war das gewesen? Ihr stockte der Atem.
»Dieses ganze Fiasko ist nur deine Schuld.« Nasirs Worte waren so frostig, dass Zafira sich daran erinnern musste, dass er mit seiner Mutter sprach und nicht mit ihr. »Und nur deinetwegen mussten wir Altair in den Fängen des Löwen zurücklassen.«
Die Silberne Hexe hielt seinen Vorwürfen stand. »Es gab eine Zeit, da war dein eiserner Blick für andere reserviert, derweil du mich mit Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge angesehen hast.«
Nasir erwiderte nichts, aber die finsteren Ranken, die nun aus seinen geballten Fäusten quollen, waren ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Worte der Hexe ihn bis ins Mark erschütterten. Er liebte sie, das wusste Zafira, und das war der Grund, warum er ihr gegenüber so hasserfüllt sprach.
»Ich habe dir alles beigebracht, was du weißt«, sagte die Hexe sanft. »Es ist noch Zeit – ich werde dich lehren, die Finsternis zu kontrollieren und die Schatten deinem Willen zu unterwerfen.«
»So, wie du es ihm beigebracht hast?«
Brüllende Stille erfasste die Kabine. Nasir wartete nicht darauf, ob seine Mutter noch etwas zu sagen hatte. Er drehte sich um und humpelte davon, Schatten in seinem Kielwasser. Zafira machte sich daran, ihm zu folgen, wobei sie es tunlichst vermied, ihm hinterherzustarren, da sie genau wusste, dass der Silbernen Hexe nichts entging.
»Hör auf mich, Jägerin«, sagte die Hexe zu ihr. »Zwei Dinge solltest du stets bei dir tragen: Güte und eine Klinge. Denn du weißt nie, was von beidem du brauchen wirst.«
Zafira bemerkte eine besondere Regung in ihrem Tonfall.
»Und du kannst nicht nach Hause zurückkehren«, sprach die Hexe weiter.
Einen Sinn im Leben. Das war es, was Zafira verspürte. Etwas, das sie aus dem Gefühl herauszog, ein Nichts zu sein – ein Gefühl, in dem sie immer weiter zu versinken drohte wie in Treibsand.
»Wenn du das tust, war deine gesamte Reise nach Sharr einschließlich des Todes deines Freundes, der Ermordung Benyamins und der Gefangennahme Altairs umsonst.«
Vielleicht hatte die Hexe von Anfang an gewusst, dass jemand mit der seltenen Begabung, das zu finden, wonach sein Herz strebte – ein Da’ira –, für diese Aufgabe im Grunde nicht gebraucht wurde. Womöglich hatte sie in Zafira jedoch etwas gesehen, was Zafira in der Hexe nicht sehen konnte, von dem sie aber aus den Erinnerungen des Jawarat wusste, dass die silberne Frau es einmal gewesen war: eine, die geleitet war von einem guten Herzen und reinen Absichten, ehe sie einem Seelenfänger zum Opfer gefallen war.
»Die Herzen werden schwächer. Sie wurden ihren schützenden Behausungen entrissen und verfallen mit jedem Moment, der verstreicht. Bring sie wieder in die Reichsminarette, oder die Magie wird auf ewig verschwinden.«
Altairs Meinung nach führte es nur zu Falten, wenn man zu sehr über Geschehenes nachgrübelte, doch gefesselt und irgendwo in den feuchten Eingeweiden eines Schiffes eingekerkert, gab es für ihn wenig anderes zu tun.
Er hatte die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht, um die Liebe seiner Mutter zu buhlen und etwas dagegen zu unternehmen, dass ihre Lippe abfällig zuckte, wann immer sie sich ihm zuwandte. Zwar hatte er rasch begriffen, dass sie in ihm die Krönung all ihrer Fehler sah, doch erst auf Sharr hatte er vom wahren Ausmaß dieser Fehler erfahren: Sie war eine der Sechs Schwestern von Einst. Sie war schuld daran, dass es keine Magie mehr gab. Sie hatte …
Altair unterbrach diesen Gedanken und verzog das Gesicht.
Es kam nicht oft vor, dass jemand erfuhr, dass er der Sohn des Löwen der Nacht war.
Die Sonne schien durch das Bullauge, das so winzig war, dass es die Bezeichnung ›Fenster‹ kaum verdiente. Ihr Stand verriet, dass zwei Tage vergangen waren, seit sich Altair mit den Ifrit auf Sharr abgemüht hatte, das Schiff zu bergen, mit dem sie nun segelten. In dieser Zeit hatte man ihm zu essen gegeben und einen Stuhl zum Sitzen. Nicht schlecht für einen Gefangenen.
Wenn man ihn im Gegenzug nicht wie die beste Kuh im Stall gemolken hätte.
Ab und zu kam ein Ifrit, befestigte seine Ketten an der Wand, um ihn bewegungsunfähig zu machen, bevor er ihm die Handfläche aufschlitzte, um einen Krug zu füllen, an dem sich der Löwe betrinken konnte. Er hasste es, der Brennstoff für die Dum Sihr seines Vaters zu sein, verbotene Blutmagie, die es einem erlaubte, die Grenzen der eigenen Begabung zu sprengen. Aber schlimmer als die Ketten und der Aderlass waren vielleicht die Handschellen, die sich über gut ein Viertel der Länge seiner Unterarme erstreckten und seine Kraft unterdrückten. Schweres schwarzes Eisen, in das Worte in Safaitisch, der Alten Zunge, eingraviert waren.
Das seltsame Ziehen und Drücken in seinen Adern forderte seinen Tribut. Es ließ seinen Geist träge werden, ein Gedanke, der ihn mehr beunruhigte als der Verlust seiner körperlichen Kraft – bedeutete er doch, dass der Löwe ihm stets einen Schritt voraus war.
Laa. Einen halben Schritt.
Ein Riegel knarrte, und Altair fläzte sich in seinen heruntergekommenen Stuhl, wobei er seine Füße trotz des Rasselns seiner Ketten auf den abgenutzten Tisch legte. Der Löwe der Nacht trat in den Laderaum, und Altair gefiel das Flattern seiner Nasenlöcher allzu gut.
»Deine Truppe ist langsam«, verkündete Altair, als ob er zu seinen uniformierten Männern sprechen würde. Nur weil er in Ketten lag, musste er ja noch lange nicht seine Würde opfern. Schließlich trugen selbst die Reichen und Edlen die ganze Zeit über protzige Ketten. »Die Küste liegt noch in weiter Ferne, und da Nasir die Silberne Hexe auf seiner Seite weiß, die Illusionen ebenso gut spinnt wie du deine Schatten, werden sie gewiss vor dir das Festland erreichen. Die Zeit ist für sie nur ein weiteres Trugbild, das sie nach ihrem Willen formen kann. Und ganz egal, wo du vorhast anzulegen, mein Bruder wird dort bereits auf uns warten.«
So viel Getöse Altair bis hierhin veranstaltet hatte, so sehr geriet er nun ins Stocken, denn sein Halbbruder war der Prinz des Todes, eben jener Meuchelmörder, den Altair nach Sharr begleitet hatte, wohl wissend, dass dessen Befehl lautete, ihn auf dieser unheilvollen Insel unter die Erde zu bringen. Nun, stattdessen hatte er ihn im Stich gelassen.
Nasir und die Zumra – Fremde, die zu Familie geworden waren – waren geflohen und hatten ihn dem Feind ausgeliefert. Laa, er konnte nicht mit Gewissheit sagen, ob sein Bruder ihn an Land erwarten würde.
Aber wenn ihn Mutter Natur mit etwas noch reichlicher beschenkt hatte als mit seinem blendenden Aussehen, dann war es sein Talent für List und Tücke.
»Deine Freiheit, Löwe, wird nur von kurzer Dauer sein«, beendete Altair seinen Vortrag auf einer etwas dürftigen Note. Akhh, Tapferkeit war eine launische Verführerin.
Der Löwe schenkte ihm den Anflug eines Lächelns, das Altair selbst schon viel zu oft präsentiert hatte. Wie der Vater, so der Sohn. Der Gedanke, dass dieser Mann dort sein Vater war, obwohl er kaum einen Tag älter aussah als er selbst, war beunruhigend. Andererseits war Altair selbst neunzig Jahre alt, sein Leben maß also ganz genau die Zeitspanne, die Arawiya nun bereits ohne Magie hatte auskommen müssen. Damit war er mehr als viermal so alt wie Nasir, sah allerdings ein gehöriges Stück frischer aus als der alte Griesgram.
»Wie soll ich dir das nur beibringen?«, fragte der Löwe. »In drei Tagen wird Anadil tot sein.«
Bediente er sich etwa ebenso gern der Kunst von List und Tücke wie Altair?
»Und dann, wenn deine Freunde das Festland erreichen, werden du und ich ihnen das Jawarat und die restlichen Herzen abnehmen.« Der Löwe legte den Kopf schief. »Wie du siehst, neige ich zu einer gewissen Weitsicht, Altair. Das ist etwas, das dir vielleicht bekannt vorkommt.«
Ja, Altair plante gern weit voraus, allerdings niemals, um einen persönlichen Vorteil zu erheischen oder eine unerfindliche Gier zu befriedigen. Ein Team zusammenstellen, die Magie wiederherstellen: ein einfacher Plan, den er und Benyamin sich ausgedacht hatten und der mit jedem Tag komplizierter geworden war.
Er weigerte sich zu glauben, dass seine Mutter sterben würde. Und auf keinen Fall war die Zumra in der Unterzahl, hatte er doch dafür gesorgt, dass in Sultansruhe Verbündete auf sie warten würden, um ihnen mit Dum Sihr schützend zur Seite zu stehen. Außerdem verfügte Nasir über Magie, und Zafira hatte die Macht des Jawarat mit Blut an sich gebunden.
Das musste einfach ausreichen. Zum ersten Mal seit langer Zeit musste Altair sich daran erinnern, zu atmen.
»Warum?«, fragte er. Das war es, was er einfach nicht begriff: Was trieb den Löwen dazu, all die Dinge zu tun, die er tat? Altair konnte nicht glauben, dass er mit jemandem das Blut teilte, der einfach nur nach Macht gierte. Es gab wahrlich keinen langweiligeren Beweggrund.
Der Blick seines Vaters erstarrte, der leuchtende Bernstein seiner Augen schien wie gefangen, allerdings nur für einen so kurzen Moment, dass Altair kaum begreifen konnte, was er da gerade gesehen hatte.
»Rache«, sagte der Löwe, ganz ohne Bitterkeit oder Nachdruck in der Stimme. Vielmehr schien es ihm eine Gewohnheit zu sein, das Wort auszusprechen. »Aber natürlich ist das nicht alles. Es muss Ordnung herrschen. Die Magie muss in den Händen derer bleiben, die fähig sind, sie zu nutzen. Glaubst du etwa, das gemeine Volk begriff das wahre Ausmaß dessen, was die Schwestern von Einst ihm so freigiebig schenkten?«
Gleichheit. Das war es, was die Schwestern Arawiya geschenkt hatten, trotz all der Fehler, die sie begangen hatten.
»Akhh, wie kreativ manch einer doch wird, wenn er seine Laster beschreibt«, entgegnete Altair tonlos und ohne Verwunderung in der Stimme. »Ordnung« war in diesem Fall nur ein anderes Wort für »Gier«. »Aber wenn das tatsächlich der Grund ist, warum du nach Magie lechzt, dann möchte ich dir ein Sprichwort in Erinnerung rufen, das jemandem mit deinem unendlichen Wissensdrang sicherlich bekannt ist: ›Magie für alle oder für niemanden.‹ Ein Dazwischen gibt es nicht.«
Es sei denn, man war ein Si’lah, wie die Silberne Hexe ganz und gar, und Altair und Nasir je zur Hälfte. Eine weitere Offenbarung, die Sharr ihm beschert hatte, war er doch sein gesamtes Leben lang davon ausgegangen, dass er ein vollblütiger und Nasir – trotz der runden Ohren – ein halbblütiger Safi war. Altair konnte wohl dankbar sein, dass er nicht zu sehr nach seinem Vater schlug – der Mann hatte schließlich nicht einmal ein Herz.
Der Löwe öffnete die Tür, die zum Oberdeck führte. Es war seltsam, wie oft er kam, um Altair zu sehen, dies aber scheinbar ohne jeden Grund. Sein dunkler Thawb schimmerte im schwindenden Licht leicht violett, und wie sehr Altair sich auch dagegen sträubte, so wünschte er sich doch, sein Vater würde noch ein wenig länger bleiben.
Die Stille war zu laut, die Dämonen zu real.
Worte kamen über Altairs Lippen, ohne dass er es wollte. »Trauerst du um ihn?«
Wie sich die Lebenden fühlten, interessierte die Toten wenig, aber je länger Altair allein war, desto mehr dachte er an seinen Herzensbruder.
»Ich weiß alles über Benyamins Zirkel der Hohen Safin«, fuhr er fort, auch wenn die Worte sein uraltes Herz zerpflückten. »Gegen ihren Willen hat er dich aufgenommen, und du hast ihn mit verfluchtem Erz abgeschlachtet. Du weißt genau, wie sehr er in diesen letzten Momenten leiden musste.«
Der Löwe drehte sich um, kühl und abwägend, als hätte er darauf gewartet, dass Altair auf diese Angelegenheit zu sprechen käme. »Er hätte nicht versuchen sollen, jemand so Wertlosen zu retten.«
Benyamin hatte für Nasir nie etwas übriggehabt. Selbst in den Jahren ihrer Planung, als Altairs Ziel darin bestanden hatte, den Kronprinzen auf den Thron zu bringen, war der Safi dagegen gewesen. Irgendwo auf Sharr hatte sich das jedoch geändert, und zwar in einem Maße, dass Benyamin Nasir schlussendlich als würdig genug befunden hatte, um seine eigene Unsterblichkeit für ihn zu opfern.
»Du bist wahrlich herzlos«, sagte Altair mit einem müden Lachen.
Der Löwe lächelte höhnisch. »Solange ich kein Herz habe, lässt sich wohl kaum etwas anderes erwarten.«
Für einen gedehnten Moment blickte er Altair an, und Altair blickte zurück.
»Die Toten fühlen keinen Schmerz«, sagte der Löwe schließlich leise, und Altair schloss wie von selbst die Augen. Vielleicht war es dieser Ausdruck von Gefühlen, der seinen Vater dazu brachte, fortzufahren. »Deine Freunde hingegen wussten genau, welchen Schmerz du empfinden würdest, wenn sie dich zurücklassen. Du hast dein kleines Lichtspektakel aufgeführt und sie gerettet, doch wofür? Wie fühlt es sich an, im Stich gelassen zu werden?«
Altair versteifte. Er redete sich nur zu gern ein, für alles gewappnet zu sein, dies war jedoch immer noch ein schmerzhaft wunder Punkt. Er stieß ein Lachen aus, eines von vielen, die ihm zur Verfügung standen. »Du willst, dass ich mit dir über Gefühle spreche?«
Die Augen des Löwen glühten, und das Schiff schaukelte, das Knarren schwankender Taue geisterte gespenstisch durch die Stille. »Wenn dich irgendwer verstehen kann, dann doch wohl dein Vater.«
»Ich fühle mich geschmeichelt«, murmelte Altair und rüttelte an seinen Ketten. In der ersten Nacht hatte er diesen Ort mit Licht erfüllt, bevor er gelernt hatte, was die Handschellen mit ihm anstellten. »Aber ich würde sagen, so behandelt man keinen Sohn.«
Der Löwe sah ihn nur an. »Sie haben dich deinem Schicksal überlassen, Altair.«
Altair presste die Lippen zusammen, denn er wollte seinem Vater nicht die Genugtuung einer Antwort geben, doch der Löwe war beharrlich – eine weitere Eigenschaft, die sie beide teilten.
»Sie wussten, dass ich deine einzige Zuflucht sein würde.«
Altair brauchte die Augen nicht zu schließen, um zu sehen, wie die anderen mit um die Füße wirbelndem Sand auf das Schiff zugerannt waren. Nasir. Zafira. Kifah. Seine Mutter, die ihn nie geliebt hatte. Nicht ein einziges Mal hatten sie zu ihm zurückgeblickt.
Nicht, als der Abstand zwischen ihnen immer größer geworden war.
Nicht, als sie den Anker von Benyamins Schiff gelichtet hatten.
»Sie haben sich genommen, was sie brauchten, und den Rest weggeworfen«, sagte der Löwe mit seiner Stimme wie samtene Finsternis, während Altair sich auf die Zunge biss, um nicht zu antworten. »Keinen weiteren Gedanken haben sie daran verschwendet.«
Nicht einmal, als er auf die Knie gezwungen worden war und ihm die Schatten die Kehle zugeschnürt hatten.
»Selbst Benyamins Leiche haben sie zurückgelassen.«
»Ich war dort«, bellte Altair schließlich. »Ich muss das nicht noch einmal erleben.«
Der Löwe lächelte nicht. Er war nicht schadenfroh. Nein, er sah Altair mitfühlend an, als ob er seinen Schmerz verstünde. Dann ließ er ihn in der Dunkelheit zurück, und Altair versenkte das Gesicht in den Händen.
Der Tod begann kurz vor Sonnenaufgang mit einem Klappern. Bald war es zu einem ohrenbetäubenden Rattern angeschwollen, und die Kabine bebte so heftig, dass Zafira Angst hatte, ihr würden die Zähne ausfallen. Die schwankenden Laternen führten ein Schattenspiel auf, in dem die Zumra in den Tod zu taumeln schien und die Herzen zu Staub zu zerfallen schienen.
Zafira warf das Jawarat in ihre Schultertasche, stopfte ihre Pfeile in den Köcher und eilte so schnell die Treppe hinauf, dass sie beinahe stolperte. Fast war es so, als könnte sie nur dann klar denken, wenn sie das Buch nicht in Händen hielt.
Sie hatte die letzten drei Tage damit verbracht, die abgenutzten Seiten durchzublättern, und dabei Mühe und Not gehabt, sich auf das alte Safaitisch zu konzentrieren. Manchmal kam es ihr geradezu so vor, als wollte das Buch nicht gelesen werden. Was es wollte, war, dass es jemand in der Hand hielt und seine Seiten aufschlug und die schwungvollen Kurven und diakritischen Punkte der Buchstaben bestaunte. Es waren Wünsche, die Zafira nachvollziehen konnte, so absurd es auch scheinen mochte, dass ein Buch überhaupt etwas wünschen konnte. Doch nicht weniger absurd war es ja, dass ein Gegenstand sprechen konnte – und dass er jemanden beeinflussen konnte.
Zafira war nicht einfältig, ihr war nur allzu bewusst, dass das Jawarat mit ihr spielte und dass jede ihrer Handlungen umso gefährlicher wurden, je mehr sie seinen Einflüsterungen lauschte, um zu begreifen, was es wollte. Das machte sie argwöhnisch, denn sie hielt nun mehr als nur einen Bogen in den Händen, mehr als nur das Schicksal eines glücklosen Rehs oder Hasen, sondern die Zukunft von ganz Arawiya und der Herzen, die früher einmal den Sechs daama Schwestern von Einst gehört hatten.
Das Problem war nur, dass sie nicht aufhören konnte, dem Folianten zuzuhören.
An Deck waren die rauen Rufe der zaramesischen Seeleute weder von Furcht noch von Panik durchzogen, und als das Schütteln abflaute, konnte Zafira nur die Stirn runzeln angesichts der zahllosen Gesichter, die müde, jedoch heiter dreinblickten.
»Was war das für ein Geräusch?«, fragte sie laut, um den Wind zu übertönen.
»Der Anker«, rief Nasir von der anderen Seite des Decks.
Im selben Moment erkannte Zafira den Grund für den ganzen Radau. Träge schlängelte sich der Rand des Meeres an einer bernsteinfarbenen Küste entlang. Im Landesinneren wogten Dünen, und am erwachenden Horizont war der Sand in ein Gold getaucht, das an Deens und Yasmines Locken erinnerte, die sich in der Brise wiegten.
Beim Gedanken an ihre Freunde musste Zafira eine Mischung aus Angst und Sehnsucht hinunterschlucken. Sie wollte zu Yasmine, um ihr zu sagen, wie leid es ihr tat, dass sie ihren Bruder nicht hatte retten können und … dass sie ihn nicht genug geliebt hatte. Aber so sehr sie sich auch wünschte, sie – und Umm und Lana – wiederzusehen, konnte sie ihre Angst davor dennoch nicht leugnen.
»Sultansruhe«, verkündete Jinan. »Die Stadt, die niemandem gehört und doch alle beherrscht.«
Jedes arawiyanische Kind wusste von Sultansruhe. In der Schule studierten sie Karten und die Geschichte der Hauptstadt. Ehe der Arz aufgetaucht war, hatte man hier einen geschäftigen Hafen unterhalten, und an den Ufern hatte zwischen mit bunten Stoffen bespannten Ständen, prächtigen Gebäuden mit Spitzfenstern und himmelstrebenden Minaretten das Leben getobt.
Das Hafenviertel war noch da, aber trist und leblos. Abgesehen von dem trägen Falken, der über ihnen kreiste, lebten hier nur noch Geister.
»Das Volk zog die Angst vor dem Arz der Angst vor dem Sultan vor«, erklärte Nasir.
Zafira konnte es vor ihren inneren Augen sehen, das Leben, schon von Weitem angekündigt durch aufgewirbelten Sand und Stimmengewirr, das die Brise von den im Dunst liegenden Minaretten herübertrug.
»Doch es wird nicht lange dauern, bis das Volk wieder hierher zurückkehrt«, sagte Kifah, »jetzt, wo der Arz weg ist.«
Der verfluchte Wald war tatsächlich verschwunden.
Bei seinem Rückzug hatte er Chaos hinterlassen – Büsche und Zweige, Felsen und Kadaver. Kaum eine Woche war vergangen, seit der Fluch, der auf Arawiya gelegen hatte, aufgehoben worden war, doch der Sand hatte bereits begonnen, die Überreste des Waldes zu verschlingen. Die dunklen Bäume waren nirgends mehr zu sehen, fast so, als hätten sie sich in den Boden zurückgezogen, Sharrs Klauen – oder vielleicht auch die des Löwen – waren verschwunden.
»Kein einziges Tier in Sicht, Jägerin«, stichelte Kifah. »Beinahe könnte man meinen, dass du nur ein Mythos warst.«
»Sie sind wohl ins Landesinnere geflohen«, erklärte die Silberne Hexe, sie sich zu ihnen gesellt hatte.
Zafira hatte gewusst, dass der Arz weg war, seit die Zumra die fünf Herzen aus den großen Bäumen auf Sharr geborgen und der Löwe eines davon gestohlen hatte. Daraufhin waren sie geflohen und hatten Altair zurückgelassen. Jede Meile, die das Schiff in den vergangenen Tagen vorangesegelt war, hatte Zafira daran erinnert, dass der Arz gefallen war, dieses sich immer weiter ausbreitende Grab, dieser dunkle, unzähmbare Wald, der sie zu der gemacht hatte, die sie war.
Seine Abwesenheit mit eigenen Augen zu sehen, war jedoch etwas völlig anderes. Diese Endgültigkeit riss die Wunde, die die Silberne Hexe mit ihren scharfen Worten gerissen hatte, nur noch weiter auf. Zafira erschauderte ob der Stille und der Veränderung, die in der Luft lagen.
Wer bin ich?, fragte sie das Meer. Es flüsterte ihr eine Antwort zu, die sie nicht verstand, und sie erinnerte sich an einen ähnlichen Moment wie diesen, als sie an einem Ufer inmitten glatter schwarzer Steine gestanden hatte.
Vor ihrem inneren Auge sah sie die winkende Yasmine in ihrem blassblauen Kleid. Daneben Lana, ihre herzallerliebste Schwester. Misk, der ihr zum Abschied zunickte, ein Spion, von dem keiner von ihnen etwas geahnt hatte, was noch immer so wäre, hätte Benyamin dieses Geheimnis nicht auf Sharr enthüllt. Die unheilvollen Worte des Safis über Demenhur hallten in Zafiras Gedanken wider. Dass der Sultan ein Auge auf Arawiyas zweitgrößte Armee geworfen hatte und sie unter seine Kontrolle bringen wollte, wie er es mit jener von Sarasin bereits getan hatte.
»Wir hätten zuerst nach Demenhur segeln sollen«, sagte sie zum tausendsten Mal, als Nasir ihr zum Langboot folgte, die Kiste mit den Herzen in Händen, und weil sie nicht so selbstsüchtig klingen wollte, wie sie sich fühlte, fügte sie hinzu: »Um den Kalifen um Hilfe zu bitten. Wer weiß, wo sich der Löwe gerade aufhält.«
Mit einem Anflug von Schuldgefühlen wandte sie den Blick von der kleinen Kiste ab. War es selbstsüchtig, an ihre Familie zu denken und sichergehen zu wollen, dass sie in Sicherheit war? Oder wäre es im Gegenteil selbstsüchtig gewesen, die Rettung der sterbenden Herzen über ihre Familie zu stellen?
»Wer die Heuer bezahlt, steht am Steuerrad«, zitierte Jinan eine alte Seemannsweisheit, »und Effendi Haadi hat uns angewiesen, hierherzukommen.«
Benyamin war tot, dachte Zafira, doch sie sprach diesen Gedanken nicht aus. Mit einem Seufzer stieg sie in das Boot, und ein Teil von ihr schreckte auf, als sich Nasir ihr gegenüber hinsetzte und sein Knie das ihre berührte. Reiß dich zusammen.
Sie waren auf dem Weg nach Sultansruhe, wo sich die Menschen vor ihm verbeugen würden und eine Krone auf seinem Kopf säße. Der Tod war sein Begleiter, die Finsternis sein Diener, und dennoch stockte Zafira der Atem, als sein Haar in der zarten Sonne glänzte und er leise lächelnd das Ruder ergriff, wobei sich die Haut um seine Mundwinkel kräuselte wie die Verpackung eines Bonbons.
Und dann schaute er sie an, wandte das Gesicht jedoch ab, als ein silberner Lichtblitz ihre Aufmerksamkeit zum Deck von Jinans Schiff lenkte. Als das Boot begann, ins Meer zu sinken, wurde Zafira klar, dass sie und die Silberne Hexe ab hier getrennte Wege gehen würden.
Anadil neigte den Kopf, und voller Überraschung stellte Zafira fest, dass sie die alte Frau vermissen würde. Zumindest ein wenig.
Die Hexe blickte ihren Sohn zum Abschied eindringlich an, wobei Nasir verkrampfte und sein Mund versteinerte. Jede Empfindung hielt er an der kurzen Leine, versteckt hinter seinen aschgrauen Augen.
Das Langboot setzte auf dem ruhigen Meer auf, ganz im Schatten der Galionsfigur der Anqa, die im goldenen Schein der Sonne badete. Sie stellte einen Vogel mit gekrümmtem Schnabel dar, dessen gefiederte Flügel sich zu Flammen kräuselten. Ein Phönix. Über den Segeln wehte ein meergrünes Banner mit dem Emblem Zarams, einer goldenen Axt mit drei Blutstropfen. Im steten Rhythmus schlugen die Ruder in das azurblaue Wasser. Das immer gleiche Geräusch lullte Zafira geradezu ein, als Jinan mit einem Mal zu plaudern begann und ihre Besatzung es ihr nur allzu bereitwillig gleichtat, bis sich allerorts ein Geschnatter über alles und nichts eingestellt hatte.
»Wie kann man sich nur derart in solch oberflächlichem Geplapper ergehen?«, fragte Kifah schließlich so erschöpft, dass es beinahe witzig war.
Zafira hörte Jinans Erwiderung nicht, denn als sie sich dem Land näherten, lief ihr mit einem Mal ein kalter Schauer über den Rücken. Etwas lag in der Luft, eine Warnung, und ein Jäger – eine Jägerin – hörte immer auf die Zeichen in ihrer Umgebung. »Irgendetwas stimmt nicht«, murmelte sie.
Kifah trommelte mit ihrem Speer auf ihren Oberschenkel und schüttelte den Kopf. »Was haben wir schon zu befürchten? Wir sind Geister, die Unrecht wiedergutmachen. Wir lassen uns durch nichts aufhalten.«
»Hochtrabende Worte haben noch niemanden am Leben gehalten«, sagte Jinan, als das Boot am Ufer auf Sand lief.
»Dann hättest du mal Altair kennenlernen sollen«, entgegnete Kifah.
Zafira ging als Erste an Land, Gänsehaut auf den Armen als Zeichen ihres wachsenden Unbehagens. Der feuchte Sand schmatzte unter ihren Füßen, als sie ein paar Schritte wagte, während die Seeleute das Boot wieder ins Wasser schoben, um mit lauten Abschiedsrufen zurück zum Schiff zu rudern.
Jinan jedoch ging nicht mit zurück an Bord. Sie stand da, streckte die Glieder und war für die Bedrohung offenbar so blind wie die anderen. »Nichts ist mir lieber als ein Schiffsdeck unter den Füßen und die See um mich herum, aber es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass dies hier kein schöner Flecken Erde ist.«
»Akhh, kleiner Feuervogel«, sagte Kifah. In ihrer Stimme lag ein gewisser Eifer, jetzt, da sie aus der Enge des Schiffes befreit war. »Du klingst wie ein alter Mann. Und überhaupt, warum fährst du nicht mit den anderen zurück?«
»Ich fürchte, ich werde euch an den Fersen kleben, bis ich mein Silber eingestrichen habe. In der Zwischenzeit bringen meine Leute die Hexe zu den Hessa-Inseln und kehren dann wieder hierher zurück. Ich bin mir nicht sicher, ob man dem Angebot einer Hexe trauen kann, aber es war zu gut, um es auszuschlagen.«
»Was willst du mit so viel Silber machen?«, fragte Kifah spöttelnd. »Dir einen Hocker kaufen?«
»Seid still«, zischelte Nasir plötzlich, und Zafira spannte im Nu ihren Bogen, die straffe Sehne ein willkommenes wie vertrautes Gefühl zwischen ihren Fingern. Kifah schwenkte ihren Speer, während Nasir die Kiste mit den Herzen vorsichtig unter einen Arm klemmte und seinen Säbel zog.
Das Sonnenlicht funkelte über den sich bewegenden Sand und die verlassenen Bauten, und Zafira sah die vermummten Gestalten erst, als ihr etwas in den Hals stach und die Welt um sie dunkel wurde.
Die Ruhe, die auf das ohrenbetäubende Geräusch folgte, das der Anker beim Auswerfen erzeugte, war unendlich viel schlimmer als jede Stille, die Altair jemals gehört hatte. Schlimmer als die Stille, die auf die Salbung eines frischen Leichnams folgte. Schlimmer als die Stille, nachdem ein Angebot abgelehnt worden war.
Nun, vielleicht war Letzteres doch schlimmer. Woher sollte er das wissen? Schließlich war er jemand, dem sich keiner je verweigerte.
Er erkannte den dunklen Sand und den trüben Himmel von Sarasin sofort wieder. Obwohl es jetzt heller war und der Sand nicht mehr so schwarz, war dieser Ort die perfekte Zuflucht für die Ifrit, und eine Vorahnung mischte sich unter den Hunger in Altairs Magen. Wie sich seine Mutter wohl gefühlt hatte, als sie nach dem Fall der Schwestern und der Gefangennahme des Löwen von Sharr geflohen war, in ihrem Schoß eine neue Bürde? Wie hatte es sich angefühlt, eine fremde Identität anzunehmen und ihren Söhnen vorzulügen, sie stammten von Safin ab, ein Erbe, weit niederer als jenes der seltenen Si’lah?
Altair schob die Gedanken beiseite.
Er folgte dem Löwen die Planke hinunter, schwang die Arme hin und her und rasselte so laut mit seinen Ketten, dass man selbst noch drüben in Zaram die Toten damit hätte aufwecken können. Mit dem Blick suchte er die baufälligen Häuser nahe dem Ufer in der Hoffnung ab, dort jemanden zu entdecken, der gekommen war, um ihm zu helfen. Doch da war niemand.
Ein Gefühl von Verlassenheit überkam ihn, und er versuchte, es abzuschütteln. Gewiss hatte die Zumra das Festland noch nicht erreicht, andernfalls wäre sie hier gewesen. Oder vielleicht doch nicht? Er wusste, dass Nasir und die anderen dringend nach Sultansruhe mussten, aber dennoch: Hätte er einen Kameraden verloren, würde er jeden Umweg in Kauf nehmen, um ihn zu finden.
»Sie sind nicht hier.«
Altair schreckte auf, als die Stimme des Löwen erklang. In der ausgestreckten Hand hielt er die Hälfte eines Laibs Pitabrot. Den Rest hatte er in der anderen, offenbar für sich selbst. Nur Nasir halbierte sein Essen in solch perfektem Gleichmaß. »Und doch schweift dein Blick immer wieder zum Horizont und sucht nach denen, die niemals kommen werden«, sprach der Löwe weiter.
Still, still, schien das Wasser zu flüstern, während es auf den Strand rollte auf der Suche nach Geheimnissen, die es zu neuen Ufern tragen konnte.
»Ich bin ein General«, antwortete Altair schließlich. Zögernd nahm er das Essen entgegen, denn der Hunger dämpfte seinen Stolz. »Ich bin stets wachsam.«
Der Löwe brummte. »Wir finden sie, keine Sorge. Wenn sie nicht zu dir kommen wollen, werden wir zu ihnen gehen.«
»Und wie stellst du dir das vor?«, fragte Altair müde.
»Mit unser beider Blut. Dum Sihr. Es gibt einen Zauberspruch, der die Begabung der Jägerin imitiert. Ich muss ihn nur finden.« Der Löwe runzelte die Stirn, als ihm die ungewollte Ironie seiner Worte bewusst wurde.
Als Altair von der Planke stieg, verspürte er eine gewisse Erleichterung. Zwar war der Wüstensand alles andere als fester Boden unter den Füßen, doch wenigstens schwankte er nicht so wie das Meer. Was die Wüste jedoch mit dem Ozean gemein hatte, war ihre endlose Kargheit. Ein reines Nichts, das sich über Meilen und Meilen erstreckte. Die Leere sickerte Altair in die Brust.
»Warum?«, fragte der Löwe plötzlich, den Kopf neugierig zur Seite geneigt. Im Schein der Sonne schillerten die kühnen Linien seiner Tätowierung. »Du hast keinen Namen. Keinen Thron. Arawiya hat dir nichts gegeben, du ihm hingegen alles.«
Was er wissen wollte, war, zu welchem Zweck Altair dies getan hatte.
Altair wusste schon seit geraumer Zeit, dass er niemals Herrscher werden würde. Seine Mutter hatte ihn viel zu lange im Verborgenen gehalten. Nicht ein einziges Mal hatte sie den kleinen Jungen an ihrer Seite als ihren Sohn bezeichnet. Nicht ein einziges Mal hatte sie gemeinsam mit ihm gespeist oder ihn an der Hand gehalten.
Sein Anblick war zu schmerzhaft für sie gewesen, eine Erinnerung an einen furchtbaren Frevel.
Jahrzehnte später war Ghameq zu ihrem Nachfolger gewählt worden, der erste Sterbliche auf dem Güldenen Thron. Doch Altairs Schicksal war schon lange davor besiegelt gewesen, als dem Sultanspaar ein Erbe geboren worden war, dunkelhaarig und grauäugig. Ein vielversprechender Junge, der zu Großem bestimmt war – bis man ihn zu einer Klinge geschmiedet hatte.
Womöglich hätte Altair die Eifersucht gepackt, wäre sein Naturell ein anderes gewesen und hätte ihn der Thron geschert, und hätte er nicht gewusst, welche Prüfungen und Probleme dieser goldene Stuhl mit sich brachte.
Aber er war scharfsinnig.
Seine Mutter hatte die Schatten, in denen er sich aufgehalten hatte, stets im Auge behalten – nicht um darauf zu achten, dass er dort blieb, sondern um dafür zu sorgen, dass er in Sicherheit war. Sie hatte ihm die schönsten Gemächer des Serails überlassen und alle Freiheiten eines Prinzen gewährt. Die Vormundschaft über ihn und seine Ausbildung hatte sie nur von den Besten der Besten besorgen lassen. All dies waren kleine Bröckchen Liebe gewesen, mit denen sie ihn gefüttert hatte, und ein jedes davon hatte sein Herz durchgewirbelt und ihn gelehrt, wie wertvoll, aber auch wie unbeständig Gefühle waren.
Er liebte Arawiya, und weil es niemanden gab, der ihn liebte, liebte er sich selbst, und das so sehr, dass er sein Leben dem Ziel widmete, sich diese Liebe zu verdienen und sicherzustellen, nicht die Geißel zu sein, die seine Mutter in ihm sah.
»Glaubst du, sie wollte dich vor mir verstecken?«, fragte der Löwe, und der fehlende Spott in seinem Ton ließ Altair innehalten.
Nein, Altair glaubte nicht, dass die Silberne Hexe seinen Vater auf diese Weise gefürchtet hatte – zumindest nicht, bis er seine Krallen in Ghameq versenkt hatte.
»Falls es so war, war es jedenfalls nicht zu meinem Nachteil.« Er lehnte sich zurück und bohrte die Fersen in den Sand.
Der Anflug eines Lächelns umspielte die Züge des Löwen. »Wohl wahr. Letztendlich hat sie dich auch nicht mehr im Stich gelassen als die anderen. Selbst Benyamin hat sich in gewisser Weise für den Kronprinzen entschieden, als er sich meinem Streitkolben in den Weg warf.«
Altair war es gewohnt, in allen Dingen nur an zweiter Stelle zu stehen. Das machte ihm nichts aus – zumindest redete er sich das ein.
Doch warum fühlte es sich dann so an, als würden Messer an seinem Herzen ritzen? Warum pochten ihm die Adern in seinen Armen mit einem Mal so inbrünstig gegen die Haut?
»Und du hast dich hingegen für mich entschieden?«, fragte Altair spöttisch. »Ist es das, was du mir weismachen willst? Falls ja, wärst du überzeugender, wenn du mich nicht wie ein Tier hättest fesseln lassen.«
Der Löwe ließ seinen Blick aus bernsteinfarbenen Augen grübelnd auf die Ketten fallen. »Nun, vielleicht hast du recht. Womöglich ist die Zeit reif für ein neues Bündnis.«
Altair ignorierte das Klopfen und Kribbeln in seinem Blut. Dieses Gefühl, das sich einstellte, wenn man den Eindruck hatte … gebraucht zu werden.
»Rache passt nicht zu mir, Baba.«
Der Löwe dachte darüber nach und betrachtete seinen Sohn, während die Sonne höher stieg und der Wind zwischen ihnen wehte. Schließlich trat er beiseite, und im nächsten Augenblick rauschte eine schwarze Woge an ihm und Altair vorbei und ergoss sich über Sarasin. Die Horde in ihrer wahren Gestalt, formlose, sich stetig wandelnde Wesen aus rauchlosem Feuer, einige mit Flügeln und Klauen, unbehelligt von menschlichen Begrenzungen.
Der Löwe lächelte. »Ziehet los, die ihr von meiner Sippe seid«, befahl er sanft.