Web Analytics & Web Controlling - Andreas Meier - E-Book

Web Analytics & Web Controlling E-Book

Andreas Meier

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Beschreibung

Das Controlling der digitalen Wertschöpfungskette gewinnt in der Informations- und Wissensgesellschaft an Bedeutung. Geeignete Instrumente der Business Intelligence helfen, die webbasierten Geschäftsziele zeitgerecht und in der geforderten Qualität zu erfüllen. Das Buch erläutert die wichtigsten Methoden für Web Analytics und Web Controlling. Es beschreibt konkrete Metriken und Kennzahlen für die Inhaltsnutzung und das Besucherverhalten. Der Leser erhält wertvolle Hilfestellung bei der Optimierung von Webplattformen, beim Onlinemarketing, Kundenbeziehungsmanagement sowie Web Controlling.

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iiAndreas Meier ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg, Schweiz. Seine Schwerpunkte sind eBusiness, eGovernment sowie Daten- und Informationsmanagement. Nach Musikstudien in Wien diplomierte er in Mathematik an der ETH in Zürich, doktorierte und habilitierte am Institut für Informatik. Er war Systemingenieur bei der IBM Schweiz, Direktor bei der Großbank UBS und Geschäftsleitungsmitglied bei der CSS Versicherung.

Darius Zumstein ist Web Analytics Manager bei Kabel Deutschland. Er war Forschungsassistent am Departement für Informatik an der Universität Fribourg und promovierte dort zum Thema Web Analytics. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Fokus auf ICT-Management und electronic Business arbeitete er als Web Analytics Consultant bei der FELD M GmbH und als Web Analytics Professional bei FriendScout24 GmbH in München. Zuvor war er für verschiedene Schweizer Unternehmen im Bereich Internet und Content Management tätig.

Web Analytics & Web Controlling

Webbasierte Business Intelligence zurErfolgssicherung

Edition TDWI

iiiAndreas Meier · Darius Zumstein

                      

ivAndreas [email protected] [email protected]

Lektorat: Vanessa Wittmer, Christa PreisendanzCopy Editing: Ursula Zimpfer, HerrenbergHerstellung: Nadine Thiele, Birgit BäuerleinUmschlaggestaltung: Anna Diechtierow, HeidelbergDruck und Bindung: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn

Fachliche Beratung und Herausgabe von dpunkt.büchern in der Edition TDWI: Marcus Pilz · [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:Buch 978-3-89864-835-6PDF 978-3-86491-211-5ePub 978-3-86491-212-2

1. Auflage 2013Copyright © 2013 dpunkt.verlag GmbHRingstraße 19B69115 Heidelberg

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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vVorwort

Das Controlling der digitalen Wertschöpfungskette gewinnt in der Informations- und Wissensgesellschaft immer mehr an Bedeutung. Geeignete Instrumente des Web Analytics und Web Controlling helfen, die Nachfrage der Webinhalte und das Verhalten der Nutzer zu messen und zu analysieren. Daraus ergeben sich Maßnahmen, um die mit der Website zusammenhängenden Ziele zeitgerecht und in der geforderten Qualität zu erfüllen.

Web Analytics umfasst die Evaluation, Definition, Messung und Auswertung von Webkennzahlen, um die Nachfrage der Inhalte der Website und das Benutzerverhalten analysieren zu können. Damit lassen sich webbasierte Ziele überprüfen und bei auffälligen Abweichungen von den Zielvorgaben können Handlungsoptionen erarbeitet und umgesetzt werden. Das Web Controlling hat den Zweck, in einem Führungskreislauf die Umsetzung des webbasierten Geschäftsmodells zu überwachen und darauf aufbauend Erfolg versprechende Maßnahmen für das elektronische Geschäft und das Kundenbeziehungsmanagement abzuleiten. Als Zielsetzung gilt die Sicherung und Steigerung des Unternehmenswertes.

Dieses Grundlagenwerk erläutert die Methoden und Prozesse des Web Analytics und Web Controlling. Es beschreibt konkrete Webkennzahlen für die Inhaltsnutzung und das Besucherverhalten und zeigt, wie das Performance Measurement im digitalen Zeitalter funktioniert. Es hilft dem Leser z.B. bei der Optimierung der Webplattformen (Design, Navigation, Content, Usability), im Onlinemarketing (z. B. Kampagnen- und Suchmaschinenoptimierung), beim Kundenbeziehungsmanagement (Segmentierung, Gewinnung, Bindung) sowie beim Controlling der webbasierten Marktleistung (Sicherung des Unternehmens- und Kundenkapitals).

Das Fachbuch richtet sich an Führungsverantwortliche und Projektleiter in der Praxis, die Web Analytics und Web Controlling als strategisches Werkzeug der Business Intelligence einschätzen und im viUnternehmen entsprechend verankert sehen möchten. Zudem richtet es sich an Studierende der Wirtschaftsinformatik oder der Wirtschaftswissenschaften an Fachhochschulen und Universitäten, die sich dem eBusiness verschrieben haben und ein Instrument zu dessen Erfolgskontrolle suchen.

In diesem Werk wird die Evaluation von relevanten Webmetriken und Webkennzahlen bewusst mit dem strategischen Entwicklungsprozess und der digitalen Wertschöpfungskette verknüpft. Umgekehrt sollen die festgelegten Webkennzahlen in den operativen Marketing- und Verkaufsaktivitäten frühzeitig aufzeigen, ob und wie die Ziele der Webstrategie erreicht werden und welches mögliche Ursachen für Abweichungen sein könnten. Ein geschlossener Führungskreislauf, basierend auf den Eckpfeilern Business Intelligence, Web Analytics und Web Controlling, dem analytischen Webkernteam und operativen Webspezialisten, soll beitragen, den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern.

An dieser Stelle möchten wir uns bei den folgenden Fachkolleginnen und -kollegen für Anregungen und Verbesserungsvorschläge bedanken: Mario Casarano, Aleksandar Drobnjak, Marco Hassler, Patrik Hugi, Matthias Knoll, Steffen Möller, Thomas Myrach, Marcus Pilz, Nicolas Werro, Carsten Felden und Dario Züger. Zudem verdanken wir Kommentare und Verbesserungsvorschläge von anonymen Experten aus dem Umfeld des Verlages.

Ein besonderes Dankeschön richten wir an Christa Preisendanz, Vanessa Wittmer und Ursula Zimpfer vom dpunkt.verlag für die angenehme Zusammenarbeit.

Ebenfalls dankbar sind die Autoren für Kritik und Verbesserungsvorschläge zu diesem Buch. Sie können uns über die Website www.WebAnalyticsWebControlling.org kontaktieren, wo sie auch weitere Informationen und nützliche Links zum Thema erhalten. Gerne beantworten wir auch Ihre Fragen per E-Mail, bitte senden Sie die E-Mail an [email protected] und [email protected].

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und freuen uns über jede Kontaktaufnahme.

Andreas Meier und Darius Zumstein Fribourg und München, im September 2012

viiInhalt

1    Zum Controlling der digitalen Wertschöpfungskette

1.1    Digitale Wertschöpfungskette

1.2    Austauschoptionen im eBusiness

1.3    Definitionspyramide der webbezogenen BI

1.4    Kapitelübersicht

2    Webbasierte Geschäftsmodelle

2.1    Komponenten eines webbasierten Geschäftsmodells

2.2    Klassifikation webbasierter Geschäftsmodelle

2.2.1    Business Web vom Typ Agora

2.2.2    Business Web vom Typ Aggregator

2.2.3    Business Web vom Typ Integrator

2.2.4    Business Web vom Typ Allianz

2.2.5    Business Web vom Typ Distributor

2.3    Vergleich und Bewertung von Business Webs

2.4    Gemeinschaftsbildung im Market Space

2.5    Zur Charakterisierung sozialer Netze

2.6    Wertbeitrag zum sozialen Kapital

2.7    Ertragsmodelle

3    Business Intelligence & Web Controlling

3.1    Website Governance

3.2    Regelkreis des Web Controlling

3.3    Organisationspyramide und Gremien

3.3.1    Web Steering Committee

3.3.2    Webkernteam

3.3.3    Operative Einheiten

viii3.4    Berufsbilder

3.4.1    Chief Web Officer

3.4.2    Web Controller

3.4.3    Webmaster

3.5    Anspruchsgruppen und Zielgruppen

3.6    Immaterielle Vermögenswerte

3.6.1    Intellektuelles Kapital

3.6.2    Informationskapital

3.6.3    Webkapital

3.7    Vorgehensmethodik

3.8    Ordnungsmäßigkeit

4    Nutzenpotenziale des Web Controlling

4.1    Optimierung der Website

4.1.1    Optimierung des Contents

4.1.2    Optimierung der Navigation

4.1.3    Optimierung des Designs

4.1.4    Optimierung der Usability

4.2    Optimierung des eMarketing

4.2.1    Erfolgsmessung von Bannerwerbung

4.2.2    Sichtbarkeit und Suchmaschinenoptimierung

4.2.3    Erfolgsmessung des Suchmaschinenmarketings

4.2.4    Social Web Monitoring

4.2.5    Erfolgsmessung weiterer Marketinginstrumente

4.3    Optimierung des Kundenbeziehungsmanagements

4.3.1    Erhöhung der Kundennähe

4.3.2    Optimierung der Kundenakquisition

4.3.3    Optimierung der Kundenbindung

4.3.4    Optimierung der Kundensegmentierung

4.4    Prozessoptimierung

4.5    Strategisches Management und Entscheidungsunterstützung

4.6    Vorteile für das eBusiness

5    Metrikmodelle & Webkennzahlen

5.1    Metriken und Kennzahlen

5.1.1    Webmetriken

5.1.2    Webkennzahlen

5.1.3    Key Performance Indicators

5.2    Kennzahlensystem für das Web Controlling

ix5.3    Metrikmodell zum Web Content Controlling

5.3.1    Seitenzugriffe

5.3.2    Besuche

5.3.3    Besucher

5.3.4    Absprungrate

5.3.5    Page Stickiness

5.3.6    Verweildauer auf einer Webseite

5.3.7    Besuchsdauer

5.3.8    Besuchstiefe

5.3.9    Besuchshäufigkeit

5.3.10    Besuchsaktualität

5.4    Überblick zu den Kennzahlen der Transaktion

5.4.1    Website-to-Product-Page-Rate

5.4.2    Click-to-Basket-Rate

5.4.3    Basket-to-Buy-Rate

5.4.4    Bestellrate

5.4.5    Abbruchrate

5.4.6    Konversionsrate

5.4.7    Erstkäufer und Wiederholungskäufer

5.4.8    Kauffrequenz

5.4.9    Kaufaktualität

5.4.10    Finanzkennzahlen

5.5    Überblick zu den Metriken der Kommunikation & Integration

5.6    Analyse und Optimierung des eBusiness anhand geeigneter Webkennzahlen

6    Auswertungen mit unscharfen Methoden

6.1    Unscharfe Logik

6.2    Vorteile unscharfer Kundensegmentierung

6.3    Webmetriken mit linguistischen Variablen

6.4    Zur Aggregation unscharfer Webkennzahlen

6.5    Hierarchische Dekomposition beim Web Controlling

6.6    Nutzenpotenziale

7    Regelkreis Web Controlling

7.1    Analyse der Websitenutzung

7.2    Web Content Controlling

7.3    Web User Controlling

7.4    Analyse der Erreichung der Website-Ziele

7.5    Fazit zum Web Controlling

x8    Webbezogene Business Intelligence

8.1    Referenzarchitektur zur webbezogenen BI

8.2    Direktes Web Analytics

8.2.1    Typische Funktionsweise von Szenario 1

8.2.2    Vorteile des direkten Web Analytics

8.2.3    Nachteile des direkten Web Analytics

8.3    Integriertes Web Analytics

8.3.1    Typische Funktionsweisen von Szenario 2

8.3.2    Vorteile beim integrierten Web Analytics

8.3.3    Nachteile des integrierten Web Analytics

9    Softwareaspekte des Web Analytics & Web Controlling

9.1    Datensammlungsmethoden des Web Analytics

9.2    Serverseitige Datensammlung

9.2.1    Funktionsweise

9.2.2    Vorteile der Logfile-Analyse

9.2.3    Nachteile der Logfile-Analyse

9.3    Clientseitige Datensammlung

9.3.1    Funktionsweise

9.3.2    Vorteile des Page Tagging

9.3.3    Nachteile des Page Tagging

9.3.4    Vergleich der Vor- und Nachteile

9.4    Softwareanbieter und -lösungen

9.5    Auswahlkriterien zu Web-Analytics-Software

10    Datenschutz & Datensicherheit

10.1    Umgang mit personenbezogenen Daten

10.2    Chancen und Risiken bei der Personalisierung

10.3    Kriterien für transparente Deklaration

10.4    Plattform für Privacy Preferences

10.5    Identitätsmanagement

10.6    Zertifizierungsprozess und Gütesiegel

10.7    Empfehlungen für Besucher und Betreiber

11    Marktstudie zu Web Analytics & Web Controlling

11.1    Problemstellung und Forschungsfragen

11.2    Methode

xi11.3    Resultate der Web-Analytics-Studie

11.3.1    Branchen

11.3.2    Unternehmensgröße

11.3.3    Anteil des Online-Umsatzes am Gesamtumsatz

11.3.4    Erfahrung im Web Analytics

11.3.5    Abteilung des Web Analytics

11.3.6    Stellenprozente im Web Analytics

11.3.7    Beratung zu Web Analytics

11.3.8    Datensammlungsmethoden im Web Analytics

11.3.9    Web-Analytics-Tools

11.3.10    Zufriedenheit mit Web-Analytics-Tools

11.3.11    Individuelle Reports im Web Analytics

11.3.12    Nutzen von Web Analytics

11.3.13    Probleme im Web Analytics

11.3.14    Metriken des Web Analytics

11.3.15    Überprüfung von Website-Zielen

11.3.16    Erreichung von Website-Zielen

11.4    Schlussbemerkungen

11.4.1    Zusammenfassung

11.4.2    Kritische Würdigung

11.4.3    Ausblick

12    Vorgehensmodell & Umsetzung

12.1    Überblick über das Vorgehensmodell

12.2    Strategische Analysen

12.2.1    Organisationsanalyse

12.2.2    Markt- und Bedarfsgruppenanalyse

12.2.3    Analyse der Webtechnologien

12.3    Erfolgsfaktoren webbasierter Geschäftsmodelle

12.4    Schnittstellen im Architekturmanagement

12.5    Verfeinern von Zielen, Maßnahmen und Kennzahlen

12.6    Implementierung

12.7    Wirkungskreislauf Business Intelligence

Anhang

Glossar

Literatur

Indexxii

11 Zum Controlling der digitalen Wertschöpfungskette

Abb. 1–1 Zum Controlling der digitalen Wertschöpfungskette

Das Einführungskapitel widmet sich grundsätzlichen Aspekten des Web Analytics und Web Controlling im elektronischen Geschäft und erläutert wichtige Begriffe. In Abschnitt 1.1 wird die webbezogene Business Intelligence definiert. Zudem werden die Austauschoptionen des eBusiness erläutert, nämlich eCommerce (B2C, B2B und B2A), eGovernment (A2A, A2B und A2C) und private Commerce (C2C, C2B und C2A). Die digitale Wertschöpfungskette (Abschnitt 1.2) umfasst sieben Prozesskettenglieder: eProducts & eServices, eProcurement, eMarketing, eContracting, ePayment, eDistribution und eCRM (electronic Customer Relationship Management). Die Business Intelligence, unterstützt durch Web 2Analytics und Web Controlling, hat die Aufgabe, die Wertschöpfungskette zu optimieren und den Unternehmenserfolg sicherzustellen. Abschnitt 1.3 stellt die Pyramide der webbezogenen Business Intelligence vor mit den Grundpfeilern Web Analytics und Web Controlling. Die Wirksamkeit dieses Dreiecks ist abhängig von der Verknüpfung mit der digitalen Wertschöpfungskette und vom Führungskreislauf nach Deming, der die Handlungsoptionen Plan, Do, Check und Act umfasst. Zudem gelangt ein mehrdimensionaler Datenwürfel (Data Warehouse) mit den Key Performance Indicators zum Einsatz, um Analyse- und Entscheidungsgrundlagen jederzeit zur Verfügung zu haben. Abschnitt 1.4 gibt die Kapitelübersicht des Fachbuches wieder und erläutert die Kapitel der strategischen, analytischen und operativen Führungsebene.

1.1 Digitale Wertschöpfungskette

Faktor Information

Aufgrund des technologischen Wandels und der wirtschaftlichen Entwicklung gewinnt der Faktor Information gegenüber dem Faktor Produktion an Bedeutung. Viele Unternehmen und Organisationen sind dabei, ihre Geschäftsprozesse, Kundenbeziehungen und ihr Angebot mithilfe elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel zu unterstützen und auszubauen. Sie betreiben eine digitale Wertschöpfungskette, eventuell ergänzt mit materiellen Gütern und Produktkomponenten [Meier & Zumstein 2010, S. 3].

Business Intelligence im Internetzeitalter

Business Intelligence konzentriert sich bei webbasierten Unternehmen auf das Controlling der digitalen Wertschöpfungskette. Geeignete Werkzeuge des Web Analytics und Web Controlling erlauben, die Nachfrage nach Webinhalten und das Nutzerverhalten zu analysieren. Daraus ergeben sich Maßnahmen, um die Webziele des Unternehmens zeitgerecht und in der geforderten Qualität zu erfüllen.

Glieder der digitalen Wertschöpfungskette

Die digitale Wertschöpfungskette umfasst die sieben Glieder eProducts & eServices, eProcurement, eMarketing, eContracting, ePayment, eDistribution und elektronisches Kundenbeziehungsmanagement (electronic Customer Relationship Management – eCRM). Sie bildet die Grundlage jedes webbasierten Geschäftsmodells.

Die Analysearbeiten beziehen sich auf alle Glieder der Wertschöpfungskette, abhängig von der Ausgestaltung des webbasierten Geschäftsmodells (Kapitel 2). Im Einzelnen umfassen die Glieder der Wertschöpfungskette folgende Bereiche (vgl. [Meier & Stormer 2012]):

3

Abb. 1–2 Die sieben Controlling-Bereiche der Business Intelligence

Digitale Produkte & Dienstleistungen

   eProducts & eService:

Bei der Gestaltung elektronischer Produkte und Dienstleistungen (erstes Glied der Wertschöpfungskette) geht es darum, mithilfe des Geschäftsmodells eine geeignete Kooperationsform zu einem attraktiven Product Offering zu finden [Tapscott et al. 2001]. Solche Kooperationsformen variieren von freien Marktplätzen mit verhandelbaren Waren und Werten über hierarchisch straff organisierte Netzwerke bis zu selbstorganisierten und lose gekoppelten Gemeinschaften. Wichtig ist die Frage der Preisfindung bei elektronischen Produkten und Dienstleistungen, da immaterielle Güter schwierig zu bewerten sind.

Elektronische Beschaffung

   eProcurement:

Beim strategischen und operativen Beschaffungsprozess oder eProcurement (zweites Glied) werden ebenfalls elektronische Mittel eingesetzt [Schubert et al. 2002; Stoll 2007]. Grundsätzlich gibt es unterschiedliche eProcurement-Lösungen, je nachdem, ob auf der Kundenseite oder auf der Lieferantenseite Produktkataloge und Dienstleistungen für Produktauswahl und -beschaffung bereitgestellt werden. Bei einer dritten Variante (elektronischer Marktplatz) liefert ein Drittanbieter Softwarelösungen und Kataloge für die Beschaffung. Dadurch lassen sich Produkt- und Leistungsvergleiche anstellen.

Onlinemarketing

   eMarketing:

Unter der Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel erschließt das eMarketing (drittes Glied) Marktpotenziale und baut Geschäftsbeziehungen aus. Eine Einteilung der Onlinekunden in Klassen gestattet es, eine differenzierte Marktbearbeitung 4vorzunehmen und die Dienste auf der Website jederzeit anzupassen [Lammenett 2009]. Entsprechende Kennzahlen erlauben, die Bekanntmachung eines Onlineangebots zu messen, den Interaktionsgrad zu berechnen, den Beitrag der Onlinekunden an der Wertschöpfung zu stimulieren, Abschlüsse zu tätigen und die Kundenbindung zu erhalten.

Elektronischer Vertragsabschluss

   eContracting:

Beim elektronischen Verhandlungsprozess oder eContracting (viertes Glied) geht es um Protokollierung und Verwaltung der Verhandlungspositionen, Vereinbarung von Rechten und Pflichten sowie um den rechtsgültigen Vertragsabschluss mit digitaler Signatur (vgl. [Bitzer & Brisch 1999; Schmeh 2007]). Zertifizierungsstellen ermöglichen, die Registrierung natürlicher Personen vorzunehmen, digitale Zertifikate zu erteilen und elektronische Schlüsselpaare für die digitale Signatur bereitzustellen.

Elektronische Bezahlung

   ePayment:

Verfahren des ePayment (fünftes Glied) ermöglichen es Kleinstbeträge von einigen Cents (Picopayment), mittlere Beträge von einigen Euros (Mikropayment) und größere Zahlungsbeträge (Makro-payment) abwickeln zu können [Dannenberg & Ulich 2004; Lammer 2005]. Damit sich die Transaktionskosten für elektronische Zahlungsvorgänge von Pico- und Mikropayment lohnen, sind Verfahren mit elektronischen Münzen entwickelt worden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe kontobasierter und inhaberbasierter Verfahren für elektronische Zahlungen. Um die Sicherheit elektronischer Zahlungsvorgänge zu garantieren, sollten Verschlüsselungsverfahren und digitale Signaturen eingesetzt werden.

Online-/Offline-Distribution

   eDistribution:

Die Verteilung eines digitalen Produktes bzw. einer Dienstleistung erfolgt über eDistribution (sechstes Glied). Falls der Nachfrager von Leistungen über ein mobiles Gerät mit Internetanschluss verfügt, kann er den zeit- und standortunabhängigen Bezug von Dienstleistungen beanspruchen. Elektronische Produkte müssen nicht notwendigerweise online bezogen werden, da die Offline-Distribution ebenfalls Vorteile aufweist. Zudem kann als hybride Variante sinnvoll sein, z. B. größere Softwarepakete auf Datenträgern offline zu verteilen und Releasewechsel oder Fehlerbehebungen online anzubieten.

Elektronisches Kundenbeziehungsmanagement

   eCRM:

Beim electronic Customer Relationship Management (siebtes Glied) kann das Kundenkapital erfasst und bewertet werden. Modelle zur 5Kundenwertberechnung ermöglichen, Maßnahmen der Kundenakquisition wie der Kundenerhaltung und -bindung einzubeziehen. Entsprechende Kennzahlen werden im Customer Data Warehouse abgelegt, das eine Auswertung von Kundenverhalten und Kundennutzen zulässt. Neben dem analytischen Kundenbeziehungsmanagement unterstützt das operative den gesamten Customer Buying Cycle, d. h. Anregungs-, Evaluations-, Kauf- und Nutzungsphase.

eBusiness: anytime & anywhere

Elektronische Geschäfte können von jedem Ort der Erde und zu jedem Zeitpunkt rund um die Uhr von allen Marktteilnehmern getätigt werden (Global Village). Damit gewinnt die webbezogene Business Intelligence für das Controlling der digitalen Wertschöpfungskette an Bedeutung.

1.2 Austauschoptionen im eBusiness

Begriff Business Intelligence

Mit dem Begriff Business Intelligence [Kemper et al. 2010] werden systematische Verfahren für die Analyse unternehmensrelevanter Informationen für das Corporate Performance Measurement [Gladen 2011; Oehler 2006] zusammengefasst, um damit die strategischen und operativen Unternehmensziele besser zu überwachen.

Definition webbezogene BI

Unter webbezogener Business Intelligence oder BI versteht man elektronische Verfahren zur Sammlung, Speicherung, Auswertung und Darstellung der Key Performance Indicators (KPIs) der elektronischen Geschäftstätigkeit des Unternehmens mit den Daten und Werkzeugen des Web Analytics und Web Controlling zur Sicherung des Unternehmenserfolgs.

Datengestützte Management-entscheidungen

Business Intelligence ist ein analytischer Prozess mit dem Ziel, die unternehmens- und wettbewerbsrelevanten Daten in Entscheidungen und Handlungsoptionen zu überführen. Er zielt darauf ab, die digitale Wertschöpfungskette des Unternehmens (vgl. Abschnitt 1.1) zu steuern und optimieren zu können. Ein elektronisches Geschäft kann längerfristig nur erfolgreich bleiben, wenn dieser analytische Prozess effizient und effektiv in der Organisation des Unternehmens etabliert werden kann [Gansor et al. 2010].

World Wide Web

Die Benutzung elektronischer Kommunikationsmittel ist aus dem Geschäftsleben nicht mehr wegzudenken. Das World Wide Web diente zu Beginn vor allem der statischen Informationsbereitstellung. Heute werden im eBusiness vermehrt dynamische Inhalte erzeugt, interaktive Dialoge geführt, auf den Benutzer zugeschnittene Inhalte und Dienstleistungen bereitgestellt und elektronische Geschäftstransaktionen abgewickelt [Meier & Zumstein 2010, S. 3].6

Definition electronic Business

Electronic Business (eBusiness) bedeutet die Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse, d. h. den Leistungsaustausch zwischen Marktteilnehmern mithilfe öffentlicher oder privater Kommunikationsnetze bzw. dem Internet zur Erzielung einer Wertschöpfung.

Leistungsanbieter und -nachfrager

Als Leistungsanbieter und Leistungsnachfrager können im eBusiness private Unternehmen (Business), öffentliche Institutionen (Administration) sowie private Konsumenten oder Bürger (Consumer oder Citizen) auftreten. Wichtig dabei ist, dass die elektronische Geschäftsbeziehung einen Mehrwert für die Beteiligten schafft, sei dies in Form eines monetären oder eines immateriellen Beitrages.

Austauschbeziehungen im eBusiness

Die Tabelle 1–1 zeigt die drei wichtigsten Gruppen von Marktteilnehmern (A für Administration, B für Business und C für Consumer) mit ihren möglichen Austauschbeziehungen. Jeder dieser Teilnehmer kann als Anbieter oder Nachfrager von Leistungen auftreten. Dadurch entstehen insgesamt neun grundsätzliche Austauschbeziehungen.

Electronic Commerce

Eine bedeutende Untermenge von eBusiness bildet der elektronische Handel. Mit den Austauschoptionen Business-to-Consumer (B2C), Business-to-Business (B2B) und Business-to-Administration (B2A) bieten Unternehmen Produkte und Dienstleistungen für Kunden, Unternehmen oder Verwaltungseinheiten an. Sie stellen die Optionen des elektronischen Handels (electronic Commerce, eCommerce) dar.

Tab. 1–1 Die neun Austauschoptionen im eBusiness [Meier & Stormer 2012, S. 3]

 

 

Leistungsnachfrager

 

 

Consumer

Business

Administration

Leistungsanbieter

Consumer

Consumer-to-Consumer (C2C)z. B. Kleinanzeige auf einerpersönlichen Homepage

Consumer-to-Business (C2B)z. B. Webseite mit persönlichem Fähigkeitsprofil

Consumer-bzw.Citizen-to-Administration (C2A)z. B. Bürger bewertet öffentliches Umweltprojekt

Business

Business-to-Consumer (B2C)z. B. Produkte und Dienstleistungen in einem eShop

Business-to-Business (B2B) z.B. Bestellung bei Lieferanten (SupplyChain)

Business-to-Administration (B2A)z. B. elektronische Dienstleistungen für öffentliche Verwaltungen

Administration

Administration-to-Consumer bzw. Citizen (A2C)z. B. Möglichkeit für elektronische Wahlen

Administration-to-Business (A2B)z. B. öffentliche Ausschreibung von Projektvorhaben

Administration-to-Administration (A2A)z. B. Zusammenarbeitsformen virtueller Gemeinden

Austauschoptionen im eBusiness

Eine Konkretisierung der B2C- bzw. B2A-Option könnte der Betrieb eines elektronischen Shops durch ein Unternehmen darstellen. Die Austauschoption B2B charakterisiert die Lieferantenbeziehungen zwischen Unternehmen wie z.B. das Supply Chain Management.7

Electronic Government

Die Austauschbeziehungen A2A, A2C und A2B bilden das electronic Government oder eGovernment. Hier sind Regierungs- bzw. Verwaltungsstellen auf der Angebotsseite und sie betreiben Austauschbeziehungen verwaltungsintern (A2A), mit den Bürgerinnen und Bürgern (A2C) oder mit Unternehmen (A2B). Der entsprechende Leistungsauftrag ist in den Gesetzen und Verordnungen festgelegt. Zudem kann die Behörde mit Outsourcing-Verträgen (Service Level Agreements) Dienstleistungen an Dritte übertragen, z.B. an NPOs (Non Profit Organizations), NGOs (Non Governmental Organizations) oder private Unternehmen.

Austausch zwischen Einzelpersonen

Beim eGovernment und bei den meisten Austauschoptionen des eBusiness steht die Abkürzung C für Citizen (Bürger), beim eCommerce hingegen für Consumer (Konsument). Wichtig in der Matrix der Austauschoptionen ist die Tatsache, dass Personen ebenfalls als Anbieter auftreten können. Zum Beispiel bedeutet die Option C2C eine elektronische Austauschbeziehung zwischen Einzelpersonen. Zudem können Bürgerinnen und Bürger Leistungen für Unternehmen (C2B) oder für Verwaltungseinheiten (C2A) erbringen. Diese Optionen lassen sich unter dem Begriff private Commerce zusammenfassen.

1.3 Definitionspyramide der webbezogenen BI

Grundpfeiler Web Analytics & Web Controlling

Eine elektronische Geschäftstätigkeit ist nur dann von Erfolg gekrönt, wenn erstens die einzelnen Glieder der digitalen Wertschöpfungskette auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet sind und einen Mehrwert generieren und wenn zweitens mit dem Führungskreislauf der Business Intelligence der Erfolg und mögliche Misserfolg stetig kontrolliert und notwendige Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden.

Definition Web Analytics

Die Grundpfeiler der Business Intelligence bilden Web Analytics und Web Controlling:

Web Analytics betrifft die Evaluation, Definition, Messung und Auswertung von Webkennzahlen, um die Inhaltsnutzung der Website und das Benutzerverhalten analysieren zu können. Mit der Auswertung der Kennzahlen kann die Erreichung der Webziele verfolgt werden.

Abb. 1–3 Pyramide und Führungskreislauf für die digitale Wertschöpfungskette8

Definition Web Controlling

Das Web Controlling bezweckt, in einem Führungskreislauf die Umsetzung des webbasierten Geschäftsmodells zu überwachen und Erfolg versprechende Maßnahmen für das eBusiness und das Kundenbeziehungsmanagement ableiten zu können. Als Zielsetzung gilt die Sicherung und Steigerung des Unternehmenswertes.

Elemente der Definitionspyramide

Die Abbildung 1–3 zeigt die Definitionspyramide einer webbezogenen Business Intelligence. Diese besteht aus drei Elementen:

   Business Intelligence:

Unternehmensleitung, Führungskräfte und Mitarbeitende verpflichten sich in ihrer Arbeit zu einem prozessbasierten Analyseverfahren, das auf der Erarbeitung von Erfolgsfaktoren und Key Performance Indicators beruht, die durch operative Tätigkeiten in einem mehrdimensionalen Entscheidungswürfel gesammelt und regelmäßig ausgewertet werden. Aufgrund abgestützter Entscheidungsgrundlagen werden Verbesserungspotenziale analysiert und Maßnahmen eingeleitet.

   Web Analytics und Web Controlling:

Unter der Führung des Chief Web Officer und des Web Steering Committee (siehe Abschnitt 3.3) wird das Web Analytics [Hassler 2012] und Web Controlling für die Umsetzung des webbasierten Geschäftsmodells entwickelt und eingeführt. Darunter wird die Planung, Analyse und Steuerung von websitebezogenen Aktivitäten 9und Prozessen verstanden sowie die Maßnahmen des eBusiness zur stetigen Optimierung des Unternehmenserfolgs. Insbesondere wird dem Web Content Controlling und dem Web User Controlling nachgelebt (Begriffsdefinitionen vgl. Abschnitt 7.1). Diese Tätigkeiten unterliegen der Web Governance als integraler Teil der Corporate Governance [OECD 2004], die Verantwortung gegenüber allen Anspruchsgruppen wahrnimmt (vgl. Abschnitt 3.1).

Führungskreislauf

Der Führungskreislauf für die Business Intelligence folgt dem Vorschlag von William Edwards Deming [Deming 1986] mit den folgenden vier Handlungsoptionen:

Planung

   Plan:

Im strategischen Planungsprozess müssen konkrete Ziele erarbeitet und auf die operativen Einheiten heruntergebrochen werden. Diese betreffen strategische Erfolgspositionen [Pümpin 1992] und werden durch konkrete Webkennzahlen hinterlegt.

Umsetzung

   Do:

Hier wird zur Umsetzung der Strategie aufgerufen, d.h., die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele werden eingeleitet und die Kennzahlen werden bei der Umsetzung erhoben.

Analyse

   Check:

Nun müssen die Kennzahlen für die Webinhalte und das Benutzerverhalten analysiert und interpretiert werden. Bei Abweichungen zu den gesetzten Zielen müssen die Ursachen und weitere Hand-lungsoptionen untersucht und priorisiert werden.

Handlung

   Act:

Anpassungen in den Geschäftsprozessen werden implementiert und kontrolliert. Bringen die Verbesserungen nicht den gewünschten Erfolg, muss der Plan angepasst werden.

Unterstützende Prozesse

Die Business Intelligence kann alle Glieder der digitalen Wertschöpfungskette betreffen. Allerdings müssen bei Bedarf weitere Führungskennzahlen für organisatorische Unterstützungsprozesse wie Human Resources oder Change Management mit einbezogen werden.

Das vorliegende Fachbuch gibt einen vertieften Einblick in die erfolgreiche Planung und Umsetzung einer webbezogenen Business Intelligence. Das entsprechende Controlling der digitalen Wertschöpfungskette zielt darauf ab, den Unternehmenserfolg und das Kundenkapital langfristig zu halten und sukzessive auszubauen.

101.4 Kapitelübersicht

Struktur des Fachbuches

Die Struktur des Fachbuches ist in Abbildung 1–4 wiedergegeben: Die einzelnen Kapitel sind der strategischen, analytischen und der operativen Führungsebene zugeordnet.

   Kapitel 1 führt in die Thematik ein und erläutert die Begriffe Business Intelligence, Web Analytics und Web Controlling. Der davon abgeleitete Führungskreislauf betrifft das Controlling der digitalen Wertschöpfungskette.

   Kapitel 2 widmet sich webbasierten Geschäftsmodellen, die sich an der digitalen Wertschöpfungskette orientieren. Zudem werden die Business Webs Agora, Aggregator, Integrator, Allianz und Distributor nach [Tapscott et al. 2001] vorgestellt, um die unterschiedlichen Netzvarianten und Kooperationsformen zu klassifizieren. Neben den Gestaltungsoptionen für Webcommunitys werden das soziale Kapital und unterschiedliche Erlösmodelle vertieft.

   Kapitel 3 widmet sich der Business Intelligence und dem Web Controlling. Ausgehend von der Web Governance wird der Kreislauf des Web Controlling sukzessive hergeleitet. Zur Umsetzung der Webstrategie wird die Rolle des Chief Web Officer thematisiert. Zudem wird ein Web Steering Committee vorgeschlagen, das von einem analytischen Webkernteam unterstützt wird. Im Anschluss daran werden weitere Anspruchsgruppen des Unternehmens und die Kundenzielgruppen zusammengestellt. Die Business Intelligence bezweckt, mit der Hilfe eines Performance Measurement das intellektuelle Kapital des Unternehmens und das Webkapital zu steigern. Die dazu notwendige Vorgehensmethodik wird kurz skizziert.

   Die Nutzenpotenziale des Web Controlling werden in Kapitel 4 diskutiert. Der Kreislauf zum Web Controlling betrifft den Webinhalt und das Verhalten der Benutzer. Sowohl für das Web Content Controlling als auch für das Web User Controlling werden Webkennzahlen und daraus resultierende Nutzenpotenziale aufgezeigt. Optimierungsoptionen betreffen die Website (Inhalt, Navigation, Usability), das Onlinemarketing (Bannerwerbung, Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinenmarketing, Kampagnen in sozialen Netzwerken) und die Optimierung des Kundenbeziehungsmanagements (Kundenakquisition/-bindung).

   Kapitel 5 definiert Metrikmodelle und Webkennzahlen zur Umsetzung des webbasierten Geschäftsmodells. Das Kennzahlensystem für das Web Controlling orientiert sich am Reifegradmodell des eBusiness mit den Stufen Information, Kommunikation, Transaktion 11und Integration. Danach werden Metrikmodelle und Webkennzahlen für das Web Content Controlling und das Web User Controlling hergeleitet.

Abb. 1–4 Struktur des Fachbuches mit Kapitelzuordnung

   Kapitel 6 führt in die unscharfe Logik ein und zeigt das Potenzial unscharfer Auswertungsverfahren auf [Meier & Donzé 2012]. Unscharfe Kundenklassen oder Kundenportfolios lassen es zu, dass ein einzelner Kunde mehreren Klassen angehören kann. Dabei wird die Zugehörigkeit eines Kunden zu seiner Klasse mit einem Wert gemessen, der zwischen 1 (gehört 100% dazu) und 0 (gehört nicht dazu) liegen kann. Für das Web Controlling können unscharfe Webkennzahlen aggregiert werden, z.B. um herkömmliche Scoringmodelle verfeinern zu können.

   Der Kreislauf für das Web Performance Measurement wird in Kapitel 7 schrittweise erläutert. Ausgehend von den Controlling-Zyklen webbasierter Geschäftsmodelle werden mögliche WebsiteZiele, Maßnahmen und Kennzahlen verfeinert und konkretisiert. Der Controlling-Kreislauf kann bei der Analyse der Websitenutzung auf das Web Content Management bzw. Controlling und auf das Web User Controlling angewandt werden.

   Kapitel 8 widmet sich den Softwareaspekten für die webbezogene Business Intelligence. Es zeigt verschiedene Szenarien, wie die Daten des Web Analytics in eine Data-Warehouse-Landschaft integriert 12werden können und damit ein ganzheitliches, unternehmensweites Datenmanagement ermöglichen.

   Die Architektur von Softwaresystemen für Web Analytics und Web Controlling wird in Kapitel 9 thematisiert. Neben serverseitigen Datensammlungsmethoden zur Logfile-Analyse werden Vor- und Nachteile der clientseitigen Methoden (Page Tagging) diskutiert. Danach werden die wichtigsten Softwareprodukte klassifiziert, ergänzt mit einem Kriterienkatalog für die Produktauswahl.

   Datenschutz und Datensicherheit für Web Analytics und Web Controlling sind die Themen des Kapitels 10. Hier werden die Chancen und Risiken bei der Personalisierung erläutert. Kriterien für eine transparente Deklaration sollen helfen, das Vertrauen der Webnutzer in die eigene Website zu stärken. Eventuell wird ein Zertifizierungsprozess mit einem Gütesiegel angestrebt, wie es das European Privacy Seal vorsieht [EuroPriSe 2011].

   Kapitel 11 diskutiert eine Marktstudie zum Web Analytics, die unter 740 Web-Analytics-Experten durchgeführt worden ist. Sie gibt u.a. Antwort auf die Fragen, wie das Web Analytics organisatorisch in Unternehmen angesiedelt ist, wie viele Stellenprozente in die Webanalyse investiert werden, welche Softwareprodukte wie oft zum Einsatz gelangen, welche Nutzenvorteile und Probleme das Web Analytics für Unternehmen birgt und welche Metriken sowie Website-Ziele mittels Web Analytics überprüft werden.

   Kapitel 12 widmet sich dem Vorgehensmodell zur Umsetzung einer webbezogenen Business Intelligence und diskutiert die Teilphasen der strategischen Analyse (Organisations-, Markt- und Technologieanalyse), Entwicklung des webbasierten Geschäftsmodells, strategische Maßnahmenplanung sowie die Implementierung und den Wirkungskreislauf.

132 Webbasierte Geschäftsmodelle

Abb. 2–1 Webbasierte Geschäftsmodelle

Das Kapitel definiert webbasierte Geschäftsmodelle und beschreibt sieben Teilmodelle, die in direktem Zusammenhang mit der digitalen Wertschöpfungskette stehen (Abschnitt 2.1). Im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung und der Entwicklung eines webbasierten Geschäftsmodells muss entschieden werden, in welcher Netzvariante (Business Web) der Unternehmenserfolg gesichert werden kann (Abschnitt 2.2). Fünf spezifische Business Webs machen den digitalen Marktraum (Market Space) aus: Der Netztyp Agora ist ein freier Marktplatz mit verhandelbaren Waren und Werten (Abschnitt 2.2.1), der Aggregator entspricht einem digitalen Supermarkt (Abschnitt 2.2.2), der Integrator kontrolliert und 14integriert eine digitale Wertschöpfungskette (Abschnitt 2.2.3), eine Allianz bildet einen selbstorganisierenden Wertschöpfungsraum (Abschnitt 2.2.4) und der Distributor steht für den Transport von Waren und Dienstleistungen (Abschnitt 2.2.5). Eine Gegenüberstellung dieser Netztypen inklusive Diskussion gibt Abschnitt 2.3. Da soziale Netze bzw. Online-Communitys im Market Space an Bedeutung gewinnen und den Erfolg des gewählten Geschäftsmodells zunehmend beeinflussen, erläutert Abschnitt 2.4 die Gemeinschaftsbildung im Market Space. Insbesondere werden die Gestaltungsoptionen für Online-Communitys diskutiert, bevor in Abschnitt 2.5 fünf grundlegende Webplattformtypen für soziale Netzbildung charakterisiert und miteinander verglichen werden. Die Nutzung sozialer Netze für die Beziehungspflege und die Integration der Onlinekunden kann das soziale Kapital und die Reputation von Unternehmen erhöhen (Abschnitt 2.6). In Abschnitt 2.7 werden die vielfältigen Erlösmodelle in elektronischen Märkten zusammengefasst.

2.1 Komponenten eines webbasierten Geschäftsmodells

Digitaler Marktraum

Im Zuge der Entwicklung hin zu einer vernetzten Informationsgesellschaft kann eine Veränderung der Marktsysteme für die Unternehmen beobachtet werden [Bliemel et al. 2000; Meier & Stormer 2012; Wirtz 2000]. Zum einen bleibt der Marktplatz mit physischen Rohstoffen, Produkten und Ressourcen bestehen. Hier sind physische Wertschöpfungsprozesse notwendig, um materielle Güter zu beschaffen, zu entwickeln und zu verteilen. Durch die Entwicklung des Internets wird dieser physische Marktplatz ergänzt. Dabei spricht man von einem digitalen Marktraum, um anzudeuten, dass nun zusätzlich oder ausschließlich digitale Produkte und Dienstleistungen in Netzwerken entwickelt und abgesetzt werden können.

Geschäftsmodell

Die Unternehmen müssen sich in einem Geschäftsmodell entscheiden, ob und wie der physische und der elektronische Marktraum bearbeitet werden [Bullinger & Berres 2002; Meier 2001]. Die Unternehmensstrategie muss bzw. kann in den meisten Fällen beide Marktoptionen einbeziehen. Mit anderen Worten, es stellt sich die Grundsatzfrage, wie ein Erfolg versprechender Mix von materiellen und immateriellen Produktteilen oder Dienstleistungen festzulegen ist und wie die entsprechenden Geschäfte abgewickelt werden.15

Definition webbasiertes Geschäftsmodell

Ein webbasiertes Geschäftsmodell dient der modellhaften Beschreibung der elektronischen Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Organisationen samt ihren benötigten Erlösprinzipien. Neben der Festlegung von Produkten und Dienstleistungen (Value Proposition) müssen Kundenzielgruppen, Kommunikations- und Distributionskanäle, Service-, Abwicklungs- und Sicherheitsmodalitäten sowie Betriebs- und Ertragsmodelle festgelegt werden.

Ein webbasiertes Geschäftsmodell für den eMarket Space [Timmers 1999] besteht aus den sieben grundsätzlichen Teilmodellen, die die digitale Wertschöpfungskette elektronischer Geschäfte ausmachen (vgl. Abb. 2–2).

Leistungsangebot

   Leistungsangebotsmodell:

Dieses definiert die Produkte und Dienstleistungen inklusive des gewünschten Digitalisierungsgrads. Es zeigt auf, welches Leistungsspektrum den Nachfragegruppen zur Verfügung gestellt wird. Zudem muss festgelegt werden, ob die bestehende Produktpalette durch digitale Informationsobjekte und Servicedienste ergänzt, abgelöst oder erweitert werden soll. Der Digitalisierungsgrad einzelner Produkte und Dienstleistungen ist abhängig vom Markt und von der Akzeptanz der bestehenden oder angestrebten Kundschaft. Das Leistungsangebotsmodell muss mit dem Marketingmodell abgestimmt werden, um unterschiedliche Kundengruppen und Absatzmärkte mit unterschiedlichen Leistungskomponenten bedienen zu können.

Beschaffung

   Beschaffungsmodell:

Dieses Teilmodell legt fest, welche Produktionsfaktoren zur Leistungserstellung auf welche Beschaffungsart bezogen werden. Ausgehend von den festgelegten Produkten und Dienstleistungen müssen die benötigten Leistungskomponenten identifiziert werden. Zudem gilt es, Struktur, Preis und Verhalten der Beschaffungsmärkte zu beurteilen und nach Möglichkeit längerfristige Beschaffungsvereinbarungen einzugehen (Supply Chain Management). Zum strategischen und operativen Beschaffungsprozess mit elektronischen Mitteln (eProcurement) gibt es grundsätzliche Optionen, je nachdem, ob auf der Kundenseite (Buy-Side) oder auf der Lieferantenseite (Sell-Side) Produktkataloge für die Komponentenwahl und -beschaffung bereitgestellt werden. Bei einer dritten Option, einem elektronischen Marktplatz, liefert ein Intermediär Softwarelösungen und Kataloge für die Beschaffung [Meier & Stormer 2012]. Dabei stellt das Katalogmanagement eine besondere Herausforderung 16dar, da Klassifikationskriterien und Komponentenbeschreibungen über Hersteller- und Lieferantengrenzen hinweg spezifiziert und standardisiert werden müssen (Multilieferantenkataloge).

Abb. 2–2 Komponenten eines webbasierten Geschäftsmodells

Marketing

   Marketingmodell:

Dieses Teilmodell legt die Zielkunden, Zielkundensegmente und die Absatzmärkte fest. Durch Analysearbeiten (z. B. Web Analytics, Data Warehousing und Data Mining) werden diejenigen Kunden und Kundensegmente evaluiert, die einen hohen Kundenwert besitzen. Darüber hinaus werden potenzielle Kundengruppen avisiert, die das Kundenkapital erhöhen und das Absprung- oder Verlustrisiko vermindern. Zudem wird entschieden, mit welcher Netzwerkvariante oder -kombination (sog. Business Webs, siehe [Tapscott et al. 2001]) die Produkte und Dienstleistungen entwickelt und abgesetzt werden. Zielsetzung und Hauptmerkmale von Business 17Webs reichen von freien Marktplätzen mit verhandelbaren Waren und Dienstleistungen (Typ Agora, siehe Abschnitt 2.2.1) über hierarchisch straff organisierte Netzwerke (Typ Aggregator, Abschnitt 2.2.2, Integrator, Abschnitt 2.2.3 oder Distributor, Abschnitt 2.2.5) bis zu selbstorganisierten und lose gekoppelten Gemeinschaften (Typ Allianz, Abschnitt 2.2.4).

Vereinbarung

   Vereinbarungsmodell:

Dieses Modell verlangt, die vertraglichen Komponenten beim Austauschprozess in einem verbindlichen Kontraktrahmen festzulegen. Damit ein elektronisches Vertragswerk (eContract) rechtsgültig ist, braucht es eine sogenannte Public-Key-Infrastruktur. Diese verfügt über Zertifizierungsstellen (Trustcenter), die eine Registrierung natürlicher Personen vornehmen, digitale Zertifikate verteilen und elektronische Schlüsselpaare (Public Key und Private Key) für die digitale Signatur bereitstellen. Ein elektronischer Verhandlungsprozess umfasst die Protokollierung und Verwaltung der Verhandlungspositionen, die Vereinbarung von Rechten und Pflichten, rechtsgültigen Vertragsabschlüssen mit digitaler Signatur sowie Controlling-Elemente zur Überwachung der Vertragsabwicklung.

Erlöse

   Erlösmodell:

Beim Erlösmodell geht es um die Festlegung eines Preismodells für digitale Produkte und Dienstleistungen, die Klärung elektronischer Zahlungsmodalitäten sowie um weitere Erlöskomponenten (siehe Abschnitt 2.7), die mit der Hilfe des Webauftritts realisiert werden können. Die originäre Produktion eines digitalen Gutes ist kostenintensiv, im Gegensatz dazu sind die Grenzkosten der Reproduktion, d.h. die Erstellung von Kopien, gering [Shapiro & Varian 1999]. Zudem wächst der generierte Nutzen mit der Anzahl der Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen (Netzwerkeffekte). Neben der Preisbildung, -differenzierung und -bündelung gilt es, geeignete elektronische Zahlungsoptionen zu prüfen und anzubieten (ePayment).

Distribution

   Distributionsmodell:

Dieses Teilmodell legt sowohl die Distributionskanäle (Multi-Channel Management) als auch die Distributionslogistik (Speicherung, Transport und Lieferservice) fest. Bei der Gestaltung der Geschäftsprozesse bzw. Lieferungsprozesse wird entschieden, welche Aktivitäten elektronisch und welche mithilfe einer physischen Logistik durchgeführt werden. Die Distributionslogistik und die Festlegung der Lieferantenkette (Supply Chain Management) sind wichtig, können doch online, offline oder hybride Verteil- und Bezugsstrukturen gewählt werden. Zu diesem Entscheidungsbereich 18gehört die Organisation übergreifender Kooperationsprozesse im Falle virtualisierter Kooperationsnetzwerke mit einem partnerschaftlichen Grundverhältnis (vgl. die Nutzung sozialer Netze in den Abschnitten 2.5 und 2.6).

Kundenbindung

   Kundenbindungsmodell:

Hier wird das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) festgelegt. Wie im Kapitel 3 aufgezeigt, bildet das Kundenkapital einen wesentlichen Bestandteil des intellektuellen Kapitals. Neben der Akquisition von Onlinekunden müssen Maßnahmen zur Kundenbindung und zur Verbesserung der Gewinnspanne durch Up- und Cross-Selling untersucht und festgelegt werden. Dabei ist wichtig, mit Methoden des Web Analytics das Verhalten der Kunden oder bestimmter Kundengruppen zu analysieren, um die Marketingmaßnahmen gezielter auf die Bedürfnisse auszurichten. Zudem muss im Multi-Channel-Management der Mix geeigneter Kommunikationskanäle evaluiert und bei Bedarf angepasst werden.

Laufende Anpassung der Geschäftsmodelle

Aufgrund der Erweiterung des physischen Marktplatzes um einen elektronischen Marktraum, der Globalisierung vieler Geschäftstätigkeiten und der steten Entwicklung hin zu einer Informationsgesellschaft müssen die Unternehmen ihren eigenen Marktfokus und das webbasierte Geschäftsmodell laufend anpassen [Schögel et al. 2002] und mögliche Chancen und Risiken abwägen. Dabei hilft die Konzentration auf Kernkompetenzen und Netzwerkbildung (Aufbau geeigneter Business Webs) mit Erfolg versprechenden Partnern. Im Folgenden soll die Typologie der Business Webs vorgestellt und anhand von praktischen Beispielen und Webkennzahlen illustriert werden.

2.2 Klassifikation webbasierter Geschäftsmodelle

Geschäftsmodelle im Market Space sind vielfältig, lassen sich aber in Netztypen klassifizieren. Sogenannte Business Webs [Tapscott et al. 2001] bilden die Basis des digitalen Kapitals, in der Wissen und Beziehungen ausgetauscht werden.

Definition Business Web

Ein Business Web oder B-Web ist ein klar abgegrenztes Netzwerk im Market Space, das die Wertschöpfung im Austausch von Wissen, Beziehungen, Gütern und Dienstleistungen betreibt. Dabei bilden die Netzteilnehmer – Kunden, Kontextanbieter, Inhaltsanbieter, Dienstleister und Infrastrukturanbieter – ein spezifisches webbasiertes Beziehungsgeflecht.

19Virtuelle Organisationsformen, vernetzte Teams und Einzelpersonen bilden die Basis für die Kooperation und den Wettbewerb in B-Webs. Oft sind einzelne Partner eines B-Web an mehreren, eventuell sogar konkurrierenden B-Webs beteiligt. In diesem Zusammenhang spricht man von Co-Opetition (vgl. [Brandenburger & Nalebuff 1996]), einem Neologismus, abgeleitet vom englischen Ausdruck Cooperative Competition (kooperative Konkurrenz).

5 Typen von Business Webs

Im Folgenden werden die fünf unterschiedlichen Business Webs von [Tapscott et al. 2001] vorgestellt, die sich bei der Untersuchung webbasierter Geschäftsmodelle im Market Space ergeben.

2.2.1 Business Web vom Typ Agora

Agora (elektronischer Marktplatz)

Der Begriff Agora stammt aus der Antike und bezeichnete die damals abgehaltenen Volksversammlungen. Später nannte man diesen öffentlichen Versammlungsort, an dem mehr und mehr auch Handel betrieben wurde, selbst Agora.

Das Business Web oder B-Web Agora ist ein elektronischer Marktplatz, auf dem Käufer und Verkäufer zusammenkommen, um frei über die angebotenen Güter und deren Preise zu verhandeln. Wichtig bei der Agora ist der Prozess der dynamischen Preisfindung: Bei einer Agora gibt es keine Fixpreise, die Preise werden verhandelt. Eine Agora fördert demnach den Austausch von digitalen und materiellen Gütern und Dienstleistungen zu individuell vereinbarten Preisen und stellt damit ein wichtiges webbasiertes Geschäftsmodell dar.

Abb. 2–3Agora als offener Marktplatz mit dynamischer Preisfindung [Tapscottet al.. 2001, S. 46]20

Anbieter und Nachfrager

In Abbildung 2–3 wird die Grundstruktur des B-Web Agora gezeigt: Anbieter und Nachfrager oder Verkäufer, symbolisch durch Kreise charakterisiert, bieten ihre Waren und Dienstleistungen auf dem virtuellen Marktplatz an.

Nachfrager oder Käufer, als Dreiecke dargestellt, informieren sich vorerst und verhandeln die Produkte inklusive Nutzungsrechte und Preise individuell.

Auf einer Agora können unterschiedliche Leistungserbringer Produkte und Dienstleistungen anbieten und absetzen. Das Angebot ist vielfältig und nicht vorhersehbar, die Wertintegration bleibt jedoch bescheiden; die Anbieter profitieren vom »Fühlungsvorteil« und der erreichten Transparenz. Gut funktionierende Marktplätze nach dem Muster einer Agora zeigen sowohl für die Anbieter- als auch für die Nachfragerseite Vorteile. Bei einer hohen Anzahl von Anbietern mit unterschiedlicher Anzahl von Produkten und Dienstleistungen profitieren die Käufer. Umgekehrt setzen viele Nachfrager mit unterschiedlichen Produkt- und Preisvorstellungen die Anbieter unter Druck.

Nachfrage nach Auktionen

Eine Agora bietet normalerweise differenzierte Informationen über alle Aspekte des Geschäfts. Gleichzeitig hält sie Marketing- und Vertriebskosten gering. Oft verleihen Schnäppchen-Jäger dem Markt einen besonderen Reiz und bieten gesuchte Unterhaltung. Das Internet kann Agoren in interessante Treffpunkte mit effizienten Marktabläufen verwandeln. Waren oder Dienstleistungen, die bis dahin an lokalen Orten, Flohmärkten oder im Kleinanzeigenteil von Tageszeitungen verkauft wurden, tauchen nun in regionalen oder globalen Auktionen und Börsen auf.

Nutzenpotenziale der Agora

Der zentrale Wert einer Agora liegt im Angebot einer vertrauensbildenden Plattform für den Austausch von Informationen, der Möglichkeit einer dynamischen Preisfindung und im Anstoß zu Leistungsabwicklungen. Solche Plattformen machen sich niedrige Transaktionskosten zunutze: Die Kunden, ob Anbieter oder Nachfrager, übernehmen den größeren Teil der Arbeit sowie weitgehend die Kosten und Risiken.

Webbasierte Geschäftsmodelle vom Typ Agora zeigen für den Handel von materiellen und digitalen Gütern folgende Vorteile:

   Keine Lagerkosten:

Die Anbieter lagern ihre Produkte selbst.

   Minimale Marketingkosten:

Die Anbieter beschreiben und illustrieren selbst ihre Produkte auf der Plattform.

21   Reduzierte Vertriebskosten:

Käufer und Anbieter regeln den Versand und die Bezahlung unter sich.

   Geringe Produkthaftung:

Produkte werden versteigert; der Käufer trägt im Normalfall das Risiko selbst.

   Geringes finanzielles Risiko:

Die Anbieter ermächtigen den Betreiber solcher Austauschplattformen zum Einzug einer Auktionsgebühr.

In einer Agora entwickeln sich die Kunden oder Kundengruppen oft zu einer Gemeinschaft (Community, siehe auch Abschnitte 2.4 und 2.5). Die Teilnehmer von Auktionen stimmen der Tatsache zu, dass Verhandlung, Preisfindung und Verteilung von Gütern als selbstorganisierender Prozess zu regeln ist. Der Marktwert einer Agora setzt sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen.

Mögliche Webkennzahlen zur Messung der Beiträge zum Finanz-, Kunden- und Organisationskapital (vgl. Abschnitt 3.6) sind in Tabelle 2–1 aufgeführt.

Erlösquellen für Marktplätze

Direkte Erlösquellen bilden Auktionsgebühren und der Verkauf von Werbeflächen, da eine Agora bei Akzeptanz und nach Vertrauensbildung über eine hohe Reputation verfügt. Entsprechend sind die Kunden treu und machen über Mundpropaganda (Nutzung sozialer Netze wie Twitter u.a., vgl. Abschnitt 2.6) die Plattform publik. Bedeutende Werte der Organisation bilden reibungsfreie, sichere und effiziente Ablaufprozesse beim freien Verhandeln.

Kapital der Agora

Mögliche Webkennzahlen

Finanzkapital

Auktionsgebühr

Verkauf von Werbefläche

Grad der Reputation

Kundenkapital

Treue der Kunden

Bereitschaft für Weiterempfehlung

Synergiepotenzial

Organisationskapital

Prozessqualität

Grad der Vertraulichkeit

Grad des Datenschutzes

Tab. 2–1 Webkennzahlen zur Messung des Marktwertes Agora

Beispiel eBay

Das weltweit bedeutende Beispiel einer erfolgreichen Umsetzung dieser Form eines Business Web ist eBay.

eBay gilt als nahezu perfekte Realisierung eines idealen Marktes, da es eine hohe Anzahl von Anbietern und Nachfragern in einem transparenten System vereinigt. eBay hat in seiner Geschichte eine bemerkenswerte 22Wandlung vom virtuellen Flohmarktbetreiber hin zu einer professionellen B2C- und C2C-Plattform durchgemacht und sein Kerngeschäft »Marktplatz« durch die Integration des Bezahldienstes PayPal und der Internettelefonie Skype erweitert.

Bemerkenswert ist, dass eBay zu einer Plattform von neuen Unternehmensgründungen mit differenzierten Geschäftsmodellen geworden ist und ständig an der Ausdifferenzierung arbeitet. So sind unterschiedliche Klassen von zertifizierten Anbietern wie der PowerSeller, die eBay-Verkaufsagentur oder der eBay-Shop entstanden, die allesamt auf dem wesentlichen Gut der Verkäuferbewertung bzw. entsprechender Reputationssysteme beruhen und damit einen Wert darstellen. Als erfolgskritisch gelten am Beispiel eBay die frühe Marktpräsenz der Plattform, die Medienpräsenz und Marktaufmerksamkeit, die dauerhafte Diversifikation und Investition in ergänzende Dienstleistungen sowie die hohe Usability der Plattform.

2.2.2 Business Web vom Typ Aggregator

Ein B-Web vom Typ Aggregator ist ein digitaler Supermarkt: Er wählt geeignete Produkte und Dienstleistungen unterschiedlicher Hersteller aus, entscheidet über die entsprechenden Marktsegmente, legt Preise fest und kontrolliert die Abwicklung.

Hierarchische Kontrolle der Lieferanten

In Abbildung 2–4 ist die Konstellation eines Aggregators abstrakt dargestellt. Ein einzelnes Unternehmen eines solchen B-Web kontrolliert hierarchisch mehrere Hersteller. Der Aggregator kauft Produkte und Dienstleistungen nach eigenem Ermessen. Zudem legt er die Einkaufspreise weitgehend selbst fest.

Abb. 2–4 Aggregator kombiniert Produkte und diktiert Preise [Tapscott et al. 2001, S. 47].

Für das gewählte Sortiment bestimmt er die Verkaufspreise und Rabatte. Zudem kontrolliert er Absatz und Verteilung der Waren.

Vermittlungsfunktion des Aggregators

Ähnlich wie bei Affiliates und Vergleichsportalen übernehmen Aggregatoren eine Vermittlerfunktion zwischen Herstellern und Kunden. Normalerweise bieten sie eine große Auswahl von Produkten und Diensten an, jedoch ohne oder nur mit minimaler Wertintegration (siehe dazu die Wertschöpfungskette des B-Web Integrator im folgenden Abschnitt).

Einsatz intelligenter Softwareagenten

Durch Marktvolumen und Marktmacht können Aggregatoren ihre Transaktionskosten senken, vor allem bei der Nutzung der Internettechnologien und entsprechender digitaler Agenten. Der digitale Supermarkt kann weitgehend mithilfe intelligenter Softwareagenten betrieben werden. Einfache Agenten beraten die Käufer, suchen und bewerten die gewünschten Produkte im eigenen Supermarkt oder direkt bei den Anbietern. Intelligente Agenten helfen den Kunden, ihre Wünsche einzugrenzen und aus der Vielfalt von Angeboten eine attraktive Kombination auszusuchen. Im Einzelfall können Softwareagenten über Wertemix, Qualitätsanforderungen, Preis, Lieferungsbedingungen und Zahlungsmodalitäten verhandeln.

Vorteile eines Aggregators

Zusammenfassend ergeben sich bei den Aggregatoren folgende Vorteile:

   Große Verhandlungsmacht:

Der Aggregator wählt die Produkte aus und bestimmt die Preiskonditionen.

   Einsatz digitaler Berater:

Softwareagenten unterstützen Such- und Vergleichsvorgänge und beraten den Kunden.

   Unabhängige Produktbewertung:

Vor- und Nachteile von Produkten werden von den Kunden erfasst und durch den Aggregator als Entscheidungshilfe publiziert.

   Stimulierung des Verkaufs:

Im digitalen Supermarkt lassen sich Produkte bündeln und Cross-Selling-Maßnahmen realisieren.

   Kunde spart Versandkosten:

Durch Skaleneffekte und tiefe Transaktionskosten kann der Aggregator Anreize schaffen.

Aggregatoren gibt es sowohl im B2B- wie im B2C-Bereich. Neben Konsumgütern lassen sich digitale Produkte, z.B. Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, mit Aggregatoren vertreiben.

Der Weg zum Cross-Selling

Der Unternehmens- bzw. Marktwert eines Aggregators setzt sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen, wie sie in der Tabelle 2–2 beispielhaft aufgezeigt sind. Durch Marktmacht können Preise 24festgelegt und Rabatte erzielt werden. Zudem ermöglichen unterschiedliche Lieferanten gezielte Cross- und Up-Selling-Aktionen. Das Kundenkapital kann gesteigert werden, falls Kundenbewertungen organisiert und gezielt für die Community genutzt werden. Aus den Skaleneffekten ist es möglich, die Versandkosten tief zu halten. Zudem erlauben Softwareagenten, Beratungsdienstleistungen, Suchfunktionen und Vergleichsmöglichkeiten kostengünstig anzubieten.

Kapital des Aggregators

Mögliche Webkennzahlen

Finanzkapital

Produktpreise

Rabatte von Lieferanten

Cross- und Up-Selling

Kundenkapital

Produktbewertungen

Erfolg des Community-Marketings

Versandpreise

Organisationskapital

Nutzung der Softwareagenten

Bewertungen und Vergleiche

Grad des Fulfillment (Erfüllungsgrad)

Tab. 2–2 Kapitalkomponenten und Kennzahlen zum Aggregator

Beispiel Amazon

Das bekannteste Beispiel eines Aggregators ist Amazon. Dieses Business Web bietet neben den anfänglich im Schwerpunkt gelegenen Medienprodukten Buch, Musik, CDs und DVDs eine Vielzahl von Produkten (Spielwaren, Elektronik, Haus- und Gartengegenstände, Sport- und Freizeitgüter) an und gilt als größter Online-Einzelhändler.

Geld verdient Amazon als virtueller Supermarkt mit teilweise hohen Margen, beispielsweise im Elektronik- und Spielzeugbereich. Zudem offeriert Amazon automatisierte Transaktions- und CRM-Dienstleistungen. Der Aggregator Amazon integriert die Käufer als Content-Lieferanten, z.B. bei der Abgabe von Rezensionen für Buchangebote. Er bietet eine Reihe von Zusatzfunktionen an, vor allem die Personalisierung des Zuganges und kontextgetriebene Angebote aufgrund ausgewerteter Nutzungs- und Kaufprofile. Zusätzlich offeriert Amazon individualisierte Benachrichtigungsdienste.

Amazon beherrscht die Logistik (z.B. Auslieferung häufig noch am gleichen Tag), die Möglichkeit der Rückverfolgung des Lieferprozesses im Web und einfache sowie vertrauenswürdige Bezahlfunktionen. Der Versand ist ab einem niedrigen Mindestwarenwert kostenlos. Als wesentliches Erfolgskriterium gilt die große Marktpräsenz aufgrund des frühen Markteintritts, die Logistik, das individualisierte Kundenmanagement und nicht zuletzt die Vertrauenswürdigkeit des Bezahlverfahrens und die Zuverlässigkeit der Lieferung.

252.2.3 Business Web vom Typ Integrator

Integrator als Wertschöpfungskette

Ein Business Web vom Typ Integrator ist eine Wertschöpfungskette mit allen Komponenten von der Spezifikation, Produktion und Lieferung bis zum Support der vom Kunden gewünschten Produkte oder Dienstleistungen. Ein Integrator produziert selbst keine Dienstleistungen und Produktkomponenten, sondern wirkt als Kontextanbieter. Als solcher integriert er die Wertbeiträge verschiedener Inhaltsanbieter wie externe Entwickler, Teilelieferanten, Händler, Lösungsintegratoren, Betreiber und andere Partner. Mit anderen Worten kontrolliert der Integrator die Gestaltung des Produkts bzw. der Dienstleistung und lenkt die Schritte zur Wertintegration.

Abb. 2–5 B-Web Integrator kontrolliert die optimierte Wertschöpfungskette [Tapscott et al. 2001, S. 48].

Funktionsweise eines Integrators

In Abbildung 2–5 ist das Grundprinzip eines Integrators veranschaulicht: Unterschiedliche Hersteller mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Dienstleistungen werden zu Wertschöpfungsketten zusammengefasst und vom Integrator geführt. Der Anstoß einer solchen Wertschöpfungskette wird von Kunden gegeben, die eine individuelle und meist komplexe Lösung mit eventuell großem Investitionsvolumen anstreben. Da ein einzelner Hersteller die Lösung nicht optimal anbieten kann oder will, übernimmt der Integrator diese Verantwortung; oft tritt er als Generalunternehmer mit entsprechender Haftung auf. Dies wiederum zwingt den Integrator, die Inhaltsanbieter in eine optimierte Lieferantenbeziehung einzubinden und den Planungs-, Entwicklungs-, Installations- und Serviceprozess kompetent zu steuern.

Ein Integrator hat zum Ziel, die Wertschöpfungskette nachfrageorientiert zu gestalten. Mit anderen Worten schafft man ein Angebot erst auf eine Nachfrage hin. Ein Kundenbedürfnis löst also den Aufbau einer eventuell individuell zugeschnittenen Lieferantenkette aus.

Bei einer Wertschöpfungskette denkt man normalerweise an eine Massenproduktion oder Routineproduktion mit großer Logistik und 26Lagerhaltung. Wertschöpfungsketten vom Typ Integrator können hingegen die Werkstattfertigung unterstützen, d.h., es werden maßgefertigte Netzwerke für kundenspezifische Probleme entwickelt.

Werkstattfertigung