Wega 8: Hort der Transformation - Roman Schleifer - E-Book

Wega 8: Hort der Transformation E-Book

Roman Schleifer

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Beschreibung

Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet. Als die Raumfahrer einst zu den Sternen aufbrachen, war die Wega ihr erstes Ziel. Im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung kehrt Perry Rhodan dorthin zurück, gerät jedoch mitten in einen Krisenherd. Eine Flotte unbekannter Eroberer – die Maccani – riegelt das System von der Milchstraße ab. Wollen sie diese Gegner abwehren, müssen Rhodan und seine Gefährten einem neuen Galaktischen Rätsel nachspüren. Nach mehreren Zwischenstationen kehren Rhodan und die Raumpilotin Gillian Wetherby ins Wegasystem zurück. Die Maccani haben ihre Gewaltherrschaft dort fest etabliert. Ihre Ziele bleiben aber unklar. Rhodan forscht deshalb dem Geheimnis der Invasoren nach – und entdeckt den HORT DER TRANSFORMATION ...

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Nr. 8

Hort der Transformation

Der Terraner und der Widerstand – sie suchen das Geheimnis der Maccani

Roman Schleifer

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Gegenwart

2. Vergangenheit

3. Gegenwart

4. Vergangenheit

5. Gegenwart

6. Gegenwart

7. Vergangenheit

8. Gegenwart

9. 18. Juli 2060 NGZ

10.

11.

Impressum

Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet.

Als die Raumfahrer einst zu den Sternen aufbrachen, war die Wega ihr erstes Ziel. Im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung kehrt Perry Rhodan dorthin zurück, gerät jedoch mitten in einen Krisenherd.

Eine Flotte unbekannter Eroberer – die Maccani – riegelt das System von der Milchstraße ab. Wollen sie diese Gegner abwehren, müssen Rhodan und seine Gefährten einem neuen Galaktischen Rätsel nachspüren.

Nach mehreren Zwischenstationen kehren Rhodan und die Raumpilotin Gillian Wetherby ins Wegasystem zurück. Die Maccani haben ihre Gewaltherrschaft dort fest etabliert. Ihre Ziele bleiben aber unklar. Rhodan forscht deshalb dem Geheimnis der Invasoren nach – und entdeckt den HORT DER TRANSFORMATION ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner agiert als Maulwurf.

Gillian Wetherby – Die Raumpilotin jagt einen Rekord.

Akeno Serif – Der Hochenergieingenieur schont Unschuldige.

Krakatau

1.

Gegenwart

Der Alarm riss Grimmes Tunsteen kurz nach fünf Uhr aus dem Schlaf. Blinzelnd sah der Weinhändler auf das Hologramm, das ihm den Grund des Lärms zeigte: Mitten in der Lavakammer mit den wertvollsten Weinflaschen standen zwei Ferronen, die ...

Er stutzte. Nein, das waren keine Ferronen. Zwei Humanoide, ein Mann mit weißer Hautfarbe und dunkelblonden Haaren, eine Frau mit kaffeebrauner Haut und kurz geschnittenen, pechschwarzen Haaren.

Tunsteen schüttelte die Müdigkeit ab, begriff, dass man ihn bestehlen wollte.

»Verdammt!« Er sprang aus dem Bett und griff nach dem Paralysatorgewehr, das an der Kommode lehnte. Niemand stahl seine edelsten Tropfen! Niemand!

Er hetzte aus dem Schlafraum und lief dabei fast seine siebenjährige Tochter um, die der Alarm ebenfalls geweckt hatte.

In einer Hand hielt Xira ihren Plüschgucky, mit der anderen rieb sie sich die Augen. »Papa, was ...?«

»Man will uns bestehlen! Geh zurück in dein Zimmer.«

Gehorsam drehte sie sich um. Tunsteen sprang in den Aufzug und stürmte nach dem Ausstieg durch den ehemaligen Lavagang abwärts. Immer wieder warf er einen Blick in das Hologramm, das über seinem Multifunktionsarmband schwebte.

Die zwei Humanoiden näherten sich dem Kühlbehälter mit den teuersten Flaschen. Der Mann trug eine kleine Truhe auf dem Rücken, vermutlich, um die Beute abzutransportieren.

»Wofür zahle ich eigentlich Tausende von Galax für den Einbruchschutz?«

Er keuchte. Im Holo zeigte der Mann auf den 2029er-Eiswein und nickte anerkennend. Die Frau deutete zur Tresortür, hektisch, wie Tunsteen schien. Beide tasteten darüber, suchten den Öffnungsmechanismus.

Moment!

Die Tresortür war verschlossen, die mit Stahl verstärkten Lavawände waren unbeschädigt. Wie waren die Einbrecher also in den Kühlraum gelangt?

Aber für solche Fragen war später Zeit. Erst mal galt es zu verhindern, dass die Räuber sich Weine krallten, von denen jede Flasche das Jahresgehalt eines Ferronen kostete.

Tunsteen hastete durch Lagerhallen, vorbei an Eichenfässern, deren Hölzer von Terra stammten. Verdammt, er musste die beiden Diebe stoppen, bevor sie flohen! Nicht auszudenken, was das für seinen Ruf bedeuten würde. Er hörte schon das Getuschel der anderen Weinhändler und ihre Schadenfreude.

Sicher steckt Korta dahinter.

Der Mistsack, der mit den Maccani kollaborierte, versuchte seit einigen Monaten, ihm das Wasser abzugraben.

Endlich stand Tunsteen vor der Tresortür, die ihn eine stolze Summe gekostet hatte. Sie war verschlossen und intakt. Seine Individualimpulse wurden geprüft, dann öffnete die Automatik die schwere Pforte. Die zwei Eindringlinge zuckten zusammen, sahen ihn und seine Waffe, hoben die Hände.

»Ihr verfluchten Einbrecher!«

»Langsam, langsam«, erwiderte der Mann mit ruhiger Stimme. »Es ist anders, als es aussieht.«

»Ach, und wonach sieht es aus?«, blaffte Tunsteen.

»Nach zwei Terranern, die dringend deine Hilfe benötigen.«

Ich sollte sie paralysieren, dem Ordnungsdienst übergeben und mich gar nicht erst auf ihr Gerede einlassen, überlegte er. Immerhin trugen sie Strahler an der Hüfte. Er kniff die Augen zusammen. Wieso ist der Mann so entspannt? Er kann nicht wissen, dass ich nur einen Paralysator habe.

Auch die Frau zeigte keinerlei Regung. Dennoch spürte Tunsteen, geschult durch die Erfahrung von Tausenden Verhandlungen, dass sie angespannt, sprungbereit und ungeduldig war.

»Keinen falschen Heldenmut!«, warnte er.

Ihre kampfbereite Haltung blieb bestehen. Sie warf einen Schulterblick zur hinteren Wand.

»Falls du deine edlen Tropfen retten willst, solltest du uns vorbeilassen.« Der Terraner deutete ebenfalls zur rückseitigen Wand. »Uns ist jemand auf den Fersen, der deine Weine nicht zu schätzen weiß.«

»Wie bitte?«

»Wir werden verfolgt«, übersetzte die Frau, die erneut nach hinten spähte.

Irritiert sah Tunsteen vom einen zum anderen. Warum suchten Verbrecher immer nach Ausflüchten? »Glaubt ihr, ich bin bescheuert?«

Der Mann lächelte. »Jemand mit so einem Weinkeller kann nicht bescheuert ...«

Mitten im Satz trat der Weißhäutige vor, machte eine blitzschnelle Drehung und riss Tunsteen die Waffe aus der Hand.

Verdutzt sah der Weinhändler seinem Gewehr nach.

Der Terraner zwinkerte ihm entschuldigend zu und deutete auf den kleinen Hebel über dem Abzug. »War sowieso nicht entsichert.« Mit einer schnellen Bewegung zog er das Energiemagazin heraus, steckte es ein und lehnte den nutzlos gewordenen Paralysator an einen der Kühlschränke.

Tunsteen trat ein paar Schritte zurück und begriff nun erst, was gerade passiert war. Sein Mut wich der Realität, verwandelte sich in Angst. Hatte er ernsthaft geglaubt, zwei bewaffnete Einbrecher stellen zu können?

Seine Oberschenkel zitterten, sein Herz raste. Er musste die Eindringlinge rasch aus dem Haus kriegen. Nicht auszudenken, wenn sie Xira fanden!

»Nehmt die Flaschen«, schlug er vor. »Sie sind sehr wertvoll.«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Wir sind keine Diebe. Vielleicht komme ich später auf ein Glas ...«

Ein Ächzen drang aus der hinteren Wand, an der sich Risse bildeten. Es sah aus, als würden die seit Jahrtausenden inaktiven Lavaadern wieder flüssig. Sie stülpten sich nach außen, leuchten hellrot auf.

Tunsteens Beine zitterten stärker. Was war da los?

»Perry, wir müssen raus!« Die Frau schwebte hoch, flog zum Ausgang.

Stimmt, die beiden trugen grauweiß glänzende Raumanzüge, die jedoch etwas lädiert aussahen. Tunsteen erkannte dunkle Verfärbungen. Waren das Spuren von Streifschüssen?

Ihm wurde übel, er dachte erneut an Xira. Falls er das heil überstand, würde er seinen Geiz überwinden und einen Schirmfeldgenerator samt automatisch auslösendem Paralysefeld kaufen.

»Entschuldige, mein Freund, aber es ist zu deinem Schutz.« Der Terraner erhob sich ebenfalls in die Luft, riss Tunsteen an sich. Der Ferrone schrie auf, fühlte sich überrumpelt. Die Einbrecher rasten aus dem Tresor, flogen durch den Vorratsraum.

»Wo ist der Ausgang?«, fragte der Mann, der offenbar Perry hieß.

Er deutete nach vorn. »Immer den Gang entlang.« Er stutzte. »Wie gefährlich ist der Typ, der hinter euch her ist?«

»Extrem gefährlich, sonst würden wir nicht flüchten.«

»Xira, meine siebenjährige Tochter.« Tunsteen schluckte. »Sie ist oben in der Wohnung.«

*

Perry Rhodan fluchte stumm. Wäre ja zu schön gewesen, wenn es auf Anhieb glattgegangen wäre. Im ersten Reflex wollte er den Ferronen an Gillian Wetherby übergeben, doch er brauchte ihn für die Tochter. Ohne ihren Vater würde das Mädchen nie mit Rhodan mitkommen.

»Wir nehmen sie mit.« Außerhalb des Tresors bestätigte sich seine Vermutung. Sie befanden sich im Innern eines erloschenen Vulkans. Der blauen Hautfarbe des Manns nach zu schließen, waren sie zurück im Wegasystem. »Wohin?«

»Wir müssen zum Aufzug.«

»Perry!« Wetherby wäre es wohl lieber gewesen, wenn sie in Richtung Ausgang oder zu einem Versteck geflogen wären.

Nun, sie war jung und setzte andere Prioritäten. Mit der Zeit würde wohl auch sie erkennen, dass Entscheidungen wie diese wichtig waren. Durch sie hob man sich von jenen ab, die Tod, Terror und Leid verbreiteten. Krakatau war so jemand, den Rhodan am liebsten nie getroffen hätte. Aber es war wohl sein Schicksal, sich immer wieder mit solchen Leuten herumschlagen zu müssen.

Solange ich am Ende gewinne ..., dachte er lakonisch.

Sie erreichten den Expresslift. Zu dritt fuhren sie nach oben, stiegen in einem Vorraum aus. Rhodan erkannte Luxus, wenn er ihn sah: die Kommode von Arkon, ein Teppich von Rumal, der Wandschmuck kam eindeutig von einer Jülziishwelt.

»Erste Etage!«, rief der Ferrone.

Sie flogen die Treppe hinauf. Das Kinderzimmer identifizierte Rhodan durch den davor schwebenden holografischen Gucky. Hoffentlich ging es dem Ilt und Bully gut. Seit sie vor sechs Tagen durch den Fiktivtransmitter auf Ferrol getrennt worden waren, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt.

Er landete vor der Tür und entließ den Mann aus seinem Griff.

»Xira!«, schrie der besorgte Vater.

Das Bett war leer, die Decke zurückgeschlagen. An der Rückwand glomm das weiße Band der holografischen Milchstraße, verschiedene Sonnensystem schwebten im Raum. Offenbar begeisterte sich das Kind für Astronomie. Doch wo hatte es sich verkrochen?

Während Wetherby die Kleiderschranktür aufriss, legte sich der Vater auf den Boden und blickte unters Bett. »Komm, mein Schatz!«

»Papa, wer ist bei dir?«

»Freunde.« Die Stimme zitterte, drückte Unsicherheit und Misstrauen aus.

»Sicher?«, fragte das Mädchen prompt.

»Komm da raus!« Der Vater griff mit dem Arm unters Bett.

»Perry!« Wetherby fasste Rhodan am Handgelenk und verdrehte die Augen.

Er bedeutete ihr zu warten und legte sich ebenfalls auf den Boden. Das Mädchen kauerte an der Wand, hatte einen Plüschgucky an die Brust gepresst. Rhodan dachte unwillkürlich daran, dass er den Ilt nie gefragt hatte, was er von dieser Heldenverehrung hielt.

»Gucky schickt mich. Er sucht noch Mitglieder für sein Mutantenkorps, und wir sollen dich zu ihm bringen.«

»In echt?«

Rhodan nickte.

»Xira, du kannst dem Mann glauben«, bestätigte ihr Vater.

»Na gut.« Sie kroch unter dem Bett hervor.

Rhodan reichte ihr die Hand und zog sie an sich. »Wir machen einen Ausflug.« Er aktivierte ein Fesselfeld und platzierte sie auf seinem Rücken.

»Und nun raus hier! Du zeigst uns den Weg.« Er deutete auf den Ferronen, den Wetherby bereits an der Hüfte umfasst hatte.

Sie hoben ab und rasten über den Balkon in die Nacht hinaus, die nicht völlig dunkel, sondern von Mondlicht erhellt war. Rhodan erkannte, dass sie im Innern einer Caldera an Steilwänden entlang nach oben rasten.

Rhodans Schutzmontur vom Typ SERUN schlug Alarm, aktivierte den Deflektorschirm und machte ihn auf ein burgähnliches Gebilde aufmerksam, das über ihren Köpfen schwebte. Rhodan hoffte, dass die terranische Abschirmtechnik besser als die Ortungsgeräte dieses Gebildes war.

»Eine Friedenskaserne der Maccani«, erläuterte der Ferrone, dessen Stimme von Wetherbys Helmfunk an Rhodan weitergeleitet wurde. »Wir sind noch immer besetzt.«

Rhodan nickte. Es hätte ihn gewundert, wenn die Invasoren schon nach so kurzer Zeit wieder abgezogen wären.

In der schwarzen Oberfläche der Kaserne spiegelte sich ein halbkreisförmiger Mond mit leicht bläulichem Schimmer, etwa halb so hell wie der Vollmond der Erde. Er ließ die Schneeflächen glitzern, die auf dem Kraterhang mit zunehmender Höhe immer ausgedehnter wurden.

»Groe, oder?«, mutmaßte Rhodan.

Das Mädchen bejahte – sie waren somit tatsächlich zurück im Wegasystem, konkret auf Naddir, dem elften Planeten, der von den terranischen Siedlern Carpa genannt wurde. Den wirtschaftlichen Schwerpunkt dieser Welt bildete der Agrarsektor.

Die SERUN-Positronik lieferte Rhodan Daten über ihren Standort. Der Vulkan Zoch erreichte eine Höhe von 5000 Metern, die oberen 2000 waren schneebedeckt. Schneidende Kälte biss Rhodan ins Gesicht. An diesen Hängen wurde seit Jahrtausenden der Umhudler angebaut, eine Eiswein-Rebe. Weinkritiker schwärmten davon. Auch Rhodan wusste ein Glas dieser Sorte zu schätzen.

»Wohin?«, unterbrach Gillian Wetherby seine abschweifenden Gedanken. Sie mussten so viel Distanz wie möglich zwischen Krakatau und sich bringen. Der Maccani verfolgte sie mit einer Hartnäckigkeit, die ihm Respekt einflößte.

»Über den Kraterwall hinweg ins Landesinnere.« Rhodan steuerte nach oben und beschleunigte. Das Mädchen jauchzte. Auf der anderen Seite des Vulkans würden sie die Ferronen absetzen.

Über schneebedeckte Hänge rasten sie aufwärts. Ein paar Frühaufsteher stapften bereits mit auf den Rücken geschnallten Antigravboards durch den Schnee in Richtung Kraterwall.

Perry Rhodan übergab der SERUN-Positronik die Flugsteuerung und fand endlich Zeit, sich um die blinkenden Kombotschaften zu kümmern, die seit ihrer Materialisierung auf seinem Multifunktionsarmband eingetroffen waren. Bevor er sie öffnete, fiel sein Blick auf die Zeitanzeige des Geräts.

Er sah das Datum, das sich selbsttätig aktualisiert hatte. »Gillian, wir haben ein Problem!«

*

Krakatau ließ sich in den ausgewachsenen Baum fallen. Kurz glaubte er, die Struktur der Blätter auf der Haut zu spüren, dann setzte sein Bewusstsein aus. Gefühlt nur einen Herzschlag später war er wieder wach und stürzte zwischen Urwaldbäumen abwärts. Er durchschlug Äste und Blätter, bis das Antigravaggregat seiner Schutzmontur ansprang und ihn abrupt abbremste.

Mehrere kleine Flatterwesen schrien ihn lautstark an und protestierten gegen sein plötzliches Erscheinen. Ein Vierbeiner mit dunkelorangefarbenem Fell fauchte ihn an. Das Tier machte einen Buckel, fletschte die Zähne. Es war sprungbereit.

»Habe ich dich erschreckt, mein Kleiner?«

Während er in der Luft verharrte, scannte er die Umgebung auf sämtlichen elektromagnetischen und hyperenergetischen Frequenzen. Keine Spur von Rhodan. Normaloptisch waren die Bäume unbeschädigt. Der Terraner und seine Begleiterin waren nirgendwo zu sehen. Auch die Infrarot- und anderen Sensoren lieferten kein Ergebnis.

Krakatau ballte wütend die Hände. Erneut waren ihm die zwei Menschen entkommen, wobei dieses Mal der Fiktivtransmitter dafür verantwortlich war, der sie und Krakatau offenbar an unterschiedliche Orte befördert hatte.

»Vater, Vater!« Er schüttelte den Kopf, glaubte, ein homerisches Lachen zu hören. Aber gut, ein Teil des Spiels diente auch der Unterhaltung. Dennoch ärgerte er sich. Wäre er nur einen Hauch schneller gewesen, wäre Perry Rhodan nun sein Gefangener.

Das Raubtier fauchte erneut. Krakatau schwebte zu ihm auf gleiche Höhe und blickte ihm bewusst in die Augen. Das Tier knurrte. Seine Tatze zuckte vor, verfehlte den Maccani aber um Zentimeter.

»Wie groß ist dein Unterhaltungswert?« Krakataus Arm schoss vor, ergriff den Hals des Vierbeiners und drückte zu. Das Tier röchelte. Die Augen traten aus den Höhlen, es schlug um sich. Er lockerte den Griff und gestattete der Kreatur, nach Luft zu schnappen und Hoffnung zu schöpfen.

»Dein Unterhaltungswert ist äußerst gering.« Er ließ das Tier los und schwebte zu Boden. Die Büsche dort waren intakt, der weiche Boden zeigte keinerlei Abdrücke von Schuhsohlen. Nein, an diesem Ort fand er keine Hinweise auf Rhodan und Wetherby.

»Dann auf eine neue Runde.« Er stieg wieder in die Luft, verharrte über den Bäumen. Am Horizont erkannte er drei markante Vulkankegel, anscheinend befand er sich südlich der Kipmannberge, die sich auf einem mittleren Breitengrad in die Höhe reckten.

»Pigell also.«

In den ihm bekannten Geschichtsdateien tauchte der sechste Planet des Wegasystems erstmals vor grob 56.000 Jahren auf. Die Meister der Insel, Krakataus Meinung nach das professionellste Regime aller Zeiten, hatten dort eine Werftplattform der Gen-Modulatoren stationiert. Einige Zeit später erbauten sie auf dem Planeten auch einen Zeittransmitter.

»Was man damit in den richtigen Händen alles korrigieren könnte!«, philosophierte er.

Sein Kommunikationsgerät blinkte immer heftiger. Unzählige neue Nachrichten waren eingetroffen, warteten auf seine Antwort. Er wollte gerade die erste öffnen, da fiel sein Blick auf das Datum, das sich aktualisiert hatte.

»Oha.«

Während für ihn auf der Jagd nach Rhodan nur sechs Tage vergangen waren, waren für die Ferronen und Maccani offenbar 14 Monate verstrichen. Er holte einen der Wachsvögel aus dem Rückentornister und streichelte ihn freudig. Der Vogel piepste, pickte nach Krakataus Zeigefinger.

»Unser Herr wird zufrieden sein. Wir haben ihm Zeit verschafft, damit er seine Machtbasis im Wegasystem festigen konnte, und ihm den unsterblichen Betrüger vom Leib gehalten.«

Der Vogel hob den Kopf und blickte Krakatau neugierig an.

»Ja, ich gehe davon aus, dass Rhodan ebenfalls zurück im Wegasystem ist. Und nein, ich weiß nicht, wo der terranische Resident und der Ilt abgeblieben sind. Das war auch nicht Teil meines Auftrags.« Gucky war für ihre Pläne wichtig, aber nicht so bedeutend wie Rhodan und Bull. Vielleicht gönnte das Schicksal dem Ilt endlich den verdienten Tod. Dass er der Letzte seiner Art war, musste ihn ja langsam um den Verstand bringen.

Und Reginald Bull, der ewige Zweite ... Mit welcher Berechtigung trug er einen Zellaktivator? Welche Fähigkeiten hatte er, außer dass er im Fahrwasser von Rhodan durch die Jahrtausende segelte?

Der Maccani ließ dem Wachsvogel mehr Spielraum. Sofort breitete er die Flügel aus und flatterte damit. Nur der Griff an den Beinen hinderte ihn daran, sich in die Lüfte zu erheben.

»Später, mein Kleiner«, flüsterte Krakatau und streichelte erneut über den Flaum am Kopf. »Es geht erst mal zu meiner Quartalspartnerin.« Er spürte, wie die metallene Stelle an seiner Wange feucht wurde und daraus ölige Flüssigkeit tropfte. »Ob sie wohl treu war? Immerhin gibt es im Wegasystem viele Versuchungen für so ein junges, hübsches Ding.«

Er lachte. Der Vogel blinzelte, fiepte, erkannte die Ironie. Krakatau zwinkerte ihm zu und verstaute ihn wieder im Tornister. Gemächlich schwebte der Bastardprinz in Richtung der Kipmannberge, aktivierte ein Peilsignal und stellte den Funkkontakt zu seinen Leuten her.

»Ihr habt fünf Minuten, mich zu orten und abzuholen«, sagte er und schaltete ab.

Die Maccani sollten wissen, dass die ruhige Zeit vorbei war.

Gedankensplitter

»Das ist ein historischer Moment – du bist der Letzte von uns, der mit der Transformation beginnt.«

»Was bin ich danach?«

»Du zweifelst?«

»Ich hinterfrage.«

»Das ist dein gutes Recht. Welche Antwort hast du gefunden?«

»Eine unbefriedigende.«

»Ich höre dir zu.«

»Jede Antwort mündet in der Frage, was Leben überhaupt ist und welche der Existenzen am sinnvollsten und befriedigendsten ist.«

»Bist du mit deinem Leben glücklich?«

»Mein Leben hat einen Sinn, ja.«

»Ist Sinn identisch mit Glück?«

»Das hängt von der Definition ab.«

»Wie definierst du Sinn und Glück?«

»Der, der dem Herrn dient, gibt seinem Leben einen Sinn. Dieses Glück wird nicht vielen zuteil.«

*

Gegenwart

14. Juli 2060 NGZ

In 5000 Metern Höhe flogen sie über den Calderarand und glitten jenseits des Walls wieder abwärts. Auf dieser Seite war der erloschene Vulkan von einem Wald umgeben, der in der Ferne an einen Fluss grenzte. Während hinter ihnen der Mond über der Landschaft thronte, sah Rhodan am Horizont bereits das erste Licht der Sonne. Das Mädchen umklammerte ihn an der Hüfte lockerer als zuvor. Es schien Gefallen an dem Hochgeschwindigkeitsflug zu finden.

Das alles nahm Perry Rhodan nur am Rande wahr. Er grübelte, wie sie so viel Zeit hatten verlieren können.

Vierzehn Monate in sechs Tagen.

Entweder waren sie zwischenzeitlich in einem Bereich mit anderem Zeitablauf gewesen oder ES hatte sich einen seiner Scherze erlaubt. Wenn Rhodan darauf wetten müsste, würde er auf Letzteres tippen. Die Superintelligenz lebte ihren seltsamen Humor gern aus. Nicht immer hatte Rhodan darüber gelacht. Er musste unbedingt wissen, was in der Zeit ihrer Abwesenheit im Wegasystem passiert war. Schon diese Friedenskaserne, wie der Ferrone das fliegende, düstere Gebilde genannt hatte, verhieß nichts Gutes.

»Perry!«

Gillian Wetherby wurde langsamer, blieb in der Luft stehen. »Sieh dir das an!«