Wie lange dauert "für immer"? - Gabriele Balmy - E-Book

Wie lange dauert "für immer"? E-Book

Gabriele Balmy

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Beschreibung

Ist man für immer tot? Wenn ja, wie lange dauert für immer? Gabi erfährt, dass sie gestorben ist und nun als Geist durch die Welt läuft. Sie hat eine Aufgabe zu erfüllen, um Frieden für sich und ihre Eltern zu finden. Wird sie Antworten auf ihre Fragen bekommen und ihre Aufgabe erfüllen?

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Seitenzahl: 64

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Nachdem Gabi von ihren Eltern aus dem Haus geworfen wurde trifft sie auf einen lästigen Penner, der ihr mitteilt, dass sie gestorben ist. Das klingt so seltsam, dass sie es kaum glauben kann, aber es würde einige Dinge erklären.

Auf ihrem Weg durch die Stadt trifft sie auch auf den Sohn eines Henkers, der schon vor 200 Jahren gestorben ist und auf eine verzweifelte Selbstmörderin, die mit der Ungerechtigkeit in der Welt nicht zurechtkam.

Niemand weiß, was der Tod ist,

ob er nicht für den Menschen

das Größte ist

unter den Gütern.

Sie fürchten ihn aber,

als wüssten sie gewiss,

dass er das größte Übel ist.

(Platon)

Mit gesenktem Haupt und hochgezogenen Schultern schleiche ich durch die Straßen. Meine Eltern wollen mich zu Hause nicht mehr sehen, weil ich Mist gebaut habe. Ich darf erst zurückkommen, wenn ich alles wieder in Ordnung gebracht habe. Wie immer habe ich auch jetzt die Dinge kommentarlos hingenommen. Aber ich muss gestehen, ihre Einwände waren berechtigt.

Wieso waren sie eigentlich wieder da? Sie sind doch schon vor Jahren gestorben. Ich habe immer geglaubt, das gibt es nur in Phantasiefilmen, dass man die Verstorbenen sehen kann, oder habe ich geträumt? Aber es war so real. Wir saßen gemeinsam am Tisch, haben geredet wie früher und meine Stiefmutter hat mit mir geschimpft, wie früher. Das habe ich mir doch nicht eingebildet.

Es hat begonnen zu nieseln und ich ziehe meine Schultern noch höher. Eine alte Dame geht mit ihrem braunen Spitz spazieren. Das Hündchen hat so lustige Ohren, die sehen flauschig aus, und an den Spitzen kräuseln sich jeweils schwarze, längere Haarbüschel. Sieht so ein Spitz aus, oder ist das ein Mischling? Auch am Schwanz hängen längere schwarze Fellbüschel herunter, die lustig durch die Gegend wippen. Gerne würde ich ihm den Kopf kraulen und die flauschigen Ohren zwischen meinen Fingern spüren, aber ich habe gerade andere Sorgen. Was mache ich jetzt? Die Gedanken schwirren durch meinen Kopf, wie Schmetterlinge in der Frühlingssonne.

Eine Amsel fliegt aufgebracht davon, sie hatte sich wohl schon auf die Nachtruhe gefreut und war erzürnt über die Störung.

Der Hund hat ein Häufchen gemacht und die Dame nimmt das dampfende Etwas fürsorglich mit einem schwarzen Tütchen auf. Obwohl ich mir immer so einen knuddeligen Vierbeiner gewünscht habe, finde ich das eklig. Früher, als Kind, haben meine Eltern keinen Hund in ihrer Gegenwart geduldet und jetzt will ich die Verpflichtungen nicht eingehen. Dann müsste ich mehrmals täglich hinaus und Gassi gehen, egal wie das Wetter auch ist und die frischen „Hinterlassenschaften“ aufsammeln, nur ein dünnes Tütchen zwischen dem dampfenden Häufchen und meinen Fingern – Pfui. Bei dem Gedanken schüttelt es mich.

Außerdem verreise ich doch gerne, das wäre mit einem Haustier schwieriger.

In der einen Hand die erwähnte Tüte, in der anderen die Hundeleine, schlendern die zwei weiter.

Der Spitz scheint ein fauler Kerl zu sein, und bemüht sich provokativ um ein möglichst langsames Vorwärtskommen.

Was für ein seltsames Gespann die Zwei doch sind. Eigentlich sieht die Dame so aus, als würde jeder Schritt schmerzen, aber sie bemüht, sich zügig zu gehen. Das Hündchen dagegen wirkt ziemlich agil, hat aber anscheinend keine Lust auf einen Spaziergang bei diesem trüben Aprilwetter. Er bemüht sich immer wieder umzudrehen, doch die Leine hindert ihn daran.

Die gute Frau versucht ihn mit ihren Überredungskünsten vorwärts zu locken: „Nun komm schon, ein Spaziergang tut uns gut“, redet sie ihm geduldig zu und verschwindet hinter der nächsten Häuserecke.

Ein Bus hält vor meiner Nase. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich mich an der Bushaltestelle niedergelassen hatte. Ohne Fahrschein gehe ich mutig am Busfahrer vorbei und nehme Platz. Er nickt den beiden anderen Fahrgästen hoheitsvoll zu, die im Vorbeigehen und mit gleichgültigem Blick ihren Fahrausweis vorzeigen.

Niemand bemerkt mich, wie praktisch. Ich weiß nicht wohin er fährt, aber das ist mir auch egal. Ich habe gerade mein Zuhause verloren und sollte eigentlich zu Hilde, um mit meiner Liebsten zu reden.

Hilde und ihr Sohn Thomas haben mich zu dem Testament überredet, wenn man das überhaupt so nennen kann. „Erpresst“ würde eher zutreffen. Aber ich kann Hilde sowieso keinen Wunsch abschlagen.

Ich weiß nur nicht, wie ich das anstellen soll, ich kann ihr doch nicht einfach alles wieder wegnehmen. Sie wird mir nicht glauben, dass meine Eltern mich damit beauftragt haben, meine Eltern sind doch tot. Wie kann ich es ihr nur erklären?

Ich habe die Villa meiner Eltern und das gesamte Vermögen mit dem kostbaren Schmuck Hildes Sohn vererbt.

Es erscheint mir, als wäre die Begegnung mit meinen Eltern schon Monate her. Und die tote Frau hinter dem Haus… Ich hatte Furcht, dass ich das schreckliche Erlebnis niemals verkraften würde. Aber „die Zeit heilt alle Wunden“, heißt es. Dabei ist es doch erst einige Stunden her. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Warum ist Zeit für die meisten Menschen eigentlich so wichtig? Ich habe mal gelesen, dass es keine Zeit und keinen Raum gibt, das existiert nur in unseren Köpfen, hieß es. Ich werde mal darüber nachdenken.

Der Bus hält und einige müde Fahrgäste steigen ein. Sie kommen sicherlich von der Arbeit und sind froh, dass Feierabend ist.

Was hatte meine Stiefmutter gesagt? „Erst wenn du die Sache wieder in Ordnung gebracht hast, können wir alle unseren Frieden finden. Nur du allein kannst das.“ Das klingt, als wäre ich in einer wichtigen Mission unterwegs.

Dabei interessiert mich die Sache überhaupt nicht und ich würde sie am liebsten verdrängen.

Wieder hält der Bus und eine Dame mittleren Alters und ein Mann im Rollstuhl möchten gerne durch die Hintertür einsteigen. Die Dame hat eine neckische graue Kurzhaarfrisur. Sehr sympathisch diese Frau, ohne künstliche Farbe. Ich habe meine Haare noch nie gefärbt, finde es natürlich am schönsten.

Sie nestelt auf dem Boden des Busses herum. Was das wohl soll? Dann eilt der Fahrer herbei und holt mit männlicher Muskelkraft eine Rampe hervor. Das war es, was die Dame vergeblich versucht hat. Nun kann der Herr im Rollstuhl selbstständig über die Rampe in den Bus fahren und bringt sich geschickt in die entsprechende Position.

Die Dame bedankt sich überschwänglich bei ihrem Helfer, der sichtbar kein Einheimischer ist. Der Fahrer des vorherigen Busses hatte wohl seine Hilfe verweigert, wie sie erzählt, er ist einfach weitergefahren. Ungeheuerlich, was für rücksichtslose Menschen es doch gibt. Nur wegen dieser Unhöflichkeit musste die Dame und der arme, gebeutelte Herr in seinem Behelfsgefährt eine halbe Stunde auf den nächsten Bus warten. Kein Wunder, dass die gute Frau so dünn ist, wer weiß was die Beiden schon alles hinter sich haben.

Glücklicherweise habe ich nur die Verantwortung für mich selbst, ich habe keinen Mann und keine Kinder, nur Hilde, meine Partnerin. Hilde und ich haben uns vor vielen Jahren in ihrer Boutique kennengelernt. Anfangs hat sie mich zum Essen eingeladen, dann sind wir zusammen verreist und haben uns ineinander verliebt. Hilde hat nie Geld und ich habe genug davon geerbt. Es hat sie sehr glücklich gemacht, dass ich immer alles bezahlt habe, auch ihre Boutique hat Unsummen „verschlungen“. Zum Glück hat sie die inzwischen aufgegeben.

Als Gegenleistung hat sie mir etwas viel Besseres gegeben. Das Gefühl geliebt zu werden und mit einem Menschen viele schöne Stunden zu verbringen, hatte ich vorher noch nie. Ich würde alles für Hilde tun.

Ein schmuddeliges männliches Wesen setzt sich zu mir. Was will der Penner denn!? Es gibt doch genügend freie Plätze, da muss er sich doch nicht zu mir setzen. Entsetzt schau ich ihn an. Zwei trübe Augen erwidern keck meinen Blick. Ein welker Mund lächelt mir schamlos entgegen. Alles an ihm wirkt schmutzig.