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Dominic Sandbrook

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Beschreibung

Weltgeschichte hautnah: Der größte Eroberer aller Zeiten

Weit zurück in der Vergangenheit in einer antiken Welt voller mythischer Götter und sagenhafter Städte macht sich der junge Alexander auf, eines der größten Reiche der Weltgeschichte zu erschaffen. Mit 20 Jahren besteigt Alexander der Große, der sich als Sohn von Zeus sieht, den Thron und wird König von Makedonien. Doch er weiß, dass er zu Größerem bestimmt ist ...
Im Mittelpunkt seines kurzen und dramatischen Lebens steht das Abenteuer: der sagenumwobene Eroberungszug über das Persische Reich, Ägypten und Zentral-Asien bis nach Indien. Von Persien aus regiert Alexander schließlich als König der Könige, bis er unter mysteriösen Umständen mit nur 32 Jahren stirbt.

Historiker Dominic Sandbrook katapultiert die Leser mitten hinein in die historischen Ereignisse, Schauplätze und Einzelschicksale. Das Ergebnis: Geschichtswissen in einer fundierten, mitreißenden und dramatischen Erzählung für Leser*innen ab 10 Jahren.

Alle Bände der Weltgeschichte(n)-Reihe:
Zeit der Finsternis: Der Zweite Weltkrieg
König der Könige: Alexander der Große

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Seitenzahl: 325

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Dominic Sandbrook

Aus dem Englischen

von Knut Krüger

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Für Iseult

Copyright Text © 2021, Dominic Sandbrook, All rights reserved

Die englische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »Adventures in Time: Alexander the Great« bei Particular Books, einem Imprint von Penguin Press, London

© 2021 für die deutschsprachige Ausgabe bei cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Knut Krüger

Lektorat: Andreas Rode

Umschlaggestaltung und -illustration: Nele Schütz Design/Sonja Gebhardt

mk • Herstellung: AJ

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-27411-5V003

www.cbj-verlag.de

Inhalt

Prolog: Der Traum

TEIL 1

DER JUNGE AUS MAKEDONIEN

1Der Junge und sein Pferd

2Ein Messer im Morgengauen

3Der Mann, der in einer Tonne lebte

4Der Schild der Athene

5Der Tod im Fluss

TEIL 2

DER SOHN DES ZEUS

6Der große König

7Die Schlacht bei Issos

8Die Stimme des Ammon

9Blutmond

10Die Ebene von Gaugamela

TEIL 3

DAS ENDE DER WELT

11Die Städte der Flammen

12Auf der großen Straße nach Osten

13Wege in Asien

14Roxana

15Reise ins Dunkel

16Abschied von Bukephalos

TEIL 4

DIE LETZTE REISE

17Meuterei in Indien

18Marsch durch die Wüste

19Das Grab des Kyros

20Babylon

21Begräbnisspiele

NACHWORT

Prolog

Der Traum

Es war ein herrlicher Tag, die Sonne stand hoch am wolkenlosen blauen Himmel. Licht tanzte auf dem Wasser des Hellespont – der heute Dardanellen genannten Meerenge, die Europa von Asien trennt.

Der junge Mann stand am Steuer seines Schiffs. Er war klein gewachsen und breitschultrig, mit lebhaften Augen und hübschen Locken, die ihm über die Ohren fielen.

Sein ganzes Leben lang hatte er auf diesen Moment gewartet. Schon als Junge, als er noch mit seinen Freunden durch die Wälder gestreift war, hatte er sich als Feldherr gesehen, der seine Flotte einst über das Meer führen würde, um seinen Feinden mit Schwertern und Speeren den Garaus zu machen.

Er war ein geborener Krieger, aber auch ein Träumer. Er liebte Bücher und die Dichtkunst, Rätsel und Geschichten.

Doch vor allem drängte es ihn nach Abenteuern. Er wollte Berge bezwingen, Wüsten durchqueren und ins Unbekannte vorstoßen, um neue Länder zu erobern.

Und jetzt war er drauf und dran, sich diesen Traum zu erfüllen. Er sah, wie die Ruderer die Riemen durchs Wasser zogen und der Wind die Segel füllte, warf den Kopf zurück und lachte aus reiner Freude.

Als sie die Meerenge zur Hälfte durchquert hatten, wurde ein Bulle aufs Deck geführt, den sie mitgenommen hatten, um ihn Poseidon, dem Gott des Meeres, zu opfern.

Der junge Mann hob sein Messer, es dauerte nur einen kurzen Moment.

Nachdem es vollbracht war, hielt er einen goldenen Kelch in die Luft und goss seinen Inhalt in die Fluten – ein Geschenk an die Nereiden, die Nymphen des Meeres.

Die asiatische Küste kam immer näher. In seiner strahlenden Rüstung ließ der junge Mann seinen Blick über den Strand schweifen. Seine Augen blitzten entschlossen, in seiner rechten Hand glänzte ein Speer.

Als der Kies unter dem Schiffsrumpf knirschte, sprang er ins seichte Wasser und holte weit mit dem Arm aus. Sein Speer beschrieb in der Luft einen perfekten Bogen und bohrte sich in den Sand.

Dann ließ der Mann seine Stimme über das Wasser schallen. Dies sei ein Zeichen, verkündete er, dass die Götter ihm ganz Asien zu Füßen legten.

Auf seinem Schiff brach Jubel aus, dann sprangen Tausende seiner Männer über Bord, um ihrem König auf persischen Boden zu folgen.

Der junge Mann hieß Alexandros, was in etwa »Beschützer der Männer« bedeutet, und lebte vor über zweitausend Jahren, im vierten Jahrhundert vor Christus. Sein Leben war so übervoll an Abenteuern und außerordentlichen Ereignissen, dass wohl jeder Schriftsteller davor zurückschrecken würde, sich so etwas auszudenken.

Er entstammte dem Königreich Mazedonien, das im Norden des antiken Griechenlands lag.

Schon als Teenager nahm er auf einem Hengst, den er selbst gezähmt hatte, an seinen ersten Schlachten teil, begleitet von den Freunden seiner Kindheit.

Nachdem er im Alter von zwanzig Jahren den Königsthron bestiegen hatte, begann er einen der spektakulärsten Feldzüge der Weltgeschichte. Er überquerte das Meer in Richtung Osten, um den König von Persien anzugreifen, den damals mächtigsten Herrscher der Erde.

Sein Heer drang Tausende von Meilen ins Persische Reich vor und gewann Schlacht um Schlacht. Seine Männer überquerten das syrische Gebirge und die ägyptischen Wüsten, bestaunten die Pyramiden und den Nil.

Alexander und seine Gefährten besuchten exotische Tempel und holten den Rat fremder Götter ein. Sie eroberten die größte Stadt, die die Welt jemals gesehen hatte, und brachten unermessliche Schätze in ihren Besitz.

Immer weiter drangen sie gen Osten vor, der aufgehenden Sonne entgegen. Sie überquerten die höchsten Berge Afghanistans und die Flüsse Indiens, bekamen es mit Göttern und Elefanten, mit Banditen und Prinzessinnen zu tun.

Und als das vermeintliche Ende der Welt fast in Sichtweite war … aber ich will hier nicht das Ende verraten.

Die Welt, in der Alexander vor über zweitausend Jahren lebte, unterschied sich ganz wesentlich von der unsrigen. Es gab weder Autos noch Computer, und auch von moderner Medizin konnte noch keine Rede sein. Es war eine Welt der Mythen und Legenden, doch kam sie den damaligen Menschen genauso real vor, wie die Welt uns heute erscheint.

Das antike Griechenland war kein einheitlicher Staat wie heute, sondern ein Kulturraum, der rivalisierende Städte und Königreiche umfasste, in denen man mehr oder weniger dieselbe Sprache sprach und dieselben Götter verehrte.

Im Zentrum befand sich das Mittelmeer, vor allem sein nordöstlicher Teil, der auch Ägäis genannt wird. Oder, wie der Philosoph Platon es ausdrückte: Die Griechen lebten an ihren Küsten wie »Frösche um einen Teich«.

Die Welt außerhalb Griechenlands war den Menschen weitgehend unbekannt, doch sie wussten von der großen Kultur des alten Ägypten und fürchteten ihren mächtigen Nachbarn Persien, der über das Gebiet herrschte, das wir heute als Mittleren Osten bezeichnen.

Von den europäischen Gebieten im Norden oder von Afrika wusste man so gut wie nichts, auch Indien war nahezu und China vollkommen unbekannt. Von der Existenz des amerikanischen Kontinents hatte man nicht die geringste Ahnung.

In vieler Hinsicht war es eine dunkle und gefahrvolle Welt. Krankheiten waren an der Tagesordnung. Viele Menschen starben, ehe sie vierzig wurden, und die Hälfte von ihnen erreichte nicht einmal das sechzehnte Lebensjahr.

Von den Frauen wurde erwartet, dass sie zu Hause blieben und die Kinder großzogen. Die Männer arbeiteten größtenteils auf den Feldern und folgten einem Ehrenkodex, den viele von uns abschreckend und gewalttätig finden würden.

Und dennoch war die Welt Alexanders auch voller Licht und Schönheit. Die Griechen verehrten die Poesie, schufen die Kunstform des Theaters und schrieben einige der bedeutendsten Stücke aller Zeiten.

Sie liebten die Diskussion und waren fasziniert von abstrakten Ideen. Sie studierten Mathematik und Naturwissenschaften, interessierten sich für den Lauf der Sterne und die Vorgänge im menschlichen Körper. Gemeinsam mit ihren Nachbarn aus Ägypten und Persien sowie den späteren Römern schufen sie die Grundlagen unserer modernen Zivilisation.

Doch Alexander war kein gewöhnlicher Grieche oder Makedonier, sondern glaubte schon als Kind daran, dass ihm ein besonderes Schicksal bevorstehe.

Die ersten griechischen Historiker nahmen an, dass Alexander von einem Gefühl beherrscht wurde, das sie Pothos nannten – die Sehnsucht nach etwas Tiefem und Jenseitigem, das für normale Sterbliche unerreichbar ist.

Das war es, was Alexander so besonders machte. Viele andere Jungen träumten davon, Untiere zu besiegen und ihren Helden Theseus, Perseus und Herakles nachzueifern, doch sie rechneten nicht wirklich damit, es ihnen gleichzutun oder sie gar in den Schatten zu stellen.

Alexander schon. Von Beginn an betrachtete er sich als lebende Legende, als jemanden, von dem einst die Geschichtsbücher erzählen würden.

Auch deshalb bohrte sich sein Speer in den asiatischen Sand. Er wollte seinen Männern damit sagen, dass dies ein historischer Tag war, an den sich die Menschen noch in Jahrhunderten erinnern würden.

Und er behielt recht.

Doch eins nach dem anderen. Kehren wir zunächst dorthin zurück, wo Alexanders Geschichte ihren Anfang nimmt – in eine Zeit, lange bevor er den Hellespont überquerte, ja sogar in die Zeit vor seiner Geburt.

Und wie viele der besten Geschichten beginnt auch diese Geschichte nicht mit sterblichen Männern und Frauen, sondern mit den erstaunlichsten griechischen Charakteren überhaupt – mit den zwölf Göttern auf dem Olymp.

TEIL 1 – DER JUNGE AUS MAKEDONIEN

1

Der Junge und sein Pferd

Hoch über den Olivenhainen Griechenlands erheben sich die Gipfel des Olymps. Seit Hunderten von Jahren lauschen die Kinder bereits den sagenhaften Geschichten, die von dem Geschehen dort oben, zwischen der Erde und den Sternen, erzählen.

Auf dem Olymp hieß es, gebe es weder Regen noch Wind, sondern nur endlosen Sonnenschein. Hier lebten die Götter von Nektar und wie Honig schmeckendem Ambrosia, dem Trunk und der Speise für die Unsterblichen.

Von den Ufern der Ägäis bis zu den Wäldern Makedoniens kannte jedes Kind die Namen der zwölf olympischen Götter. Da war Hera, die Familien-Göttin, zuständig für Hochzeit, Mutterschaft und Geburt. Da war Poseidon, der Gott des Meeres, der das Wasser mit seinem Dreizack aufwühlen konnte.

Der Kriegsgott hieß Ares und wurde oft mit einem großen Schild auf seinem Streitwagen dargestellt. Die jungfräuliche Göttin der Jagd und des Mondes trug den Namen Artemis. Der Bogenschütze Apollo war der Sonnengott. Und dann gab es noch: Die weise Göttin Athene, die immer einen glänzenden Helm trug, mit ihrer Eule. Demeter, die Göttin der Ernte. Hephaistos, den Schmied, mit seinem Hammer und seinem feuerglühenden Amboss. Hermes, den Götterboten, mit seinen geflügelten Sandalen. Die sanfte Göttin Hestia, Hüterin von Heim und Herd. Und schließlich die schöne Aphrodite, die Göttin der Liebe.

Doch vor einem Gott zitterten all die anderen: vor Zeus, dem Göttervater, dem Herrscher über Himmel, Blitz und Donner.

In jungen Jahren hatte Zeus die Welt von der Tyrannei der Titanen befreit und sich selbst zur obersten Gottheit gemacht. Sein Vogel war ein Adler, sein Baum eine Eiche und seine Waffe ein Donnerkeil.

In Homers Epos Die Ilias lässt Zeus den anderen Göttern des Olymps eine Warnung zukommen.

»Ich bin der mächtigste aller Götter!«, sagt er. »Befestigt ein goldenes Seil am Himmel und hängt euch alle daran, ihr Göttinnen und Götter. Ihr werdet es nicht schaffen, Zeus, den Allmächtigen, vom Himmel auf den Boden hinabzuziehen! Ich aber könnte euch samt Erde und Meer zu mir emporziehen und könnte euch vom Gipfel des Olymps hängen lassen, so viel mächtiger bin ich als alle Götter und Menschen.«

Für die Kinder, die an den Küsten der Ägäis aufwuchsen, waren Götter wie Zeus mehr als erfundene Gestalten.

Mythen und Legenden waren ein Teil ihres täglichen Lebens und ihrer Realität. Hörten sie den Ruf einer Eule in der Nacht, so glaubten sie, diese brächte neue Nachrichten aus Athen. Und wenn der Donner über ihren Köpfen grollte, war dies ein Zeichen, dass Zeus ihnen zürnte.

Jedes Haus hatte seine geweihte Feuerstelle und jede Stadt ihren Tempel. Und jedes Jahr pilgerten Tausende von Menschen zu den über ganz Griechenland verteilten Heiligtümern, wo die Luft von Magie erfüllt zu sein schien.

An einem Sommertag in der Mitte des vierten Jahrhunderts vor Christus setzte ein junger Prinz seine Füße auf die Insel Samothrake. Sein Name war Philipp, und er war gerade aus Makedonien gekommen, dem rauen Königreich im Norden.1

Seit seiner Kindheit hatte Philipp davon geträumt, Samothrake zu besuchen. In ganz Griechenland sprach man vom Heiligtum der Großen Götter mit seinen wilden Zeremonien und Opferritualen.

Während des alljährlichen großen Festes betraten die zugelassenen Männer, Frauen und Kinder das Innere des Heiligtums und wurden in den Kult der großen Götter und ihrer Geheimnisse eingeweiht. Gesprochen wurde über dieses Erlebnis nicht, doch nun war Philipp gekommen, um sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen.

In einer der folgenden Nächte brannten die Fackeln und wirbelten die Tänzerinnen zu den wilden Rhythmen der Trommeln. Das Herz des jungen Prinzen schlug ihm bis zum Hals. Gleich würde er das Innere des Heiligtums betreten und schließlich mit den Geheimnissen der Götter vertraut gemacht werden.

Und plötzlich sah er sie: ein feingliedriges Mädchen mit rabenschwarzen Haaren. Ihre Augen glänzten fiebrig, sie war in Ekstase und schien ihm ein wenig jünger als er selbst zu sein, noch jugendlich. Philipp fand sie wunderschön.

Früh am nächsten Morgen, als die Sonne über die Berge von Samothrake stieg, sprach Philipp zum ersten Mal mit ihr. Sie hieß Olympias und war königlicher Abstammung. Ihr Vater, erklärte sie stolz, sei der König von Epirus, dem bewaldeten Bergland im äußersten Westen der griechischen Welt.

Philipp nickte. Epirus war ihm wohlvertraut.

Während sie sprachen, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Olympias war eine Schönheit, doch nicht nur das. Sie strahlte auch eine geheimnisvolle und unzähmbare Wildheit aus.

Als Philipp wenig später nach Hause segelte, stand sein Entschluss fest. Dies war das Mädchen, das er heiraten wollte.

Die Zeit verging. Im Jahr 359 v. Chr. wurde der 23-jährige Philipp König von Makedonien. Das Mädchen mit den rabenschwarzen Haaren hatte er nie vergessen.

Zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung machte sich die achtzehnjährige Olympias vom bergigen Epirus auf nach Pella, der Hauptstadt von Makedonien und Residenz der makedonischen Könige.

Philipp erwartete sie und streckte ihr zur Begrüßung beide Arme entgegen.

Doch in der Nacht vor ihrer Hochzeit hatte Olympias einen Traum.

Gewaltige Donnerschläge ließen die makedonischen Berge erzittern, Blitze zuckten am Himmel. Sie kamen immer näher, doch Olympias war unfähig, sich zu bewegen.

Plötzlich war das Gewitter direkt über ihr und schien von allem Besitz zu ergreifen. Ihr war, als sei Zeus persönlich zu ihr herabgestiegen und habe alles um sie her in Flammen gesetzt … ihr Bett brannte, die Luft brannte, selbst ihr Körper.

Als Olympias die Augen aufschlug, war alles dunkel.

Wenige Stunden später war sie mit Philipp verheiratet. Doch als sie ihren Schleier hob, um ihren frisch vermählten Ehemann zu küssen, jagte ihr die Erinnerung an ihren Traum einen Schauer über den Rücken.

Im Jahr 356 v. Chr., am sechsten Tag des Monats Hekatombaion (was vermutlich dem 21. Juli unseres Kalenders entspricht), brachte Olympias einen Sohn zur Welt.

Sie nannte ihn Alexandros, nach zwei früheren mazedonischen Königen. Ihr Sohn sollte der dritte König dieses Namens werden und als »Alexander der Große« Weltruhm erlangen.

Noch Jahre später sprachen die Leute von den vielen seltsamen Begebenheiten rund um Alexanders Geburt. Sein Vater befand sich zu dieser Zeit weiter südlich und führte seine mächtige Armee gegen ihre griechischen Feinde, die Athener, ins Feld.

Am selben Tag, an dem Alexander das Licht der Welt erblickte, eroberte sein Vater die Hafenstadt Potidaea. Der Bote aus Pella fand ihn in seinem Zelt, überglücklich über den gerade errungenen Sieg.

Ein zweiter Bote überbrachte ihm nahezu gleichzeitig die Nachricht, dass eine weitere makedonische Armee die wilden illyrischen Stämme in einer blutigen Schlacht vernichtet habe.

Als sich die Nachrichten im Feldlager verbreiteten, brachen die Soldaten in Jubel aus. Und während sich die Abenddämmerung über den ägäischen Horizont senkte, erblickte Philipp einen dritten berittenen Boten. Seine Kleider waren mit Staub bedeckt und das Fell seines Pferdes glänzte vom Schweiß.

Er war den weiten Weg von Olympia, dem Heiligtum des Zeus in Elis, gekommen, wo Tausende von Zuschauern die Olympischen Spiele verfolgt hatten. Und auch von dort gab es fantastische Nachrichten.

Beim großen Pferderennen war Philipps preisgekrönter Hengst zum Sieg gestürmt. Im Laufe eines einzigen Tages hatte er also eine Stadt erobert, eine entscheidende Schlacht gewonnen, olympischen Ruhm erlangt und einen Sohn bekommen. Die Götter schienen es wirklich gut mit Makedonien zu meinen!

Doch gab es da noch ein weiteres Omen – ein weiteres Vorzeichen –, das eine andere Geschichte erzählte.

Hunderte von Kilometern weiter östlich, in Ephesos, stand der Tempel der Artemis. Für die Griechen, die an der asiatischen Küste lebten2, war der riesige Tempel aus blendend weißem Marmor nichts anderes als ein Weltwunder.

Doch an diesem Tag brach im Tempel der Artemis ein Feuer aus, und als die Flammen erloschen waren, blieb nichts als Asche von ihm übrig.

Für die Priester von Ephesos war der Verlust kaum zu ertragen. Viele von ihnen liefen weinend durch die Straßen und verkündeten, dass dieser Vorfall großes Unglück für ganz Asien vorausahnen lasse.

Erst viele Jahre später, als sich Alexanders Ruhm in fast jeden Winkel der Erde verbreitet hatte, wurde den Menschen klar, dass der Untergang des Tempels mit seiner Geburt zusammengefallen war.

Der kleine Alexander war ein vitales und gesundes Kind, zwar relativ klein für sein Alter, doch voller Energie. Seine Eltern bekam er nur selten zu Gesicht. Sein Vater Philipp führte meist Krieg gegen Makedoniens Nachbarn.

Und seine Mutter Olympias zog sich oft mit ihren Magiern und Schlangentänzerinnen zurück, um Zaubertränke zu brauen oder Beschwörungsformeln zu murmeln. Manche von Philipps Freunden behaupteten, sie würde sich in Trance ihre Schlangen um die Schultern legen, sie sogar mit ins Bett nehmen.

Wie auch immer, es ist jedenfalls eine Tatsache, dass Olympias nur wenig Zeit für ihren Sohn hatte.

So kam es hauptsächlich Alexanders hübschem Kindermädchen Lanike zu, sich um ihn zu kümmern.

Im antiken Griechenland aufzuwachsen, fühlte sich oft wie ein einziges langes Abenteuer an. Das Wetter war meist sonnig und heiß, und die Kinder verbrachten die meiste Zeit draußen, in den Bergen und Wäldern.

Obwohl die meisten griechischen Kinder arm waren, unterschieden sich manche ihrer Spielzeuge nicht so sehr von den heutigen. Sie hatten Rasseln und Sprungreifen, Stoffpuppen und Tonsoldaten, Holzschwerter und selbst gemachte Fußbälle.

Und so wie andere Kinder trug Alexander eine weit geschnittene Tunika, die von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde, und Sandalen. Als junger Prinz genoss er jedoch auch einen Luxus, den sich andere Kinder nicht im Traum hätten vorstellen können.

Wenn er morgens aufwachte, war er sofort von Sklaven umgeben, die seine Speisen zubereiteten, Öllampen anzündeten und die Badewanne für ihn füllten. Und während die meisten Kinder Bohnen, Trauben, Brot und Käse aßen, wurden ihm Oktopus – das ist Tintenfisch –, Hirsch und Wildschwein sowie mit Wasser verdünnter Wein serviert.

Die wenigsten Kinder gingen zur Schule. Die Mädchen blieben in der Regel zu Hause, um sich häuslichen Tätigkeiten zu widmen, während die Jungen in die Fußstapfen ihrer Väter traten und sich auf eine Zukunft als Bauer, Seemann, Schmied oder Fischer vorbereiteten.

Doch für einen Prinzen wie Alexander lagen die Dinge anders. Jungen aus reichen Familien bekamen mit sieben Jahren einen Privatlehrer, der sie gemeinsam mit wenigen Mitschülern unterrichtete.

Sie lernten Lesen und Schreiben. Die Buchstaben ritzten sie in Wachstafeln ein. Dazu benutzten sie einen Holzstift, den sie als Stilos bezeichneten. Alexander musste Unterrichtsstoff auswendig lernen, darunter lange Gedichte und Passagen aus Theaterstücken.

Zunächst suchte Olympias die Privatlehrer ihres Sohnes persönlich aus. Doch als Alexander dreizehn Jahre alt geworden war, sah sein Vater Philipp die Zeit für Veränderungen gekommen.

Durch all das Geld, das seine Gold- und Silberminen einbrachten, konnte er sich jeden erdenklichen Privatlehrer leisten, und Philipp wusste genau, wen er haben wollte.

Aristoteles, der dünne, bärtige und krummbeinige Sohn von Nikomachos, hatte bei dem Philosophen Platon in Athen studiert, bevor er selbst Hunderte von Büchern zu fast jedem erdenklichen Thema schrieb.

Es gab nichts, was Aristoteles nicht wusste. Er schrieb über Pflanzen und Meereslebewesen, über Musik und Mechanik, über Krieg und Politik. Er verfasste ein Buch über Magnetismus, ein Lexikon über Tiere, eine Abhandlung zur Rhetorik sowie eine Schrift zu unseren Träumen.

Ein Lehrer dieses Kalibers brauchte natürlich ein besonderes »Klassenzimmer«. Nachdem Aristoteles in Pella angekommen war, begab er sich mit seinem Schüler in das nahe bei den Bergen gelegene Mieza. Mit seinen sonnendurchfluteten Wäldern und plätschernden Bächen war dies ein idealer Ort für lange Spaziergänge und ungestörtes Nachdenken.

Hier lernte Alexander viel über die Tierwelt und die Natur, über Dichtkunst und Geschichte. Aristoteles erzählte ihm sowohl von den ersten griechischen Abenteurern, die die ägäische Küste entdeckt und kolonisiert hatten, als auch von den langen Kriegen zwischen den Städten Athen, Sparta, Theben und Korinth.

Alexander lauschte mit großen Augen den Erzählungen des Aristoteles über die Schlachten der Griechen mit ihrem ärgsten Feind, dem riesigen und unermesslich reichen persischen Königreich. Diese Geschichten brachten das Blut eines jeden Jungen in Wallung und Alexander war da keine Ausnahme.

Wenn Aristoteles sprach, stellte sich Alexander vor, wie er sich mit dem Schwert in der Hand in den Kampf gegen die Perser stürzte, unterstützt von seinen Freunden, die in diesem Moment neben ihm saßen …

Denn Alexander war nicht der einzige Junge in der Klasse. Da war Kleitos, der Bruder seines Kindermädchens Lanike, ein mürrischer und störrischer Junge, der wegen seiner dunklen Haare auch Kleitos der Schwarze genannt wurde.

Da waren der brave und ungestüme Perdikkas, der aus dem Königshaus der makedonischen Provinz Orestis stammte, sowie der scharfsinnige Ptolemaios, der ein paar Jahre älter als Alexander war und stets mehrere Schritte vorausdachte. Seine Familie stammte aus kleineren Verhältnissen, und er errötete, wenn seine Kameraden ihn damit aufzogen.

Nearchos stammte aus Kreta. Er liebte es, von seiner Heimat zu erzählen, und rühmte sich seines Wissens über das Meer.

Harpalos hinkte ein wenig, war einnehmend und charmant, doch nicht vollkommen vertrauenswürdig.

Aber über allen thronte Hephaistion, der zu Alexanders engstem Freund wurde. Groß gewachsen und gut aussehend, war er dem jungen Prinzen stets treu ergeben.

Alexander und Hephaistion gingen oft gemeinsam auf die Jagd und galten bald als unzertrennlich. Die anderen Jungen verglichen sie im Spaß mit Patroklos und Achilleus, deren enge Freundschaft in der Ilias – Homers Schilderung des Trojanischen Krieges – beschrieben ist. Alexander lachte darüber, war aber auch fasziniert von diesem Gedanken. Er bewunderte die Helden der Vergangenheit und träumte davon, ihnen nachzueifern.

Einer seiner Lieblingshelden war Perseus, der Sohn des Zeus, der auf Pegasus, dem geflügelten Pferd, geritten war und die schlangenhaarige Medusa getötet hatte.

Auch liebte er die Geschichten von Herakles, einem weiteren Sohn des Zeus, der die neunköpfige Hydra getötet, den kretischen Stier gefangen und den dreiköpfigen Hund Kerberus aus der Unterwelt emporgeholt hatte.

Doch mehr als alle verehrte er Achilles, den tapfersten der griechischen Krieger während der Belagerung von Troja, der den trojanischen Königssohn Hektor getötet hatte und dessen Freundschaft mit Patroklos Dichter und Musiker inspirierte.

Für Alexander waren dies keine erfundenen Geschichten. Er erzählte seinen Freunden, dass sich der Stammbaum seiner Familie bis zu Achilles zurückverfolgen lasse, und wollte sich als würdiger Nachfahre erweisen.

Eines Tages, sagte er, würde er mit Hephaistion gen Osten ziehen. Auch sie würden gegen mächtige Armeen kämpfen und prächtige Städte einnehmen. Und auch ihre Namen würden einst zur Legende werden.

Und eines Tages würden die Dichter nicht nur Achilles, sondern auch Alexander besingen.

Alexander wuchs schnell heran. Er war ehrgeizig und impulsiv, ein verhältnismäßig kleiner, aber breitschultriger Junge mit leuchtenden Augen und lockigen Haaren.

Er war ein hervorragender Sportler und eine geborene Führungspersönlichkeit, hatte jedoch auch eine ruhige, nachdenkliche Seite. Er liebte Bücher und Poesie und war neugierig auf die Welt außerhalb von Makedonien.

Eines Tages, als er sich wieder in der Hauptstadt Pella befand, erreichten drei Abgesandte aus Persien den makedonischen Königshof. Da sein Vater Philipp auf der Jagd war, wollte Alexander die Besucher unbedingt selbst treffen.

Auch die Perser wollten den jungen Alexander kennenlernen, der hundert Fragen hatte. Woher genau sie gekommen waren? Wie lang die Reise gewesen sei. Wie die berühmten persischen Wege und Straßen aussähen.

Außerdem wollte er vieles über den persischen König erfahren. Wie viele Soldaten er habe und wie er seine Feinde bestrafe. Und so weiter und so weiter, bis seine Gäste völlig erschöpft waren.

Den Persern kam dies alles schier unglaublich vor, und so lachten sie, als sie den makedonischen Hof verließen. Doch der junge Alexander meinte es ernst. Nachdem sich die großen Tore hinter den persischen Reitern geschlossen hatte, wurde er nachdenklich.

Sein persönlicher Ruhm war ihm wichtiger als alles andere. Wann immer sich die Kunde von einem erneuten Sieg seines Vaters verbreitete, jubelten seine Freunde, doch Alexander erfüllten diese Nachrichten mit einer bohrenden Sehnsucht.

»Wenn wir nicht aufpassen«, sagte er sorgenvoll, »wird mein Vater bald alle Völker und Reiche erobert haben und für uns wird nichts mehr übrig sein.«

Alexander wusste, wozu sein Vater imstande war, und er war fest entschlossen, ihn als Kriegsherr zu übertreffen.

Im Alter von zwölf Jahren hörte er einen Tumult vor dem Palast. Auf dem Vorhof fand er Philipp mit seinen Gefährten, die vor einem wilden schwarzen Hengst zurückwichen, der sich nicht beruhigen ließ.

Was ging hier vor?

Sein Vater stellte ihm mürrisch Philonicus aus Thessalien vor, einen der besten Pferdehändler in ganz Griechenland.

Alexander fragte sich, warum Philonicus mit einem Pferd zu ihnen gekommen war, das niemand würde reiten können. Und dann verlangte der Händler auch noch den völlig überhöhten Preis von dreizehn Talenten dafür.

Der junge Alexander betrachtete den ungestümen Hengst von allen Seiten. Er sah kraftvoll und geschmeidig aus, mit einem sternförmigen Fleck auf der Stirn und dem eingebrannten Kopf eines Ochsen auf der Flanke. Doch wann immer Philipp ihm zu nahe kam, schnappte er nach ihm und bäumte sich auf.

Philipp bedeutete dem Pferdehändler, dass er den Hengst wieder mitnehmen solle. Da platzte Alexander der Kragen: »Was für eine Schande, sich so ein wundervolles Pferd entgehen zu lassen, nur weil niemand den Mut hat, es zu zähmen!«

Philipps Augen weiteten sich. »Wie kannst du es wagen«, wies er seinen Sohn zurecht, »Männer zu kritisieren, die älter und klüger sind als du! Glaubst du wirklich, dass du dazu in der Lage wärst?«

»Ja«, antwortete Alexander. »Ich kann dieses Pferd reiten.«

Philipp lächelte ihn herausfordernd an. »Und wie viel ist dir dein Übermut wert, wenn du es nicht schaffst?«

Alexander zuckte die Schultern. »Dann zahle ich dreizehn Talente3 – den Wert des Pferdes.«

Für einen Moment sprach niemand ein Wort. Dann brach Philipp in Gelächter aus und all die anderen Männer lachten ebenfalls über die Arroganz und naive Selbstüberschätzung des Jungen.

Nur Alexander lachte nicht. Sein Gesicht war entschlossen.

Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, machte Alexander zwei ruhige Schritte auf das Pferd zu. Es schnaubte. Und ehe es eine Möglichkeit hatte, zu reagieren, war Alexander schon an seinem Kopf.

Mit sanftem, aber entschlossenem Griff nahm er das Zaumzeug und drehte den Hengst der Sonne entgegen. Für eine Sekunde ließ er ihm ein wenig Spiel und strich ihm behutsam über den Rücken.

Dann streifte Alexander den Umhang ab und sprang mit einer fließenden Bewegung auf den Rücken des Pferdes, das sich nicht sträubte.

Alexander beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Und schon waren sie unterwegs, schnell wie der Wind. Jetzt war es Alexander, der lachte, während er seinen Kopf im Sonnenlicht zurückwarf.

Als er auf den Vorhof des Palastes zurückkehrte, wurde er mit Applaus empfangen. Er ließ sich vom Pferd gleiten, immer noch lachend.

»Er hatte Angst vor seinem eigenen Schatten, also habe ich ihn zur Sonne gedreht, das ist alles«, sagte er leichthin.

Er klopfte dem Pferd die Hüfte. »Ich werde ihn Bukephalos – »Ochsenkopf« – nennen.«

Sein Vater hatte Tränen in den Augen, es waren Tränen des Stolzes. »Mein Sohn«, sagte er, »du musst dir ein neues Königreich suchen, denn Makedonien ist zu klein für dich.«

Alexander lächelte. Er war erst zwölf Jahre alt, doch er wusste, was er zu tun hatte.

Eines Tages würde er selbst König von Makedonien sein. Er würde ganz Griechenland einen und sich dann gen Osten wenden, um das Persische Reich ein für alle Mal zu unterwerfen.

Gemeinsam mit seinen Freunden und seinem treuen Pferd Bukephalos würde er immer weiter nach Osten vordringen, dorthin, wo die Sonne aufging und das Ende der Welt war.

1 Heute gehört ein Großteil des ehemaligen Königreichs zu Griechenland, der Rest zur Republik Nordmazedonien.

2 Seit Jahrhunderten hatte es bereits griechische Städte auf der anderen Seite der Ägäis gegeben. Heute gehört diese Küste zur Türkei.

3 Ein Talent war eine Maßeinheit, die etwa 26 Kilogramm entsprach und durch Aufwiegen von reinem Silber als Währung benutzt wurde. Ein einziges Talent reichte aus, um einen Zimmermann neun Jahre lang zu bezahlen.

2

Ein Messer im Morgengrauen

Über der Ebene von Chaeronea brach die Dämmerung herein. Die Sonne versank hinter den Bergen am Horizont, dann wurde es rasch dunkel.

Alexander spähte in die Finsternis. In der Ferne erkannte er die Lagerfeuer seiner Feinde. Um ihn her war ein leises Gemurmel. Die makedonischen Heerführer diskutierten ihre Pläne für den morgigen Tag.

Einige von ihnen hatten, wie sein Vater, schon viele Schlachten geschlagen und manchen Wunden davongetragen. Doch in der Nacht zuvor konnte niemand ruhig schlafen.

Denn ganz gleich, wie mutig und geschickt sie auch kämpften, so würden manche von ihnen keinen weiteren Abend erleben. Schließlich lag ihre Zukunft nicht in ihren Händen, sondern in denen der rätselhaften Schicksalsgöttinnen.

Diese waren drei Schwestern, die auch Moiren genannt wurden. Die eine von ihnen spann den Lebensfaden eines jeden Menschen, die zweite bestimmte die Länge des Fadens und die dritte durchtrennte ihn. Niemand wusste, wann seine Zeit gekommen war, und es war sinnlos, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen.

»Auch auf mich«, spricht Alexanders Held Achilles in der Ilias, »warten der Tod und das Schicksal. Es wird ein Morgen, ein Mittag oder ein Sonnenuntergang kommen, in dem mir ein anderer im Kampf das Leben nehmen wird.«

Doch Alexander konnte seine Vorfreude kaum verbergen. Seit Monaten hatte er seinen Vater begleitet, war auf seinem Pferd Bukephalos tief in den Süden Griechenlands vorgedrungen.

Nun, vor den Toren der Stadt Chaeronea, waren ihre Feinde, die Armeen aus Athen und Theben, in Reichweite. Sie versperrten den Weg nach Süden, und Philipp wusste, dass ihm ganz Griechenland wehrlos zu Füßen lag, wenn er sie zur Seite fegte.

Es war der Spätsommer des Jahres 338 v. Chr. und Alexander erst achtzehn Jahre alt. Doch keine Sekunde lang wünschte er sich zurück an den Königshof zu seiner Mutter mit ihren Magiern.

Alexander hatte sich seit Jahren auf diesen Moment vorbereitet. In wenigen Stunden würde der Morgen Ruhm oder den Tod bringen.

Der Krieg war ein Teil des griechischen Lebens. Schon Homer hatte geschrieben, dass die Menschen eher dem Schlaf, der Liebe, dem Singen und Tanzen als dem Kriegführen entsagen würden.

Und Alexander wusste, dass ihnen eine entscheidende Schlacht bevorstand. Falls die Makedonier siegten, würde sein Vater der unumschränkte Herrscher in Griechenland sein.

Im Laufe von zwanzig Jahren war es Philipp gelungen, die Stellung Makedoniens vollkommen zu ändern. Im äußersten Norden der griechischen Welt gelegen, war es stets ein schwaches, zerstrittenes Königreich und eine leichte Beute für seine Feinde gewesen.

Mit Überzeugungskraft, Entschlossenheit und Mut hatte er die makedonischen Stämme geeint und sie dazu gebracht, sich gegen ihre Nachbarn zu erheben.

Nach jeder neuen Eroberung belohnte er sie mit Ländereien und Beutestücken. Und die neuen Territorien brachten ihm neue Ressourcen: Männer, Pferde, Eisen und Holz.

Seinen größten Durchbruch erzielte er, als seine Truppen die Goldminen des Pangaion-Gebirges eroberten. Damit war er quasi über Nacht zum reichsten Herrscher der griechischen Welt geworden, der in der Lage war, ein Vermögen für seine Kavallerie, neue Waffen und geldgierige Söldner auszugeben.

Weiter südlich, in den Marmorhallen von Athen und Theben, verfolgte man den Aufstieg Makedoniens mit Furcht und größter Sorge.

Seit Generationen hatten die Athener die Makedonier als Bauerntölpel verunglimpft, die in schmutzigen Städten lebten und nichts von Kunst und Poesie wussten. Sie lachten über den breiten Akzent der Makedonier und betrachteten ihre Könige als kriminelle Emporkömmlinge.

Doch in mancher Hinsicht war dies ein ungerechtes Urteil. Philipp sprach Griechisch und hatte einen Großteil seiner Kindheit in Theben verbracht. Sein Pferd hatte bei den Olympischen Spielen gewonnen, an denen ausschließlich Griechen teilnehmen durften.

Auch Alexander liebte griechische Traditionen, Kunst und Musik. Sein Lieblingsschriftsteller Homer war Grieche. Desgleichen seine Helden Achilles und Herakles.

Doch die Athener waren kaum an diesen Tatsachen interessiert. Ihre Stadt, einst der Stolz ganz Griechenlands, war im Niedergang begriffen, und sie konnten es nicht ertragen, dass mit Philipp ein neuer mächtiger Herrscher seinen Anspruch auf das ganze Land geltend machte.

Vor allem der griechische Redner und Staatsmann Demosthenes schürte über viele Jahre hinweg die anti-makedonische Stimmung. Immer wieder erklärte er seinen Zuhörern, Philipp sei ein primitiver Ausländer, der nicht aus einem goldenen Kelch, sondern aus dem Horn eines Ochsen trinke und dessen Frau Schlangen in ihrem Bett habe.

»Und er ist nicht einmal ein Barbar aus einem Land, das man respektieren könnte«, fügte Demosthenes verächtlich hinzu. »Er ist ein dreckiger Makedonier aus einem Land, in dem man früher nicht mal einen anständigen Sklaven bekommen hat.«

Bei diesen Worten lächelten viele Athener zustimmend. Und während Monate vergingen und die Anspannung wuchs, gab es immer mehr, die einen Krieg regelrecht herbeisehnten.

Gegen Ende des Jahres 340 v. Chr., kurz nach Alexanders sechzehntem Geburtstag, brach der Sturm los.

Philipps Truppen bedrohten inzwischen eine Reihe von Seehäfen und gefährdeten damit die für Athen lebenswichtige Versorgung mit Getreide. In dieser angespannten Lage gelang es Demosthenes, seine Politikerkollegen von der Unausweichlichkeit eines Krieges zu überzeugen.

»Lieber zehntausend Tode sterben, als sich Philipps Macht zu beugen«, erklärte er.

Die Fronten waren also geklärt. Auf der einen Seite standen Philipp, Alexander und das Heer aus Makedonien. Ihnen gegenüber befanden sich Demosthenes, die Athener und ihre Verbündeten, die Soldaten Thebens.

Zunächst wirkte Philipp seltsam zögerlich und schien den Kampf fast zu scheuen. Doch als die Athener ihre Verteidigung ein klein wenig vernachlässigten, schlug er plötzlich zu.

Mit schier unglaublicher Geschwindigkeit drangen seine Truppen nach Süden vor. Ein Kurier setzte die Athener davon in Kenntnis, dass die Makedonier nur noch zwei Tagesmärsche entfernt waren.

Die ganze Nacht bliesen Trompeter Alarm. »Die Nachricht verbreitete sich von Haus zu Haus«, schrieb ein Chronist, »und die Stadt war in höchster Aufregung.«

Im Morgengrauen versammelten sich die Athener im Theater, dem größte Gebäude der Stadt. Der Bote wurde aufgefordert, die Nachricht noch einmal öffentlich zu verkünden, worauf die Menge »von Stille und Schrecken erfasst wurde«, wie der Chronist sich ausdrückte.

Demosthenes erhob sich von seinem Platz und bemerkte mit ernster Stimme, dass ihnen keine Wahl bleibe. Athen müsse die Thebaner um Hilfe bitten und sich dem unausweichlichen Kampf stellen.

Er erntete lautstarke Zustimmung. Die Würfel waren gefallen. Das Schicksal musste entscheiden, und vor den Toren der Stadt schloss der junge Alexander die Augen und flehte die Götter an, ihn siegen zu lassen.

Als Alexander im Morgengrauen erwachte, waren die Männer um ihn herum schon auf den Beinen und legten ihre Rüstungen an. Pferde wieherten und ließen ihr Zaumzeug klappern.

Trotz der frühen Stunde war schon zu spüren, dass es ein heißer Tag werden würde. Die makedonischen Heerführer kamen zu einer letzten Lagebesprechung zusammen. Philipps goldener Panzer glänzte in den ersten Strahlen der Sonne.

Einige Jahre zuvor hatte Alexanders Vater während einer Belagerung im Norden ein Auge verloren. Doch mit seinen breiten Schultern und dem struppigen Vollbart sah er wie der Inbegriff eines kraftvollen und entschlossenen Kämpfers aus.

Philipp hatte die schlagkräftigste Armee in ganz Europa aufgebaut, mit etwa dreißigtausend Fußsoldaten und über zweitausend Reitern. Seine Soldaten waren bis an die Zähne bewaffnet, von fähigen Offizieren sorgfältig ausgebildet und durch jahrelangen Kampf geschult.

Die makedonische Kavallerie, auch als »Begleiter« bekannt, bestand aus den besten Reitern ganz Griechenlands. Sie hatten keine Steigbügel und kontrollierten ihre Pferde mit den Knien. Und wenn sie in v-förmiger Formation zum Angriff übergingen und ihre kurzen Lanzen einsetzten, war ihnen kaum ein Gegner gewachsen.

Das Fundament von Philipps Armee waren jedoch die einfachen Fußsoldaten. Jeweils sechzehn von ihnen bildeten eine eigene Einheit, die sogenannte Phalanx. Philipps Soldaten trugen jedoch keine schweren Schilde und Schwerter mehr, sondern waren mit fünf bis sieben Meter langen Holzlanzen, den Sarissas, bewaffnet. Ihre Köpfe wurden von ledernen Helmen geschützt, und ihre kleinen, leichten Schilde waren an den Schultern oder den Unterarmen befestigt, damit die Männer beide Hände zum Kampf frei hatten.

Damit waren die makedonischen Soldaten schneller und flexibler als ihre Feinde. Doch würde ihre Taktik diesmal aufgehen? Würden ihre Lanzen ausreichen, um gegen das hochgerüstete Heer der Athener zu bestehen?

Philipp gab seine letzten Anweisungen. Er würde die rechte Flanke seiner Männer befehligen, während Alexander seine Phalangen auf der linken Flanke gegen die Heilige Schar ins Feld führte, jene Thebaner, die einen heiligen Eid geschworen hatten, gemeinsam zu kämpfen und zu sterben.

Sobald sich in der gegnerischen Formation eine Lücke auftat, würden die makedonische Elitesoldaten, die Schildträger, in sie hineinstoßen und den Weg für die Reiter frei machen, die den Rest erledigen sollten.

Philipp schaute von einem zum anderen. »Seid ihr bereit?«

Alexander nickte. Er spürte die Aufregung in sich wachsen. Hatte eine trockene Kehle und ein flaues Gefühl im Bauch.

Er blickte zur Sonne auf, die an einem wolkenlosen blauen Himmel stand. Es würde ein brütend heißer Tag werden.

»Alalalalalai! Alalalalalai!«

Der Schlachtruf der Makedonier zerriss die Luft über der Ebene.

Trommeln und Trompeten erschallten, gefolgt vom Stampfen der Füße, während Philipps Soldaten ihre Lanzen nach vorne streckten und gegen den Feind vorrückten.

Alexander wurde von der Sonne geblendet. Er schwitzte unter seinem Helm. Dennoch spürte er eine sonderbare Ruhe. Endlich war der Moment gekommen, sich dem Feind zu stellen und das Schicksal entscheiden zu lassen.

Erneut durchschnitt der Schlachtruf der Makedonier die Luft. Die Thebaner standen ihnen direkt gegenüber, ihre Schwerter glänzten in der Morgensonne. Alexander erkannte die Gesichter unter ihren Helmen, den Kampfeswillen in ihren Augen …

Im nächsten Moment krachten Lanzen gegen Schilde, Männer auf beiden Seiten schrien auf. Alexander und seine Kameraden warfen sich brüllend ins Getümmel, drängten unaufhaltsam vorwärts.

Zunächst hielten die Thebaner stand. Ihre Elitesoldaten – die sogenannte Heilige Schar, die seit Generationen verehrt wurde – gehörten zu den gefürchtetsten Kämpfern in ganz Griechenland.

Doch die Taktik der Makedonier bewährte sich ausgezeichnet. Mit ihren langen Lanzen hielten sie die thebanischen Kämpfer auf Abstand, sodass diese mit ihren Schwertern nichts ausrichten konnten und Meter um Meter zurückgedrängt wurden.

Alexanders Glieder schmerzten, der Staub verklebte seine Brauen und brannte in seinen Augen. Ein roter Schleier schien sich über seine Umgebung gezogen zu haben, doch in diesem Moment ließ er sich von nichts und niemandem aufhalten.