Wie es dem Glück beliebt - Alissa Johnson - E-Book
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Wie es dem Glück beliebt E-Book

Alissa Johnson

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Beschreibung

Eine Frau von Welt. Doch eines ist neu für sie: die Liebe!

England, 1811. Lady Sophie Everton ist mit ihrem Vater in ferne Länder gereist und hat Dinge erlebt, bei deren bloßer Erwähnung die feinen Damen der englischen Gesellschaft in Ohnmacht fallen würden. Nun reist sie nach London zurück, um sich von den Strapazen des Abenteuerlebens zu erholen. Doch noch auf dem Schiff nach England tritt ein Fremder an sie heran. Sie soll im Auftrag des Prinzregenten ihren eigenen Cousin, Lord Loudor, ausspionieren, der das Vermögen der Familie veruntreut hat und im Verdacht steht, mit Verrätern im Bunde zu sein.

Dabei trifft sie auf den attraktiven Alexander, Herzog von Rockeforte. Dieser ist ebenfalls hinter ihrem windigen Cousin her und hofft, an ihn heranzukommen, indem er Sophie zum Schein den Hof macht. Allerdings hat Alexander nicht damit gerechnet, dass die quirlige junge Frau sein Herz im Sturm erobern würde. Auch Sophie verliebt sich Hals über Kopf in den charmanten Lord. Doch dann findet sie heraus, dass Loudor einen niederträchtigen Plan verfolgt, der sie in den Ruin stürzen könnte, und ihr Glück gerät in ernsthafte Gefahr ...

»Voller Witz und Leidenschaft.« Chicago Tribune

Prickelnde Leidenschaft und Romantik pur - die Providence-Reihe von Alissa Johnson:

Band 1: Wie es dem Glück beliebt
Band 2: Ein Erzfeind zum Verlieben
Band 3: Das Versprechen der Liebe

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Seitenzahl: 479

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

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11

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28

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Epilog

Danksagung

Über die Autorin

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Impressum

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Über dieses Buch

England, 1811. Lady Sophie Everton ist mit ihrem Vater in ferne Länder gereist und hat Dinge erlebt, bei deren bloßer Erwähnung die feinen Damen der englischen Gesellschaft in Ohnmacht fallen würden. Nun reist sie nach London zurück, um sich von den Strapazen des Abenteuerlebens zu erholen. Doch noch auf dem Schiff nach England tritt ein Fremder an sie heran. Sie soll im Auftrag des Prinzregenten ihren eigenen Cousin, Lord Loudor, ausspionieren, der das Vermögen der Familie veruntreut hat und im Verdacht steht, mit Verrätern im Bunde zu sein.

Dabei trifft sie auf den attraktiven Alexander, Herzog von Rockeforte. Dieser ist ebenfalls hinter ihrem windigen Cousin her und hofft, an ihn heranzukommen, indem er Sophie zum Schein den Hof macht. Allerdings hat Alexander nicht damit gerechnet, dass die quirlige junge Frau sein Herz im Sturm erobern würde. Auch Sophie verliebt sich Hals über Kopf in den charmanten Lord. Doch dann findet sie heraus, dass Loudor einen niederträchtigen Plan verfolgt, der sie in den Ruin stürzen könnte, und ihr Glück gerät in ernsthafte Gefahr …

ALISSA JOHNSON

Wie es dem Glück beliebt

Aus dem amerikanischen Englisch von Michaela Link

Prolog

1796

Später würde es heißen, der Herzog von Rockeforte habe einen guten Tod gehabt. Einen wirklich sehr guten.

Die Art und Weise seines Todes beschäftigte den Herzog momentan weit weniger als der Umstand, dass er – vorerst – noch im Sterben lag, also noch nicht völlig tot war. Das bedeutete wohl, dass ihm noch die Zeit für einige letzte Worte blieb. Und da sein lieber Freund, der einzige Zeuge seines vorzeitigen Dahinscheidens, so furchtbar düster dreinblickte, vielleicht auch noch für einen letzten Spaß.

»Ein gutes Leben hatten wir, alter Mann, ein gutes Leben.«

Eine warme Hand legte sich auf die seine. »Spar dir deine Kraft, Rockeforte.«

»Das habe ich getan, und zwar genau für diesen Augenblick.«

»Welchen Augenblick?«

»Den Augenblick, in dem der Sterbende jemandem … der zufällig am Bett steht … immens unbequeme Versprechen … abringt.«

Sein Freund lächelte über diese Worte. »Sag mir, was ich tun soll.«

»Meine Kinder … gib auf sie acht.« Er hielt inne und stieß ein schwaches Lachen aus. »Du solltest deinen Gesichtsausdruck sehen, alter Mann … Keine Sorge, ich weiß, dass ich nur einen Sohn habe. Noch höre ich keine Harfen.«

»Alexander.«

Rockefortes Gesicht verzerrte sich durch einen Schmerz, der nichts mit seinen Wunden zu tun hatte. »Ja, Alex … Er wird nun allein sein … Er ist bereits … entschieden zu ernst … Sorg dafür, dass er sich die Zeit nimmt, das Leben zu genießen, glücklich zu sein.«

»Betrachte es als erledigt.«

»Die anderen …« Er hustete und wischte sich blutigen Schaum von den Lippen. »Keine Kinder meines Fleisches und Blutes … aber meines Herzens.«

»Die Coles meinst du und Miss Browning?«

Rockeforte nickte schwach. »Whit muss sich um seine Familie kümmern … Er wird es sich niemals verzeihen, wenn er … so endet wie sein Vater. Und die kleine Kate … muss ihrem Talent folgen … für die Musik.«

»Ich werde dafür sorgen.«

»Ihre Cousine Evie … sie wird es nicht leicht haben im Leben.«

»Ich werde mein Bestes tun, um ihr den Weg zu ebnen.«

»Mirabelle, der kleine Kobold … scharfe Zunge, aber …«

»Ich weiß, ich werde auf sie alle achtgeben.«

»Das weiß ich … danke … keine Männer mehr in der Familie … Whits Vater … zählt nicht.«

Blut sickerte Rockeforte aus der Nase. Seine Atmung wurde unregelmäßiger, seine Stimme leiser.

»Ruh dich jetzt aus«, drängte sein Freund.

»Ein Letztes noch … versprich mir …«

»Was soll ich dir versprechen?«

»Versprich mir …«

»Du brauchst nur zu fragen, mein Freund. Ich gebe dir mein Wort, ich werde dafür Sorge tragen.«

»Versprich mir …«

Sein Freund beugte sich vor, um die gewisperten Worte zu verstehen.

Dann richtete er sich so schnell auf, dass ihm schwindelte. »Was soll ich tun?«

Rockeforte lächelte schwach und zwinkerte. »Zu spät … du hast es versprochen, alter Mann.«

1

1811, vor der englischen Küste

Alle, die länger als zwei Wochen das Vergnügen von Miss Sophie Evertons Bekanntschaft hatten, waren der Meinung, dass seit Menschengedenken niemand auf so außerordentliche Weise wie sie von den Launen des Schicksals gebeutelt worden war.

Man hielt es auch allenthalben für eine Schande, dass besagte Launen des Schicksals sich nicht darauf beschränkten, auf wohltätige Weise zu wirken, sondern sich vielmehr durch einen beständigen Ausgleich von Glück und Pech auszeichneten.

Was Sophie bisher an Fügungen erlebt hatte, reichte vom unvermeidlich Banalen bis hin zum Wunderbaren oder schlicht Katastrophalen. Aber ausnahmslos jeder Glücksfall wurde mit einem Desaster bezahlt, und jedes Missgeschick durch einen Segen gemäßigt.

In ihren vierundzwanzig Lebensjahren war Sophie beinahe die siebte Ehefrau eines Mannes geworden und hatte sich in Südamerika im Urwald verirrt. Vom Pfeil eines betrunkenen Jägers ganz zu schweigen, der ihr einen Arm glatt durchbohrt hatte.

Andererseits war sie durch den unerwarteten Tod des heiligen Mannes, der die Hochzeitszeremonie vollziehen sollte, vor einer Ehe wider Willen bewahrt worden (ihr Verlobter hatte den Todesfall als böses Omen gedeutet und ihr ein halbes Dutzend gesunder Ziegen geschenkt, nur damit sie ging), sie hatte im Urwald zufällig einen bis dahin unbekannten – und glücklicherweise freundlichen – Stamm entdeckt und ein recht hübsches Stadthaus in einem der begehrteren Viertel Londons geerbt. Es war ein Vermächtnis des kinderlos und reuig gestorbenen Bogenschützen.

Bei einem solchen Dasein wären wahrscheinlich die meisten jungen Frauen in einen Zustand permanenter Hysterie verfallen. Da sie jedoch geistig gesund, einigermaßen intelligent und – zugegeben – ein wenig verwegen war, betrachtete Sophie ihr Leben als wundersames, wenn auch gelegentlich etwas chaotisches Abenteuer. Ein Abenteuer, das gänzlich unvermeidbar war – darauf wies sie immer wieder hin. Deshalb hatte sie sich entschlossen, es mit einem Lächeln auf dem Gesicht und wachen Sinnen zu bestehen.

Genau wie sie jetzt auch den Herrn, der gerade auf dem Deck der Sailing Diamond neben ihr saß, voller Wachsamkeit anlächelte. Er war bestimmt Ende sechzig, mit liebenswerten grauen Augen und dichtem weißem Haar, das er sich im Nacken zusammengebunden hatte, wie es vor zwei Jahrzehnten Mode gewesen war, und erinnerte Sophie an ihren Vater.

Es sollte jedoch erwähnt werden, dass ihr Vater sich nicht an Bord des Schiffes befand, das seine Tochter binnen zweier Stunden zu ihrem ersten Besuch seit fast zwölf Jahren zurück nach England bringen würde.

Der Mann mit den freundlichen Augen und dem unmöglichen Haar war bis vor fünf Minuten ein Wildfremder für sie gewesen.

Bis vor sehr merkwürdigen fünf Minuten, dachte Sophie. Sie hatte sich von ihrer geliebten, aber oft anstrengenden Anstandsdame fortgestohlen, um ein Weilchen allein sein zu können. Bevor sie aber auch nur Gelegenheit gehabt hatte, es sich auf einer Bank bequem zu machen, hatte dieser seltsame kleine Mann sich neben sie gesetzt und ihr einen Brief in die Hand gedrückt. Einen Brief mit dem Siegel des Prinzregenten. Dann hatte er sich als Mr Smith vorgestellt und sie im Namen der Krone gebeten, doch bitte eine Mission von kolossaler nationaler Bedeutung zu übernehmen. Was hätte sie darauf schon sagen sollen?

»Hmm.«

Mr Smith wartete geduldig auf einen weiteren Kommentar. Als keiner kam, zupfte er an seiner zerknitterten Weste und kniff seine runzeligen Augen zusammen.

»Ich muss sagen, Miss Everton«, begann er, »dass Sie die ganze Sache recht gut aufzunehmen scheinen. Ich habe natürlich keine Ohnmacht von Ihnen erwartet und keinen Anfall, aber es erstaunt mich doch, dass Sie nicht etwas … nun …«

»Dass ich nicht etwas überraschter bin?«, schlug sie hilfsbereit vor.

»So ist es.«

Sophie legte den Kopf schräg und sah ihn nachdenklich an. »Sie müssen einige Nachforschungen über meine Vergangenheit angestellt haben, bevor Sie an mich herangetreten sind«, stellte sie fest.

»Wie es der Zufall will, habe ich eine Menge Geschichten über Sie gehört.« Mr Smith kicherte. »Sie waren jedoch so unwahrscheinlich, dass ich sie jemandes übereifriger Fantasie zugeschrieben habe.«

»Möglicherweise zu Recht«, räumte sie ein, »aber die Wahrheit hat sich in der Vergangenheit als so interessant erwiesen, dass dramatische Ausschmückungen kaum nötig waren.«

Er schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln. »Tatsächlich? Sie sind wirklich erst letztes Jahr auf einem Markt von einem bengalischen Tiger in die Enge getrieben worden?«

Jetzt war es an Sophie zu lachen. Die Menschen glaubten selten die Geschichten ihrer Abenteuer, aber sie erzählte sie so gerne. Die Reaktionen ihrer Zuhörer – sie reichten im Allgemeinen von Entzücken bis hin zu Entsetzen – verschafften ihr eine eigenartige Befriedigung. Allerdings konnte es nie einen Zweifel geben, dass die Zuhörer sich gut unterhalten fühlten.

»Oh ja«, erwiderte sie mit einigem Vergnügen. »Und wenn Sie mich gern überrascht sehen wollen, hätten Sie dort sein sollen. Nachdem Mr Wang die Bestie mit etwas rohem Fleisch und viel Lärm abgelenkt hatte, habe ich mich einer ziemlich peinlichen Zurschaustellung von Hysterie hingegeben. Haben Sie je einen Tiger gesehen, Sir?«, erkundigte sie sich. »Sie sind wirklich riesig.«

Mr Smith blinzelte einige Male – was sie befriedigend fand, dann hustete er und musterte sie, als sei ihm gerade erst etwas aufgefallen, das ihn fesselte.

»Wissen Sie«, sagte er schließlich und lächelte sie tatsächlich an, »ich denke wirklich, Sie sind für diese Mission genau die Richtige. Sie sollten sich wacker schlagen. Wahrhaftig, ziemlich wacker.«

»Nun«, antwortete sie und fühlte sich plötzlich ein wenig verloren. »Es freut mich natürlich, dass Sie eine so hohe Meinung von mir haben, aber ich muss Sie doch daran erinnern, dass ich bisher keine Vorstellung davon habe, worum es bei dieser Mission geht oder ob ich sie übernehmen sollte.«

Mr Smith tätschelte ihr freundlich ihre Hand. »Halb so schlimm, meine Liebe, alles halb so schlimm. Ich nehme an, Sie werden nach Ihrer Ankunft im Stadthaus Ihres Cousins wohnen?«

»Eigentlich ist es mein Stadthaus, und ich werde dort zusammen mit Lord Loudor wohnen.«

»Ausgezeichnet. Stehen Sie auf sehr vertrautem Fuß mit Seiner Lordschaft?«

Sophie kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Wir haben uns regelmäßig geschrieben. Er ist verantwortlich für die Verwaltung des Gutes meines Vaters, seit wir England verlassen haben.«

»Allerdings. Sie werden nach Ihrer Ankunft zweifellos seine Rechnungsbücher überprüfen. Nun, versuchen Sie, ihn nicht gleich zu vertreiben, wenn Sie es vermeiden können. Lord Loudor hat einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Er ist ziemlich beliebt in der guten Gesellschaft. Insbesondere bei einer speziellen Gruppe von Herren, die weder meinen Respekt noch den meines Auftraggebers genießen« – er deutete auf den Umschlag – »und mit denen Sie, wenn es nach unserem Wunsch ginge, Bekanntschaft schließen sollten.«

»Sie wollen, dass ich meine Familie ausspioniere?«

Falls der Herr zuvor auf überraschte Entrüstung gehofft hatte, wurde er jetzt nicht länger enttäuscht.

»Miss Everton«, meinte er gedehnt und übertrieben höflich. »Der König ist, wie Sie sehr wohl wissen, wahnsinnig. Napoleon steht beständig vor unseren Toren und zwei Drittel unserer Armee vor den seinen. England befindet sich gegenwärtig in einem überaus unsicheren Zustand, bedroht von innen …«

»Von meinem Cousin?«, fragte sie scharf.

»Eigentlich ist Loudor gegenwärtig kein Verdächtiger. Er hat nur das Unglück, mehrere widerwärtige Herren zu seinen Freunden zu zählen.«

Sophie atmete tief aus und bemühte sich, die Hand, die sie in ihren Rock gekrallt hatte, zu lockern. »Das ist kein Unglück, sondern schlechtes Urteilsvermögen«, brummte sie.

»Wie dem auch sei, wir möchten, dass Sie Bekanntschaft mit diesen Herren schließen und diese dann vertiefen. Finden Sie Zugang in ihre Studierzimmer, in ihre Bibliotheken …«

»Einen Weg in ihre Studierzimmer finden?« War er wahnsinnig? »Sind Sie wahnsinnig? Gütiger Gott, ich werde nur geschnappt oder verletzt werden. Ich habe keine Erfahrung mit solchen Dingen.« Gut, vielleicht ein ganz klein wenig. »Es muss doch jemanden geben, irgendjemanden, der besser geeignet wäre.«

Mr Smith schüttelte den Kopf. »Niemand ist dazu so gut geeignet wie Sie. Sie sind hier in London ein unbeschriebenes Blatt, ohne bekannte Sympathien oder Loyalitäten. Zusammen mit Ihrer Stellung als Tochter eines Viscounts öffnet Ihnen das jeden Salon oder Ballsaal. Dann ist da noch die Tatsache, dass Sie einige ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen, dank Ihres Mr Wang, glaube ich. Das Öffnen von Schlössern, das Messerwerfen, eine östliche Kampfkunst …«

»Ich bin darin nur Anfängerin«, unterbrach sie ihn. Mehr oder weniger.

Er sprach weiter, als hätte sie gar nichts gesagt. »Da ist außerdem die Tatsache, dass wir, Miss Everton, etwas haben, das Sie brauchen – Geld.«

Sie starrte ihn verdutzt an, unsicher, wie sie auf diese empörende Feststellung reagieren sollte. Glaubte er wirklich, dass sie habgierig genug war, um für ein paar Münzen sozusagen durch Reifen zu springen? Vielleicht war er nicht so sehr wahnsinnig, sondern vielmehr begriffsstutzig. Wenn sie ganz langsam und bedächtig mit ihm sprach, würde er vielleicht … »Ich weiß, dass das Vermögen meiner Familie nicht mehr so sicher ist wie in der Vergangenheit, aber ich habe volles Vertrauen, dass sich das ändern wird. Und wir sind ja wohl nicht verarmt …«

»Die Mittel Ihres Vaters sind beinahe erschöpft. Er wird Whitefield innerhalb von sechs Monaten verlieren. Spätestens in einem Jahr.«

Sophie war sprachlos vor Erstaunen. Das kam nur selten vor und war ihr nicht besonders angenehm. Nach langem Grübeln brachte sie schließlich hervor: »Ich … wir … Sie müssen sich irren.«

»Es wäre doch sinnlos, die Sache aufzubauschen, nicht wahr? Sie würden die Wahrheit herausfinden, sobald Sie London erreichen. Es tut mir leid, dass ich Ihnen die schlechte Nachricht überbringen musste. Aber wir sind in einer Position, Ihnen zu helfen. Wir bieten Ihnen eine beträchtliche Summe an.«

Für einen begriffsstutzigen Wahnsinnigen war Mr Smith aufreizend vernünftig.

Lieber Gott, warum hörte sie erst jetzt davon? Und von einem Fremden? In seinem Brief hatte ihr Cousin einige geringfügige Schwierigkeiten mit dem Gut erwähnt, aber nichts, worüber sie »sich Sorgen machen musste«.

Also hatte sie ihn beim Wort genommen, Pläne geschmiedet, war um die halbe Welt gereist, um sich eine teure Londoner Saison zu gönnen. Wie beschämend dumm.

Und jetzt drohte ihnen der Verlust von Whitefield. Obwohl es seit Langem der Wohnsitz der Familie und deren einziges Anwesen war, das eine beständige Einnahmequelle darstellte, war es kein Fideikommiss und somit nicht unveräußerlich. Whitefield konnte verkauft oder übernommen werden, sie könnten es verlieren. Ihr Lebensunterhalt und die Ehre ihrer verstorbenen Mutter und Schwester … dahin.

Das war nicht hinnehmbar.

Sophie drückte die Schultern durch und drehte sich um, um Mr Smith mit Geschäftsmiene anzusehen.

»Sie haben kein direktes Interesse an irgendeinem Mitglied meiner Familie, ist das korrekt?«

»So ist es.«

»Wie viel?«, fragte sie kühl.

»Wie bitte?«

»Wie viel Geld möchten Sie mir für meine Dienste anbieten?«

»Ah, richtig. Nun, bei Ihrer Ankunft werden Sie eine kleine Summe erhalten, die Ihnen durch einen Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt wird, Nadelgeld sozusagen. Sie werden außerdem ein offenes Konto bei den besten Läden in London haben, sodass Sie sich alles Notwendige beschaffen können, was eine junge Dame in ihrer ersten Londoner Saison benötigt. Bei Abschluss der Mission werden Sie fünfzehntausend erhalten. Gut angelegt sollte das genug sein, um die finanzielle Sicherheit Ihrer Familie wiederherzustellen.«

Sophie warf einen Blick auf den Umschlag. »Und wenn die Herren, deren Bekanntschaft ich schließen soll, sich nichts haben zuschulden kommen lassen? Werde ich das Geld dann trotzdem erhalten, oder hängt die Bezahlung davon ab, dass ich einen Beweis ihrer Schuld finde?«

»Wenn Sie keinen Beweis finden, werden Sie fünftausend Pfund erhalten, ein Drittel der ursprünglichen Summe.«

Sophie schüttelte den Kopf. »Die Hälfte«, beharrte sie, »von fünfundzwanzigtausend.«

»Die Hälfte«, konterte Mr Smith, »von zwanzigtausend. Das ist das höchste Angebot, das zu machen ich autorisiert bin.«

Sophie dachte gründlich nach.

Aber nicht zu lange.

»Dann erklären Sie mir bitte, was genau ich zu tun habe.«

»Du willst, dass ich eine Jungfrau verführe? Bist du verrückt geworden?«

Alexander Durmant, der Herzog von Rockeforte, wirkte gründlich angewidert. Er lümmelte sich in einem Sessel am Feuer und stürzte seinen Brandy eher hinunter, als daran zu nippen. Der Herzog sah aus, als würde er gleich in Gejammer ausbrechen.

William Fletcher saß ihm gegenüber und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. William kam der Gedanke, dass es eine Spur freundlicher war, als unter den Umständen streng genommen notwendig gewesen wäre, aber als Leiter von Englands gewaltigem und gegenwärtig sehr aktivem Kriegsministerium fand William es angebracht, seine Unterhaltung zu suchen, wann und wo er nur konnte.

Und, bei Gott, das hier würde wirklich unterhaltsam werden.

»Ich erinnere mich nicht daran, das Wort ›verführen‹ gebraucht zu haben«, erwiderte er leutselig. »Auch nicht das Wort ›Jungfrau‹, obwohl nicht bezweifle, dass sie keine ist. Deine Aufgabe besteht einfach darin, die Nähe des Mädchens zu suchen.«

Um sein Gelächter angesichts von Alex’ entsetztem Gesichtsausdruck zu verbergen, zog William sein Taschentuch hervor und putzte sich laut und ausgiebig die Knollennase. Er wusste ganz genau, dass man bei einer Debütantin vernünftigermaßen nichts als einfach bezeichnen konnte. Das war eine komplizierte und ziemlich furchteinflößende Spezies.

Hätte er nicht Alex gegenübergesessen, sondern irgendeinem anderen Mann, hätte William sich vielleicht gefragt, wie er ihn wohl zur Zusammenarbeit überreden konnte. Aber die Rockefortes dienten seit mehr als vierhundert Jahren auf jede erdenkliche Weise den Interessen der Nation. Ob als Soldaten, Spione, Botschafter, was immer das Kriegsministerium oder seine Vorläufer verlangt hatten – die Rockefortes waren stets ohne Fragen, Klagen oder Forderungen bereit gewesen. Es war eine Tradition, die in jedem männlichen Mitglied der Familie tief verwurzelt war. Alex, Ehrenmann durch und durch, würde lieber sterben, als eine Schmähung dieses Vermächtnisses zuzulassen. Er würde sogar darauf verzichten, wie gewohnt Schauspielerinnen und Kurtisanen nachzustellen, und sich in die gefürchtete Welt ehrgeiziger Debütantinnen und deren titelhungriger Mütter wagen.

Vorübergehend. Und nicht ohne sich vorher zu versichern, ob es sich vielleicht vermeiden ließ.

»Es gibt Grenzen, William.«

»Ich bitte dich ja nicht, das Mädel zu heiraten«, versuchte er Alex zu überzeugen. »Du sollst nur ein bisschen freundlich sein.«

»In Freundlichkeit habe ich nicht die geringste Übung.«

»Unsinn, ich habe dich bei mindestens zwei Gelegenheiten absolut umgänglich erlebt.« William schob sich sein Taschentuch in die Tasche zurück und lehnte sich in seinem Sessel zurück, um auszukosten, wie sein Freund sich wand. »Ich brauche einen Mann an der Quelle, und eine Werbung um Loudors Cousine wird dir reichlich Gelegenheit bieten, in seiner Gesellschaft zu sein, in seinem Heim.«

»Wir könnten genauso leicht arrangieren, dass wir beide einander vorgestellt werden …«

»Damit er sich sofort fragt, warum der für gewöhnlich so zurückhaltende Herzog von Rockeforte plötzlich so viel Interesse zeigt?« William schüttelte den Kopf. »Umwirb das Mädchen, Alex, und umwirb dabei auch Loudor. Finde heraus, was er und seine Kumpane im Schilde führen.«

Alex runzelte die Stirn, fluchte, wand sich.

Dann kapitulierte er, genau, wie William erwartet hatte. »Also gut, verdammt noch mal. Was wissen wir über diese Frau, diese Miss …?«

»Everton. Miss Sophie Everton. Ihrem Vater gehört Whitefield. Ich glaube, Miss Everton hängt ganz besonders an dem Gut, genau, wie die Mutter des Mädchens es getan hat.«

»Verblichen?«

»Ja, ebenso wie ihre Schwester, beide bei einem Kutschenunfall ums Leben gekommen. Der Viscount hat England kurz darauf mit seiner Tochter verlassen und die Verwaltung des Gutes ihrem Cousin übertragen.«

Alex nickte geistesabwesend. »Loudor. Wie lange ist das her?«

William stellte widerstrebend sein Glas beiseite, leckte ein Tröpfchen Brandy von den Fingern und kramte in dem Berg von Papieren auf seinem Schreibtisch, bevor er fand, was er brauchte. »Im vergangenen Februar waren es zwölf Jahre.«

»Und wie alt war Miss Everton damals?«, fragte Alex argwöhnisch.

»Zwölf.«

»Ausgezeichnet«, brummte Alex. »Eine alte Jungfer.«

Es war nicht so sehr eine Klage, als vielmehr ein Ausdruck des Abscheus.

»Komm schon, Mann«, tadelte William ihn. »Sieh es doch so: Sie hat das letzte Jahrzehnt damit verbracht, mit ihrem Vater von einem Kontinent zum anderen zu reisen. Das arme Mädchen hatte gar keine Gelegenheit, eine passende Partie zu finden.«

»Sie wird auf der Jagd nach einem Ehemann sein.«

William legte das Papier beiseite, machte es sich wieder in seinem Sessel bequem und lächelte. »Höre ich da etwa Furcht, Euer Gnaden?«

»Ja.« Alex nahm einen hinreichend großen Schluck, bevor er weitersprach. »Was wissen wir sonst noch?«

Lachend blätterte William wieder in seinen Papieren. Er brauchte sie eigentlich nicht – er hatte sich den Inhalt schon lange eingeprägt –, aber sie erlaubten es ihm, die Sache etwas in die Länge zu ziehen. »Ah, da haben wir’s. Hmm … scheint so eine Art Original zu sein … spricht etliche Sprachen, von denen nur Englisch und Latein als zivilisiert durchgehen können … erzogen von ihrem Vater und einer Mrs Mary Summers, die sie erst als Gouvernante und jetzt als Anstandsdame begleitet. Und außerdem von einem englisch erzogenen Chinesen – einem alten Freund der Familie. Die beiden Letzteren reisen mit Miss Everton, obwohl Mr Wang nach Wales weiterfahren wird. Was die junge Frau selbst betrifft, so steht sie in dem Ruf, ein wenig freimütig zu sein, außerdem hat sie wie ihr Vater eine Schwäche für wertlose Antiquitäten, und sie hat eine ziemlich beunruhigende Reihe von Missgeschicken hinter sich.«

Alex verdaute das alles für einen Moment, dann fragte er: »Irgendein Hinweis darauf, dass sie nach London kommt, um Loudor zu unterstützen?«

»Keiner, aber das schließt die Möglichkeit nicht aus, dass sie seiner Sache gewogen ist oder es sein wird. Sie hatten per Post Kontakt bezüglich des Gutes ihres Vaters, aber es ist kaum ungewöhnlich für eine junge Frau, eine regelmäßige Korrespondenz zu führen.«

»Hmm. Sind irgendwelche dieser Briefe abgefangen worden?«

»Nur einige; wir wollten nicht, dass sie Verdacht schöpft.«

»Und waren sie nützlich?«

»Sie waren geradezu harmlos. Er hat sich nach ihrem Wohlergehen erkundigt und gehofft, dass die Stimmung ihres Vaters sich gebessert hätte.« William wedelte mit der Hand. »Solche Dinge. Geplauder.«

Alex blickte stirnrunzelnd in seinen Brandy, und William vermutete, dass er sich gerade alle Begründungen durch den Kopf gehen ließ, die für eine Ablehnung herhalten konnten und von denen einige sogar legitim sein mochten. All die möglichen Ausreden, um sich höflich aus etwas herauszuwinden, von dem er wusste, dass es seine Pflicht war. Aber er war ein Rockeforte, und schließlich fragte er nur: »Wie sieht sie aus?«

»Wie bitte?«

»Miss Everton, wie sieht sie aus?«

»Oh, nun …« William murmelte den Rest des Satzes in seinen Brandy.

Alex beugte sich in seinem Sessel vor. »Was war das?«

»Ahem … nun, ich bin mir nicht ganz sicher.« Er verzog das Gesicht, gratulierte sich im Geiste zu seiner Verstellungskunst und überstürzte seine Erklärung. »Mein Mann in China hat sie nicht direkt beschrieben. Er hat sich vage ausgedrückt … etwas wie ›ungewöhnlich‹.«

»Ungewöhnlich?«

»Vermutlich ein Übersetzungsfehler.«

Alex fluchte, zauderte noch ein wenig, dann holte er tief Luft und nahm einen noch tieferen Schluck.

»Für Krone und Vaterland also«, seufzte er schließlich, sichtlich unbeeindruckt von beiden Institutionen. »Vermutlich sollte ich einen Weg finden, mich unserer ungewöhnlichen alten Jungfer vorzustellen.«

»Nicht nötig. Ich habe arrangiert, dass Loudors Kutsche auf dem Weg zum Hafen aufgehalten wird. Miss Everton wird eine präparierte Kutsche nehmen, die einer unserer Techniker entworfen hat. Sehr kluger junger Mann. Sei einfach um fünf Uhr heute Nachmittag an der Ecke Firth und Whitelow. Bring Whittaker mit, wenn du magst. Er kennt Loudor wahrscheinlich bereits und kann sozusagen den Weg ebnen.«

Alex schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, dass Whit mitkommt. Er hätte sich niemals mit deinem Ministerium einlassen sollen.«

»Zu spät für beides. Wir brauchten für die letzte Geschichte seine Verbindungen, und er weiß bereits, dass du mich heute triffst. Es wird unmöglich sein, ihn auszuschließen. Am besten, du gibst ihm etwas Nützliches zu tun, sonst wird er sich nur selbst etwas ausdenken.«

Alex antwortete mit einem ruckartigen Nicken und reichte William sein leeres Glas zurück. »Du bist dir sicher, dass Prinny nichts von alledem weiß?«

»Absolut sicher. Unser illustrer Prinzregent tappt in dieser Angelegenheit gänzlich im Dunkeln.«

2

Drei Stunden nach ihrem Gespräch mit Mr Smith stand Sophie zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder auf heimatlichem Boden.

Möglicherweise hätte sie diesen Gedanken ein wenig aufregender gefunden, wenn sie nicht immer noch am Kai gestanden hätte, im Nieselregen und flankiert von ihren überfürsorglichen Begleitern, Mrs Summers und Mr Wang. Ihr Gepäck stand säuberlich aufgestapelt neben ihnen, und Sophie widerstand dem Drang, sich auf eine der stabilen Truhen zu setzen. Wo war Lord Loudor, oder falls er verhindert gewesen war, wo war dann seine Kutsche? Die anderen Passagiere hatten sich schon lange auf den Weg in die Stadt gemacht.

Sie stieß einen langen, verärgerten Seufzer aus. Sie hatte ihre Gefährten gedrängt, eine Droschke zu nehmen, aber Mrs Summers hatte darauf bestanden, zu warten.

»Lord Loudor wird jetzt jeden Moment mit einer vernünftigen Erklärung und einer Entschuldigung für seine Säumigkeit eintreffen«, hatte Mrs Summers erklärt. »Eine Droschke ist kein passendes Transportmittel für eine junge Dame.«

Nach fünfundvierzig Minuten, in denen sie sich diese und eine Reihe anderer Ausreden angehört hatte, fragte Sophie nicht länger, sondern begann stattdessen, alle möglichen Laute der Verstimmung von sich zu geben. Sie seufzte, sie brummte, sie machte »Pfft« und schnalzte mit der Zunge.

Nachdem Sophie mehrere Minuten lang lautstark mit dem Fuß aufs Pflaster geklopft hatte, gab Mrs Summers schließlich nach. »Nun, um Himmels willen, Sophie, ganz wie Sie wollen!«

Sophie strahlte ihre Freundin an, während Mr Wang sich abwandte, um einen Hafenarbeiter zum Aufladen des Gepäcks anzuheuern. In überraschend kurzer Zeit saßen die drei bequem in einer Droschke.

»Das ist doch schon viel besser«, seufzte Sophie. »Was für ein Glück, dass wir so schnell eine Droschke bekommen haben. Das entschädigt uns wohl für die Abwesenheit Lord Loudors.«

Ihre Anstandsdame runzelte missbilligend die Stirn. Hochgewachsen, spindeldürr und mit auffällig kantigen Gesichtszügen sah Mrs Summers ohnehin schon wie ein Habicht aus. Und gelegentlich verstärkte sie den Effekt noch, indem sie sich auch wie einer benahm. Sophie kannte sie jedoch zu lange und zu gut, um sich täuschen zu lassen. Hinter Mrs Summers’ strenger Haltung verbargen sich ein offener Geist und ein großzügiges Herz.

Daher machte Sophie der Tadel ihrer Anstandsdame nichts aus, und sie erwiderte den finsteren Blick mit einem Lächeln. »Geräumig«, kommentierte sie, »und entschieden gut gepolstert.«

Das braune Leder auf den Bänken erstreckte sich über alle vier Wände und sogar bis auf die Decke. Als sie hinabschaute, bemerkte sie, dass sogar der Boden dünn gepolstert war.

»Wie merkwürdig.«

Die Kutsche setzte sich mit einem Ruck in Bewegung, und schon bald war Sophie zu verzaubert von dem Leben und Treiben auf den Straßen, durch die sie fuhren, um über das ungewöhnliche Innere der Droschke nachzusinnen. London war laut, schmutzig, überfüllt und absolut wunderbar.

Sie hörte Mrs Summers sprechen, aber es dauerte ein Weilchen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit lange genug vom Fenster abwenden konnte, um sie wirklich zu verstehen.

»… wir haben jetzt den Hafendistrikt hinter uns, in den du, junge Dame, dich unter keinen Umständen wieder hineinwagen wirst. Gleich kommen wir – du musst nach links hinausschauen – am … nun, was … Warum um alles in der Welt biegen wir hier ab?«

Mr Wang reckte leicht den Hals, um aus dem Fenster zu spähen. »Wo genau ist ›hier‹?«

»Ich habe keine Ahnung«, erklärte Mrs Summers, die eher überrascht als erschrocken klang. »Der Kutscher hätte noch mehrere Blocks weit geradeaus fahren sollen. Was denkt er sich bloß dabei, eine Abkürzung durch solch ein schmutziges Viertel zu nehmen?«

Mr Wang hob seinen Gehstock, um gegen das Dach zu klopfen. »Soll ich mit ihm sprechen?«

»Damit er hier auch noch stehen bleibt? Himmel, nein. Wir werden es mit ihm austragen, wenn wir am Ziel sind.« Mrs Summers wandte sich wieder dem Fenster zu und rümpfte ihre lange Nase. »Hierhin darfst du auch nicht gehen, Sophie.«

Sophie glaubte nicht, dass es ihr schwerfallen würde, sich daran zu halten. Das Viertel erinnerte sie an einige der ärmeren Teile von Peking. Zu viele baufällige Häuser, und vermutlich alle überfüllt mit zu vielen, hungrigen Menschen. Sie fühlte sich in solcher Umgebung hilflos und schämte sich ein wenig. Sie fuhren an einer kleinen Kirche vorbei. »Hat schon bessere Tage gesehen«, so hätte man sie wohl zutreffend beschrieben – wäre es nicht höchst zweifelhaft gewesen, dass sie jemals auch nur einen guten Tag gesehen hatte. Also war wohl »trostlos« die treffendere Beschreibung, überlegte Sophie. Vielleicht konnte sie der Kirchengemeinde etwas von dem Geld spenden, das eigentlich für ihre Einkäufe bestimmt war.

Das laute Krachen von brechendem Holz, gefolgt von der unangenehmen Wahrnehmung, dass die Kutsche sich gefährlich zur Seite neigte, riss Sophie jäh aus ihren selbstlosen Gedanken. Voller Entsetzen sah sie, wie eine – gottlob nicht entzündete – Eisenlaterne gefährlich nah an der Ablage über Mrs Summers’ Kopf vorbeiglitt.

Dann segelte Sophie mit ausgestreckten Armen – wie um sich festzuhalten – vom Sitz. Und das war das Letzte, woran sie sich erinnerte.

Als Nächstes vernahm sie die Stimme eines Mannes, der sie bat, die Augen zu öffnen. Leise, sanft und nur eine Spur rau überflutete diese Stimme sie wie ein besänftigendes Schlaflied.

Vielleicht würde sie noch ein Weilchen schlafen.

Die besänftigende Stimme wurde prompt durch eine ärgerliche ersetzt. Mrs Summers verlangte, dass sie auf der Stelle aufwachte, und zwar in diesem speziellen Ton. Diesem grässlichen, beharrlichen Tonfall, den jedes Kind verabscheut, weil er bedeutet: Meine Geduld mit dir ist am Ende.

Sophie würde wieder einschlafen. Auf jeden Fall.

Eine Hand betastete ihre Schläfe.

»Au!«

Sophie riss die Augen auf, und sie wurde für diese Anstrengung prompt von Mr Wangs leisem Lachen belohnt, einem schmerzhaften Blick in helles Licht und der Erkenntnis, dass die Matratze, auf der sie lag, erstaunlich hart war. Stöhnend kniff sie die Augenlider wieder zusammen.

»Ihr wird es gleich wieder besser gehen«, verkündete Mr Wang.

Mrs Summers schnalzte mit der Zunge (eine Abfolge von Lauten, die Sophie in ihrem gegenwärtigen Zustand nur qualvoll fand) und sagte: »Fünf Quadratzentimeter in der ganzen Kutsche waren nicht gepolstert, aber dein Kopf musste sie natürlich finden.«

Die Kutsche. London! Gegen die Sonne anblinzelnd, die jetzt durch die Wolken lugte, versuchte sie, die Augen wieder zu öffnen, als sich jemand vor sie hinhockte und ihr Schatten spendete.

»Besser?«

»Hmm, danke.« Sie brauchte noch einige Sekunden, um sich zu orientieren, und musste dann abermals blinzeln – aus Ungläubigkeit.

Es war der Mann mit der besänftigenden Stimme, und gütiger Himmel, er sah gut aus! Ohne jeden Zweifel der attraktivste Engländer, der ihr je begegnet war. Um gerecht zu sein, hatte sie bei ihren Reisen nicht wirklich viele Engländer gesehen. Aber doch so viele, um zu erkennen, dass dieser hier nicht typisch war. Benommen fragte sie sich, ob sie vielleicht härter mit dem Kopf aufgeschlagen war, als sie es für möglich hielt, oder ob sich in besserem Licht zeigen würde, dass er riesige Zähne und ein Doppelkinn hatte.

Im Moment allerdings bot er einen recht angenehmen Anblick, mit kantigen Gesichtszügen, wie man sie außer bei griechischen Götterstatuen nur selten fand, tief liegenden Augen, die vermutlich grün waren, vollen Lippen und einem starken Kinn. Seine aristokratische Nase hätte jedem klassischen Standbild gut zu Gesicht gestanden.

Michelangelos David, daran erinnerte er sie.

Nur größer. Viel größer. Und mit schönerem Haar. Sie beobachtete, wie ihm eine kaffeefarbene Locke über die Stirn fiel. Wunderbar. Sie hätte ihn den ganzen Tag lang anstarren können.

»Gnädiges Fräulein? Miss …«

»Hmm … Everton.«

»Sie können die Laterne jetzt loslassen, Miss Everton.«

Ohne auf den Schmerz in ihrem Kopf zu achten, hob sie leicht den Kopf, um an sich hinunterzusehen. Sie lag mitten auf der Straße auf dem Rücken und hielt die Laterne in eisernem Griff auf ihrem Bauch fest. Wenn es ein Strauß Lilien gewesen wäre, hätte man sie für eine Leiche halten können.

»Ich habe sie erwischt«, sagte sie törichterweise, bevor sie den Kopf wieder sinken ließ.

»Das haben Sie«, erwiderte Mr Wang. Sie sah ihn an. Er stand neben Mrs Summers. »Sie waren schneller als dieser Tiger, würde ich sagen.«

»Lassen Sie los, Miss Everton«, sagte der Fremde.

»Wie bitte?«

»Die Laterne. Lassen Sie die Laterne los.«

Sie versuchte es, sie versuchte es wirklich, aber ihre Finger waren fest verkrampft. »Ich kann anscheinend nicht …«

Große, warme Hände legten sich über ihre und lösten ihre Finger sanft von der Laterne. Sie bog sie versuchsweise und spürte das erste schmerzhafte Kribbeln von zurückkehrendem Gefühl.

»Was um alles in der Welt …?«

»Wir haben ein Rad verloren«, erklärte Mrs Summers.

Sophie schaute an ihren Zehen vorbei und sah, dass die Droschke nur noch auf drei Rädern stand. Die Droschkengäule waren ausgespannt und angebunden worden – neben gesattelten Pferden.

»Ja, nun … das kann vorkommen.«

»Sie können sich glücklich schätzen, dass die Kutsche nicht umgestürzt ist.«

Irgendwie klang der Fremde ein wenig zornig. Hätte Sophie mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit gehabt, ein zusammenhängendes Gespräch zu führen, hätte sie ihn vielleicht gefragt, warum.

»Der Kutscher ist verschwunden! Aber da kommt eine andere Droschke.«

Sie riss verwundert die Augen auf, als ein weiterer Fremder vortrat und sich neben sie kniete. Auch er wirkte ungewöhnlich groß und sah gut aus – wenn auch nicht ganz so gut wie der erste, dafür aber etwas besser gelaunt. »Es ist ein Glück, dass Alex und ich uns für diese Abkürzung entschieden haben. Wie fühlen Sie sich, Miss …?«

»Everton«, half Mrs Summers aus.

Dann begann ihre Gouvernante zu Sophies Erstaunen mit förmlichen Vorstellungen und einem Austausch geläufiger Höflichkeiten und Freundlichkeiten, als träfen sie alle zum ersten Mal bei einem unterhaltsamen Nachmittagspicknick zusammen.

Und sah die kleine Sophie nicht einfach charmant aus, wie sie da auf der Decke aus Kopfsteinpflaster lag?

Gütiger Gott.

»Es geht mir besser, viel besser«, murmelte sie, obwohl sie ganz und gar nicht so klang, als sei das der Fall. »Ich würde mich jetzt gern aufrichten.«

Sie stemmte sich auf den Ellbogen hoch, bevor irgendjemand sie daran hindern konnte. Die schnelle Bewegung war ein Fehler. Das war ihr klar. Wirklich, man hätte ja meinen können, sie wäre zum ersten Mal bewusstlos geschlagen worden.

Alles drehte sich, ihr Blick wurde unklar, ihr Magen rebellierte, und dann schlief sie recht plötzlich wieder ein.

Als Alex die bewusstlose Miss Everton aus der versehrten Kutsche gezogen hatte, hatte er spontan gedacht: Großer Gott, ganz gewiss lag hier ein Übersetzungsfehler vor.

Um gleich darauf festzustellen, dass Miss Evertons Bewusstlosigkeit eine beunruhigende, aber unleugbar bequeme Gelegenheit war, sie genau in Augenschein zu nehmen.

Sie war wunderschön.

Genau wie die griechischen Göttinnen und Rubensporträts. Ein herzförmiges Gesicht, volle Lippen, die sich an den Winkeln auf natürliche Weise nach oben zu biegen schienen, ein liebenswerter Sprühregen von Sommersprossen auf dem Rücken ihrer kecken kleinen Nase, und das alles umrahmt von einer Wolke vollen Haares, das die Farbe von Zobelpelz hatte.

Alex’ nächster Gedanke galt ihrer Augenfarbe. Würden sie goldbraun sein oder dunkler, wie ihr Haar?

Als ihre Lider sich endlich flatternd öffneten, hatte Alex seine liebe Not, sie nicht anzustarren wie ein kleiner Junge.

Sie waren blau. Ein frisches, dunkles Blau, das förmlich knisterte. Er hatte noch nie im Leben Augen von dieser Farbe gesehen. Dieser Erkenntnis folgte unmittelbar die weniger vernünftige Überlegung, dass er William in Stücke reißen würde.

Und als sie zum zweiten Mal ohnmächtig wurde, beschloss Alex, dies ganz langsam zu tun.

Er hob Miss Everton behutsam auf und trug sie zu der gerade eingetroffenen Droschke. »Whit, du und Mr Wang, ihr kümmert euch um unsere Pferde. Ich werde Mrs Summers und Miss Everton nach Hause bringen.«

Alex ignorierte Whits wissendes Grinsen und Augenzwinkern. Gleichermaßen tat er so, als überhörte er die leise Bemerkung seines Freundes darüber, dass er den ganzen Spaß für sich wolle, und konzentrierte sich stattdessen darauf, Miss Everton und sich selbst in die Kutsche zu bugsieren – kein leichtes Unterfangen, da er gar nicht erst in Erwägung zog, sie auch nur einmal abzusetzen.

Schließlich gelang es ihm, mit ihr auf dem Schoß Platz zu nehmen. Er sollte sie wirklich neben sich auf die Bank setzen. Unbedingt. Es war ganz und gar nicht schicklich, sie auf diese Weise festzuhalten, aber seltsamerweise konnte er sich zu nichts anderem überwinden.

Sie war klein! Er schätzte sie auf kaum einen Meter fünfzig. Und an ihrer Stirn zeigte sich der Beginn einer Schwellung. In ein paar Stunden würde sie eine hässliche Beule dort haben, und auch wenn es nicht direkt seine Schuld war, trug er doch zumindest zum Teil die Verantwortung für ihre Verletzung.

Widerstrebend riss er den Blick von der Frau in seinen Armen los, um zu der älteren Dame hinüberzuspähen, die ihm gegenübersaß. Es überraschte und verärgerte ihn aus irgendeinem unerklärlichen Grund ein wenig, dass Mrs Summers nicht sofort von ihm verlangte, ihre Schutzbefohlene abzusetzen. Trug sie nicht die Verantwortung für das Mädchen?

Doch sie schien nicht besonders besorgt. Tatsächlich musterte sie ihn unverwandt und mit unverfrorenem Interesse, auf eine Art, die ihn sofort nervös machte. Er konnte praktisch hören, wie ihre Gedanken arbeiteten.

»Ob sie wieder gesund wird?«, fragte er, um sie von ihren gegenwärtigen Überlegungen abzulenken.

Mrs Summers blinzelte kurz, ehe sie antwortete. »Oh, sie wird sich erholen. Die Verletzung ist nicht ernst, zumindest nicht für ihre Verhältnisse.«

Bevor Alex sie fragen konnte, was sie damit meine, hielt die Kutsche vor einem kleineren, doch eleganten Stadthaus.

»Ah, es war doch näher, als ich dachte«, bemerkte Mrs Summers. »Wenn Sie so freundlich sein wollen, Sophie jetzt auf die Kissen zu setzen? Ich bin mir sicher, dass sich jetzt einer von Lord Loudors Männern ihrer annehmen kann.«

Anscheinend war, zumindest nach den Maßstäben dieser seltsamen Anstandsdame, in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht jedes Verhalten akzeptabel, das in einer öffentlichen Droschke noch hinnehmbar war.

Mit einigem Widerstreben ließ Alex das Mädchen los. Er half Mrs Summers beim Aussteigen und beobachtete, wie sie Mr Wang ins Haus folgte, bevor er die aus dem Haus getretenen Diener einer skeptischen Musterung unterzog. Es waren mehrere kräftige Männer dabei; einer von ihnen war sogar ziemlich massig. Aber andererseits waren starke Männer zuweilen auch unbeholfen oder, schlimmer noch, dumm.

Wieder betrachtete er die bewusstlose Miss Everton. Vielleicht sollte er einfach …

»Das geht nicht, Alex.«

Whit war aus den Ställen erschienen, lehnte sich an die Kutsche und schenkte Alex das schiefe Grinsen, das ihn zum Liebling der Gesellschaft und zum Fluch von Alex’ Existenz machte.

»Du kannst dich wohl kaum bei Loudor einschmeicheln, indem du seine Cousine an ihrem ersten Tag in London in einen Skandal verwickelst, oder?«

Alex stöhnte beinahe. Whit hatte natürlich recht; er benahm sich wie ein Idiot. Was zum Teufel stimmte nicht mit ihm? Er warf seinem Freund um des Prinzips willen einen finsteren Blick zu – es kam niemals etwas Gutes dabei heraus, wenn man Whit zu verstehen gab, dass er in irgendeinem Punkt recht hatte – und gab einem der Bediensteten den Befehl, sich um Miss Everton zu kümmern.

3

Ein dünner, älterer Mann mit säuerlicher Miene – die vermutlich, überlegte Alex, eher mit seinem Charakter als mit den unglücklichen Ereignissen des Tages zu tun hatte – führte Alex und Whit in den vorderen Salon und versorgte sie mit Getränken.

»Seine Lordschaft ist vor mehreren Stunden aufgebrochen, um Miss Everton und ihre Begleiter vom Hafen abzuholen. Inzwischen sind vier Bedienstete unterwegs, um nach seinem Verbleib zu forschen. Nach seiner Ankunft werde ich ihn sogleich von Ihrer Anwesenheit in Kenntnis setzen.« Mit diesen Worten zog sich der Butler zurück und schloss die Salontüren hinter sich.

»Ist er nicht freundlich?«, bemerkte Alex, nahm einen Schluck von seinem Brandy und sah sich im Raum um. Die dunklen, hässlichen Farben, der Geruch nach abgestandenem Zigarrenrauch und die erstaunliche Menge Leders ließen eindeutig auf einen Junggesellenhaushalt schließen. Mehr noch, auf den Haushalt eines Junggesellen mit ausnehmend schlechtem Geschmack.

Whit beäugte ebenso wie er die Einrichtung. »Gütiger Gott, wenn es hier schon so aussieht, wie wird dann erst das Studierzimmer sein?«

»Mit ein wenig Glück werden wir es herausfinden.«

»Im Moment fühle ich mich fast versucht, die Mission mit Absicht zu verpfuschen. Dieser Raum ist grässlich.«

»Es riecht wie in einem drittklassigen Klub«, ergänzte Alex.

»Bei Gott, du hast recht. Ich habe mich gefragt, warum der Gestank mir bekannt vorkam. Erinnert mich an unsere alten Zeiten.« Whit dachte einen Moment lang darüber nach. »Ich glaube, ich werde ein Fenster öffnen.« Er stellte seinen Brandy beiseite und schob die dicken, grauen Vorhänge zurück, um den Fensterrahmen in Augenschein zu nehmen. »Sollte es nicht so etwas wie Haken oder Schlaufen für diese Dinger geben?«

»Sollte man meinen«, erwiderte Alex lässig.

Mit der freien Hand entriegelte Whit das Fenster und versuchte, es nach oben zu schieben und zu öffnen. Es ließ sich nicht bewegen. Von seinem Platz aus beobachtete Alex das Geschehen mit wachsender Erheiterung. Whittaker Cole, der Earl of Thurston, lieferte sich einen harten Kampf mit einem Paar Wollvorhängen und einem Salonfenster.

»Wieso nur bin ich hiervon der einzige Zeuge?«, überlegte Alex laut, bevor er aufstand, um seinem armen, überforderten Freund zur Hand zu gehen. »Hättest du gern etwas Hilfe?«

»Weg da«, blaffte Whittaker und trat einen Schritt vom Fenster zurück.

Alex hielt eine Antwort nicht für notwendig, zumal er nicht sicher war, ob die Worte ihm oder dem Fenster galten. Er trat vor, ergriff die Vorhänge mit beiden Händen und hob sie zur Seite hin an. Er bedeutete Whit, vorzutreten. »Vielleicht, wenn du beide Hände benutzt …«

Whit brummte nur etwas Unverständliches und nahm sich das Fenster erneut vor. Nach mehrminütigem Ächzen und Fluchen gelang es ihm schließlich, es zwei magere Zoll weit hochzuschieben.

Whit beäugte die Lücke voller Groll. »Prächtig.«

Alex schlug ihm gut gelaunt auf den Rücken. »Gut gemacht. Hast du Lust, es auch mit dem anderen zu versuchen?«

»Ich glaube nicht, dass mein Stolz damit auch noch fertigwerden könnte«, brummte Whit, der immer noch das Fenster anfunkelte. »Weißt du, dass ich tatsächlich außer Atem bin? Wie demütigend.«

Schweigend starrten sie für eine Weile das Fenster an. Schließlich sagte Whit leise, ohne den Kopf zu drehen: »Wenn du ein echter und treuer Freund bist, Alex, behältst du diese kleine Episode für dich.«

Alex nickte feierlich. »Wenn ich ein echter und treuer Freund wäre, würde ich das in der Tat tun.«

»Ein guter Mann, ein anständiger Mann …«

»… würde den Mund halten. Da bin ich mir beinahe sicher.«

Ihr Gespräch wurde unterbrochen durch Lärm in der Vorhalle, zu dem eine laute, ärgerliche Männerstimme wesentlich beitrug.

»Loudor«, meinte Alex.

Beide saßen gerade noch rechtzeitig wieder auf ihren Plätzen, als ein ziemlich zerzauster Mann von Mitte fünfzig eintrat. Er war von durchschnittlicher Größe, mit muskulösen Armen, aber leichtem Bauchansatz, der von Völlerei zeugte und von zu viel Zeit, die er in Klubs und Spielsalons verbrachte.

Whit machte sie miteinander bekannt, während Loudor aus seinem Mantel schlüpfte und seine Krawatte lockerte. »Es macht Ihnen doch nichts aus, oder? Ich habe eine höllische Fahrt hinter mir. Ein Unfall am Hyde Park. Irgendeine böse Sache mit einem Obstverkäufer. Der Verkehr staute sich über mehrere Häuserblocks, und mein Fahrer hat sich ausnehmend dumm angestellt. Ich habe Miss Everton am Hafen verpasst. Absolut scheußliche Art, den Nachmittag zu verbringen.« Loudor schenkte sich einen Drink ein und leerte das halbe Glas mit einem einzigen langen und ziemlich lautstarken Schluck. Alex hätte sich nicht gewundert, wenn er auch noch geschmatzt und sich die Lippen am Ärmel abgewischt hätte. Nach dem Befinden seiner Cousine hatte Loudor sich noch nicht erkundigt.

»Das Mädel ist oben, ja? Höre, sie hatte einen kleinen Unfall.«

Das, befand Alex, genügte nicht. Er räusperte sich, um seine Missbilligung zu verbergen. »Miss Evertons Kutsche hat auf dem Weg hierher ein Rad verloren. Whit und ich waren glücklicherweise in der Nähe und konnten behilflich sein.«

»Schrecklich freundlich von Ihnen. In Ihrer Schuld …« Loudor wedelte den Rest des Satzes mit einer schwungvollen Handbewegung beiseite, machte seinem Drink den Garaus und schenkte sich einen neuen ein. »Beide für die Saison in der Stadt?«

»So ist es.« Alex antwortete möglichst beiläufig. Der Mann war wirklich ein Esel. »Auf dem Land kann es zu dieser Jahreszeit, da alle in London sind, ein wenig langweilig werden. Ich glaube, Whit hat irgendeine Familienangelegenheit zu erledigen, die ihn mindestens einige Wochen lang in der Stadt festhalten wird.«

»Ganz recht«, sagte Whit.

»Nichts Ernstes, hoffe ich?«

»Ganz und gar nicht. Nur lästiger Papierkram. Dürfte eigentlich nicht allzu aufwendig sein, aber ich beabsichtige, es so lange wie möglich auszudehnen. Mein Ziel ist es, eine beträchtliche Zeit in den Klubs und beim Pferderennen zu verbringen.«

»So gefällt mir das.« Loudor genehmigte sich auf Whits gänzlich zusammenfantasierte Erklärung hin einen weiteren guten Schluck. »Aber was ist mit dem Rest der Londoner Attraktionen?«

Alex zuckte die Achseln. »Gewiss ruft die Pflicht zur Teilnahme an einigen der respektableren Gesellschaften. Ich möchte nicht die Ehefrauen unserer alten Schulkameraden beleidigen.«

»Oder meine Mutter«, bemerkte Whit.

»Oder die Freundinnen deiner Mutter«, vollendete Alex den Satz und zuckte dabei sichtlich zusammen.

Loudor kicherte – ein seltsam glucksendes Geräusch, das an Alex’ Nerven zerrte. »Sie sind also nicht darauf erpicht, sich eine Beinfessel anlegen zu lassen?«

Da die Mission darin bestand, Miss Everton zu umwerben, war Alex eigentlich geneigt zu antworten, dass er in der Tat auf der Suche nach einer Herzogin von Rockeforte sei, aber etwas in der Art, wie Loudor die Frage gestellt hatte, ließ ihn stutzen. Der Mann wirkte zu besorgt, viel zu hoffnungsvoll, und Alex folgte seinen Instinkten.

»Ich bin entschlossen, noch für mindestens mehrere Jahre Junggeselle zu bleiben, und Whit hat entschieden, die ehelichen Freuden bis zum Alter von dreiundvierzig hinauszuzögern.«

Loudor drehte sich zu Whit um und wirkte hocherfreut. »Eine exzellente Entscheidung. Warum auf Freiheit verzichten, solange man noch jung genug ist, um sie zu genießen, eh? Ich selbst habe bis vierzig gewartet. Inzwischen sind Gattin und Erbe oben im Norden untergebracht.«

Alex verkniff sich ein Lächeln. Whit hatte niemals eine so absurde Idee geäußert. Er schien den Wortwechsel mit Loudor jedoch zu genießen … nickte bedächtig und strich sich übers Kinn. »Vierzig, sagen Sie? Ich hatte das selbst erwogen. Ein vernünftiges Alter. Jung genug, um einen Erben zu zeugen, aber alt genug, um seinen eigenen Anteil an wildem Hafer gesät zu haben. Ich hatte mich für vierunddreißig entschieden, mit der Überlegung, dass es einige Jahre dauern könnte, eine passende Ehefrau zu finden … Aber da Sie es erwähnen … Herrgott, das ist ja ein sehr merkwürdiges Gespräch für einen Salon. Was haltet ihr davon, wenn wir uns zu White’s zurückziehen?«

Um drei Uhr am nächsten Morgen setzten Alex und Whit einen sehr betrunkenen Lord Loudor wieder in seinem Stadthaus ab und rollten nüchtern in einer Mietdroschke durch die Straßen von London.

Whit kicherte leise und drehte sich zu seinem Freund um. »Vierunddreißig? Wie um alles in der Welt bist du auf diese Zahl gekommen?«

»Es ist das Alter, das ich vor längerer Zeit für meinen eigenen Streifzug in die Ehe ausgewählt habe.« Alex zuckte die Achseln. »Schien mir damals vernünftig zu sein.«

»Wann war das?«

»Wir waren zwanzig. Ich war in diese Opernsängerin verliebt.«

Whit dachte für einen Moment darüber nach, bevor seine Augen aufleuchteten. »Marian! Die hatte ich ganz vergessen.«

»Sie wäre gründlich enttäuscht, das zu hören. Sie war nämlich in dich vernarrt.«

»War sie das wirklich? Mir ist gar nicht bewusst gewesen … eine Schande, sie war ein entzückendes Mädchen. Was ist nur aus ihr geworden?«

»Hat vor einigen Jahren einen wohlhabenden Kaufmann geheiratet, glaube ich.«

»Schön für sie.«

»Hmm.« Alex war im Geiste nicht bei der liebreizenden Marian, sondern bei der Mission und Whit und der Erkenntnis, dass er Letzteren am liebsten komplett aus Ersterer heraushalten würde.

Alex war erst acht gewesen, als eine Lungenentzündung seine Mutter dahingerafft hatte. Da sein Vater oft und lange im Ausland weilte, hatte sich Lady Thurston, die beste Freundin der verstorbenen Herzogin, bereit erklärt, Alex unter ihre Fittiche zu nehmen, sodass er von da an meist auf dem Familienbesitz der Coles in Haldon Hall gelebt hatte.

Er und Whit, bereits enge Freunde, waren in allem bis auf den Namen Brüder geworden, und Lady Thurston war entsprechend mit Alex umgegangen, hatte über seine Leistungen frohlockt, ihn nach Fehlschlägen ermutigt, viel Aufhebens um sein Äußeres gemacht und ihn für seine Missetaten ausgescholten. Kurzum, er war wie ein geliebter Sohn behandelt worden. Er würde ihre Freundlichkeit jetzt nicht vergelten, indem er Whit tiefer als nötig in dieses elende Geschäft von Verrat und Spionage verstrickte.

»Ich will, dass du dich da raushältst«, sagte er klipp und klar.

Whit bedachte ihn mit einem reumütigen Lächeln. »Du weißt, dass ich das nicht tun werde. Außerdem ist es ein bisschen zu spät dafür, meinst du nicht?«

»Nein, du hast mich Lord Loudor und einigen seiner Bekannten vorgestellt, und das ist genug. Es gibt keinen Grund für dich, dich weiter mit der Angelegenheit zu befassen.«

»Außer natürlich, dass ich mich damit befassen will. Ich bestehe sogar darauf.«

»Du hast andere Pflichten«, beharrte Alex. »Du bist das Oberhaupt der Familie, und der Thurston’sche Besitz erfordert Aufmerksamkeit …«

»Weißt du viel über unseren Grafentitel?«, warf Whit ein.

Alex blinzelte überrascht. »Nur dass du deine Sache bisher bemerkenswert gut gemacht und den Schlamassel, den dein Vater hinterlassen hat, in Ordnung gebracht hast.«

»Danke, aber ich beziehe mich auf die Geschichte des Titels. Bist du überhaupt irgendwie damit vertraut?«

»Nein … ich kann nicht behaupten, ich hätte je viel darüber nachgedacht, jetzt, da du es erwähnst.«

»Dann erlaube mir, dich zu erleuchten. Wir sind ein Haufen Lügner, Diebe und Schurken, alle durch die Bank.«

Alex hielt das zwar für unwahrscheinlich, schwieg aber lieber. Auf den verstorbenen Lord Thurston hätte diese Beschreibung gewiss gepasst. Whit hatte die vier Jahre seit dem Tod seines Vaters damit verbracht, um die Sicherung des Familienvermögens und den guten Namen der Familie zu kämpfen.

»Erinnerst du dich an den Sommer, in dem meine Mutter mich gezwungen hat, vierzehn Tage im Haus meines Onkels zu verbringen?«, fragte Whit.

Alex lächelte bei der Erinnerung. »Wir waren dreizehn, und du hast deiner Mutter jeden denkbaren Grund genannt, dich in Haldon Hall bleiben zu lassen. Ich glaube, du hast sogar eine Liste erstellt.«

»Das habe ich, und es war klug eingefädelt, und es hat mir herzlich wenig genutzt. Glücklicherweise war Onkel Henry ebenso erfreut, mich als Gesellschaft zu haben, wie ich froh war, dort zu sein. Er erlaubte mir, mich die ganzen zwei Wochen in der Bibliothek zu verstecken. Das war die Gelegenheit, bei der ich einen überaus detaillierten und beunruhigenden Bericht über die Geschichte meiner Familie entdeckt habe – es war mir bald klar, warum er dort aufbewahrt wurde und nicht in Haldon. Es gibt in der ganzen Grafschaft nicht eine einzige ehrlich erworbene Parzelle Land. Jeden Morgen Land, jedes Dorf hat die Familie auf verwerfliche Weise an sich gebracht. Verrat, Erpressung, alles. Es war abscheulich.«

Alex wartete einen Moment, um sicherzugehen, dass Whit ganz fertig war, bevor er fragte: »Wie lange ist das her?«

»Dass wir anderen ihr Land gestohlen haben, meinst du?«

Alex nickte.

»Bis vor ungefähr hundert Jahren, dann haben die Verschwender übernommen.«

»Ich verstehe.«

»Es ist wichtig, dass du das tust«, sagte Whit düster. »Denn ich bin entschlossen, diesem Buch kein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Ich werde meiner Familie ein Vermächtnis hinterlassen, auf das sie stolz sein kann, etwas, das sie weiterführen kann. Ich weiß nicht, ob es dem deiner Familie gleichkommen wird, aber … ich werde diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.«

Alex wollte weitere Einwände vorbringen und auf all die Löcher in Whits Logik hinweisen, auf all die Gründe, aus denen es eine außerordentlich schlechte Idee war, dass er weiter für das Kriegsministerium arbeitete, aber er wusste, dass er damit nichts ausrichten würde. Es gab wenige Menschen, die es mit Whit aufnehmen konnten, was schieren Starrsinn betraf, und wie bei den meisten sturen Individuen galt das Prinzip, dass sie umso entschlossener wurden, genau das zu tun, was ihnen gefiel, je mehr man mit ihnen stritt.

»Deine Mutter wird mich umbringen, wenn dir etwas zustößt«, brummte Alex.

Whit grinste. »Mutter liebt dich zu sehr, um dich umzubringen. Kate dagegen würde dir gewiss die Kehle aufschlitzen, ergebene kleine Schwester, die sie ist.«

»Gott helfe mir.«

Whit lachte kurz, bevor er eine ernstere Miene aufsetzte. »Zur Sache«, drängte er. »Was hältst du von unserem neuen Freund?«

Alex beschloss, das Thema von Whits Beteiligung für den Moment fallen zu lassen. »Er ist ein Esel«, erwiderte er.

»Gewiss, aber denkst du, er wird sich als eine entgegenkommende Art von Esel entpuppen?«

»Loudor macht den Eindruck eines genusssüchtigen Gecken, dumm und eingebildet genug, um mit seinen Unternehmungen zu prahlen, wenn man ihn mit genügend Alkohol versorgt. Aber wenn er das Verräterspiel spielt, dann tut er das schon seit einer ganzen Weile, und bisher ist ihm noch kein Fehler unterlaufen. Entweder hat er mehr Verstand, als er sich anmerken lässt, oder er ist unschuldig.«

»Ich kann nicht behaupten, dass es einfach ist, mich mit einer dieser Möglichkeiten abzufinden. Vielleicht hatte er einfach Glück.«

»Vielleicht.«

»Was beabsichtigst du, mit Miss Everton anzustellen?«

Alex ignorierte die besondere Betonung, die sein Freund auf das Wort »anstellen« legte.

»Loudor hat heute Abend ziemlich klargemacht, dass er nicht von Verehrern seiner Cousine behelligt werden will, aber ich denke, ich werde einen Ausweg finden. Ich werde ihr wohl einige Aufmerksamkeit widmen müssen. Falls Loudor sich als zugeknöpft erweist, könnte sie uns von Nutzen sein.«

»Wie nobel von dir«, meinte Whit gedehnt. »Das Mädel ist eine Schönheit, Alex. Ziemlich atemberaubend. Wenn es dir lieber wäre, wäre ich gewillt …«

»Du wirst angemessenen Abstand halten«, blaffte Alex. »Sie ist meine Aufgabe.«

Angesichts von Whits wissendem Grinsen musste Alex zugeben, dass Miss Everton ihn heute Abend bereits ziemlich beschäftigt hatte. »Verdammt noch mal, halt dich einfach an die Anweisungen, Whit. Behalte Loudors Freunde Calmaton und Forent im Auge. Und auch Loudor, wenn du kannst. Und wenn deine Mutter Wind davon bekommt, geht es auf deine Kappe.«

4

Am nächsten Morgen fühlte Sophie sich etwas steif und mitgenommen, aber sonst wie immer. Während der Nacht war sie lange genug wach gewesen, um den Inhalt des Umschlags zu lesen, den Mr Smith ihr gegeben hatte. Er enthielt eine Liste von Gentlemen, die sie »im Auge behalten sollte«, ebenso wie den Namen des Anwalts, der als ihr Verbindungsmann dienen und sie mit allen nötigen finanziellen Mitteln ausstatten würde.

Nachdem sie sich die Namen eingeprägt hatte, hatte sie die Papiere im Kamin verbrannt und war wieder zu Bett gegangen. Persönliche Erfahrung hatte sie gelehrt, dass Ruhe die beste Medizin für einen Schlag auf den Kopf war. Jedenfalls beharrte Mrs Summers für gewöhnlich darauf, dass dem so sei. Da sie einen recht ordentlichen Schlag abbekommen hatte, würde sie jetzt den Rest des Tages ruhend verbringen müssen. Sophie stieß einen enttäuschten Seufzer aus. Ausruhen war schon unter normalen Umständen langweilig, erst recht aber an ihrem ersten ganzen Tag in England. Sie fragte sich, ob es ihr möglich wäre, sich hinauszuschleichen. Natürlich würde sie sich nicht weit und nicht für längere Zeit entfernen.

Während sie im Geiste ihre Flucht plante, zog sie an der Glockenschnur und trat dann ans Fenster, um dort auf eine Reaktion zu warten. Es war gestern Nacht zu dunkel gewesen, um mehr als Schatten zu sehen. Im Licht des Tages entdeckte Sophie, dass der Blick aus ihrem Schlafzimmer auf einen kleinen, aber gut gepflegten Garten ging, komplett mit einem geschotterten Gehweg, mehreren Bänken und einem protzigen, übergroßen Springbrunnen, der dem Anschein nach eine Neuerwerbung war.

Es klopfte an der Tür, und ein dralles Mädchen mit leuchtend rotem Haar, das zu einem Knoten zurückgebunden war, trat ein. Mit seinen Sommersprossen, den strahlend blauen Augen und ihrem liebenswerten Lächeln sah das Mädchen aus, als gehörte es auf einen dreibeinigen Schemel vor eine Kuh.

»Guten Morgen, gnädiges Fräulein. Ich hoffe, Sie fühlen sich besser, falls ich das sagen darf.«

»Natürlich darfst du das, äh …«

»Penny, gnädiges Fräulein.«

Penny. Es passte zu ihr. »Vielen Dank, Penny, ich fühle mich viel besser. Wenn es nicht zu viel Mühe macht, könntest du mir ein Bad einlassen und mir etwas zu essen heraufbringen? Ich habe verschlafen und das Frühstück verpasst.«

»Das ist überhaupt keine Mühe, aber Sie haben das Frühstück nicht verpasst. Es ist erst elf, und das Frühstück wird um viertel vor zwölf serviert.«

»So spät?«

»Wir halten uns hier an die städtischen Zeiten.«

»Oh, richtig, natürlich.« Sie hatte keine Ahnung, wovon das Mädchen sprach, doch sie lächelte dennoch und nahm sich vor, Mrs Summers später über die seltsamen Essgewohnheiten der Londoner zu befragen. Mrs Summers hatte übermäßig viel Zeit darauf verwandt, Sophie in die Gepflogenheiten der feinen Gesellschaft einzuweisen, offensichtlich jedoch einige Dinge übersehen.

»Ihr Bediensteter hat einen Brief für Sie dagelassen, gnädiges Fräulein.«

»Bediensteter?«

»Dieser Chinese, Mr Wang.«

»Oh, er ist kein Bediensteter, Penny. Er ist mehr ein Freund … eigentlich ein Teil der Familie.«

Sophie öffnete den Brief, obwohl sie den Inhalt bereits kannte. Mr Wang war abgereist, um Freunde in Wales zu besuchen, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Mrs Summers und sie selbst gut untergebracht waren. Er würde sie in einigen Monaten wiedersehen.

»Ich wünschte wirklich, ich hätte mich persönlich von ihm verabschieden können«, seufzte sie.

»Das lässt sich nicht mehr ändern, gnädiges Fräulein. Mr Wang hat uns nicht erlaubt, Sie zu wecken. Er meinte, Sie müssten sich nach Ihrem Unfall ausruhen.«