Wikingerblut – Aufstand der Pikten - Jürgen Bärbig - E-Book

Wikingerblut – Aufstand der Pikten E-Book

Jürgen Bärbig

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Beschreibung

In der Heimat sucht Kjelvar fieberhaft einen Weg, um zu seiner Familie zurückzukehren. Doch am Hofe von König Harald wird er zum Spielball einer tödlichen Intrige.

Thorvik reist indes auf der Suche nach Kjelvar ins Land der Skoten. Dabei trifft er nicht nur auf alte Weggefährten, sondern ebenso auf neue Feinde - und muss sich mehr als einmal den Weg freikämpfen.

Und auch Sigré, die mit ihren Kindern bei den Pikten lebt und damit ein gegebenes Versprechen einlöst, schwebt in großer Gefahr. Denn die Pikten wollen sich nicht länger verstecken: Sie planen in einer letzten großen Schlacht, ihr Land zurückzuerobern.

Band 3 der spannenden und actionreichen Wikinger-Reihe. Für alle Fans der Serie VIKINGS und der Romane von James L. Nelson.

eBooks von beTHRILLED - spannungsgeladene Unterhaltung.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Die wichtigsten Figuren

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Über den Autor

Weitere Titel des Autors

Impressum

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Über dieses Buch

In der Heimat sucht Kjelvar fieberhaft einen Weg, um zu seiner Familie zurückzukehren. Doch am Hofe von König Harald wird er zum Spielball einer tödlichen Intrige.

Thorvik reist indes auf der Suche nach Kjelvar ins Land der Skoten. Dabei trifft er nicht nur auf alte Weggefährten, sondern ebenso auf neue Feinde – und muss sich mehr als einmal den Weg freikämpfen.

Und auch Sigré, die mit ihren Kindern bei den Pikten lebt und damit ein gegebenes Versprechen einlöst, schwebt in großer Gefahr. Denn die Pikten wollen sich nicht länger verstecken: Sie planen in einer letzten großen Schlacht, ihr Land zurückzuerobern.

JÜRGEN BÄRBIG

Wikingerblut

Aufstand der Pikten

Die wichtigsten Figuren

Harald Schönhaar (um 852 – 933), norwegischer König

Gudröd, sein Sohn

Hàlvdan, sein Sohn

Liunaos, Heiler aus Konstantinopel

Torbjörn Hornklove, sein Skalde

Ravea, dessen fränkische Sklavin

Torleiv Sturmkrähe, Seher

Torstein Raude, Gefolgsmann König Haralds

Causantin mac Cinàeda (* 836; † 877), schottischer König von 863 bis 877

Aedh, sein Bruder

Brigid, seine Schwester

Caelec McDonagh, Brude McDonaghs Sohn

Alfred (* 848 oder 849; † 26. Oktober899), ab 871 König der West-Sachsen (Wessex)

Ethelfleda, seine Tochter

Aethelswith, seine Schwester

Hedewulf, Gesandter

Guthrum, König von East Anglia

Skulvar Bärenschrei, sein Gefolgsmann

Kaitil, sein Gefolgsmann

Yalvi Flammenschein, dessen Frau

Kjelvar Haldrimson aus Tronlaer in der Provinz Møre

Sigrè, seine Frau

Bragg, sein Sohn

Isgrid, seine Tochter

Kjelvars Begleiter

Ivar, Sohn von Jarl Ragnvald

Aunith, Bardin

Orvo, Bogenschütze

Thorvik Nebelauge, Kjelvars Bruder

Margith, Thorviks Lebensgefährtin

Greda Bogenhand, junge Frau aus Hordaland

Fòa, Seherin

Tjormod Grimmhammer, Söldnerführer

Thorviks Begleiter

Grinn, Däne

Rook, Däne

Clegg, Pikte

Dulath, Mann aus Hjaltland

Lorgan, Söldner

Eigus, Söldner

Pikten

Hrulain, Seher

Kaereth, Häuptling

Gaelfreth

Albric, Häuptling

Fidach, sein Bruder, Zauberer

Lynn Uda, Anführerin des Clan Gunn

Eveth, ihre Mutter

Neneh und Auth, die weisen Frauen vom Wasser

Nurda Baan, Häuptling

Tullan of Wessex, Barde

Fulk, geflüchteter Bogenschütze aus Wareham

Jarl Runalf, Bewacher von Aethelswith

Kapitel 1

Auf See, östlich von Northumbria

Die Wolken, die von Osten her über das Meer heranzogen, waren so schwarz wie der Qualm von nassem Holz. Sie brachten Wind mit sich und Regen, der am Horizont bereits als Schatten fiel, und verdrängten die Strahlen der Sonne, die seit dem Morgengrauen am Himmel gestanden hatte.

Der Däne, der am Ruder der schwerfälligen Knörr stand, rümpfte die Nase und spuckte über die Reling. Thorvik wusste nicht viel von ihm. Nur dass er ein fähiger Seemann war, sich gern beschwerte und auf den Namen Grinn hörte.

»Nebelauge! Das gefällt mir nicht«, sagte er, an Thorvik gewandt, der Grinns besorgtem Blick gefolgt war. »Da zieht ein Sturm auf.«

»Ja, sieht ganz so aus.«

»Wir hätten gleich an Land gehen sollen, als uns diese verfluchte Sturmschwalbe an Deck verreckt ist. So was ist immer ein schlechtes Zeichen.«

Thorviks Miene verdüsterte sich so rasch, wie das Wetter umgeschlagen war. Noch bis zur Mittagsstunde war der Wind ihr Verbündeter gewesen, der sie rasch vorangebracht hatte.

Zum ersten Mal seit sie in Jorvik aufgebrochen waren, war das Wetter endlich einmal auf ihrer Seite gewesen, und das wurde nun gleich wieder zunichtegemacht.

Die Götter treiben ein weiteres Mal ihre Späße mit mir, dachte Thorvik verbittert. Er verwünschte sie, ebenso sehr wie sein schwerfälliges Schiff. Im Geiste sah er sich an Bord eines schlanken Drachenbootes stehen, das wie ein Pfeil durch die Wellen schoss.

Doch die Seeochse war plump und träge. Ein Frachtschiff, das zwar frisch kalfatert war, an dem die Zeit aber ihre Spuren hinterlassen hatte. Das Boot taugte weder für den Kampf noch für eine schnelle Reise. Zudem fragte sich Thorvik, ob es einem Sturm standhalten würde.

Seine Gedanken wurden abgelenkt, als Margith neben ihn an die Reling stürzte und sich übergab. Sie trug sein Kind, und die Übelkeit war ein Preis, den sie lächelnd ertrug.

Fürsorglich legte er ihr die Hand auf die Schulter.

»Es geht wieder«, sagte sie außer Atem und fuhr sich mit der Hand über den Mund.

Die ersten Regentropfen trafen ihre Gesichter. Starke Windböen erreichten das Schiff, und das Segel begann zu schlagen. Das Meer wurde unruhig.

»Wir sollten eine sichere Bucht suchen und den Sturm abwarten«, schlug der Däne vor.

»Dreht das Segel in den Wind, und zurrt es fest!«, rief Thorvik zweien der Männer zu, die zu seiner Mannschaft gehörten. Der eine war ein Pikte und hieß Clegg, der andere, Dulath, war ein Mann aus Hjaltland, der dringend aus Jorvik verschwinden musste, ohne zu verraten, was er verbrochen hatte. Thorvik hatte sie mitgenommen, obwohl sie noch nie an Bord eines Schiffes gewesen waren, aber sie waren mutig, begierig zu lernen, und es hatte ihn nur das Versprechen gekostet, sie mit in den Norden zu nehmen, um sie anzuheuern.

»Ich will mit diesem morschen Kahn nicht absaufen!«, rief Grinn nun eindringlich. »Was ist? Tust du endlich, was ich dir rate?«

Zähneknirschend sah Thorvik in die Richtung, in der die Küste lag. Auf die große Entfernung hin war sie kaum zu erkennen. Sie hatten sich mit der Seeochse weit aufs Meer hinausgewagt, bis sie den guten Wind gefunden hatten und die Strömung günstig war. Er seufzte und gab nach. Es war kein Vergnügen, durch einen Sturm zu segeln, erst recht nicht mit einem Schiff wie diesem.

»Ja, gut. Finde einen sicheren Platz für uns.«

Der Mann am Ruder nickte und rief einen weiteren Dänen an seine Seite. Rook war ein Fass von einem Mann, mit einem gewaltigen Wanst und einem noch gewaltigeren Durst nach Bier. Rook und Grinn waren Freunde. Keiner wäre ohne den anderen an Bord gekommen, und sie taten alles gemeinsam.

Nun stemmten sie sich ins Ruder. Die Spanten knackten. Das Segel fiel schlaff in sich zusammen, und für einen Moment war die Seeochse nur noch ein Stück Treibholz, mit dem das Meer spielte. Dann endlich wendete das widerspenstige Schiff und richtete den Bug auf die Küste aus.

»Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät. Das Unwetter kommt schnell näher.« Margith flüsterte Thorvik ihre Sorge ins Ohr.

Fòa lenkte ihn ab, ehe er etwas erwidern konnte. Die Seherin trat aus dem Zelt, das sie am Bug aufgeschlagen hatten und das ihnen in der Nacht als Schlafplatz diente.

Sie trug ein langes Kleid aus ungefärbter Wolle und einen Kapuzenmantel, der sich im Wind aufbäumte wie ein schattenhaftes Wesen aus einer uralten Sage.

Anders als sonst war ihre Füchsin diesmal nicht an ihrer Seite. Das Tier blieb im Zelteingang hocken, hatte die Ohren angelegt und kauerte sich mit eingeklemmtem Schwanz am Boden zusammen. Thorvik schluckte. Wie die Sturmschwalbe ein paar Tage zuvor war auch das kein gutes Omen.

Zudem war ihm Fòas betroffene Miene nicht entgangen, als sie ihr Gesicht in den Wind richtete. Eine Böe erfasste sie und strich ihr durchs Haar. In ihren offenen Händen hielt sie mit Runen beschriftete Steine.

Mit Margith an seiner Seite ging Thorvik zu ihr. »Bedrückt dich etwas, Seherin?«, fragte er.

Zunächst schien sie die beiden gar nicht bemerkt zu haben. Erst als Margith sie sanft am Arm berührte, erschrak sie, und es war, als kehre sie aus weiter Ferne zurück. »Etwas Schreckliches wird geschehen«, raunte sie, ohne einen der beiden anzusehen.

»Ist es der nahende Sturm?«

»Ich ... ich kann es nicht sagen. Freya spricht nur undeutlich zu mir.« Sie sah auf die Runensteine, dann auf ihre Füchsin, die sich nicht von der Stelle rührte. »Und Hernafè schweigt. Sie hat Angst. Sie hat nie Angst.« Fòa richtete den Blick zum Himmel.

Die schwarzen Wolken türmten sich bedrohlich über ihnen auf. Blitze zuckten, und Donner grollte.

Thorvik fletschte die Zähne. Er schob Margith zum Zelteingang. »Bleibt da drin, bis der Sturm vorbei ist.«

Sie fasste nach seinem Arm und bohrte ihre Fingernägel hinein, gleichzeitig gab sie ihm einen Kuss. »Du scheinst mich immer noch nicht zu kennen. Ich werde helfen. Ich verstecke mich nicht.«

Diesmal gab Thorvik nicht nach. Auch wenn Margith das Gegenteil glaubte, so wusste er doch genau, was er sagen musste, um sie nicht zu verärgern. Er zog sie nah zu sich und flüsterte ihr zu. »Es ist wegen Fòa. Du musst dich um sie kümmern. Sieh sie dir an. Sie fürchtet sich. Sie braucht dich!«

Margith lächelte ihn wissend an. Sicher hatte sie ihn durchschaut. Doch statt mit ihm zu streiten, streichelte sie nur ihren Bauch und sagte: »Gib auf uns acht.« Dann wandte sie sich ab, nahm Fòa am Arm und führte sie ins Zelt.

»Hätte ich gewusst, dass dir die Götter in den Arsch treten wollen, wären wir nie auf dein Schiff gekommen! Stimmt's, Rook?« Rook sagte nichts, wie üblich. Und Grinn lachte zum Trotz, wobei er mit der Hand nach hinten zeigte. »Wir werden's nicht schaffen! Beten wir, dass der Kahn zäher ist, als er aussieht.«

Thorvik winkte ab. »Dulath, Clegg! Kommt her! Überprüft den Proviant und die Fässer! Sorgt dafür, dass alles fest vertäut ist.«

Die beiden Männer waren gleich zur Stelle und machten sich an die Arbeit.

Thorvik selbst kümmerte sich um die Ausrüstung und die Waffen, die im Mitteldeck unter den Planken verstaut lagen. Das Segel, das zum Zerreißen gespannt war, ließ er nicht aus den Augen.

Und dann brach das Unwetter herein, der Sturm, der Regen und die Blitze. Als hätte sich ein Schatten über das Schiff gesenkt, wurde es mit einem Mal dunkel. Der Regen kam in Sturzbächen nieder.

Blitze zuckten über ihnen, gleich gefolgt von dröhnendem Donner, den Thorvik in seinen Eingeweiden spürte.

Die Wellen warfen die Seeochse heftig von einer Seite auf die andere.

»Haltet euch fest!«, brüllte Thorvik, doch der Sturm riss ihm die Wörter von den Lippen, bevor sie irgendjemanden erreichen konnten.

Er selbst wurde gegen die Reling geschleudert und um ein Haar darüber hinweg.

Die Seeochse stieß in die Wellen, Gischt spritzte über den Bug und das Zelt. Grinn und Rook, die sich mit vereinten Kräften gegen das Ruder stemmten, gelang es kaum, das Schiff auf Kurs zu halten, wo immer der auch hinführte, denn eine Küste, oder gar eine schützende Bucht, war nicht mehr zu sehen. Um sie herum gab es nur aufgewühlte See und peitschenden Regen.

Wieder Blitze, so grell, dass sie blendeten. Die Luft schien zu kochen.

Eine Welle, die gierig über die Reling schwappte, schlug über Thorvik zusammen.

Das Salzwasser brannte in seinem gesunden Auge. Er wischte es fort und konnte zusehen, wie eine weitere Böe das Segel zunächst in Fetzen und dann von der Rahe riss. Gleich darauf war es verschwunden.

Zunächst war er fassungslos, bevor ihn eine ungeheure Wut packte. Er schüttelte die Faust gegen den Sturm und verfluchte Thor, der den Himmel schon wieder mit Blitzen erhellte, und er verfluchte Njörd, den Gott des Meeres, der die Wellen zu noch höheren Bergen aufpeitschte, die krachend auf das Deck schlugen.

Rook und Grinn ächzten bei dem Versuch, das Ruder zu halten, das sich in ihren Händen wand wie ein wildes Tier.

Margith und Fòa schrien. Thorvik hörte sie und wirbelte zu ihnen herum.

Das Zelt hatte sich losgerissen und hoch in die Luft erhoben, die zerrissenen Schnüre peitschten umher. Säcke mit Proviant und Lederhäute, gefüllt mit Trinkwasser und Bier, wurden einfach über Bord gespült.

Fòa wurde von einer Welle erfasst. Sie rutschte haltlos über Deck und versuchte verzweifelt, ihre Füchsin festzuhalten, die kläglich jaulte und mit ihren Krallen keinen Halt fand. »Nein!«, schrie Fòa, als sie von einer weiteren Welle auf die Planken geschleudert wurde. Margith hatte sie zu packen bekommen und hielt sie an ihrem Umhang fest.

»Hernafè! Hernafè!«

Die Füchsin schlingerte auf den Mast zu und daran vorbei. Thorvik suchte mit dem Fuß festen Halt, wartete auf den richtigen Moment und stieß sich ab. Auf dem Bauch rutschend, die Hände voraus, erwischte er die Füchsin an der Rute. Mit einer schnellen Bewegung fasste er zu und zog das verängstigte Tier an seine Brust. Doch nun war es Thorvik, der keinen Halt mehr fand. Wie einer der Proviantsäcke rutschte er von einer Seite auf die andere. Er schlug sich den Kopf an, sah dunkle Flecken, schmeckte das salzige Wasser.

Von einer gewaltigen Welle angehoben, bäumte sich die Seeochse auf. Thorvik überschlug sich. Da, ein losgerissenes Tau, mit einer Hand griff er danach und verfehlte es.

Die Füchsin wand sich in seiner Hand und schnappte in ihrer Angst nach ihm. Ihre Zähne erwischten seinen Arm und hinterließen eine blutende Wunde, trotzdem ließ er nicht los.

Blitze, Donner, Schreie, Flüche, das Dröhnen der Wellen, das Ächzen des Schiffes, eine Hand, die ihn zu packen bekam.

Flüchtig sah Thorvik in ein tätowiertes Gesicht, das ihn mit vor Anstrengung verzerrten Zügen anstarrte.

Clegg hielt ihn und sich selbst an einem Tau fest.

Plötzlich ein Krachen, das Bersten von Holz. Der Mast hielt dem Wüten des Sturms nicht mehr stand. Er brach entzwei wie ein dünner Ast und stürzte zur Seite. Das Schiff neigte sich gefährlich. Wasser schwappte an Bord.

»Durchtrennt die Seile!«, rief Margith, die ihr Messer zückte, »oder wir sinken!« Auf dem schwankenden Schiff nach Halt suchend, stolperte sie zu dem Mast hin. Das nasse Haar klebte ihr im Gesicht, und mit trotzigem Blick stellte sie sich dem drohenden Untergang entgegen.

Zusammen mit Dulath, der mit der Axt zur Stelle war, hackte sie auf die Seile ein, die Schiff und Mast aneinanderbanden.

Die Seeochse neigte sich weiter zur Seite. Nur noch ein Stück, und sie würde volllaufen.

Thorvik kam auf die Knie. »Nimm du sie«, rief er und drückte Clegg die Füchsin in den Arm. Die Hand am Dolch, wollte er den beiden anderen zu Hilfe kommen.

In diesem Moment erbebte das Schiff, als es von hinten von einer Welle gepackt und nach vorn geschleudert wurde.

Thorvik konnte das Gleichgewicht nicht halten und stürzte.

Gleichzeitig gelang es Dulath, das letzte Seil zu durchschlagen. Die Seeochse richtete sich auf und schoss, von ihrer Last befreit, voran. In eine Wolke aus Gischt gehüllt, zerteilte sie die Wellen.

»Land!«, hörte er Grinn rufen. Zugleich schrie Fòa entsetzt auf.

Für den Augenblick eines Herzschlags sah er Hernafè an dem Loch in der Reling, das der Mast hinterlassen hatte. Ein Jaulen, dann war sie verschwunden. Ein Opfer der brodelnden See.

Clegg hatte sie nicht festhalten können. Er lag an Deck, fasste sich an den Kopf. Er blutete.

»Nein! Freya, warum hast du das getan?« Fòas Wehklagen klang vom Bug bis zum Heck. Sie war auf die Knie gefallen und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Für einen Moment schien sich ein weiterer Schatten auf das Schiff herabzusenken, bevor Thor erneut zuschlug und den Himmel mit zahlreichen Blitzen erhellte, denen der Donner auf dem Fuße folgte.

»Da! Riffe!« Grinn fuchtelte aufgeregt mit einer Hand. »Halt dagegen, sonst sind wir alle tot, Rook!«

Vor ihnen erhoben sich Felsen, wie kauernde Riesen.

Die Seeochse schoss darauf zu und knapp daran vorbei.

Aber es war nur ein Fels von vielen – sie hatten es noch nicht geschafft.

»Dutzende Schiffe im Hafen, und ich muss ausgerechnet auf dem hier anheuern! Links, Rook, nach links! Bete, dass das verdammte Ruder hält!«

Thorvik gelangte zu Margith, die neben Fòa kniete. Er blieb nicht bei ihnen, sondern nickte ihr nur zu und lief gleich weiter zum Bug.

Er wollte nach Riffen und Felsen Ausschau halten, die Grinns wachem Auge entgingen.

Ihm war kalt, und nur auf allen vieren bahnte er sich seinen Weg durch Fetzen des zerstörten Zeltes. Als er den Bug erreichte und den Blick vorwärtsrichtete, packte ihn ein Schrecken.

Aus der aufgewühlten See ragte der Buckel eines Riffs wie der Rücken eines Wals, der an die Oberfläche gekommen war, um Luft zu holen.

»Grinn!«, rief er noch, aber es war zu spät.

Die Seeochse hielt geradewegs darauf zu, krachte darüber hinweg, und der Rumpf riss auf. Planken splitterten und brachen auseinander. Es war so laut, dass selbst das Tosen des Sturms für einen Moment übertönt wurde. Das Schiff verkeilte sich auf dem Felsen, der sich tief in seinen Leib bohrte und es festhielt. Die Seeochse neigte sich ein wenig zur Seite, begleitet durch das Ächzen von Holz, als hätte sie ihren letzten Atemzug getan.

Thorvik lag auf dem Rücken. Er war nach hinten gestürzt. Nun blinzelte er in den Regen, der in dicken Tropfen auf sein Gesicht fiel. Er blieb benommen liegen, bis sich ihm eine Hand entgegenstreckte. Es war Margith, die ihm auf die Beine half.

»Sieh nur. Da vorn ist die Küste«, sagte sie und lächelte erleichtert.

Vor ihnen, in hundert Schritt Entfernung, erhoben sich steile Klippen hinter einem Strand aus Kies und Geröll.

Thorvik konnte Margiths Freude nicht teilen. Zwar lag die Seeochse nun fest, als wäre sie mit dem Stein verwachsen, und trotzte damit den anrollenden Wellen, doch sie würde auch nie wieder irgendwohin segeln.

Es war alles verloren, was sie gehabt hatten, und der Weg nach Ayrk, wo er hoffte, seine Familie zu finden, war noch weit. Die Götter stellten ihn auf die Probe. Erneut. Und wohl nicht nur ihn.

Thorvik sah zu Fòa, die wie eine alte Frau gebeugt dastand und mit glasigen Augen auf die schäumende See hinausstarrte. Sie hatte Hernafè verloren. Durch die Füchsin hatte sie mit Freya sprechen können. Nun war das Tier fort. Warum taten die Götter ihr das an? Was wollten sie? Von ihr oder von ihm? Und was würde jetzt werden? Er wusste keine Antwort darauf. Doch was es auch war, er würde sich allem stellen, was sie für ihn bereithielten.

Kapitel 2

Die Pikten reisen zur Zusammenkunft der Clans

Es war Abend geworden, der Sturm, der von der See her gekommen war, hatte seine Kraft verloren. Sigrè genoss die sanfte Brise, die nun über das violett blühende Heidekraut strich, welches das Land bis zum Horizont bedeckte. Es regnete nicht mehr, überall auf und neben dem Weg sprudelten Rinnsale und winzige Bäche. Dazwischen wuchsen vereinzelt Bäume, verkrüppelte Kiefern und dürre Eiben.

Die Luft roch nach dem vergangenen Regen und dem umgebenden Moor, bei dem ein falscher Schritt tödlich sein konnte.

Doch die Pikten kannten das Land und folgten den kaum sichtbaren Pfaden. Vierhundert Männer, Frauen und Kinder hatten sich nach Westen aufgemacht. Zu einem Ort, den sie Efwrith nannten.

Und Sigrè ritt auf einem der struppigen Ponys mit ihnen, wie sie es Hrulain, dem alten Seher, geschworen hatte.

Gegen die aufkommende Abendkälte hatte sie sich in ein weites Gewand aus Schafswolle gehüllt. Es war schmucklos und kratzte, doch es hielt sie und Isgrid warm, die sie sich mit einem Tuch vor die Brust gebunden hatte. Das gleichmäßige Auf und Ab des dahintrottenden Ponys hatte das Kind schläfrig gemacht. Zärtlich strich Sigrè der Kleinen über das Feuermal, das die Hälfte ihres Gesichts bedeckte.

Hinter Sigrè saß Bragg im Sattel. Ihr Sohn war hellwach. Mit offenen Augen sah er sich um, lauschte auf die ungewohnten Geräusche eines fremden Landes und wäre am liebsten abgestiegen, um alles selbst zu erkunden.

Seit einer Woche waren sie jetzt unterwegs, und mit den Tagen war ihre Zahl angewachsen. Von überallher waren kleine Gruppen aus dem Nichts gekommen und hatten sich ihnen angeschlossen.

Die meisten waren in einfache Wolle gehüllt, manche trugen Schilde und Helme, ein paar andere waren mit Schwertern bewaffnet, und nur eine Handvoll hatte sich mit Kettenhemden rüsten können. Viele gingen zu Fuß, manche ritten auf Pferden, und wieder andere hockten auf Karren, die von Ochsen mit zotteligem roten Fell gezogen wurden.

Jeder Clan hatte sein eigenes Merkmal, das ihn einzigartig machte: Manche Männer hatten lange Bärte und Haar, das so kurz war wie frisch gemähtes Gras, während andere es lang trugen und Knoten hineinflochten. Bei einigen war der gesamte Körper mit Tätowierungen bedeckt, die ihnen Stärke im Kampf und den Segen der Götter sichern sollten. Auch deren Frauen waren tätowiert oder mit Farben bemalt, die sie aus Heideblumen gewannen.

Den größeren Clans gingen Bannerträger voran. Auf den Fahnen waren Vögel, Pferde, Wildschweine oder Wölfe zu sehen.

So unterschiedlich sie alle auch waren, eines hatten sie gemeinsam. Sie hatten von dem Kind mit dem Feuermal gehört, von der Prophezeiung eines großen Krieges und der Aussicht, das alte Land zurückzugewinnen. Hrulain hatte dafür Sorge getragen. Es waren seine Boten gewesen, die zu den Clans gegangen waren, um sie zu der Versammlung bei den stehenden Steinen einzuladen.

Der alte Schamane war auch der Grund, warum Sigrè noch bei ihnen war. Sie schuldete es ihm. Es war der Preis für seine Hilfe im Kampf gegen Ealdorman Thanreth in Ayrk gewesen.

Doch ihr war nicht wohl dabei. Ihr Herz sehnte sich nach der Heimat Tronlaer in Møre, und zu gern wäre sie an Kjelvar dorthin zurückgesegelt, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Doch ihr gegebenes Wort galt ihr viel. Niemals hätte sie es gebrochen.

Im letzten Licht des schwindenden Tages erreichten sie eine schon lange aufgegebene Festung. Die Natur hatte die uralten Mauern mit Flechten und wucherndem Kraut überzogen. Wer sie einst gebaut, wer hier geherrscht hatte – niemand konnte es noch sagen, die Zeit hatte alle Spuren getilgt.

Nur wenige Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch Risse im Mauerwerk und fingen sich im Dunst, der aus dem Moor aufstieg.

Hier würden sie die Nacht verbringen.

Die Ersten machten sich bereits daran, das Lager aufzuschlagen und Feuer aus getrocknetem Torf zu entzünden, den sie auf den Karren mitführten. Zelte wurden errichtet und die Tiere im Inneren der Ruine versorgt.

Für Bragg gab es nun kein Halten mehr. Nach dem ermüdenden Ritt sprang er mit einem Satz von dem Pony herunter und lief nach hinten zu einem der Karren. Dort wartete Cened, ein junger Pikte, der kaum älter war als Bragg, ihn jedoch bereits um einen Kopf überragte. Obwohl sie die Sprache des anderen nicht verstanden, hatten sie sich in den letzten Tagen angefreundet. Nun zückte Bragg sein kurzes Schwert und hieb damit nach dünnen Sträuchern, deren Ästen er mit gezielten Hieben ein schnelles Ende bereitete. Cened warf mit Steinen nach Bäumen und anderen Steinen. Er besaß ein sicheres Auge und traf fast immer.

Sigrè sah den beiden zu. Wehmut und ein ungutes Gefühl der Vorahnung ließ ihre Mundwinkel zucken.

»Lauft nicht zu weit weg!«, rief sie mahnend, ehe sie ebenfalls aus dem Sattel stieg und die müden Beine streckte.

»Du machst dir zu viele Sorgen.«

Greda Bogenhand war neben ihr abgesessen, tätschelte ihrem grauen Pony das Hinterteil und nahm Bogen und Köcher von dessen Rücken.

Die junge Bogenschützin aus Hordaland war Sigrè in den letzten Monaten zu einer guten Freundin geworden.

Sigrè seufzte schwer. »Dieses Land bringt mich dazu, mir Sorgen zu machen.«

»Du kannst nicht immer auf ihn aufpassen. Er wird seinen Weg finden. Einen Freund hat er ja schon gefunden.« Greda schenkte Sigrè ein aufmunterndes Lächeln.

»Du hast sicher recht.«

»Natürlich habe ich das. Komm, lass uns das Lager aufschlagen. Ich bin am Verhungern. Ich werde uns was kochen.«

Sigrè blinzelte erschrocken. Sie kannte Gredas Kochkünste, mit denen es nicht zum Besten stand.

»Ich mach das«, beeilte sie sich zu sagen. »Sorg du für das Feuer und einen trockenen Platz.«

*

Bragg und Cened durchstreiften das Moor und entfernten sich in ihrem Übermut und auf der Jagd nach Rebhühnern immer weiter vom Lager.

Der junge Pikte kannte das Moor und wusste, wo er hintreten musste, um nicht einzusinken, und welche Stellen sie besser mieden, wenn sie nicht ertrinken wollten.

Bragg versuchte, ihm zu folgen, machte weite Schritte, doch bereits nach kurzer Zeit hatte er nasse Füße. Das braune Wasser war kalt, und er fror, was er vor seinem neuen Freund aber niemals zugegeben hätte.

Ihr Spiel wurde wilder, sie rauften, fingen sich und lachten miteinander. Cened zeigte Bragg, wie man ein Ziel mit Steinen traf, und Bragg ihm, wie man ein Schwert hielt und führte.

Sie waren so in ihr Tun vertieft, dass sie von der Dunkelheit überrascht wurden. Die Sterne und der Halbmond, die über ihnen aufgegangen waren, hatten alle Farben verblassen lassen, und ihr Licht reichte nicht weiter als der nächste Schritt.

Cened sagte etwas, zeigte in die Dunkelheit und klopfte sich mit vorgerecktem Kinn auf die Brust.

»Du findest den Weg zurück?«, fragte Bragg, ohne eine Antwort zu erwarten.

Cened marschierte los, und Bragg folgte ihm.

Er wollte es nicht zugeben, aber er hatte Angst und keine Ahnung, wo sie waren oder in welche Richtung sie gehen mussten, um zum Lager zu gelangen. Nicht einmal der Schein eines Feuers war zu sehen.

Cened schien seine Zweifel nicht zu teilen, und diese Zuversicht machte Bragg Mut.

Wie lange sie durch das Moor stapften und sich die Haut an dornigem Gestrüpp aufrissen, wusste Bragg nicht. Er hatte jedes Gefühl für Zeit und Ort verloren. Er war müde, hungrig, durstig und so in Gedanken versunken, dass er gegen Cened prallte, als der plötzlich stehen blieb und nach vorn zeigte. Da waren Fackeln und Männer, die ihre Pferde am Zügel über einen Trampelpfad führten. Wie groß ihre Zahl war, konnte Bragg nicht sagen, aber es mussten viele sein. Der Fackelschein reichte weit nach hinten.

Cened war sofort in die Hocke gegangen, hatte Bragg mit sich gezogen und den Zeigefinger an die Lippen gelegt.

Die fremden Männer kamen näher und passierten ihr Versteck zwischen den Büschen, das nur einen Steinwurf abseits des Pfades lag.

Sie waren in Leder gehüllt und verbargen ihre Köpfe unter Kapuzenumhängen. Die Vorderen hielten Speere, die dahinter Äxte, Schwerter und Keulen. Die Höhlen um die Augen herum, ebenso die Stirn, hatten sie mit Ruß geschwärzt.

Dahinter kamen ein Dutzend Berittene, denen ein Streitwagen folgte, der von zwei stämmigen Hochlandponys gezogen wurde.

Ein Mann führte die Zügel, ein anderer stand neben ihm. Beide besaßen ähnliche Gesichtszüge, unterschieden sich aber in der Art ihrer Erscheinung.

Der, der die Zügel hielt, war kräftig, hatte kurzes blondes Haar und einen Bart, der das halbe Gesicht bedeckte. Sein nackter Oberkörper war voller Narben. In seinem starren Blick lag ein Hauch von Wahnsinn und Grausamkeit.

»Albric«, flüsterte Cened, und Bragg hätte schwören können, dass sein Freund zitterte.

Die Gestalt neben Albric war gedrungener. Das Gesicht lag bis zur Nasenspitze im Schatten einer Kapuze und ließ kaum Konturen erahnen.

Der lange Mantel musste schwer auf dessen Schultern lasten, denn der Mann hielt sich gebückt. Eine tätowierte Hand umfasste einen krummen Stab aus Eichenholz mit einem glänzenden Stein als Knauf, der im Feuerschein lebendig zu sein schien.

Bragg zeigte wortlos auf ihn.

»Fidach«, erklärte Cened, »Zauberer«, und verhakte die Zeigefinger ineinander.

»Brüder? Sie sind Brüder?«

»Ja, ja, Bruder.«

Sie waren wohl etwas zu laut gewesen, denn einer der Fackelträger wandte sich in ihre Richtung, hob die Fackel und entdeckte sie. Er stieß einen Warnruf aus, dem sich andere anschlossen. Cened sprang auf und rannte in die Dunkelheit. Bragg wollte ihm nach, doch schon nach wenigen Schritten trat er in ein Sumpfloch, in das er bis zum Oberschenkel einsank. Der kalte Schlamm schloss sich um sein Bein. Er begann zu strampeln und sackte noch tiefer ein.

Heimlichkeit war jetzt nicht mehr nötig, die Männer hatten ihn bereits gesehen, und er rief laut nach Hilfe.

Cened kam zurück. Er hatte das Seil, das er als Gürtel um die Hüfte trug, in der Hand und warf Bragg ein Ende zu.

Bragg schnappte danach, wand sich das Seil zweimal ums Handgelenk und packte mit beiden Händen fest zu.

Cened begann zu ziehen. Der Morast schmatzte wie ein gesichtsloses Ungeheuer, das seine Beute nicht freigeben wollte.

Das raue Seil scheuerte Bragg die Haut blutig.

Der Befreiungsversuch dauerte zu lange, und die Männer waren heran. Einer packte Cened. Der Junge wehrte sich und strampelte, worauf ihn eine schallende Ohrfeige traf.

Zwei waren bei Bragg. Sie fassten ihn unter den Armen und befreiten ihn, was ihnen nicht mehr Mühe bereitete, als einen Bierschlauch aufzuheben.

Sie nahmen ihm das Schwert ab und stießen ihn neben seinen Freund. Ihre finsteren Mienen verhießen nichts Gutes.

Bragg wollte sich seine Furcht nicht anmerken lassen und war angestrengt darum bemüht, ebenso finster zurückzustarren.

Die Männer nahmen die beiden Jungen in die Mitte und führten sie zum Kriegszug zurück, der inzwischen zum Halt gekommen war. Sie brachten sie zu dem Streitwagen und den beiden Anführern, die dort warteten. Der Gebeugte mit dem Eichenstab, den Cened Fidach genannt hatte, schlug die Kapuze zurück.

Ein kahler Schädel. Ein blasses, von der Stirn bis zur Nasenspitze tätowiertes Gesicht sah auf die beiden Jungen hinab. Der Mann fuhr sich durch den struppigen Bart, die Augen blitzten, und als er selbstgefällig lächelte, zeigte er seine Zähne.

Einer der Fackelträger reichte ihm Braggs kurzes Schwert. Prüfend betrachtete er es. »Die Klinge eines Nordmanns«, sagte er, und Bragg verstand ihn. »Wieso hat ein Kind so etwas?«

»Ich bin kein Kind mehr. Ich bin ein Krieger!«

Fidach lachte ihn aus, was Bragg dazu brachte, sich heftig gegen die Männer zu wehren, die ihn festhielten und keine Mühe hatten, es auch weiterhin zu tun.

»Was macht ihr beiden allein hier draußen?«

»Jagen.« Bragg reckte herausfordernd das Kinn vor.

»Und was jagt ihr hier? In der Dunkelheit, ohne einen Speer? Oder einen Bogen?«

»Was immer wir finden.«

»Mutig ... und gefährlich. Denn du weißt nie, was in der Dunkelheit lauert, nicht wahr?«

Bragg antwortete nicht.

»Weißt du, wer ich bin?«

»Du bist Fidach. Ein Zauberer.«

Der Mann grinste überlegen. »Wohl wahr. Hat dir das dein Freund verraten?«

Bragg sah nur kurz zu Cened und nickte dann.

»Hast du Angst?«

»Nein.« Das war gelogen, er hatte sogar furchtbare Angst vor diesem Mann, von dem er glaubte, er könne sein Herz mit einem Fingerschnippen erstarren lassen.

Fidachs Lächeln war breiter geworden, er ahnte die Lüge wohl. Doch jetzt ließ er von Bragg ab und wandte sich an Cened, mit dem er in der Sprache der Pikten redete.

Sein Freund gab einen Wortschwall von sich, und erst als Fidach gebieterisch die Hand hob, verstummte er.

»Wir werden euch mitnehmen. Ihr seht schmackhaft aus, vielleicht rösten wir euch heute noch über dem Feuer.« Das Lachen verriet Bragg nicht, ob der Zauberer einen boshaften Scherz gemacht hatte oder es ernst meinte.

*

Mit der Dunkelheit war das Lager zwischen den Ruinen zur Ruhe gekommen.

Die Feuer brannten. Knisternde Funken stiegen, von dünnem Rauch getragen, in den Nachthimmel. Posten mit Speeren hielten Wache.

Sigrè hatte ein anständiges Mahl aus dem kargen Proviant zubereitet. Trockenfisch, ein paar Streifen Wildfleisch, hartes Brot, gesammelte Beeren. Zu trinken gab es sauren Wein aus einem Lederschlauch. Greda, die ihr gegenübersaß, begann gleich, mit Heißhunger zu essen.

Bragg war immer noch nicht zurück, und die Sorgen, die Sigrè eine Weile hatte verdrängen können, kehrten mit Macht zurück. Es begann mit einem brennenden Schmerz, dort, wo ihr das glühende Kreuz unter das Schlüsselbein gebrannt worden war. Geistesabwesend strich sie mit der Hand darüber. Einen Augenblick lang dachte sie an das Kloster, an Aeltan, der das Eisen geführt hatte, und an Abt Tunorius, dessen Namen sie bis in alle Ewigkeit verfluchen würde. Bragg wusste nichts von dem, was vorgefallen war, sie hatte ihm nichts erzählt und würde es wohl auch nie tun.

»Hast du keinen Hunger?«, fragte Greda, die sich die Finger abschleckte.

»Ich esse später.« Sigrè entblößte eine Brust und ließ Isgrid trinken. Dabei hob sie den Kopf und ließ suchend den Blick schweifen. Schwermut und Heimweh überkamen sie. Sie sehnte sich zurück nach ihrem Dorf. Zurück nach dem Leben, das sie mit Kjelvar, vor Thorviks Auftauchen und dem Überfall von Varl Bluttrinker, geführt hatte. Weniger als ein Jahr war seitdem vergangen, doch es war viel geschehen.

Bragg war in dieser Zeit zum Mann geworden. Und Isgrid ... Isgrid sollte einem sterbenden Volk zu alter Größe verhelfen. Bei dem Gedanken war Sigrè nach Weinen zumute, aber sie musste lachen, so seltsam war diese Vorstellung.

Isgrid war so zerbrechlich, so klein und doch ... so wichtig.

Ohne es bewusst zu wollen, war ihr Blick an Hrulain haften geblieben, der nicht weit entfernt von ihnen lagerte.

Der alte Schamane wurde von seinen beiden Frauen mit Essen und Bier versorgt. Sie fand, er sah ausgezehrt und alt aus, älter als zuvor schon. Die zuckenden Flammen ließen die Falten in seinem Gesicht noch tiefer erscheinen. Er kaute abwesend und starrte dumpf in die Flammen. Woran er wohl dachte?

Seit sie aufgebrochen waren, hatten sie kaum ein Wort miteinander geredet. Nur wenn Neuankömmlinge das Kind mit dem Feuergesicht hatten sehen wollen, hatte Hrulain sie zu sich rufen lassen.

Sigrè wartete, bis Isgrid fertig getrunken hatte und zufrieden schmatzend in ihrem Arm lag. Erst dann ging sie zu ihm.

Seine Miene hellte sich auf. »Du bist es«, sagte er mit dieser rauen Stimme, die sie immer an das Knistern von Herbstlaub erinnerte.

»Setz dich«, forderte er sie auf und wies auf das Bündel in ihrem Arm. »Wie geht es ihr?«

»Gut. Sie scheint jeden Tag zu wachsen und ... schwerer zu werden.«

Sigrè hatte sich im Schneidersitz neben Hrulain niedergelassen, und er reckte den Hals, um Isgrids kleines Gesicht zu betrachten. »Sie schläft«, sagte er, zahnlos lächelnd. »Sie verschläft noch das Ende aller Zeiten.«

Ein kurzes Zucken der Augenbrauen ließ Hrulain auf Sigrè schauen. »Du sorgst dich.«

Sie nickte stumm. »Erstaunt dich das? Du legst das Schicksal deines gesamten Volkes auf ihre Schultern. Du glaubst, eure Ahnen haben sie euch als gutes Omen geschickt. Was, wenn sie sich irren? Was, wenn du dich geirrt hast?«

Hrulain nickte nachdenklich. »Das ist unbedeutend. Unser Volk steht vor seinem Untergang. Wir werden immer weniger, und das Land, das einst unseren Clans gehörte, gehört nun den Skoten, Sachsen und euch aus dem Norden. Unsere Geschichten, unsere Taten, sie verschwinden, als hätte es uns nie gegeben.« Er neigte sich zu Sigrè und senkte seine Stimme zu einem Flüstern.

»Wenn dein Volk vor dem Untergang stünde, was würdest du tun? Würdest du nicht auch jede Gelegenheit ergreifen, es retten zu wollen? Dein Kind hat ein Feuer in uns entfacht, von dem wir glaubten, es sei längst verloschen. Isgrid bedeutet Hoffnung für viele, die keine Hoffnung mehr hatten.«

Er strich der Kleinen über die Stirn, sie gluckste, ohne die Augen zu öffnen, und streckte die Zunge heraus.

»Beantwortest du mir noch eine Frage?«

»Wenn ich es kann«, erwiderte Hrulain.

»Waren es wirklich die Stimmen der Ahnen, die gesprochen haben, oder war es nur deine eigene?«

Er senkte den Blick und schwieg.

»Sag es mir«, drängte Sigrè, die ein eisiger Schauer überkam.

Wieder entgegnete er nichts, doch er ergriff ihre Hand und drückte sie mit einer Kraft, die sie bei ihm nicht mehr vermutet hätte. Er rang mit sich, sie sah es ihm an.

»Du hast es dir verdient, dass ich ehrlich zu dir bin. Also lass mich dir etwas gestehen. Die Ahnen ... sie sprechen schon lange nicht mehr mit mir. Die Prophezeiung ... ich habe gelogen. Nur darfst du es niemandem verraten. Nicht einmal Greda oder deinem Sohn. Alles wäre umsonst gewesen. Sie würden uns töten. Dich, mich und ... dein Kind.«

Dieses Geständnis hatte Sigrè nicht erwartet, und für einen Moment schwankte sie zwischen Empörung und Unglauben.

Sie rang mit den Tränen, während sie zärtlich Isgrids Wange streichelte. »Warum warst du nicht gleich ehrlich zu mir?«

»Ich konnte nicht zulassen, dass du mit Kjelvar fortsegelst. Alle Hoffnung wäre verloren gewesen.«

Ihr wurde klar, was er getan hatte. »Du hast nicht nur mich belogen. Auch deinen eigenen Clan. Damit ich an Thanreth Rache nehmen konnte.«

»Und damit du und Isgrid jetzt bei uns seid, ja.«

Sigrè schüttelte den Kopf. »Ich hielt dich für einen Freund.«

»Ich bin dein Freund.«

»Bist du das wirklich? Freunde belügen einander nicht.«

»Ich musste es tun.«

»Nein, das musstest du nicht.«

Schuldbewusst sah Hrulain erneut in die Flammen. So saßen sie eine Weile schweigend nebeneinander, bis Sigrè fragte: »Wenn deine Ahnen schweigen, wie steht es dann mit euren Göttern? Hörst du auch sie nicht mehr?«

Er schüttelte den Kopf. »Aber ich hoffe, sie sprechen wieder zu mir, wenn wir Efwrith erreichen.«

Sigrè erhob sich und sah auf den alten Schamanen hinunter. Sie wollte noch etwas sagen, doch in ihrem Inneren wütete ein Sturm, der ihre Gedanken durcheinanderwirbelte, und so kehrte sie ohne ein weiteres Wort an ihren Lagerplatz zurück.

Greda lag auf der Seite, hatte ihren Kopf auf eine Hand gestützt und stocherte mit einem Ast in dem kleinen Feuer herum.

»Bragg ist immer noch nicht zurück?«, fragte Sigrè.

»Nein, noch nicht. Greda richtete sich auf, warf den Ast ins Feuer und nahm ihren Bogen. »Wir sollten ihn suchen gehen.«

Der erste Weg führte sie zu Ceneds Mutter. Der Vater und der ältere Bruder waren tot, andere Geschwister gab es nicht.

Die meisten im Lager schliefen, es war ein anstrengender Tag gewesen, der sie nur langsam hatte vorankommen lassen.

Viele der Feuer brannten allmählich nieder. Hier und da waren leises Atmen oder lautes Schnarchen zu hören.

Plötzlich wurde es unruhig. Die Männer, die an den Resten des Haupttores Wache standen, hatten etwas erspäht. Sie zeigten aufgeregt in die Nacht hinaus und weckten das Lager.

In der Dunkelheit waren Lichter zu sehen, die sich der Ruine näherten.

Als sie näher kamen, entpuppten sie sich als Fackeln, die von bewaffneten Kriegern getragen wurden. Die fremden Männer wirkten unheimlich mit ihren bemalten Gesichtern, waren aber nicht feindselig, nur erschöpft.

Ein Bannerträger, der dem Zug voranging, hatte eine Fahne geschultert, auf der Sigrè eine geflügelte Schlange zu erkennen glaubte.

Häuptling Kaereth, den sie jetzt ebenso lange kannte wie Hrulain, trat zu ihr. Seine Miene war so düster, wie die Nacht dunkel war.

Ihr entging nicht, dass er und auch andere sich bewaffnet hatten.

Kurz bevor die fremden Krieger die Ruine erreichten, brachte ein knapper Ruf sie zum Stehen. Sie machten den Weg frei, und ein Streitwagen rollte heran.

Kaereth tat einen tiefen Atemzug und legte die Hand an den Griff seines Schwertes.

»Feinde?« Sigrès Piktisch war nicht gut, doch einzelne Worte sprach sie ohne Fehler.

»Das wird sich zeigen.« Kaereth trat den beiden Männern entgegen, die mit dem Streitwagen vor dem Eingang anhielten.

Sie sprachen miteinander, zu leise und zu schnell, als dass Sigrè auch nur ein Wort verstanden hätte.

So beschränkte sie sich darauf zu beobachten. Der größere der beiden Fremden glich einem gereizten Bullen, der seine Wut nur mühsam bezähmen konnte. Seine Augen waren kalt und starrten, ohne zu blinzeln, während der andere derjenige war, der redete und sein Gesicht unter einer Kapuze verbarg.

Er war es schließlich auch, der einen knorrigen Eichenstab über den Kopf hob und damit ein Zeichen in die hinteren Reihen gab.

Die fremden Krieger brachten zwei Kinder nach vorn.

Bragg und Cened. Sigrè fiel ein Stein vom Herzen, als sie ihren Sohn sah, der langsam auf sie zukam. Er hatte den Kopf stolz erhoben und bedankte sich mit einem Nicken, als er den Mann mit der Kapuze erreichte und der ihm sein Schwert zurückgab.

Bragg trat vor seine Mutter. »Wir haben uns verirrt«, sagte er.

»Wir reden später«, erwiderte sie, strich ihm über den Kopf und schob ihn hinter sich, als sie bemerkte, dass sie angesehen wurde.

Der Mann mit der Kapuze schritt auf sie zu. »Du hast einen tapferen Sohn«, sagte er im Näherkommen, bevor er seine Aufmerksamkeit auf Isgrid richtete. »Das ist also das Kind mit dem Feuergesicht, von dem alle sprechen.«

Schützend legte Sigrè den Arm um Isgrids Rücken.

Kurz bevor der Mann sie erreichte, stellte sich Hrulain dazwischen. Er wirkte nun gar nicht mehr so alt und gebeugt, wie es sonst den Anschein hatte. »Du musst nicht näher heran, Fidach«, sagte er entschlossen und rammte seinen Stock in den Boden. »Wer mit dem Sturm spricht, besitzt eine Stimme, die gut gehört wird.«

Sein Gegenüber schlug die Kapuze zurück. Wenn er wütend war, so zeigte er es nicht, nur ein Ausdruck von Hochmut zeichnete seine hageren Züge.

»Kein Grund, feindselig zu sein, alter Freund. Ich wollte nur dem Kind und seiner Mutter huldigen, deretwegen du uns doch alle gerufen hast.«

»Euch nicht. Und dein Freund war ich nie.«

»Wie traurig, dass du das sagst. Bei allem, was wir gemeinsam erlebt haben.«

»Wie hast du es erfahren?«, fragte Hrulain.

»Raben fliegen schnell und Gerüchte noch viel schneller.«

»Sprich nicht in Rätseln.«

»Was denkst du denn? Du hast Boten in alle Himmelsrichtungen geschickt, um die Clans zum Berg zu rufen. Nur nicht zu mir. Hast du wirklich geglaubt, mir bleibt das verborgen? Ich hätte dich für weiser gehalten.«

»Wir wollen dich dort nicht.« Hrulain schüttelte den Kopf.

»Du kannst uns nicht abweisen. Das Recht der Ahnen für den Frieden am Berg gilt für uns wie für alle anderen auch. Du sammelst die Clans, und wir sind gekommen.« Fidach sah an Hrulain vorbei ins Lager. »Du hast viele Frauen und Kinder hier. Ich bringe meinen Bruder und zweihundert Krieger. Lass uns unseren Streit vergessen und was einmal zwischen uns gewesen ist. Wenn dieses Kind wirklich Hoffnung auf die alte Zeit bedeuten sollte, bin ich bereit, dir zu folgen.« Fidach lächelte und streckte Hrulain die Hand entgegen. Der zögerte.

»Viele von unserem Volk gibt es nicht mehr. Du brauchst uns«, drängte Fidach.

Hrulain sah auf die Hand und ignorierte sie. »Ich werde mit Kaereth beratschlagen und dir meine Entscheidung morgen mitteilen.«

Fidachs Lächeln wurde eisig, die Hand senkte sich. »Gestattest du uns dann wenigstens, unser Lager innerhalb dieser Mauern aufzuschlagen?«

Wortlos wies Hrulain auf einen Teil der Ruine, in den sich ihr Lager nicht ausgedehnt hatte.

Dann wandte er sich ab und humpelte zurück. Mit einem Kopfnicken bedeutete er Sigrè, sich ihm anzuschließen.

Als sie außer Hörweite waren, sagte er: »Traue diesem Mann nicht. Er ist verschlagen und gerissen, und sein Bruder ist gefährlicher als ein ausgehungerter Wolf. Lass sie nie in die Nähe deines Kindes.«

»Ich habe nicht alles genau verstanden, aber wollte er nicht Frieden mit dir machen?«

»Pah! Mit der einen Hand Frieden, mit der anderen den Dolch. Unsere Clans haben oft miteinander im Krieg gelegen. Ihm ging es immer um die Macht, und gleich, wie schmutzig der Weg auch war, den er dafür gehen musste. Er ist ihn gegangen.«

»Dann schick ihn fort.«

Hrulain sah über die Schulter. Der Streitwagen rollte durch die Überreste des Tores.

»Das könnte ich tun, aber er würde trotzdem kommen. Er hat das Recht der Ahnen auf seiner Seite. Der Frieden des Berges gilt für alle Clans. Und es ist unwichtig, was vorher war.« Mit einem Seufzer ließ er sich auf seinem Lager nieder, entkorkte einen Schlauch mit Bier und trank einen großen Schluck.

Kaereth kam zu ihm, setzte sich, und Hrulain teilte den Schlauch mit ihm.

An Sigrè gewandt, sagte er: »Wir werden auf euch aufpassen. Aber du musst das auch tun. Hab ein offenes Auge, denn ich fürchte, nicht alle, die wir gerufen haben, sind euch wohlgesonnen.«

Sigrè nickte, zog Bragg zu sich heran und legte Isgrid die Hand auf den Kopf. »Ich werde gegen jeden kämpfen, solange Atem in mir ist. Das schwöre ich in Freyas Namen!«

Kapitel 3

Vor der Küste von Vestfold

Die schroffen Küsten seiner Heimat lagen vor ihnen. Kjelvar stand auf dem Achterdeck der Seevogel und atmete den Duft des Landes ein, dass er so lange nicht mehr gesehen hatte.

Er roch die Kiefern, die sich an den steilen Klippen erhoben, und den schwachen Rauch der Herdfeuer, der aus Dörfern aufstieg, die die Küste säumten. Er glaubte sogar, das klare Wasser riechen zu können, das aus den Bergen kam und aus unzähligen Flüssen ins Meer strömte.

Möwen und Küstenschwalben zogen ihre Bahnen über ihnen.

Das Meer war wieder ruhig, nachdem die Sturmwolken, die sie tags zuvor in der Ferne gesehen hatten, abgezogen waren und nur weiße Tupfer am ansonsten blauen Himmel zurückgelassen hatten.

»Ist es noch weit zu Eurem König Harald?«, fragte Aedh, König Causantins Bruder. Er trug ein dunkles Wams unter der Kettenrüstung und einen langen Umhang, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Im Waffengurt steckte ein juwelenbesetztes Schwert.

Kjelvar ärgerte sich über die Störung, denn er hatte an Sigrè, Bragg und Isgrid gedacht. Er bedauerte, sie nicht bei sich zu haben.

»Folgen wir Ivars Kurs. Er wird wissen, wohin es geht.« Mit einem Kopfnicken wies er auf das Drachenboot von Jarl Ragnvalds Sohn, das Aedhs Schiffen voranfuhr.

»Ihr selbst wart nie an Haralds Hof?«

»Nein, wieso auch? Ich hatte nie einen Grund dazu. Und wäre es nach mir gegangen, hätte sich daran auch nie etwas geändert.«

»Wieso nicht?«

Kjelvar lachte matt. »Es ist nicht gut, mit Königen bekannt zu sein oder ihnen zu nahe zu kommen.«

»Ach nein?« Aedh hob eine Augenbraue.

»Eine Krone verändert die Menschen. Sie werden launisch und grausam. Um sie herum gedeihen nur Missgunst und Verrat. Gerade du solltest das doch wissen.«

»Wie vielen Königen seid Ihr schon begegnet?«

»Nur einem. Und der hat mir gezeigt, dass ich recht habe.«

»Mein Bruder Causantin war nicht immer dieser ...«

»Grausame Bastard?«, fuhr Kjelvar dazwischen. »Bezeugt das nicht, was ich sagte?«, fragte er.

Aedh presste die Lippen aufeinander und schwieg.

Kjelvar lächelte bitter und ohne Freude. Er empfand keinen Triumph, das letzte Wort gehabt zu haben. Vielmehr dachte er an die demütigenden Tage im Käfig zurück. Wie ein Tier eingesperrt hatte Causantin ihn in den Dörfern präsentiert.

Ebenso musste er an die Gefangenschaft im Wasserkerker denken, in dem er beinahe den Verstand und das Leben verloren hatte.

»Wenn ich ihm erneut begegne, werde ich ihn töten«, sagte Kjelvar entschlossen.

»Ich werde Euch nicht davon abhalten.«

Zum Nachmittag hin durchfuhren sie einen von Felsen eingerahmten Fjord, dem sie bis zu seinem Ende folgten.

Unterwegs trafen sie auf einige Fischerboote. Deren Besatzungen hielten in ihrem Tun inne und bestaunten die beiden fremdartigen Schiffe, die dem flinken Drachenboot folgten.

Der Fjord verengte sich zu einer schmalen Passage, ehe er sich erneut öffnete und zu einem breiten Fluss wurde, an dessen Mündung ein Hafen lag.

Bevor sie ihn erreichten, mussten sie einen vorgelagerten Felsen passieren, auf dem ein Wachtturm stand. Ihr Eintreffen blieb daher nicht unbemerkt, und ein Horn ertönte.

Um ihre friedlichen Absichten zu bekunden, hatte Ivar den Drachenkopf am Bugspriet herunternehmen lassen und sein Eintreffen ebenfalls mit einem Hornstoß angekündigt.

Sie erreichten den Hafen, dessen zahlreiche Stege weit ins Wasser hineinragten. Ein Dutzend Schiffe und mehr lagen daran vertäut. Nicht alle waren Boote der Nordmänner. Haralds Ruf und die Gewissheit, gute Geschäfte machen zu können, lockte Händler von überallher nach Tunsberg.

Hinter dem Hafen erhob sich ein Palisadenwall mit einem Tor, der die dahinter befindliche Siedlung schützte. Auch hier gab es mehrere Wachtürme, deren Besatzungen die Neuankömmlinge misstrauisch beäugten.

Auf einem felsigen Hügel inmitten der Siedlung erhob sich eine prachtvolle Feste aus Stein und Holz, dessen drachengeschnitzte Giebel schon von Weitem zu sehen waren.

Ivars Drachenschiff legte an. Dutzende Menschen waren gekommen, um ihn zu empfangen, und es wurden noch mehr, als sich die fremden Schiffe dem Pier näherten.

Auch Krieger strömten durch das Tor, gerüstet, bewaffnet und zum Kampf bereit.

Ein Mann, schlank, aber mit kräftigen Armen, führte sie an. Das Schwert noch in der Scheide, das Schild auf dem Rücken, verschränkte er die Arme und wartete ab.

Kjelvar kannte ihn nicht. Obwohl der Mann jung war, strahlte er die Gelassenheit des Alters aus, und seine Erscheinung in leuchtenden Gewändern ließ einen hohen Rang vermuten.

Auch Aedh war er aufgefallen. »Wer ist das?«, fragte er.

»Das werden wir bald erfahren.«

Kurz bevor sie anlegten, wehte der Geruch einer umtriebigen Siedlung über das Schiff.

Es roch nach Kräutern und Gewürzen aus fernen Ländern, die noch am Hafen gehandelt wurden.

Hinzu mischte sich der Gestank von Tierkot in den Straßen und Mist aus den nahen Ställen, der so warm war, dass er noch dampfte. In der Sonne trocknete Fisch. Die Möwen machten sich kreischend über ausgenommene Innereien her, die von den Fischern ins Wasser geworfen wurden.

Der salzige Geruch des Meeres fügte alles zu einer besonderen Mischung zusammen.

Das Segel an Bord der Seevogel wurde eingeholt. Ein dumpfer Stoß fuhr durch den bauchigen Rumpf, als sie am Pier festmachten.

Kaum lag das Schiff still, kam Brigid an Deck, Aedhs und Causantins Schwester. Hocherhobenen Hauptes trat sie an die Reling und ließ den Blick schweifen wie eine Königin, die ihr Land in Augenschein nahm. Ein Schal aus weicher Seide lag um ihren Hals. In ihrem kurzen Haar steckte ein Silberdiadem, das einem fliegenden Sperling nachempfunden war.

Aunith begleitete sie. Die junge Frau, von der Kjelvar wusste, dass sie mehr war als nur Brigids Hofdame, trug immer noch die Spuren von Thanreths grausamer Folter. Sie ging gebückt, jeder Schritt schien ihr Schmerzen zu bereiten, und da war dieser qualvolle Ausdruck und die Leere in ihren Augen.

Aedh räusperte sich und lenkte damit Kjelvars Aufmerksamkeit auf sich. »Was ist das für eine seltsame Stimmung?«, bemerkte er und wies auf die Dörfler.

Keine Jubelrufe, kein aufgeregtes Gerede. Aber viele traurige Mienen.

»Ich weiß es auch nicht.«

»Finden wir es heraus.« Aedh wies die Seeleute an, die Planke auszulegen.

Bevor er von Bord ging, redete er leise mit seiner Schwester.

»Was hast du ihr gesagt?«, fragte Kjelvar, als er zusammen mit Aedh und einer Handvoll Krieger an Land ging.

»Sie soll warten, bis ich weiß, was vor sich geht.«

»Wenn man uns Böses wollte, wäre es jetzt schon zu spät.«

An der Hafenmole trafen sie auf Ivar, der im Gespräch mit dem Mann war, den Kjelvar bereits vom Achterdeck aus gesehen hatte.

Ivars angespannte Miene verhieß nichts Gutes.

»Kjelvar. Das ist Gudröd. König Haralds Sohn.«

»Ich grüße dich.« Kjelvar nickte ihm zu und verwies dann auf Aedh. »Das ist Earl Aedh mac Cinàeda. Er ist ein großer Mann in seinem Land, und er ist gekommen, um dem König einen Pakt vorzuschlagen.«

Gudröd schürzte die Lippen, während er von einem zum anderen sah, bevor er Brigid entdeckte, die an der Reling stand und ihn würdevoll ignorierte.

Er nahm den Blick von ihr und richtete ihn wieder auf die Neuankömmlinge. »Ihr kommt zu einer ungünstigen Zeit. Mein Vater ist in Trauer. Unsere Mutter ist gestorben. Er will niemanden sehen.«

»Es betrübt uns, das zu hören. Aber haben wir einen weiten Weg hinter uns, und mich drängt es, in das Land der Skoten zurückzukehren«, sagte Kjelvar.

Gudröd musterte ihn eindringlich und wies dann auf den offenen Fjord. »Es steht dir frei zu gehen, niemand wird dich aufhalten.«

»Ich habe kein Schiff. Ich hoffte, der König würde mir eins ...«

»Wie gesagt, mein Vater empfängt niemanden. Und es ist nicht ratsam, darauf zu drängen. Dennoch ...« Seine Miene zeigte nun ein freundliches Lächeln. »Dennoch will ich euch im Namen meines Vaters willkommen heißen, wie es Brauch ist. Euch soll es an nichts mangeln. Heute Abend werden wir zusammen essen und die Götter ehren.«

Aedh neigte den Kopf. »Ich danke Euch.«

»Wer ist diese Frau?«, fragte Gudröd neugierig.

»Das ist meine Schwester ... Brigid.«

»Sie ist eine Schönheit. Ich will sie kennenlernen. Du wirst sie doch mitbringen?«

Die Aufforderung war in den Klang einer Bitte gehüllt, der Aedh nicht widersprechen konnte. »Wenn es Euer Wunsch ist.«

Gudröd nickte zufrieden, und Ivar kochte vor Eifersucht. Kjelvar entging das nicht, und er stellte sich neben seinen Freund, um ihn vor einem übereilten Wort zu bewahren. Der Ausdruck, der dabei in seinen Augen lag, war für Ivar offenbar Warnung genug.

»Seid willkommen«, sagte Gudröd abschließend und wollte sich abwenden, als Kjelvar fragte: »Ist Torstein hier? Ich würde ihn gern begrüßen.«

Gudröd blieb stehen, als hätte ihn ein Blitz getroffen. Sein Lächeln war verschwunden. »Dieser Name wird hier nicht mehr gern gehört.«

»Warum nicht? Er ist der engste Vertraute des Königs.«

»War«, korrigierte Gudröd. »Torstein Raude nahm die Trauer meines Vaters zum Anlass, ihn zu verraten. Um selbst König zu werden.«

»Das kann ich kaum glauben.«

»Nennst du mich einen Lügner?« Gudröd stellte sich Kjelvar entgegen.

»Nein, das tue ich nicht. Doch vielleicht will ihm ...«

»Es gibt kein ... Vielleicht. Die Beweise waren eindeutig.«

»Was ist mit ihm geschehen?«

»Er wurde in den Kerker geworfen und erwartet den Tod.«

Er trat noch etwas näher an Kjelvar heran. »Ist deine Neugierde damit befriedigt?«

»Ja.«

Die drohenden Falten zwischen Gudröds Augen verschwanden.

»Manchmal glauben wir, jemanden zu kennen, und doch ist es nur ein Trugbild, das sie uns zeigen«, sagte er in versöhnlichem Ton. Dann wandte er sich um und wies seine Männer an, die Waffen zu senken und ihm zu folgen. »Heute Abend werden wir reden und trinken«, rief er im Weggehen.

Kjelvar sah ihm nach, und Ivar neben ihm sagte: »Glaubst du, was er über Torstein gesagt hat?«

»Nein.«

»Ich auch nicht. Irgendetwas geht hier vor sich.«

Kjelvar nickte.

Sie waren als Gäste des Königs willkommen geheißen worden und konnten sich daher frei bewegen.

Während es Aedh und Brigid vorzogen, an Bord der Seevogel zu bleiben, gingen Kjelvar und Ivar los und erkundeten die ausgedehnte Siedlung.

Aunith hatte sich ihnen angeschlossen. Sie wollte nicht länger auf dem Schiff bleiben und genoss es nach langen Tagen auf See, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.

Das Dorf reichte bis in die Ausläufer der Berge. Durch seine Mitte floss ein schmaler Fluss, der über zahlreiche kleine Brücken passiert werden konnte. Die Hütten und Häuser standen dicht beieinander, und nur auf den Hauptstraßen gab es Platz für Fuhrwerke. In den Hinterhöfen scharrten Hühner im Dreck, Ziegen blökten, kurz bevor der Schlachter ihrem Leben ein Ende machte.

Auf einem der Plätze gab es Stoffe und Kleider zu kaufen, wie sie im Süden Mode waren. Ein Lederer fertigte Gürtel, Taschen und Schwertscheiden. Ein Schmied auf der anderen Seite stellte Fibeln aus Silber und Golddraht her. An seinem Stand hingen Talismane, die leise aneinanderklimperten, sobald der Wind sie streifte. Der Alte, der sie verkaufte, beschwor ihre Wirksamkeit. »Die Götter haben sie selbst berührt. Nur bei mir werdet ihr Amulette von solcher Güte finden«, pries er seine Ware wort- und gestenreich an.

Kjelvar kaufte zwei davon. Beide sollten ein langes und glückliches Leben versprechen. »Und wenn ihr früher oder arm sterben solltet, war es das Schicksal, dass es so kommen sollte«, fügte der Alte eilig hinzu, nachdem er bezahlt worden war.

Eines der Amulette schenkte er Aunith. Sie hatte viel gelitten, und er wollte ihr eine Freude machen. Es gelang ihm, denn zum ersten Mal seit Langem sah er sie wieder lachen. Das zweite Amulett war für Sigrè. Es schmerzte ihn, getrennt von ihr zu sein. Er hatte ihr geschworen, bald zu ihr zurückzukehren, und nun sah er seinen Schwur in Gefahr.

Kein König, kein Schiff.

Er küsste das Amulett und bat Odin, über Sigrè zu wachen, bis er wieder bei ihr war.

Aunith zog ihn weiter, heraus aus seiner Schwermut. Es gab noch so viel zu entdecken. An einem benachbarten Stand wechselten Wolfs-‍, Rentier- und Fuchsfelle den Besitzer.

Da wurden Bleigewichte gehandelt und daumengroße Blöcke aus Eisen. Ein Waffenhändler lobte die Ausgewogenheit seiner Äxte, indem er sie auf eine hölzerne Zielscheibe schleuderte.

Es dämmerte, Feuerkörbe und Fackeln wurden entzündet, die den Platz, gemeinsam mit der untergehenden Sonne, in ein rotes Licht und lange Schatten tauchten.

Rauch stieg auf.

»Es wird Zeit zurückzugehen«, sagte Ivar. »Wir wollen Gudröd nicht verärgern.«

Kjelvar stimmte zu.

Sie hatten gerade den Platz verlassen, als Aunith nach Kjelvars Hand fasste. »Jemand folgt uns«, flüsterte sie ihm zu.

Er unterdrückte den Reflex, sich umdrehen zu wollen. »Wo?«, fragte er nur.

Aunith zog ihn zu einem Stand mit erlesenen Stoffen, und während sie die Qualität prüfte, sagte sie. »Hinter uns, bei dem Stall.«

Kjelvar stellte sich neben sie und versuchte, gelangweilt zu wirken und nicht allzu deutlich hinzusehen. Sie hatte recht, hinter einem abgestellten Fuhrwerk entdeckte er jemanden in einem Umhang, der seine Identität unter einer Kapuze versteckte. Kjelvar sah im Versuch, mehr zu erkennen, wohl etwas zu lange hin, denn die Gestalt wandte sich rasch ab und lief davon. Er erhaschte noch einen kurzen Blick auf ein langes Kleid und schlanke Knöchel. Eine Frau oder ein Kind. Er konnte es nicht sagen.

»Was ist? Wo bleibt ihr denn?« Ivar hatte von alldem nichts mitbekommen. Nun war er stehen geblieben.

»Man beobachtet uns«, sagte Kjelvar.

»Ach ja?« Ivar reckte den Hals.

»Sie ist fort.«

»Sie?«

»Ich glaube auch, dass es eine Frau war.« Aunith hatte die Arme verschränkt.

»Gut, dass du mitgekommen bist«, lobte Kjelvar.

Ivar knurrte leise. »Wer immer es auch war. Die haben wir sicher nicht zum letzten Mal gesehen. Kommt jetzt.«

Sie kehrten zu den Schiffen zurück. Am Pier standen Pferde bereit, und auf Deck wartete ein Bote Gudröds.

Ein blumiger Hauch umwehte ihn. Das blonde Haar sowie der Bart waren sauber gestutzt. Seine Kleider waren edel und eines Fürsten würdig. Außer einem Messer mit Elfenbeingriff trug er keine Waffe.

Gerade, als er das Wort an die drei richten wollte, traten Aedh und Brigid hinzu. Für den Abend hatten sie ihre feinsten Gewänder angelegt. Das Licht von Laternen fing sich auf den goldenen Blumenstickereien auf Brigids Kleid. Sie trug keinen Schmuck, nur ein silbernes Kreuz, das zu groß war, um es übersehen zu können.

Auch der Bote bemerkte es, wagte es aber nicht, etwas zu sagen. Stattdessen wies er wortlos auf die Planke und die bereitstehenden Pferde.

Sie verließen das Schiff. Ivar und Kjelvar schlossen sich an. Aunith blieb zurück. Der Blick, mit dem sie ihnen nachsah, verriet ein Unbehagen, das auch Kjelvar empfand, seit sie angekommen waren.

Der Bote ritt voran und zeigte ihnen den Weg. Sie ritten durch das Dorf und erregten dabei viel Aufmerksamkeit, die besonders die schöne Brigid auf sich zog.

Sie hielt sich gerade, hatte das Kinn vorgestreckt und zeigte allen eine königliche Haltung.

Sie folgten einem gewundenen Weg hinauf zu dem Felsen, auf dem sich König Haralds Feste erhob. Doch zuvor durchquerten sie einen weiteren Palisadenring. Dahinter standen prachtvolle große Häuser, in denen die wohlhabenden Bewohner von Tunsberg lebten – Händler, Handwerker und Krieger, die es zu etwas gebracht hatten.

Hier roch es auch nicht so streng wie unten im Dorf. Ein frischer Wind wehte aus den Bergen.

Die Straße führte weiter und wurde steiler, bis sie die oberste Stelle des Felsens erreichten und sich vor ihn ein weiteres Tor auftat. Der Schein von Feuern empfing sie. Die Scheite knackten fröhlich, und Funken flogen wie Glühwürmchen umher. Hörner wurden geblasen und Trommeln geschlagen.

Im Gegensatz dazu standen die zahlreichen bewaffneten Krieger, die sie nicht aus den Augen ließen.

Der Bote hielt vor dem Eingang zu einem Langhaus, wie Kjelvar es noch nie zuvor gesehen hatte. Das Dach ragte weit in den Himmel hinein, jeden tragenden Balken schmückten Szenen aus der Sagenwelt. Er erkannte die Riesin Skagi, die mit dem Speer auf die Jagd ging, oder Thor, der die Midgardschlange mit seinem Hammer Mjölnir erschlägt.

Das Tor ins Innere des Gebäudes war so hoch wie zwei Männer und ebenso reich geschnitzt. Es zeigte zahlreiche Langschiffe und Männer, die miteinander im Kampf lagen. Es war die Schlacht vom Havsfjord, bei der Kjelvar mitgekämpft hatte und Harald König geworden war.

Goldene Nägel, mit Köpfen so groß wie ein Daumennagel, zierten die Augen des Drachen, der die Szene umrahmte.

Sie traten ein. Aedh und Brigid gingen voran.

»Wenn er sie anfasst, breche ich ihm den Arm«, flüsterte Ivar Kjelvar zu, der genau wusste, wen sein Freund meinte.

»Dann brechen sie dir das Genick«, flüsterte er zurück, was Ivar wiederum mit zusammengekniffenen Lippen beantwortete.

Die große Halle empfing Kjelvar und die Seinen mit heimeliger Wärme und dem Duft von gebratenem Fleisch, das in silbernen Schalen auf die Tafel gebracht worden war. Zu essen gab es an König Haralds Hof reichlich.