Wega 6: Hinter den Truhen - Dietmar Schmidt - E-Book

Wega 6: Hinter den Truhen E-Book

Dietmar Schmidt

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Beschreibung

Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet. Als die Raumfahrer einst zu den Sternen aufbrachen, war die Wega ihr erstes Ziel. Im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung kehrt Perry Rhodan dorthin zurück, wo er den Schlüssel zur Unsterblichkeit entdeckt hat. Er gerät mitten in einen Krisenherd. Eine Flotte unbekannter Eroberer riegelt das System von der Außenwelt ab. Um diese Gegner abzuwehren, die sich Maccani nennen, müssen Rhodan und seine Gefährten einem neuen Galaktischen Rätsel nachspüren. Gemeinsam mit einer Raumpilotin, die aus ferner Vergangenheit stammt, durchläuft Perry Rhodan eine Reihe sonderbarer Prüfungen. Während er vom Anführer der Maccani unerbittlich verfolgt wird, dringt Rhodan in einer bedrohlichen Umgebung zu seinem Ziel vor. Er forscht nach dem Geheimnis HINTER DEN TRUHEN ...

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Nr. 6

Hinter den Truhen

Perry Rhodan erreicht den Bohrkopf – in einem Universum des Wahnsinns

Dietmar Schmidt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Wega VIII – Ferrol

1. 18. Mai 2059 NGZ – Lanzette – Deck 2

2. Abstieg in die Unterwelt

3. Anzugwechsel

4. Deck 16

5. Zwischendeck

Zwischenspiel 1: Wega I – Maldonaldo

6. Deck 12

7. Zwischendeck

8. Vormarsch zum Bohrkopf

9. Irit

Zwischenspiel 2: Wega XI – Naddir

10. Deck 2

11. Zwischendeck

12. Zwischendeck

Epilog: Wega XVII – Richya

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet.

Als die Raumfahrer einst zu den Sternen aufbrachen, war die Wega ihr erstes Ziel. Im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung kehrt Perry Rhodan dorthin zurück, wo er den Schlüssel zur Unsterblichkeit entdeckt hat.

Er gerät mitten in einen Krisenherd. Eine Flotte unbekannter Eroberer riegelt das System von der Außenwelt ab. Um diese Gegner abzuwehren, die sich Maccani nennen, müssen Rhodan und seine Gefährten einem neuen Galaktischen Rätsel nachspüren.

Gemeinsam mit einer Raumpilotin, die aus ferner Vergangenheit stammt, durchläuft Perry Rhodan eine Reihe sonderbarer Prüfungen. Während er vom Anführer der Maccani unerbittlich verfolgt wird, dringt Rhodan in einer bedrohlichen Umgebung zu seinem Ziel vor. Er forscht nach dem Geheimnis HINTER DEN TRUHEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner legt sich eine dicke Haut zu.

Gillian Wetherby – Die Raumpilotin nimmt Rhodan eine Entscheidung ab.

Karyptichon – Der Erste Bewahrer hält die Stellung.

Marium Polescar – Der Ferrone findet in seine neue Rolle.

Krakatau

Prolog

Wega VIII – Ferrol

In Thorta wütete der Pöbel.

Gespannt blickte Marium Polescar auf die Holoübertragung in seiner Luke. Nach dem Debakel, das er mit seiner Ansprache bei den Ferronen erlitten hatte, hatte er sich in die MAREWIN zurückgezogen und sich in diesem Alkoven niedergelassen, an Bord des Raumschiffs das übliche Quartier eines Maccani. Identische Luken zogen sich in langen Doppelreihen den Korridor entlang. Die Nachbaralkoven waren allerdings ausnahmslos unbesetzt, damit sich Polescar in Ruhe erholen konnte.

Die Luke bot ihm eine bequeme Bettstatt, versorgte ihn während seines langwierigen Heilungsprozesses mit allen Medikamenten, die er benötigte, und unterzog in Phasen der Inaktivität die kybernetischen Prothesen, mit denen die Maccani ihn ausgestattet hatten, einer Wartung. Er hätte die Schmerzen, die seinen organischen Restkörper gerade peinigten, betäuben können, aber die Analgetika machten ihn müde. Deshalb verzichtete er darauf, solange er konnte.

Die Vorgänge in Thorta erforderten seine volle Aufmerksamkeit.

Die MAREWIN stand an der gleichen Stelle, wo sich noch vor Kurzem der Regierungssitz des Thort erhoben hatte. Das Kugelraumschiff hatte seine Landeteller in die Ruinen des Roten Palastes gebohrt und überragte die planetare Hauptstadt, die sich ringsum ausbreitete.

Polescar konnte verstehen, dass die Ferronen, seine Artgenossen, die Präsenz des Schlachtschiffs als Provokation empfanden, als Symbol des Eroberungsfeldzugs, in dessen Folge die Maccani den Thort mitsamt der Besatzung seines Flaggschiffs getötet hatten. Die MAREWIN war ein provokantes Symbol für all das, was geschehen konnte, wenn man sich den Besatzern widersetzte. Der Hauptteil der Maccaniflotte verharrte im interplanetarischen Raum des Wegasystems, um eine Invasion durch die Liga Freier Galaktiker zurückzuschlagen, mit der eher früher als später zu rechnen war.

Abseits der Sperrzone um die MAREWIN hatten sich Ferronen zusammengerottet. Sie reckten krude Transparente in die Luft, auf denen der übliche Unsinn zu lesen stand: »Freiheit für Ferrol«, »Thortmörder raus!«, »Nein zur Besatzung« und dergleichen. Sogar ein holografisches Plakat mit wechselnden Schriftzügen war dabei, aber es flackerte ständig und fiel immer wieder aus, was dem Ganzen eine fast mitleiderregende Niedlichkeit verlieh.

Schönes Wetter haben sie sich ausgesucht, dachte Polescar. Vögel tanzten am blauroten Himmel des angenehm kühlen Tages, an dem das Thermometer kaum über die 35-Grad-Celsius-Marke stieg. Wäre seine Situation eine andere gewesen, Polescar wäre vielleicht sogar mitgezogen. Für ein freies Wegasystem hätte er sich immer engagiert.

Allerdings habe ich früher nicht erkannt, dass unsere Freiheit bedeutet, auch von den Terranern frei zu sein, dachte er. Man muss den Leuten begreiflich machen, dass sie am Ende besser dastehen, wenn sie mit den Maccani zusammenarbeiten.

Der Demonstrationszug setzte sich in Bewegung und näherte sich der Demarkationslinie. Ein Areal mit einem Kilometer Radius rings um die MAREWIN war zur Sperrzone erklärt worden, und offenkundig hatten es die Demonstranten darauf abgesehen, genau diese Sperrzone zu verletzen. Dass sie die Verordnungen der »Unterdrücker« brachen und übertraten, verschaffte ihnen wohl ein Gefühl berauschender Selbstermächtigung.

Polescar verzog amüsiert den Mund; wer nur einen Augenblick darüber nachdachte, musste erkennen, wie leer so eine Geste war, wie schal ihr Nachgeschmack.

Im letzten Moment stellten sich ihnen Maccani in den Weg: leicht gepanzerte Bodenlandetruppen mit Prallfeldschilden in der einen und Schockschlagstöcken in der anderen Hand. Über ihnen schwebten Überwachungssonden. Polescar sah sie nicht, aber er wusste von ihnen. Denn die nur fingernagelgroßen Flugroboter lieferten ihm die Bewegtbilder, die er gerade betrachtete: ein Kaleidoskop zahlreicher Motive, die das größere Holo mit dem Hauptgeschehen umgaben.

Die Demonstranten stellten sich vor den Maccani auf. Nur ein knapper Meter trennte die Menge noch von den Posten. Eine im Holo eingeblendete Anzeige verriet, dass die Maccani genau vor der Demarkationslinie standen.

Eine Weile herrschte Stillstand. Die Demonstranten skandierten Parolen und wiederholten ständig die Forderung, ihnen den Weg freizugeben. Die Maccani verharrten in ihrer geschlossenen Reihe ungerührt vor den Ferronen und wichen keinen Zentimeter zurück, hielten ihre Schlagstöcke und Prallschilde einsatzbereit, ihre Gesichter waren unkenntlich hinter spiegelnden Helmvisieren verborgen.

So hätte es noch länger weitergehen können, bis irgendwann der Furor der Demonstranten verebbt wäre, aber es kam anders. Aus der Menge flog faules Obst auf die Maccani, zerbarst an ihren Schilden und Helmen, lief an den Energiefeldern und Schutzmonturen herunter, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Mit einem Mal preschte im Zentrum der Menge ein Pulk vor. Von den Flanken hagelte es Steine, Flaschen und andere improvisierte Wurfgeschosse. Die Ferronen im Zentrum jedoch schwangen Metallplastikstangen, die sie eindeutig nicht spontan von den Straßen aufgelesen, sondern mit Vorsatz an den Ort des Geschehens gebracht hatten.

Es dauerte keine Minute, und die Ordnung der beiden einander gegenüberstehenden Reihen schien nie existiert zu haben. Maccani kreisten gezielt Angreifer ein, prügelten auf sie ein, transportierten die niedergerungenen Gegner nach hinten ab.

Polescar konnte sich eine gewisse Häme nicht verkneifen. Also kommt ihr doch noch in die Sperrzone, wenngleich nicht so, wie ihr euch das vorgestellt habt.

Andere Angreifer zogen sich in die Menge zurück. Maccani verfolgten sie, wurden ihrerseits von bislang friedlichen Demonstranten umringt und angegriffen; einige wurden von ihren Kameraden isoliert und zu Boden geschlagen.

Die Hologramme zeigten schlaglichtartig Einzelschicksale.

Ein Maccani, der von Demonstranten umzingelt worden war, sah nach links und rechts, und statt um sich zu prügeln, schleuderte er seinen Schlagstock weit von sich weg nach hinten. Polescar nickte anerkennend. Der Soldat war nun wehrlos, aber wenigstens bekäme er nur Stiefel und Fäuste zu schmecken, nicht seine eigene Waffe.

Ein Ferrone schützte mit den Armen seinen Kopf, denn von allen Seiten prasselten Schlagstöcke auf ihn nieder.

Ein Maccani ohne Schild und Schlagstock rollte sich zu einem Ball zusammen, während von allen Seiten auf ihn eingetreten wurde.

Paralysatorschüsse zischten. Transportgleiter mit weiteren Maccani schwebten herbei und setzten Verstärkung ab.

An der Rückseite des Demonstrantenpulks ergriffen die ersten Ferronen die Flucht. Ihre Bewegung wirkte wie ein Katalysator des Zerfalls. Von hinten löste sich die Demonstration auf. Transparente fielen zu Boden und wurden achtlos zertrampelt.

Polescar bemerkte eine Gruppe Ferronen, die sich rasch und geordnet zurückzog. Für sein geübtes Auge war eindeutig, dass die Personen sich absetzten, wie man es in der militärischen Grundausbildung lernte. Er wies die Kamerasonde, die ihm das Überwachungsholo übermittelte, an, der Gruppe zu folgen.

Im Gegensatz zu den anderen Demonstranten flohen diese Leute nicht in eine Straße, sondern zogen sich in ein Haus zurück, das nicht weit von der Sperrzone entfernt in einer Häuserreihe stand, ein niedriges Gebäude mit einem Verkaufslokal im Erdgeschoss und Wohnungen darüber. Sie schlossen die Ladentür hinter sich, und hätte Polescar sie nicht beobachtet, wäre es vielleicht niemandem aufgefallen.

Sein Misstrauen war geweckt, er verständigte die Einsatzleitung. Kurz darauf näherte sich ein Trupp von frisch herbeitransportierten Maccani dem Haus.

Die Eingangstür war rasch aufgebrochen. Als die ersten Maccani hineinstürmten, loderte eine Helligkeit auf, die kurzzeitig sogar Wega überstrahlte. Das Hologramm dunkelte sich selbsttätig ab, und Polescar sah, wie die beiden vorderen Maccani verbrannten: Ungeschützt waren sie von hochintensiven Thermostrahlen getroffen worden.

Die restlichen Soldaten aktivierten Individualschirme und drangen massiert in das Gebäude ein. Erneut flammten Strahlerschüsse auf, aber die Soldaten erlitten keine weiteren Verluste. Mehrere Mannschaftstransporter rasten heran und landeten vor dem Eingang; ein Fahrzeug setzte im offenen Hof hinter der Häuserreihe auf. Maccani strömten heraus. Sie hatten ihre Schutzschirme aktiviert und hielten Kombistrahler in der Hand. Sie lösten ihre Kameraden ab und rückten mit Kampfgruppen in das Ladenlokal vor.

Es dauerte nicht lange, und eine Reihe von Ferronen wurde aus dem Haus geführt. Die meisten konnten mit eigener Kraft gehen, einer wurde von Maccani gestützt. Er war der Einzige, der die Hände nicht hinter dem Kopf halten musste.

Die Maccani stellten die 14 Gefangenen in einer Reihe auf. Das blauweiße Licht der Wega strahlte grell auf sie nieder, doch das machte Ferronen nichts aus. Einige hielten den kupferhaarigen Kopf gesenkt, aber die meisten standen kerzengerade, hielten die kleinen, tief liegenden Augen in den blauen Gesichtern hasserfüllt auf die Maccani gerichtet.

Ein Maccani trat vor und ergriff das Wort. Sein Kampfanzug unterschied sich durch nichts von den anderen, zeigte keine Rangabzeichen, aber die übrigen Maccani behandelten ihn wie ihren Vorgesetzten. Vermutlich wurde die Hierarchie zwischen ihnen automatisch per Funk kommuniziert, ohne dass ein Außenstehender es mitbekam. Eine sinnvolle Regelung, denn von außen als Offiziere erkennbare Anführer waren ein beliebtes Ziel von Heckenschützen.

»Ihr werdet der Rebellion gegen das Neue beschuldigt«, rief der Maccani. »Ihr habt auf maccanische Ordnungskräfte gefeuert und mehrere von ihnen getötet. Diese gemeinschaftlich begangenen Taten müsst ihr mit dem Tod sühnen.« Er wandte sich seinen Leuten zu. »Aufstellen!«

Maccani mit Strahlgewehren traten vor und reihten sich den Ferronen gegenüber auf. Der Offizier befahl: »Legt an!«

Ein Ferrone trat vor. Er war noch jung und strich sich eine lange, kupferrote Haartolle aus dem Gesicht. »Ich bin doch nur der Ladeninhaber.« Er zeigte auf das Geschäft, dessen Schaufensterscheibe geplatzt war. Eine schwarze Rauchfahne quoll zwischen den Glassitresten hervor und stieg in den blauroten Himmel auf. »Ich verkaufe Haushaltsbedarf und kleine Gerichte, ich ...«

»Unerheblich«, sagte der Maccaniführer. »Du hast der Rebellion gegen das Neue Vorschub geleistet, indem du die Rebellen in dein Haus eingelassen hast.«

»Ich habe sie nicht hereingelassen! Sie sind einfach eingedrungen.«

»Beweise, dass du nicht beteiligt warst.«

Der Ferrone sah den Maccani forschend an. »Es ist unmöglich, ein Negativum zu beweisen«, führte er an. »Tatsächlich müsstet umgekehrt ihr mir meine Beteiligung an der Demonstration nachweisen.« Ein Wesen, das sich mit kybernetischen Erweiterungen optimierte, musste der Logik zugänglich sein – vermutete der Ferrone wahrscheinlich.

»Dazu ist es zu spät«, erwiderte der Offizier. »Zurück in die Reihe.«

Weil der Ferrone nicht gehorchte, sondern noch weiter auf den Offizier zutreten wollte, gab der Maccani seinem Kampfanzug einen Befehl, und ein Fesselfeld trieb den jungen Mann an seinen Platz zurück und fixierte ihn dort.

Der Maccanitrupp rückte einen Schritt vor und hob die Waffen.

»Für das Neue!«, rief der Offizier.

»Für das Neue!«, antworteten seine Leute, zielten und feuerten.

Die Ferronen starben im Desintegratorbeschuss. Ihre Leichen sackten zusammen, wo sie gestanden hatten.

Der Großteil der anderen ferronischen Demonstranten hatte sich bereits verzogen, ein paar Leute hatten die Hinrichtung beobachtet und ergriffen nun hastig die Flucht.

Weitere Maccanigleiter schwebten heran und setzten Arbeitsmaschinen ab. Die Roboter begannen mit der Beseitigung der Toten, löschten das Feuer in dem Geschäft und vernichteten die weggeworfenen Transparente sowie den Unrat allgemein und sämtliche sonstigen Spuren des Geschehens.

Die Kamerasonden stellten die Übertragung ein – eine nach der anderen – und kehrten zu ihrer Basis zurück. Marium Polescar kam es vor, als büße er mit jedem Hologramm, das erlosch, an Kraft ein. Dafür kehrten die Schmerzen zurück, die er über den Geschehnissen fast vergessen hatte. Schweiß trat ihm auf die Stirn, sein Mund wurde trocken. Dennoch zwang er sich, die Qualen zu erdulden und die Ereignisse weiterzuverfolgen.

Nach einer Viertelstunde zeugte auf dem Platz vor der Sperrzone nichts mehr von dem erbitterten Kampf, der dort stattgefunden hatte, und auch nichts von der Massenhinrichtung. Im Schaufenster des Hausratgeschäfts glänzte eine neue Scheibe aus Glassit.

*

Marium Polescar ging nicht aus dem Kopf, was der Herrscher des Wegasystems Nactiel Ook voll Bitterkeit kurz vor seinem Tod gesagt hatte: Schuld an unserem Tod ist nur dieser Terraner. Perry Rhodan und seine Leute haben das verursacht ... Diese zwei Sätze des Thort waren zu Polescars Credo geworden. Wenn ihn die Schmerzen überwältigten, wiederholte er sie immer wieder, mit Lippen, die nicht seine ursprünglichen Lippen waren, mit einer Zunge, die nur zum Teil organisch war.

Die Schmerzen peinigten nicht nur die biologischen Reste, seinen Rumpfkörper. Nein – ihm taten sogar die Körperteile weh, die nicht mehr existierten.

Manchmal glaubte er, dass allein die Schmerzen bewiesen, dass er noch lebte. Ihm standen dann die Bilder aus den letzten Sekunden vor Augen, in denen es die CAMBOTH noch gegeben hatte, aus den letzten Sekunden, in denen er noch gewesen war, was er immer hatte sein wollen: der Kommandant des ferronischen Flaggschiffs, unmittelbar dem Thort unterstellt.

Diese Zeiten waren vorbei. Die CAMBOTH war vernichtet, Thort Nactiel Ook tot, Marium Polescar ein kaum noch existenzfähiges Etwas, das nur weiterlebte, weil die Maccani ihn mit robotischen Prothesen ausgestattet hatten. Ausgerechnet jene Maccani, die ins Wegasystem eingedrungen waren, die CAMBOTH zusammengeschossen, den Thort ermordet und Polescar zum Krüppel gemacht hatten, hatten ihn geborgen, medizinisch versorgt und am Leben gehalten.

Und das nicht mal schlecht. Polescar haderte nicht etwa mit seinen kybernetischen Erweiterungen. Sie funktionierten gut, sogar besser als gut: tadellos. Die Qualen, die er litt, rührten ausschließlich von seinen organischen Überbleibseln her.

Vielleicht sollte er daran etwas ändern.

Er sah sich um, und das mit weniger Sinnesorganen als früher, aber zugleich mehr Sinnen. Ein Auge hatte er verloren und stattdessen ein hochtechnisches Implantat erhalten, das weitaus vielseitiger und leistungsfähiger war als das biologische Original.

Mittlerweile hätte man ihn fast für einen stark kybernetisierten Maccani halten können. Von seinen Gliedmaßen war ihm nur noch der rechte Arm mit drei organischen Fingern an der Hand verblieben. Was fehlte, war durch robotische Prothesen ersetzt: zwei Finger, der linke Arm mit Hand und beide Beine.

Sein einstiges Trividstar-Aussehen war jedenfalls dahin. Nicht mal sein ebenmäßiges Gebiss hatte die Vernichtung der CAMBOTH überstanden. In seinem Mund glänzten stattdessen Metallzähne. Immerhin harmonierte der bläuliche Stahl der Prothesen mit seiner blauen Haut. Die Chirurgen der Maccani hatten die Übergänge sehr gut hinbekommen.

Seine neuen robotischen Körperteile verliehen ihm sensorische Eindrücke, wie er sie nie zuvor gekannt hatte. Er konnte die Oberfläche eines Gegenstands allein anhand der Luftbewegungen zwischen seiner Hand und dem Objekt aus mehreren Zentimetern Entfernung abtasten. Er brauchte keinen externen Funkkommunikator mehr. Wenn er wollte, stand sein Bewusstsein über ein Implantat im neuen Teil seines Kopfs drahtlos mit dem Positronikverbund des Raumschiffs in Verbindung, und er konnte jeden Maccani oder Ferronen und jedes andere Wesen im Wegasystem kontaktieren. Wahrscheinlich hätte er von seiner Luke aus mithilfe der Schiffssysteme sogar eine Hyperfunkverbindung in ein anderes Sonnensystem herstellen können, wäre das Wegasystem derzeit nicht hyperenergetisch abgeschirmt gewesen.

Polescar wusste zu schätzen, was die Maccani für ihn getan hatten. Und für ihn stand mittlerweile fest, dass man den Maccani die Vorfälle im Wegasystem nicht vorwerfen konnte.

Andererseits ...

Bilder von Ferrols Oberfläche stiegen ihm vor Augen. Die Militärpräsenz der Maccani auf den Straßen und in der Luft, die blitzartigen Strafaktionen gegen Aufrührer ... Die 14 Ferronen, die gerade vor seinen beiden Augen, dem biologischen und dem kybernetischen, hingerichtet worden waren.

Die Leute hätten wenigstens einen Prozess verdient gehabt, eine Möglichkeit, sich zu verteidigen.

»Du irrst.«

Polescar zuckte zusammen, als er die hohe und zugleich sanfte Stimme hörte. Er musste wieder »laut gedacht« haben: Er hatte seine Gedanken nicht vor der Nahbereichs-Kommunikationsschnittstelle abgeschirmt, und alle Maccani in der Nähe hatten ihn »gehört«.

Indem Ginolinea ihn nun mit ihrer akustischen Stimme ansprach, machte sie ihn auf seinen Fauxpas aufmerksam, ohne ihn zu rügen. Sehr höflich, sehr subtil. Aber so war die Kommandantin der MAREWIN eben. Polescar nahm sich vor, sich in Zukunft konzentrierter abzuschirmen.

Ginolineas nächste Worte machten selbst diesen Vorsatz überflüssig. »Du kannst deinen Kommunikator standardmäßig ›stumm‹ stellen, indem du ...« Sie nannte ihm eine Befehlssequenz.

Polescar nahm erleichtert die entsprechenden Schaltungen vor und drehte den Kopf zu Ginolinea. Die weibliche Maccani überragte sogar ihn, der mit seinen 1,80 Metern erheblich größer war als der Durchschnittsferrone. Die langen, rotblonden Haare fielen ihr in zwei Zöpfen auf die Schultern, von denen die rechte aus silbrigem Metall bestand, ähnlich wie Zeige- und Ringfinger der linken Hand. Ansonsten hatte sie eine helle Haut, die punktuell stärker pigmentiert war, besonders auf den Schultern.

Als er sie musterte, lächelte sie scheu, und ein freundlicher Ausdruck trat in ihre grauen Augen, denen man erst bei genauem Hinschauen anmerkte, dass sie künstlich waren.

Ginolinea befehligte das Schlachtschiff MAREWIN, das mit nur 400 Metern Kugeldurchmesser eher klein wirkte, aber bereits bewiesen hatte, dass es mühelos auch wesentlich größeren ferronischen oder terranischen Einheiten mehr als gewachsen war.

Trotz ihrer Pflichten hielt sich Ginolinea oft in Polescars Nähe auf. Sie hatte ihm das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein.

»Inwiefern irre ich mich?«, fragte er.