Wegen Liebe geschlossen - Jean-Pascal Ansermoz - E-Book

Wegen Liebe geschlossen E-Book

Jean-Pascal Ansermoz

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Beschreibung

Glauben Sie an Zufälle? Oder Glücksfälle? Kennen Sie Amie? Also genau genommen heisst sie Amélie. Sie hat einen Hund, Tami, und seit Kurzem einen neuen Freund, der ist ein richtiger Graf. Zwar ohne Schloss und ohne 'von', aber ein Graf trotzdem. Um ihn geht es in dieser Geschichte. August hadert mit dem Leben, der Welt und sich selbst. Und das kann Amie nicht begreifen, schliesslich ist das Leben fröhlich, schön und leicht. Oder doch nicht? Es geht in dieser Erzählung um Träume und wie man ihnen folgt. Es geht um Liebe, Hoffnung und um das, was das Leben so lebenswert macht. Denn eine Begegnung kann manchmal gleich mehrere Leben verändern.

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»Auf dem Herzen steht,

wie auf gewissen Medizinen:

Vor Gebrauch schütteln.«

Rainer Maria Rilke

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

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Kapitel

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Kapitel

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Kapitel

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1. Kapitel

Wegen Liebe geschlossen.

Das gab es doch nicht! Nicht in dieser Welt. Hohenrain blickte sich um, nicht wissend, ob er nun lachen oder weinen sollte. Beides würde die Tür jedenfalls nicht öffnen. Nicht an diesem verregneten Abend Ende November. Menschen hasteten an ihm vorbei, als könne sich der Regen durch ihren Regenschirm fressen, liefen sie nicht schnell genug. Er trat einen Schritt zurück und sah am zweistöckigen Gebäude hoch, dessen Eingang unter dunklen Fenstern nur über mehrere Stufen erreichbar war. Das Dach verlor sich bereits in der Nacht, zumal der große Baum dem Mauerwerk zusätzlich Schatten gab. Die vereinzelten Lichtkegel der Straßenbeleuchtung liessen in ihm kein Gefühl von Wärme zu. Der Wind zerrte an seiner Geduld und ließ seine Gedanken erkalten.

Hohenrain ging wieder vor und las die Botschaft an der Tür noch einmal.

Kopfschüttelnd drehte er sich um und beobachtete einen Mann mit Hund, ohne Regenschirm, aber mit Zigarette. Wer von beiden nun den Hundeblick hatte, konnte er nur schwer erkennen. Hohenrain wäre bei den Lichtverhältnissen keine Wette eingegangen. Er ließ sie passieren und wandte sich dann in die entgegengesetzte Richtung.

Weg von Liebe und Dackel.

Man schloss ein Geschäft anlässlich einer Beerdigung oder infolge eines Unfalls. Aber doch nicht wegen Liebe! Wo kommen wir denn hin, wenn man wegen solchen Gefühlsduseleien Geschäfte vor Ladenschluss zumachte.

Hohenrains Gedanken gaben seinen Gefühlen Raum, und diese bedankten sich, indem sie weitere Gedanken der gleichen Art hervorbrachten. Während er in der kalten Nacht dahinschritt, überlegte er nur noch innerhalb des begrenzten Horizonts seiner enttäuschten Erwartungen.

Er hatte doch heute dieses Buch kaufen wollen. Wo sollte er sich das nun besorgen? Ergab das Leben überhaupt einen Sinn ohne Buch?

Der Tag hatte nicht schlecht angefangen. Er war ohne allzu starke Rückenschmerzen aufgewacht. Für einen Grafen eher ungewöhnlich.

Also einen Grafen ohne Titel.

Und ohne Schloss.

Und ohne 'von'.

Dieses hatte jemand in der zuständigen Administration bei der letzten Personalausweiserneuerung vergessen. Hohenrain hatte es erst bemerkt, als es schon zu spät war. Änderungen könne man nicht mehr vornehmen.

Das sei nun mal so. Fehler passieren. Leichtgläubigkeit auch. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder ein 'von' vergisst?

Hohenrain blickte auf den Gehsteig. Seine Schuhe hatten sich mit Wasser vollgesogen und quatschten nun bei jedem Schritt, als steckten seine Füße in großen Taucherflossen. Der Regen setzte ihm zu. Er würde sich noch den Tod holen. Verächtlich schnaubte er kleine weiße Wölkchen vor sich her, den Kopf zwischen hochgezogenen Schultern.

An einen Regenschirm hatte er nicht gedacht. Das war etwas fürs Fußvolk, diese pessimistischen Gedanken. Aber wie gerne wäre er in diesem Moment einer von ihnen gewesen. Wasser tropfte aus seinen Haaren. Er schüttelte gedankenverloren den Kopf, und dann passierte es.

Seine Füße verfingen sich.

Hohenrain strauchelte, befreite seine Hände nicht rechtzeitig aus den Manteltaschen und verlor das Gleichgewicht. Eine Sekunde später machte er unliebsame Bekanntschaft mit dem Beton, aus dem Stadtträume konstruiert werden.

Schwerkraft vermochte wehzutun.

»Hey! Aufpassen! Du hast beinahe Tami verletzt!«

Die Stimme klang empört und verärgert. Bevor er fragen konnte, wer zum Teufel Tami sei, leckte ihm eine raue Zunge über die Wange. Wie von der Tarantel gestochen fuhr Hohenrain hoch und wischte sich wild gestikulierend mit beiden Händen übers Gesicht. Dabei tanzte er, als müsse er Insekten loswerden, die es aus seiner Kleidung herauszuschütteln galt.

»Schei ... Schei ... Schei ... Schei ... und nochmals Schei ...«

Ein perlendes Lachen ließ ihn innehalten. Es klang wie das fröhliche Plätschern eines Baches im Hochsommer.

Eine tiefe Sehnsucht ergriff Besitz von seiner Seele.

»Was zum ...?«

Der Hund bewegte seinen Kopf hin und her und jaulte fröhlich.

Hohenrain richtete sich auf. Das Tier setzte sich und schaute ihn erwartungsvoll an. Würde er weiterspielen?

»Was macht dich so traurig?«, fragte das Mädchen, während sie den Hund von der Leine ließ, über die Hohenrain zuvor gestolpert war.

»Traurig?« Er blickte sie an.

»Hab ich doch gesagt.«

»Ich bin nicht traurig.«

»Doch, das bist du. Du hast vor lauter Gedanken die Leine nicht gesehen.«

Er überlegte kurz.

»Die Buchhandlung ist geschlossen.«

Sie sah ihn stirnrunzelnd an.

»Außerdem regnet es, und ich habe keinen Schirm bei mir. Und ich habe ein 'von' verloren.«

Das Mädchen nickte.

»Deine Erwartungen machen dich traurig. Das ist bei den meisten Menschen so.«

2. Kapitel

»Ich heiße Amie.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen.

»Ich dachte ...« Er blickte zum Hund. Sie lachte.

»Das ist Tami, wie in Tsunami, nur eben ohne englische Sonne«, erklärte sie geduldig. »Ich bin Amie, wie in Amélie. Aber niemand nennt mich so ... eigentlich. Amie passt besser, denn ich bin jedermanns Freundin.«

Hohenrain wischte sich die Hände an der Hose ab.

»Freundin?«

»'Amie' bedeutet 'Freundin' auf Französisch.«

Hohenrain seufzte. »Soso.«

»Und du schaust aus, als wärst du Tage draußen gewesen«, fuhr sie fort.

Er sah an sich hinunter, wurde des Drecks auf dem Markenmantel gewahr, und stellte fest, dass seine Schuhe sehr wahrscheinlich so ruiniert waren wie sein Ruf.

»Und zum Friseur solltest du auch einmal.« Sie hatte ein Auge zugekniffen und musterte seinen Kopf.

»Wie heißt du eigentlich?« Amie ging in die Knie und kraulte den Hund hinter den Ohren.

»Ich?« Hohenrain schaute sich um.

»Nein, du!« Sie lachte.

Wieder diese kindliche Fröhlichkeit.

»Na ja ... ich heiße August.«

»August«, wiederholte sie. »Das ist ein schöner Name.«

Er hatte noch nie darüber nachgedacht.

»Es erinnert mich an den Sommer. An warme Abende. Und an Sterne am Himmel. August gefällt mir.«

Hohenrain wusste darauf nichts zu erwidern.

»Was wolltest du denn um diese Zeit noch in der Buchhandlung?«

»Na, ein Buch natürlich.«

»Ich lese auch gern.«

»Ich lese jeden Abend ein Buch.«

»Jeden Abend?« Sie sah ihn ungläubig an.

»Jeden Abend. Ich schlafe nicht mehr viel, weisst du. Also lese ich.«

»Aber nicht heute Abend.«

Hohenrain schmunzelte.

»Nein, vermutlich nicht heute Abend.«

»Was machst du dann?«

Hohenrain hob die Schultern. »Ich weiß nicht ...«

»Man muss nicht immer ein Ziel haben.«

»Was du nicht sagst.«

»Manchmal reicht einfach ein Moment zum Innehalten.«

Hohenrain zog eine Augenbraue hoch.

»Das Leben hat dir einen Abend zum Innehalten geschenkt«, fuhr Amie ungerührt fort. »Und das ist schön. Ich geh mal weiter. Tami ist kein sehr geduldiger Hund, weißt du.«

Hohenrain wollte aber mehr wissen.

»Wo wohnst du, Amie?«

Sie sah ihn kurz an.

»Ich wohne hier.«

Fragend blickte er sich um.

»Aha.«

Sie lachte. »Man sollte fremden Menschen nicht sagen, wo man wohnt, auch wenn man sie mag.«

»So so, sagt wer?«

Amie zuckte mit den Schultern. »Viele.«

»Aha. Darf ich fragen, wie alt du bist?«

»Zweistellig.«

Hohenrain lachte.

»So gefällst du mir schon besser«, kommentierte das Mädchen.

»Wie meinst du das?«