Wikingerblut – Schlacht der Nordmänner - Jürgen Bärbig - E-Book
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Wikingerblut – Schlacht der Nordmänner E-Book

Jürgen Bärbig

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Beschreibung

Zwei mutige Wikingerbrüder ziehen in die Schlacht

Nach dem Sieg über ihre Feinde, bleibt Kjelvar im Land der Skoten, um bald zurück nach Norwegen zu segeln. Thorvik hingegen schließt sich einem Heer aus Dänen an. Die akzeptieren jedoch keinen Fremden in ihren Reihen - und bald gerät Thorvik in einen Hinterhalt ...

Und auch Kjelvars Pläne, nach Norwegen zurückzureisen, werden jäh durchkreuzt. König Causantin bietet ihm eine Abmachung an, die er einhalten muss, um seine Männer und seine Familie zu schützen. Doch damit begibt er sich in große Gefahr. Werden die beiden Brüder ihre übermächtigen Gegner erneut besiegen?

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

"Das Cover ist toll gestaltet und passt hervorragend zum Buch. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und schafft es, dem Leser ein gutes Bild von der damaligen Zeit zu entwerfen. Die Charaktere sind gut gezeichnet und wirken lebendig und authentisch. Die Handlung ist sehr spannungsreich und actiongeladen. Da kommt beim Lesen garantiert keine Langeweile auf. Wer sich für das Thema interessiert, sollte das Buch auf jeden Fall lesen." (JARLINA, Lesejury zu "Wikingerblut - Die Rache des Kriegers")

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Seitenzahl: 528

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Inhalt

Cover

Weitere Titel des Autors

Über dieses Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

Die wichtigsten Figuren der Handlung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Weitere Titel des Autors

Wikingerblut – Die Rache des Kriegers

Über dieses Buch

England, 876 n. Chr.: Nach dem Sieg über ihre Feinde will Kjelvar zurück nach Norwegen segeln. Doch seine Pläne werden jäh durchkreuzt, als er eine Einladung an den Hof des skotischen Königs Causantin erhält. Um seine Männer und seine Familie zu schützen, geht er darauf ein – und bringt sie damit alle in tödliche Gefahr.

Zur gleichen Zeit schließt sich sein Bruder Thorvik einem Heer der Dänen an, das gegen Wessex marschiert. Obwohl viele der Krieger den fremden Nordmann nicht akzeptieren, kann Thorvik sich im Kampf behaupten. Doch schon bald muss er erkennen, dass der schlimmste Feind oft in den eigenen Reihen lauert ...

Über den Autor

Jürgen Bärbig wurde 1971 geboren. Als Stipendiat der Bastei Lübbe Academy nahm er 2014 an einer einjährigen Masterclass teil. In der Halloween Anthology »Angel Island« erschien seine Kurzgeschichte »Die Mauern von Ronwick Abbey«.

Unter dem Pseudonym Dan Adams veröffentlichte er bereits bei be-ebooks die spannende Westernserie »Three Oaks« und den actiongeladenen SF-Thriller »Manhattan 2058«.

Zudem ist er als Hörbuchsprecher tätig und veranstaltet Hörspiel-Lesungen mit Musik und Soundbegleitung.

JÜRGEN BÄRBIG

WIKINGERBLUT

Schlacht der Nordmänner

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2021by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Ulrike Brandt-Schwarze

Lektorat/Projektmanagement: Johanna Voetlause

Covergestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von Motiven © shutterstock.com: Ensuper | artyway | chairoij | Gorodenkoff | Kiselev Andrey Valerevich

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0613-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Die wichtigsten Figuren der Handlung

Historische Persönlichkeiten sind kursiv gesetzt.

Kjelvar Haldrimson, Wikinger aus Tronlaer

Sigrè, seine Frau

Bragg, sein Sohn

Isgrid, seine Tochter

Thorvik Nebelauge, sein Bruder

Svaig Ulvaigson, einer von Kjelvars Männern

Hrove Olvardson, Berserker

Greda Bogenhand

Alfred, seit 871 König von Wessex

Ealswith, seine Frau

Ethelfleda, seine Tochter

Bruder Lucallis, ihr Erzieher

Aethelswith, die Schwester des Königs

Hedewulf, sein Bote

Halfdan Ragnarsson († 877), gen. Weißhemd, seit 875 König von Jorvik

Ivar Ragnvaldson, Sohn von Jarl Ragnvald

Tullan of Wessex, Barde, ehemals christl. Sklave

Aetrelda, seine ältere Schwester

Gissy, seine jüngere Schwester

Guthred, sein Bruder

Narletta, dessen Frau

Jalf, dän. Jäger

Alec und Jobyr, Seeleute aus Wareham

Aelmont, Bischof

Orvic, Jarl von Hviteby

Heifdaal Flinkhand, sein jüngerer Bruder

Skulvar Bärenschrei, Orvics Gefolgsmann und Ratgeber

Kall Algrimson, Heifdaals Gefolgsmann

Margith, dessen Frau

Causantin McCináeda (863 – 877), schott. König

Aedh, Earl, sein Bruder

Brigid, seine Schwester

Ulbraith, sein Hofmeister

Thanreth, Ealdorman, sein Gefolgsmann

Raethelred, sein Gefolgsmann

Aunith, Brigids Gesellschafterin

Orvo, Gefolgsmann von Aedh

Maderis, sein Zwillingsbruder, Gefolgsmann von Aedh

Guthrum († um 890), König der dän. Wikinger

Kaitil, Jarl, sein Gefolgsmann

Eivra Ledernase, sein Gefolgsmann

Olaif, dessen Bote und Späher

Anvend Zweiklinge, Unterführer in Guthrums Heer

Brude McDonagh, Earl in Ayrk

Caelec, sein Sohn

Ducleth, Hafenmeister von Chrulain

Hrulain, pikt. Schamane und Heiler

Kaereth, pikt. Häuptling

Gaelfreth, Pikte

Kaitil, Jarl von Parret

Yalvi Flammenschein, seine Frau

Holgred Kaitilson, sein Sohn

Finnhannan, Anführer der Dänen, der Schwarzen Fremden

Kapitel 1

Dorf Ayrk, Feste von Earl Brude McDonagh

876 n. Chr.

Das neue Jahr war bereits drei Monate alt, und noch immer hielt der Winter das Land fest umklammert. Doch langsam wurde er müde. Hier und da brach bereits Heidekraut aus dem Schnee. Der Frühling kam zaghaft, aber unaufhaltsam. Die Zeit, auf die Kjelvar sehnsüchtig gewartet hatte, bedeutete sie doch Aufbruch und die Rückkehr nach Hause. Zu lange waren sie schon in diesem Land, das den Tod zu vieler Freunde gesehen hatte.

Kjelvar hatte keinen ruhigen Schlaf gehabt. Die Narbe an der Brust, die Jarl Frenja ihm bei der Schlacht von Clydonnan zugefügt hatte, schmerzte. Und er musste an Thorvik denken, wo er jetzt war, wie es ihm wohl ging. Ob er noch lebte? Oder hatte er sich mit Odin versöhnt und saß jetzt an seiner Tafel?

Während er nachsann, war er in Hose und Stiefel geschlüpft und hatte sich eine wärmende Decke übergeworfen, bevor er leise zur Tür schlich.

Es war noch früh. Nur ein zartroter Streifen zwischen den vorbeiziehenden Wolkenbändern kündigte den neuen Tag an.

Sigrè schlief noch, Isgrid lag in ihrem Arm, das kleine Gesicht mit dem Feuermal war ihm zugewandt. Ihre blassen Lippen bewegten sich, eine Spuckeblase zerplatzte, was Kjelvar ein Lächeln entlockte, ehe er auf den Gang hinaustrat.

Er wollte Holz holen und das Feuer anschüren, bevor die beiden erwachten.

Kjelvar und die Überlebenden seiner Mannschaft hatten Quartier in Earl Brude McDonaghs Feste im Dorf Ayrk erhalten.

Der alte Mann hatte sein Wort gehalten und war ihnen ein höflicher Gastgeber, der sich aber, kaum dass sie vom Schlachtfeld zurückgekehrt waren, in seine Gemächer zurückgezogen hatte. Seitdem hatte Kjelvar ihn kaum gesehen und noch weniger gesprochen. Er ahnte, was den Earl quälte. Nach dem Tod von Earl Duggan McManneth, dem Mann, den er für einen Freund und Verbündeten gehalten hatte, gab es Aufruhr in Clydonnan, und es kam zu Aufständen. McDonagh hatte nicht genug Krieger, um ihrer Herr zu werden und die Provinz zu befrieden. Hinzu kam das Gefühl der Schuld, das schwer auf ihm lastete, nachdem er die Hinrichtung seiner eigenen Tochter befohlen hatte.

Kjelvar durchfuhr ein Schauer, als er aus dem Gebäude trat und ihn eiskalte Luft empfing.

Er erinnerte sich gut an Isbeth, die sich gegen ihren Vater erhoben hatte. Wie stolz sie gewesen war, als der Henker ihr die Schlinge um den Hals gelegt hatte, und wie still sie gestorben war. Anders als die anderen Gefangenen, die unter den rachsüchtigen Messern der Pikten ein qualvolles Ende gefunden hatten.

Der harschige Schnee knirschte unter seinen Sohlen, als er eilig zum Schuppen hinüberging, in dem das Holz gelagert wurde. Um ihn herum erhoben sich die Palisaden der Feste McDonagh. Ein paar Wachfeuer brannten dort, an denen sich die Posten wärmten.

Kjelvar roch den würzigen Rauch und hörte das Knacken der Holzscheite. Er öffnete die Tür zu dem Schuppen und wollte gerade hineinschlüpfen, als ihn Hufschlag innehalten ließ.

Ein gesatteltes und mit Proviant bepacktes Pferd wurde aus dem Stall geführt. Der Mann, der es am Zügel hielt, war schmal und versank beinahe in dem schweren Mantel, dessen Kapuze seinen Kopf bedeckte. Auch wenn er das Gesicht nicht sehen konnte, wusste Kjelvar gleich, wer er war, denn auf dem Rücken trug er eine in eine Lederhaut geschnürte Laute.

»Tullan«, sagte er.

Der Mann blieb stehen, nahm die Kapuze ab und sah ihn mit schuldbewusstem Blick an.

»Du willst dich einfach davonstehlen? Ohne ein Wort des Abschieds?«, fragte Kjelvar betrübt.

»Ich fürchtete, du würdest es mir ausreden wollen.«

»Du bist ein freier Mann, der gehen kann, wohin er will.« Kjelvar sah zum Fenster hinauf, hinter dem Sigrè und Isgrid schliefen. »Aber du hättest ihnen Lebewohl sagen können. Sie werden dich vermissen.«

Tullan folgte seinem Blick. »Ich werde sie auch vermissen.«

»Dann bleib.«

»Nein. In eurer Mitte werde ich immer ein Fremder sein.«

»Aber nicht in meiner Familie. Unter meinem Dach wirst du immer als Freund willkommen sein.«

Für einen Moment erhellte ein dankbares Lächeln Tullans schwermütiges Gesicht. »Danke«, sagte er.

Kjelvar zog die Decke, die ihn warm hielt, mit beiden Händen enger. »Du lässt dich gewiss nicht umstimmen?«

Tullan schüttelte den Kopf.

»Dann begleite ich dich noch ein Stück.«

Gemeinsam schritten sie auf das Tor zu, das zu dieser frühen Stunde noch geschlossen war.

»Wohin wirst du gehen?«

»Nach Hause, zurück nach Wessex. Meine Familie lebt in Wareham. Dorthin werde ich gehen. Ich hoffe, dass noch jemand von ihnen am Leben ist.«

»Gib auf dich acht. Du kannst nicht jeden Feind mit einem Lied besiegen.«

»Wenn ich schlecht singe, vielleicht schon.«

Beide lachten, um gleich wieder zu verstummen.

»Umarme Sigrè von mir, und gib Isgrid einen Kuss. Tust du das für mich?«

Kjelvar nickte.

Sie erreichten das Tor. »Lasst ihr mich hinaus?«, fragte Tullan. Eine der Wachen öffnete ihm wortlos.

»Ich wünsche dir eine sichere Reise«, sagte Kjelvar. »Dein Gott soll ein wachsames Auge auf dich haben.«

»Und deine auf euch«, erwiderte Tullan, und die beiden Männer umarmten sich.

Das Tor wurde gerade weit genug geöffnet, um ihn und sein Pferd hindurchzulassen.

»Mir werden deine Lieder fehlen«, rief Kjelvar ihm lachend nach.

»Du lügst«, gab Tullan ebenso lachend zurück, saß auf und ritt davon.

Das Tor wurde geschlossen, und Kjelvar überkam eine tiefe Schwermut. Erneut hatte er einen Freund an dieses Land verloren. Zuerst war es sein Bruder gewesen, der ihn verlassen hatte, dann Tjormod Grimmhammer, der, zusammen mit einigen anderen, vor ein paar Wochen in den Süden aufgebrochen war, und jetzt Tullan.

Er seufzte, holte Holz und kehrte zu Sigrè zurück.

Sie saß aufrecht im Bett und hatte Isgrid an die Brust gelegt. Eine Kerze flackerte, und ein schmaler Rauchfaden kräuselte sich der Decke entgegen.

»Was ist geschehen?«, fragte sie gleich. Selbst wenn er schwieg, konnte er nichts vor ihr verbergen.

»Tullan hat uns verlassen. Er geht zurück in seine Heimat.«

Kjelvar ließ das Holz neben der Feuerstelle zu Boden fallen und ging dann zur Bettstatt, um Sigrè zu umarmen und Isgrid zu küssen.

Auf Sigrès fragenden Blick hin sagte er: »Das habe ich ihm versprochen«, und kehrte zur Feuerstelle zurück.

»Du hast nicht versucht, ihn zurückzuhalten?«

»Nein«, antwortete er, »wie könnte ich? Er ist ein freier Mann.«

»Er wird sterben.«

»Das ist nicht gewiss.« Kjelvar schlug Stahl und Feuerstein aneinander. Funken sprühten auf ein Stück Rinde, das er mit Reisig gefüllt hatte. »Er ist zäher, als es scheint, und klüger als ein Fuchs.«

Sigrè gab einen Laut des Missfallens von sich, was Kjelvar dazu brachte, sich ihr zuzuwenden. »Sobald das Meer sich beruhigt hat und die Winde günstig stehen, segeln wir zu unserem Zuhause. Wie kann ich ihm da verbieten, in seines zurückkehren zu wollen?«

Flämmchen zuckten. Sigrè schwieg. Isgrid gluckste zufrieden.

»Er wird mir fehlen. Er hat Isgrid immer zum Lachen gebracht. Und ... mich auch«, sagte Sigrè nach einer Weile, während sie zusah, wie das Feuer wuchs.

Sie kletterte aus dem Bett. Außer einem knöchellangen Unterkleid, das zwischen den Brüsten locker geschnürt war, trug sie nichts. Auf nackten Füßen kam sie zu Kjelvar und kniete neben ihm nieder. Sie hielt Isgrid mit einer Hand und drückte sie an sich. »Schwöre mir etwas.«

»Wenn ich kann.«

Sie schmiegte sich so eng an ihn, dass er seinen Arm um sie legen konnte. »Wenn wir von hier fortsegeln, kehren wir nicht wieder zurück.«

Seine Frau sprach ihm aus dem Herzen, und er nickte. »Ich schwöre es dir.«

*

Die Wege waren zu Schlamm geworden, kleine Bäche zu Flüssen. Aus den Bergen stürzten Wasserfälle zu Tal, und von den Bäumen rieselten die letzten Reste des Winters. In diesen Aprilnächten war es noch immer kalt, doch tagsüber wärmte die Sonne.

Thorvik ritt ein stämmiges braunes Pferd und folgte einer Straße nach Süden. Vor drei Wochen war er aufgebrochen und seitdem nicht einer Menschenseele begegnet.

Die tiefsten Wintermonate hatte er in einer verlassenen Hütte an einem See verbracht, allein mit seinen Gedanken und seiner Trauer um Inga, die einzige Frau, die ihm je etwas bedeutet hatte. Auch wenn er sich bemühte, nicht an sie zu denken, so würde er ihr Gesicht im Augenblick des Todes nie vergessen können. Vor dem Scheiterhaufen hatte er sie retten können, nicht aber vor den tödlichen Pfeilen.

Auch jetzt dachte er an sie, während er durch einen dunklen Wald ritt. Vor der Sonne geschützt, lag noch Schnee in Senken und an den Stämmen der Bäume. Auf dem Weg hatten sich vereiste Pfützen gebildet, die knackten und brachen, wenn sein Pferd darauf trat.

Thorvik suchte vergeblich nach einem bequemeren Sitz. Auch wenn er besser reiten konnte als viele andere aus dem Norden, schmerzte ihm doch sein Hinterteil, und seine Rüstung, eng mit Schuppen aus Metall beschlagen, lag ihm schwer auf den Schultern. Der Mantel, den er trug, hatte einen Kragen aus Fuchspelz und wurde vor der Brust von einer faustgroßen Fibel gehalten. Den Helm seines Vaters hatte er mit den Kinnriemen am Gürtel befestigt. Daneben steckte eine schlichte Axt. Sein Schwert hatte er Inga auf ihren letzten Weg mitgegeben. Das schwarze Haar wie auch den Bart trug Thorvik kurz und grob geschnitten.

Um ihn herum war es still, kaum ein Vogel zwitscherte im Geäst. Nichts raschelte im Unterholz. Diese Stille machte Thorvik wachsam. Für einen Moment verblassten die Gedanken an Inga, und er sah sich mit dem gesunden Auge um. Das andere war wegen einer Verletzung bei einem weit zurückliegenden Kampf trüb und blind, was ihm den Beinamen »Nebelauge« eingebracht hatte.

Mit leichtem Schenkeldruck trieb er sein Pferd an. Das Tier schnaubte, ließ den Kopf hängen und schritt voran.

Seine Wachsamkeit war unbegründet, nichts lauerte hier auf ihn.

Nach einer Weile öffnete sich der Wald und gab den Blick auf eine hügelige Landschaft und Felder frei, die schon lange nicht mehr bestellt wurden. Dahinter entdeckte er die Überreste eines Dorfes, das an den Ufern eines Flusses mit einer Brücke stand. Nur schwarz verkohlte Ruinen waren von den Häusern geblieben. Reste von Schnee lagen dazwischen, was bedeutete, dass mindestens ein Winter vergangen war, seit das Dorf ein Raub der Flammen geworden war.

Thorvik versuchte etwas Lebendiges in den Ruinen auszumachen, doch nichts rührte sich dort.

Dennoch nahm er den Schild, um damit seine linke Seite zu schützen, und lockerte die Axt in seinem Gürtel.

Er schnalzte mit der Zunge und ließ die Stute langsam weitergehen.

Erst jetzt sah er die verstümmelten Leichen, die am Wegesrand lagen. Aasfresser und die Jahreszeiten hatten sich an ihnen gütlich getan. Fleischlose Schädel starrten zu ihm empor, während er langsam zum Fluss und zur Brücke ritt.

Seine Stute legte die Ohren an und schüttelte den Kopf. Obwohl der Geruch des Todes schon lange fort war, blieb da doch ein Hauch, wie eine Erinnerung an ein schreckliches Gräuel.

Thorvik klopfte seinem Pferd auf den Hals und lenkte es zu den Überresten der Brücke. Dort hielt er an. Hatte er noch Hoffnung gehabt, sie vielleicht überqueren zu können, sah er nun, dass das unmöglich sein würde.

Nur die Stützen aus großen Flusssteinen standen noch, alles, was aus Holz gebaut worden war, lag verbrannt und eingestürzt im Fluss, der durch die Schneeschmelze viel Wasser führte und schnell strömte.

Thorvik verfluchte sein Pech.

»In diese Gegend verirrt sich selten jemand.«

Die Stimme war kratzig und in der Stille dieses Ortes so fremd, dass Thorvik überrascht zusammenzuckte und mit einem Satz vom Pferd herunter kampfbereit war.

Keine zwanzig Schritt von ihm entfernt stand ein Mann. Eingehüllt in einen dichten Pelz, eine Mütze auf dem Kopf, das halbe Gesicht hinter einem lockigen Vollbart verborgen, lehnte er an einem Pfahl. Er hielt einen Bogen in der Hand und trug einen Köcher voller Pfeile an der Hüfte. Er wirkte gelassen und keineswegs feindselig, doch Thorvik witterte eine Ablenkung und warf schnelle Blicke in alle Richtungen.

Das blieb dem Bärtigen nicht verborgen, der ihn auslachte. »Hier sind nur du und ich, und von mir hast du nichts zu befürchten. Es sei denn, du bist ein Hase. Bist du ein Hase?«

Thorvik entspannte sich. »Heute Morgen war ich noch keiner.«

Wieder lachte der Mann, der seinen Bogen schulterte und auf ihn zukam. »Wenn ich dich so reden höre, bist du kein Däne.«

»Nein, bin ich auch nicht. Ich ... habe keine Heimat mehr.«

Der Mann stand jetzt dicht bei ihm und streckte ihm die rechte Hand entgegen. »Ich bin Jalf.«

»Mich nennt man Thorvik Nebelauge.« Er steckte die Axt weg und fasste nach Jalfs Unterarm.

»Gut denn, Thorvik Nebelauge. Wenn du keine Heimat hast, wohin willst du dann?«

»Ich hörte von einem großen Heer, das sich im Süden aufhalten soll. Dem will ich mich anschließen. Hast du davon gehört?«

Jalf nickte. »Ja, hab ich. Es gibt eine Siedlung an der Küste.« Er wies an Thorvik vorbei nach Osten. »Dort haben einige von ihnen ihr Winterlager aufgeschlagen. Vielleicht sind sie noch dort. Das liegt zwar nicht auf meinem Weg, aber ich könnte dich dorthin bringen. Schließlich ist ein Weg so gut wie der andere. Hab ich nicht recht?«

»Du willst mir helfen? Warum?« Thorvik sah Jalf misstrauisch an.

»Weil du wie ein Mann aussiehst, der Hilfe gebrauchen kann. Außerdem sehnen sich diese alten Knochen nach gutem Bier und dem warmen Schoß einer Frau. Und von beidem weiß ich, dass es das dort gibt.« Er lächelte vielsagend.

»Dann danke ich dir.« Thorvik hängte sich den Schild über die Schulter. »Ist es weit?«

»Nun, ein paar Tage sind es schon.«

»Dann lass uns gleich aufbrechen.«

»Die Jugend und ihre Ungeduld. Es ist spät, wir gehen morgen. Wärm dich an meinem Feuer, und erzähl mir von deinen Reisen. Ich bin es leid, immer nur meine eigene Stimme zu hören.« Er drehte sich um und ging los. Thorvik holte seine Stute und folgte Jalf. Sein Magen knurrte. »Hast du nur Wärme anzubieten oder auch etwas zu essen? Ich bin kurz vorm Verhungern.«

Jalf lachte. »Keine Sorge. Du wirst schon satt werden.«

Jalfs Lager befand sich in den Überresten einer christlichen Kapelle, die unweit des Dorfes zwischen zwei Hügeln stand. Die steinernen Mauern boten Schutz vor dem Nachtwind, der schneidend über das Land strich. Jalf besaß einen vierrädrigen Karren und zwei kräftige Pferde, die er gleich neben der Lagerstatt angebunden hatte.

Am Abend saß Thorvik ihm am Feuer gegenüber. Die Flammen zuckten lebhaft, kleine Funken tanzten wie Glühwürmchen.

Mit einem wohligen Seufzer streckte sich Thorvik auf seinem Lager aus. Er hatte gegessen, so gut wie schon lange nicht mehr, und er hatte Jalf von seinen Kämpfen im Land der Skoten erzählt. Von König Harald Schönhaar, von Varl Bluttrinker, aber vor allem von Kjelvar und Sigrè und von Drayk, der ihm bis zum Tod ein Freund gewesen war. Und er hatte von Tullan erzählt, bei dessen Erwähnung er gelächelt hatte. Nur von Inga erzählte er nichts. Eine Schwermut überkam ihn, die ihn dazu brachte, ins Feuer zu starren. Er lenkte sich ab, indem er fragte: »In welchem Land sind wir hier?«

»Northumbria«, war Jalfs kurze Antwort.

Den Namen hatte Thorvik schon gehört, doch klüger machte ihn das nicht. »Und die Heerschar? Wo ist die?«

Jalf nagte die letzten Fleischreste vom Schenkelknochen eines Hasen. »Die überwintern überall, wo es gute Plätze gibt. Die meisten sind im Süden. Aber wenn das Wetter besser wird, sammeln sie sich.«

»Und wo?«

»Die Götter wissen es sicher. Ich weiß es nicht. Aber du erfährst es, wenn wir die Küste erreichen.«

»Wer führt die Krieger an?«

Jalf fuhr sich mit der Hand über den von grauen Strähnen durchzogenen Bart. »Männer, die sich für Anführer halten, gibt es so viele wie Vögel am Himmel. Aber es gibt nur wenige, die es wirklich verstehen, ihrer Führerschaft Macht zu verleihen. Ich hörte, dass König Guthrum und Halfdan Weißhemd solche Männer sind.« Er winkte ab. »So, und jetzt hör auf, mir Fragen zu stellen. Meine alten Knochen wollen ruhen. Wir brechen früh auf.« Jalf drehte sich um und war gleich darauf eingeschlafen.

Thorvik blieb noch wach und hing seinen Gedanken nach.

Er wusste nichts über diese Insel, außer dass sie kalt und nass war. Aber es musste auch andere Gegenden geben.

Tullan hatte ihm in ruhigen Stunden, wenn sie am Feuer zusammengesessen hatten, von Wessex erzählt. Dort war es warm, das Korn wuchs so hoch, wie ein Mann groß werden konnte, und die Flüsse waren so blau wie der Himmel an einem sonnigen Tag. Und dann hatte er angefangen zu singen. Thorvik hatte es gemocht, wenn Tullan die Laute gezupft hatte, auf den Gesang hingegen hätte er gern verzichtet. Jetzt wünschte er sich, der Barde wäre hier. Ihm wäre es ein Leichtes gewesen, seine Schwermut zu vertreiben.

Noch in der Nacht war das Wetter umgeschlagen, und es hatte zu regnen begonnen. In den folgenden Tagen wurde es nicht besser. Regen wechselte mit Nebel und Nebel mit Regen.

Thorviks Kleider trockneten nicht mehr, die Schuppen an seiner Rüstung setzten Rost an. Seine Laune wurde so düster wie das Wetter und das Land, das nur noch Grau und Braun als Farben zu haben schien.

Nur Jalf blieb bei bester Stimmung. Ihm hatte es Thorvik auch zu verdanken, dass er keinen Hunger leiden musste, denn Jalf war äußerst geschickt im Umgang mit dem Bogen, wenn es an manchen Tagen auch nichts weiter gab als ein paar kümmerliche Krähen, deren Fleisch zäh und sehnig war.

Nach einer Woche erreichten sie die Küste. Das Meer war aufgewühlt und brandete mit weißer Gischt über die vorgelagerten Klippen.

Die Schreie der Möwen erfüllten die Luft, durch die sich Wolkenberge schoben. Einzelne Sonnenstrahlen brachen hindurch und sprenkelten das Meer mit Licht, das wie Edelsteine funkelte.

»Gut, dass es nicht mehr regnet«, sagte Thorvik, nach einem prüfenden Blick in den Himmel. Er ritt neben Jalf, der mit seinem Karren einem ausgetretenen Pfad folgte, der unweit der Steilklippen entlangführte.

»Bald sind wir da!«, sagte der Jäger, und er sollte recht behalten.

Am Ende des Tages sahen sie zunächst dünne Rauchfahnen, die von Kochfeuern stammten, und kurz darauf die Dächer von Häusern. Das Land war flacher geworden, und dort, wo die Häuser standen, gab es auch einen Hafen, in dem zwölf Drachenschiffe, einige Frachtkähne und eine Vielzahl an Fischerbooten lagen.

»Was ist das für ein Ort?«, fragte Thorvik.

»Das ist Hviteby. Früher gehörte es den Sachsen, aber wir haben es vor vielen Jahren erobert, und jetzt kommen immer mehr von uns her, um hier zu leben.«

»Hast du auch Familie?«

»Ich hatte eine Frau und zwei Söhne.« Zum ersten Mal sah Thorvik Traurigkeit in Jalfs Miene. »Ein Fieber. Das ist lange her. Sehen wir zu, dass wir weiterkommen.« Er schnalzte mit der Zunge und trieb die Pferde an.

Thorvik verweilte noch einen Augenblick auf dem Hügel und sah sich um. Das Dorf war weitläufig und wurde durch einen Graben und einen Erdwall geschützt, der nur an einer Stelle durch ein Tor durchbrochen wurde. Am Hafen erhob sich ein hölzerner Turm, der gewiss einen weiten Blick aufs Meer gestattete.

Auf dem Erdwall und im Turm waren Posten zu sehen.

In der Mitte des Dorfes, auf einem breiten und flachen Felsen, stand ein Langhaus. Thorvik wusste, wenn er sich dem Heer anschließen wollte, musste er dort vorsprechen.

»Was ist? Worauf wartest du?«, rief ihm Jalf zu, der den Fuß des Hügels bereits erreicht hatte. Thorvik folgte ihm.

Kurz darauf erreichten sie das Tor, das zwar bewacht wurde, aber jedem offen stand.

Die Posten schauten unter ihren Helmen grimmig drein, sprachen jedoch kein Wort und hielten die beiden Reisenden auch nicht auf.

Die Straßen waren voller Schlamm, durchsetzt mit dem Dung von Tieren.

Auf einem dampfenden Misthaufen gleich neben der Straße stand ein Hahn, der aufgeregt mit den Flügeln schlug und lauthals krähte. Seine Hühner liefen um ihn herum und scharrten im Dreck. Daneben schlug ein Mann Feuerholz, das ein Junge in Körbe sammelte und ins Haus trug.

Vor Thorvik und Jalf versperrte ein Ochsengespann den Weg. Die Räder hatten sich tief in den Schlamm gegraben, und es ging weder vor noch zurück.

»Wer ist der Jarl hier?«, fragte Thorvik.

»Orvic. Zumindest war er das vor einem Jahr«, antwortete Jalf.

»Ich werde mit ihm sprechen. Danach will ich mit dir trinken. Wo finde ich dich?«

Jalf zog eine Augenbraue hoch und beäugte Thorvik missbilligend. »So willst du dem Jarl gegenübertreten?«

Thorvik sah an sich herunter. Rüstung und Kleidung hatten durch den Regen gelitten. Er war schmutzig, durchnässt und roch nach Pferd und Schweiß. »Hm. Du hast recht«, musste er eingestehen. »Dann später.«

Da der Ochsenkarren sich nicht von der Stelle bewegte, folgten sie einer anderen Straße und erreichten wenig später ein Gebäude in der Nähe des Hafens. Anders als die Häuser, die es umgaben, war es gänzlich aus Stein gebaut, besaß ein weiteres Geschoss und einen Hinterhof mit einem Stall.

Nachdem sie abgesattelt hatten, betraten sie das Haus.

Es war warm, in zwei Feuerstellen verbrannte Torf. Außer der offen stehenden Tür waren es die einzigen Lichtquellen.

An den Tischen drängten sich Männer und Frauen, die tranken und aßen. Die meisten besaßen Speere und Äxte, manche waren in Leder gerüstet, andere trugen nur Hosen und Hemden aus Schafwolle. Es wurde geredet, gelacht und lauthals miteinander gestritten. Manche spielten Hnefatafl, mit einem Spielbrett aus Holz und Figuren aus Knochen und Glas. Blonde und schwarzhaarige Frauen in schmutzigen Kitteln gingen mit Krügen herum und bedienten die Gäste.

»Das ist der Platz, an dem sich ein Mann wohlfühlen kann«, sagte Jalf lachend und klopfte Thorvik kräftig auf die Schulter. »Bin ewig nicht mehr hier gewesen. Es war wohl ein Zeichen der Götter, dass wir uns begegnet sind.«

Thorvik nickte abwesend. Er fühlte sich seltsam. Nach Monaten der Einsamkeit war er nun von Menschen umringt, die er nicht kannte und denen er von Grund auf misstraute.

Mit der Hand am Gürtel, nah bei der Axt, suchten er und Jalf einen freien Platz.

Gleich darauf kam eines der Mädchen zu ihnen. Ihre Wange war gerötet und angeschwollen, sie wagte es kaum, den Kopf zu heben. Jemand hatte sie geschlagen.

»Hast du Gold oder Silber?«, fragte Jalf. Thorvik nickte, griff in seinen Beutel und ließ ein paar Stücke gehacktes Silber auf den Tisch fallen. »Du bist mein Gast.«

Jalf lachte und hob die Arme in freudigem Überschwang.

»Damit können wir ein paar Tage wie Könige leben!«, rief er aus.

Das Mädchen brachte ihnen Bier, gebratenen Hammel, Brot und einen Brei aus Kichererbsen und Zwiebeln.

Der Geschmack erinnerte Thorvik an seine Rückkehr in sein Heimatdorf und die erste Nacht unter Kjelvars Dach. Vor seinem geistigen Auge tauchte sein Neffe Bragg auf, wie er stolz den Bärenzahn getragen hatte, den er ihm geschenkt hatte. Ein Riese kennt meinen Namen, hörte er die Stimme des Jungen in seinem Kopf.

Erst da bemerkte er, dass Jalf mit ihm sprach. »Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«

»Nein«, antwortete Thorvik ehrlich.

Jalf kniff missgelaunt die Lippen zusammen. »Wenn ich dir was erzähle, musst du mir auch zuhören. Ich sagte gerade, der Mann, der dahinten sitzt, das ist Skulvar Bärenschrei. Er gehört zu Jarl Orvics Gefolge. Ein wichtiger Mann.«

Thorvik riss ein Stück Brot ab und musterte den breitschultrigen Kerl, der drei Tische weiter neben einem der Torffeuer saß.

Skulvars Schädel war kahl geschoren und von der Stirn bis in den Nacken hinein tätowiert. Wenn er lachte, tat er das laut, wenn er sprach, tat er das brüllend. Neben einer schlichten braunen Tunika trug er Hose und Stiefel. Eine zweihändige Dänenaxt lehnte neben ihm am Tisch. Nur der breite Armreif aus Gold verriet seinen hohen Stand.

»Sollte ich zuerst mit ihm reden?«, fragte Thorvik, der das Brot in kleine Stücke zupfte und vergessen hatte, davon zu essen.

»Es wäre klug. Sein Rat ist Orvic sehr wichtig.«

»Na schön.« Thorvik wollte aufstehen.

»Warte.« Jalf legte ihm die Hand auf den Arm. »Wo willst du denn hin?«

»Na, was du gesagt hast. Ich will mit ihm sprechen.«

»Ja, das hab ich. Aber hab ich dir nicht auch den Rat gegeben, zuerst ein Bad zu nehmen?«

»Hier ist es dunkel und stickig, er wird nichts merken.«

Thorvik war gerade drei Schritte weit gekommen, da versperrte ihm ein Mann den Weg, der einen halben Kopf größer war als er. Er roch nach Bier, von dem Tropfen in seinem Bart hingen. Der Blick war glasig und gleichzeitig zornig.

»Mein Weib starrt dich an.«

Thorvik starrte zurück. »Wenn du ihr Mann bist, verstehe ich das.«

Sein Gegenüber schnaubte, und er fügte hinzu: »Ich habe kein Interesse an deinem Weib. Lass mich in Ruhe.« Er wollte weitergehen, aber der Mann schlug ihm mit dem Handballen gegen die Schulter.

Das machte Thorvik nun doch wütend, aber er bezähmte sich, den Mann einfach niederzuschlagen. Sein Jähzorn hatte ihn schon manches Mal in Schwierigkeiten gebracht. Diesmal wollte er ihm nicht nachgeben. »Ich will nur mit Skulvar reden«, sagte er so laut, dass alle im Schankraum es hören konnten.

»Warum sollte er zuhören, wenn ein Köter kläfft?«

Thorvik bemerkte, dass ihn nun jeder ansah, auch Skulvar, der sich auf seinem Platz umgewandt hatte.

»Weil ihr gen Süden zieht und ihr Krieger braucht. Und wenn ich dich so ansehe, sehe ich leider nur ein grunzendes Schwein, das sich die Hosen vollgepisst hat.«

Der Mann spannte die Muskeln an und warf einen raschen Blick, zuerst auf seine Hose und dann auf seine Begleiter.

»Brauchst du Hilfe, um gegen mich anzutreten?«, setzte Thorvik den Stachel noch etwas tiefer.

»Wir haben keinen Platz für dich!«, rief jemand vom Tisch.

Thorviks Grinsen wurde breiter. »Wenn der hier tot ist, wird es einen Platz geben. Und jetzt tritt beiseite, oder kämpfe mit mir. Aber steh nicht rum und starr mich an wie ein Ochse.«

»Ja! Kämpfe gegen ihn, Kall!«, brummte Skulvar mit tiefer Stimme. Er hatte seinen Tisch verlassen und war neben sie getreten.

Der Mann, den er Kall genannt hatte, sah verunsichert von einem zu anderen. »Ich ... ich bin zu betrunken.«

»Du warst nicht zu betrunken, um den Fremden zu beleidigen.«

Kall überwand seine Verunsicherung. Mit hassblitzenden Augen sah er Skulvar an. »Das würde dir so passen, nicht wahr? Du und dein Jarl, ihr würdet jubeln, wenn ich tot wäre. Niedergestochen von irgendeinem Vagabunden.«

»Ich töte keinen Mann, der sich nicht wehren kann«, widersprach Thorvik.

»Dieser Fremde ist mehr ein Mann von Ehre, als du es je sein wirst«, rief Skulvar dröhnend.

»Niemand nennt mich ehrlos!«, grollte Kall wutschnaubend.

»Dann steh für deine Beleidigung ein und kämpfe mit diesem Mann, den du einen kläffenden Hund und Vagabunden genannt hast.«

In diesem Moment erkannte Thorvik, dass er Teil eines Ränkespiels wurde, mit dem er nichts zu tun haben wollte.

»Ich kämpfe«, verkündete Kall. »Allein dafür, um dir deine Worte ins Maul zurückzustopfen, Skulvar.«

Der nickte finster. »Dann ist es beschlossen. Der Fremde und Kall kämpfen gegeneinander. Morgen nach Sonnenaufgang auf dem Marktplatz. Oder überlegst du es dir noch mal und fällst auf die Knie und bittest um Verzeihung?«

Kall knirschte mit den Zähnen. »Treib es nicht zu weit.«

Dann trollte er sich. Thorvik sah ihm nach, und er fing den Blick der Frau auf, wegen der der ganze Streit begonnen hatte. Sie hatte ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen und grüne Augen. Das braune Haar trug sie zu vielen kunstvollen Strähnen gebunden, in die sie Perlen geflochten hatte.

Als sich ihre Blicke begegneten, teilten sich ihre Lippen zu einem Lächeln.

»Wie nennt man dich?«, fragte Skulvar und lenkte Thorviks Aufmerksamkeit damit auf sich.

»Ich heiße Thorvik Nebelauge.«

»Dann sei willkommen in Hviteby.« Skulvar lud ihn zu sich an den Tisch ein, und sie setzten sich. Mit einem Fingerzeig orderte er Bier.

»Das hast du schlau angestellt«, sagte Thorvik mit düsterer Miene.

»Du würdest dem Jarl einen großen Gefallen tun, wenn du Kall töten würdest«, sagte Skulvar offen, aber leise genug, um an den Nachbartischen nicht gehört zu werden.

»Ich hatte nicht vor, ihn zu töten, bis du dich eingemischt hast.«

Skulvar zuckte mit den Schultern. »Ist das für dich von Bedeutung?«

»Nein, ich weiß nur gern, warum ich kämpfe, oder gegen wen. Wer ist er?«

»Kall ist ein Vertrauter von Heifdaal, Jarl Orvics jüngerem Bruder, ein intriganter Bastard, der meinem Herrn den Platz neidet.«

Thorvik verstand jetzt die Absicht, die hinter Skulvars Einmischung stand. »Und was habe ich davon, wenn ich mich in eure Fehden hineinziehen lasse?«

»Nun, der Dank meines Jarls wäre dir gewiss. Sag mir, was du willst, und ich sorge dafür, dass du es bekommst.«

»Ich will mich dem Heer anschließen und nach Süden ziehen.«

»Was hoffst du, dort zu finden? Ruhm, Gold, Ehre, Land?«

»Es ist besser, nichts zu erhoffen und nur das zu nehmen, was mir der Augenblick bietet.«

»Du klingst verbittert.«

»Ich habe meine Gründe.«

Das Bier wurde gebracht. Das Mädchen füllte die Becher, von dem Skulvar den größten nahm. »Wir brauchen gute Krieger, die in der Schlacht keine Gnade zeigen. Bist du so ein Mann, Thorvik?«

»Ich nehme es mit jedem Gegner auf.«

Skulvar nickte. »Auch mit mir?«, fragte er mit einem herausfordernden Lächeln.

»Mit jedem«, wiederholte Thorvik.

Das Lächeln wurde zu einem Stirnrunzeln. »Es mangelt dir nicht an Mut, das muss ich dir lassen.«

»Manche würden es Dummheit nennen.«

Diesmal lachte Skulvar. »Gut, du bist ein Mann offener Worte. Lass mich ebenso offen zu dir sein. Wenn du Jarl Orvic dienst und Kall tötest, schwöre ich dir, dass du mehr sein wirst als nur ein einfacher Krieger, der im Schildwall steht, wenn wir nach Wessex gehen.«

»Schöne Worte.«

»Du misstraust mir?«

»Ich misstraue jedem, bis er mir das Gegenteil beweist.«

Skulvar trank das Bier aus, dabei ließ er Thorvik nicht aus den Augen. Als er fertig war, knallte er den Krug auf den Tisch. »Du bist schwer einzuschätzen.«

»Selbst meinem Bruder gelingt das nicht, und er kennt mich länger als du.« Thorvik lehnte sich zurück, das Bier in einer Hand. »Du hast von Wessex gesprochen. Erzähl mir davon.«

Skulvars Augen begannen zu glänzen. »Ein reiches Land, mit einem schwachen König, das reif ist, geerntet zu werden.«

»Wie ist sein Name?«

»Alfred. Sein Bruder war anders. Ethelred. Er war tapfer und stark, aber auch er wurde besiegt. Wie wir alle besiegt haben. »Northumbria, Mercia und East Anglia gehören uns schon. Und Wessex wird uns wie eine reife Frucht in die Hände fallen. Und du wirst dabei sein. Falls du den morgigen Tag überlebst.«

Thorvik sagte nichts darauf.

»Sei gewarnt, auch wenn du siegen solltest, wirst du Feinde haben.«

»Ich brauche deine Warnung nicht. Die Zahl meiner Feinde ist ohnehin größer als die meiner Freunde«, erwiderte Thorvik gleichgültig.

Skulvar nickte, stand auf und nahm seine Axt. Er wollte gehen.

»Warte. Wer ist die Frau, wegen der der Streit begonnen hat?«

Skulvar beugte sich noch einmal über den Tisch zu ihm. »Ihr Name ist Margith, sie war eine Sklavin, aber das ist vorbei. Kall hat sie zur Frau genommen und ihr die Freiheit geschenkt. Sie lebt jetzt unsere Traditionen und betet zu unseren Göttern. Und sie kann dir gefährlicher werden, als es ein Mann mit einem Schwert je sein kann.« Er kniff ein Auge zu, dann verließ er die Schenke.

Kapitel 2

Der Pfeil traf die Mitte der Strohscheibe, in der bereits vier weitere steckten. Greda ließ den Bogen sinken, einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht. Hrove, der neben ihr stand, machte eine grimmige Miene dazu. »Das ist keine Waffe für einen Mann«, grollte der Berserker, zog aber einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne seines Bogens. Sie hatten eine der leeren Stallboxen auf Earl Brudes Feste in Ayrk für ihre Zielübungen auserkoren.

»Das sagst du nur, weil du nichts getroffen hast«, höhnte Greda, die sich huldvoll neben Kjelvar auf einem Strohballen niederließ.

Hrove brummte etwas Unverständliches und spannte den Bogen. Er fasste die Sehne mit vier Fingern und hielt sie derart fest, als würde er einem kleinen Tier den Hals umdrehen wollen. Dann ließ er los. Die Sehne schnappte schmerzhaft an seinem Unterarm vorbei, der Pfeil sirrte los, verfehlte die Strohscheibe und zerschellte an einem Holzpfosten.

Greda versuchte, das Lachen zu unterdrücken, was Hrove derart in Rage brachte, dass er den Bogen von sich warf, seine Axt packte und die Strohscheibe laut brüllend in Stücke hackte.

»Wolltest du ihm nicht das Bogenschießen beibringen?«, fragte Kjelvar an Greda gewandt.

»Er hat weder die Geduld noch das Geschick dazu. Aber es ist eine Freude zuzusehen, wenn er es versucht.«

Kjelvar tippte ihr gegen den Arm und wies sie mit einem Kopfnicken an, ihm zu folgen.

»Wohin gehen wir denn?«, fragte sie.

»Zum Markt. Wir brauchen Proviant. Das Wetter bessert sich, und ich will, dass alles vorbereitet ist, sobald der Wind günstig steht. Hrove!«, rief er. »Lass es jetzt gut sein und geh zu den Schiffen. Nimm Svaig Ulvaigson mit. Er ist jung und hat ein gutes Auge. Gib mir Bescheid, falls etwas ausgebessert werden muss.«

Es war sonnig, aber immer noch kalt und stürmisch. Einige Möwen und Seeschwalben segelten über den Dächern.

Auf dem Dorfplatz war Markttag. An zahlreichen Ständen wurde um die besten Preise gefeilscht. Dort gab es geräucherten Fisch, den die Fischer gegen die gefräßigen Möwen verteidigen mussten. An einem anderen Stand wurden Stoffe in leuchtenden Farben angeboten, etwas weiter Muscheln und Bernstein, die zu Ketten und Armbändern verarbeitet wurden. Der Schmied schürte seine Esse und schmiedete das glühende Eisen zu Messern und Scheren. Ein Mann schnitzte Kämme und Schmuck aus Wal- und Walrossknochen. Wieder ein anderer verkaufte Amulette aus Holz, Edelsteinen und Knochen.

Einige Pikten, deutlich an ihren blauen Tätowierungen zu erkennen, waren nach Ayrk gekommen. Seitdem sie aufseiten McDonaghs gekämpft hatten, waren sie hier gern gesehen. Sie hatten Felle, gegerbtes Leder und Wildfleisch mitgebracht.

Hieronymus war unter ihnen. Die Tonsur, die er als Mönch getragen hatte, war herausgewachsen, nun war das Haar lang und zu einem Zopf geflochten. Auch hatte er den christlichen Namen Hieronymus abgelegt und wieder seinen piktischen Namen Gaelfreth angenommen. Die Spuren der Folter, die er durch Abt Tunorius und seine Schergen hatte erdulden müssen, waren gut verheilt und hatten seinem sonnigen Gemüt nicht zugesetzt.

Er und Kjelvar begrüßten sich mit einer flüchtigen Umarmung, dann war Gaelfreth wieder mit Verhandlungen beschäftigt.

In der Mitte des Dorfplatzes war ein großes Feuer geschürt worden, über dem ein Schwein an einem Spieß briet. Fett troff zischend in die Flammen.

Dort stand Sigrè. Sie hatte sich Isgrid auf den Rücken gebunden und genoss die Sonnenstrahlen auf dem Gesicht und das friedliche Treiben um sie herum. Das ließ sie den Schmerz vergessen, der gelegentlich in der Nacht kam. Dann spürte sie wieder das Brandeisen, das ihr das Zeichen des Christengottes unauslöschlich in die Haut gebrannt hatte.

Gedankenverloren fuhr ihre Hand darüber, und damit einher stieg auch die Sorge um ihren Sohn Bragg in ihr auf, die sie zwar für Momente verdrängen, aber nie vergessen konnte. Bei dem Überfall Varl Bluttrinkers auf ihr Dorf hatte er mit ihrer Schwiegermutter fliehen können. Aber sie wusste nicht, wo er war und ob er überhaupt noch lebte ...

Sie fuhr zusammen, als sich von hinten eine Hand um ihre Hüfte legte.

Es war Kjelvar. Sie lächelte erleichtert, küsste ihn und grüßte Greda. »Hast du mit Gaelfreth sprechen können?«, fragte sie.

»Nur ein kurzer Gruß. Für mehr war keine Zeit. Er ist beschäftigt.«

»Er hat mir diesen Anhänger geschenkt«, sagte Sigrè und zeigte ihm einen daumengroßen, aus Horn geschnitzten Hirsch, den sie an einem Lederband um den Hals trug. »Er sagte, es wäre sein Totemtier.«

Kjelvar nahm es bewundernd in die Hand und strich mit dem Daumen darüber. »Es ist schön«, sagte er, bevor er den Blick hinaus aufs Meer richtete. »Bald geht es heimwärts.« Er streckte die Hand gen Himmel und lachte dabei. »Der Wind wird sich bald drehen, ich kann es spüren.«

Sie hörte ihm gar nicht zu, folgte ihren eigenen Gedanken.

Kjelvar entging es nicht. »Du bist so nachdenklich.«

»So viele Monate sind vergangen. Ich sorge mich um Bragg und um deine Mutter. Ich wüsste so gern, ob es ihnen gut geht ... Ich kann kaum noch an etwas anderes denken.«

»Natürlich geht es ihnen gut. Odin und Freya wachen über sie. Bragg ist klug, und vor Mutters scharfer Zunge würde selbst ein Bär Reißaus nehmen.«

Die Bemerkung ließ Sigrè schmunzeln, auch wenn sie anders empfand. »Ich werde eine Ziege kaufen und sie Freya opfern. Ich werde sie bitten, unsere Familie wieder zu vereinen.«

Da ertönte der helle Klang eines Horns. Gleich darauf ritt ein Bote, begleitet von zwei Bewaffneten, auf den Marktplatz und von dort weiter zur Feste. Die Menschen erschraken vor den Reitern und machten ihnen eilig Platz.

Der Bote hielt einen Speer in der linken Hand, an dem ein nachtblaues, in Goldborte eingefasstes Banner wehte, das einen Turm mit Kreuz als Wappen zeigte. Die Bewaffneten trugen Kettenrüstungen und Nasalhelme, dazu Schilde, Speere und armlange Schwerter in einer Scheide aus geschwärztem Leder. Als der Bote ein weiteres Mal in sein Horn stieß, hatte er das Tor der Feste bereits erreicht.

Auf dem Wehrgang tauchte Caelec McDonagh, der Sohn des Earls, auf und wies die Wachen an, das Tor zu öffnen.

Sigrè hatte sich eng an ihren Mann geschmiegt und fasste nach seiner Hand. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie besorgt.

»Ich weiß es nicht, aber ich denke, es wäre klug, wenn wir den Göttern zwei Ziegen opfern würden.«

Während die Reiter im Tor verschwanden, zog sich Kjelvars Magen schmerzhaft zusammen. Er spürte es – etwas Unheilvolles warf seine Schatten voraus.

*

Die Sonne war gerade erst aufgegangen. Nebelschwaden hingen über dem Wasser und zwischen den Häusern von Hviteby.

Thorvik hatte gut und fest geschlafen. Nun hatte er sich gerüstet, bewaffnet und die Herberge verlassen, in der er die Nacht verbracht hatte.

Jalf hatte ihm Glück gewünscht, wollte ihn aber nicht weiter begleiten.

Obwohl er auf dem Weg zu einem Zweikampf auf Leben und Tod war, fühlte Thorvik sich gut. Er hatte gebadet und seine Rüstung gepflegt.

Unterwegs trat Drayk in seine Erinnerung und begleitete ihn ein Stück. Ihn hatte der Tod auch nie geschreckt, am Ende hatte er ihn sogar herbeigesehnt.

»Wie ist es in Walhall, alter Freund?«, fragte Thorvik in den kalten Morgen hinein.

Das Traumbild blieb eine Antwort schuldig, und Thorvik lachte über sich selbst.

Er erreichte den Marktplatz, und Drayk verschwand wieder aus seinen Gedanken, sowie der Nebel, der sich langsam auflöste.

Eine Menschentraube hatte sich rund um den Platz versammelt. Kaum einer sprach, als Thorvik hinzutrat.

Kall stand zwischen seinen Freunden. Die Frau, die Skulvar Margith genannt hatte und deretwegen der Streit überhaupt ausgebrochen war, war nirgends zu sehen. Zu seiner eigenen Verwunderung ärgerte sich Thorvik darüber. Wenn er schon ihretwegen kämpfen musste, sollte sie ihm wenigstens dabei zusehen. Er schüttelte den Gedanken ab und richtete sein Augenmerk auf seinen Gegner.

Im Gegensatz zum Vortag wirkte Kall nun entschlossen, wie er den Schild nahm und die Axt prüfend in der Luft schwang.

Mehrere Personen verließen das Langhaus auf dem Hügel. Skulvar ging neben einem Mann, der in edle Pelze und farbenfrohe Stoffe gehüllt war.

Das musste Jarl Orvic sein. Er war noch so jung, dass ihm kein Barthaar spross, aber er hatte tiefe Narben an Wange, Kinn und Hals. Seine schmalen Augen verrieten einen gewitzten Geist.

Er und Skulvar schritten durch die Reihen der Dörfler. Orvic musterte Thorvik und nickte ihm zu, ohne das Wort an ihn zu richten.

Kurz darauf näherte sich aus der anderen Richtung eine weitere Gruppe, und vier Männer gesellten sich zu Kall. Deren Anführer war ein schlanker Kerl mit hoher Stirn und einer spitzen Nase. Sein Haar war licht, obwohl Thorvik ihn ebenso jung wie Jarl Orvic schätzte. Beiden gemein war das blonde Haar und das Fehlen eines Bartes. Eine gewisse Ähnlichkeit ließ sich nicht leugnen. Ebenso wenig war die Rivalität zu übersehen, die zwischen ihnen herrschte.

Thorvik presste die Lippen zusammen. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Die Götter lachten ein weiteres Mal über ihn.

Es wurde Zeit, Kall hatte sich den Helm aufgesetzt und trat in die Mitte des Kreises.

Thorvik folgte seinem Beispiel. Gerüstet und bewaffnet, den Helm seines Vaters auf dem Kopf, ging er Kall entgegen.

Zwei Armeslängen voneinander entfernt blieben sie stehen.

Jarl Orvic stellte sich in die Mitte des Kreises und erhob die Stimme. »Dieser Mann fordert den Zweikampf für eine Beleidigung.« Dabei wies er auf Thorvik.

Der unterbrach ihn, indem er die Axt hob und sich an die Dörfler wandte. »Wenn ich diesen Kampf überlebe und diesen Mann besiege, werde ich mich euch und dem großen Heer anschließen. Das hat Skulvar mir geschworen. Ist es nicht so?«, rief er laut und sah Jarl Orvics Gefolgsmann an.

»Ja, so ist es! Odin sei mein Zeuge.«

»Gut.« Thorvik nahm erneut seine Position ein und konzentrierte sich auf seinen Gegner, der es ihm gleichtat.

Die Sonne brach durch die Wolken und schickte tiefe Strahlen über das Land. Das Licht reflektierte auf Helmen, Rüstung und Klingen.

»Jeder der Kämpfer erhält drei Schilde. Sind diese verloren, muss der Krieger den Kampf ohne Schild fortsetzen!«, rief Jarl Orvic. »Bis zum Tod!«

Hinter Thorvik und Kall wurden zwei weitere Schilde an Pfosten gehängt.

»Beginnt jetzt!«

Orvic verließ den Kreis, und die beiden Kontrahenten stellten sich einander zum Kampf bereit entgegen.

Einige Augenblicke vergingen, Kall suchte den Vorteil, die Sonne hinter sich zu bringen, damit Thorvik geblendet würde, doch der ließ sich nicht auf dieses Spiel ein. Kaum hatte er festen Stand gefunden, sprang er vorwärts. Die Axt seines Gegners sauste von oben auf ihn herab und krachte auf den Schild. Thorvik warf sich gegen Kall und brachte ihn aus dem Gleichgewicht.

Gleichzeitig schwang Thorvik die Axt und traf Kall in die Seite. Einige Kettenglieder rissen, aber er blieb unverletzt.

Sofort schlug Kall zurück. Brüllend wie ein waidwunder Eber drängte er gegen Thorvik, der Mühe hatte, den Hieben auszuweichen, die von links und rechts auf ihn niederfuhren.

Schlag auf Schlag krachte auf die Schilde. Holzspäne flogen durch die Luft. Der schlammige Boden spritzte von den Stiefeln bis hinauf zu den verzerrten Gesichtern. Unter den Helmen rann der Schweiß.

Thorvik duckte sich, Kalls Axthieb verfehlte ihn um Haaresbreite. Er rutschte aus, fiel auf ein Knie, und nur ein schneller Reflex brachte ihn dazu, mit dem Schild Rücken und Kopf zu schützen. Thorvik spürte den Axtkopf, der durch das Holz brach und sich darin verkeilte. Ruckartig sprang er auf und zwang Kall damit, seine Waffe loszulassen, wollte er sich nicht die Hand brechen.

So stolperte er rückwärts, und Thorvik setzte nach. Doch er schlug nicht mit der Schneide zu, sondern ließ die stumpfe Seite der Axt gegen Kalls Helm krachen. Der strauchelte, taumelte seitwärts und stürzte in den Schlamm.

»Töte ihn!«, rief Orvic, dessen Augen vor Mordlust brannten.

Thorvik stellte sich über Kall, der sich nicht rührte, packte ihn an der Schulter und drehte ihn auf den Rücken.

Kall hatte die Augen geöffnet, doch sie wirkten trüb. Er schien einer Ohnmacht nah zu sein.

Thorvik hockte sich auf seine Brust. Die Schneide an die Kehle, ein kurzes Zucken der Hand, und es wäre vorbei. Doch er tat es nicht. Stattdessen stand er auf und trat beiseite.

»Was tust du? Töte ihn!«, rief Orvic kreischend.

In diesem Moment beschloss Thorvik, sein eigener Herr zu bleiben. Er hatte seinen Mut bewiesen, indem er den Zweikampf geführt hatte, aber er war nicht bereit, sich zum Werkzeug des Jarls machen zu lassen. Er ließ den Schild sinken und richtete sich auf. »Der Kampf war gut. Kall ist ein tapferer Gegner. Ich werde ihn nicht töten. Ich habe überlebt, und ich habe gewonnen. Was sagst du, Skulvar, habe ich meinen Platz im Heer verdient?«

Zunächst schien Skulvar seine Axt nehmen zu wollen, um sich damit auf Thorvik zu stürzen, aber dann lachte er so laut, dass es in den Ohren schmerzte. »Bei Lokis grimmigem Scherz, das hast du!«

Dem Jarl hingegen war nicht nach Lachen zumute. Er strafte seinen Gefolgsmann mit kalter Missachtung und stürmte in sein Langhaus zurück.

Skulvar kam über den Kampfplatz auf Thorvik zu, für den ohnmächtigen Kall hatte er keinen Blick übrig.

»Du hast mich überlistet«, sagte er leise, nachdem er mit Thorvik ein paar Schritte gegangen war.

»Nachdem du versucht hast, mich zu überlisten.«

»Jarl Orvic ist wütend auf dich.«

»Er ist nicht der Erste, und er wird nicht der Letzte sein. Wenn dein Jarl diesen Mann tot sehen will, soll er ihn selbst erschlagen. Doch jetzt genug davon. Wann brecht ihr auf?«

»Sehnst du dich nach der Schlacht oder nach dem Tod?«

Das Gesicht von Inga erschien vor Thorviks innerem Auge. Sie lächelte ihm zu. Ihr Verlust war ein Schmerz und eine Leere, die er mit nichts ausfüllen konnte. »Vielleicht ist es das, vielleicht auch etwas anderes. Ich sage es dir, wenn ich es weiß. Nun beantworte meine Frage.«

»Bald. Hab noch etwas Geduld.«

Thorvik zog den Helm vom Kopf und fuhr sich durch das schweißnasse Haar. »Sag mir, der Mann, der an Kalls Seite stand. Er hatte Ähnlichkeit mit Jarl Orvic.«

»Das stimmt. Er ist sein Bruder, Heifdaal.«

»Sie mögen sich wohl nicht sehr?«

Skulvar verzog die Lippen zu einem Grinsen. »Das ist schon seit ihrer Kindheit so. Jeder will den anderen übertreffen und besser sein.« Er zuckte die Schultern. »Willst du noch was wissen?«

»Nein, das genügt mir. Sag mir nur Bescheid, wenn wir aufbrechen.«

Er ging davon, und Skulvar blieb zurück.

*

Kjelvar war besorgt, als er am frühen Abend durch die Feste zu den Gemächern von Earl Brude McDonagh schritt.

Den Tag hatten er und Sigrè bei den Klippen verbracht und, wie sie es geschworen hatten, den Göttern geopfert. Sie hatten Odin und Ägir, den Gott des Meeres, um eine sichere Heimkehr und guten Wind gebeten, und Freya angefleht, ihren Sohn zu beschützen.

Kjelvar wischte sich das Blut der geschlachteten Ziegen von den Händen. Er ahnte, worüber der Earl mit ihm sprechen wollte.

Zur Nachmittagsstunde waren Reiter und Krieger zu Fuß auf den Hügeln vor dem Dorf aufgetaucht und hatten dort ihr Lager errichtet. Kjelvar hatte sie gesehen und schätzte ihre Zahl auf mindestens dreihundert. Über ihren Zelten wehte das goldverbrämte nachtblaue Banner mit dem Wappen von Turm und Kreuz.

Kurz darauf waren sie auch ins Dorf, die Feste und den Hafen vorgedrungen. Ihre Gegenwart war unübersehbar. Kjelvar war ebenso nicht entgangen, dass ihre besondere Aufmerksamkeit den Drachenbooten galt, die festgezurrt an den Pieren lagen.

Selbst vor der Tür zu Earl McDonaghs Gemächern stand eine Wache, die den nachtblauen Waffenrock trug. Im Schein einer Fackel musterte er Kjelvar.

Ein Blick, der genügte, um sein Unbehagen und zugleich seine Wachsamkeit zu steigern. Mit einer zufällig wirkenden Bewegung legte der Wächter die linke Hand in die Nähe des Sax, den er am Gürtel trug.

»Der Earl will mich sprechen«, sagte Kjelvar und warf das blutige Tuch aus einer der Schießscharten.

Die Wache trat wortlos beiseite und gab die Tür frei.

In dem Gemach erwarteten Kjelvar ein loderndes Feuer und die Ausdünstungen eines alten Mannes, der sich lange nicht mehr gewaschen hatte. Kjelvar war entsetzt, als er Brude McDonagh zusammengesunken in einem tiefen Lehnstuhl sitzen sah. Seit der Schlacht von Clydonnan und Isbeths Hinrichtung waren erst ein paar Monate vergangen, doch für den Earl schienen Jahre verstrichen zu sein.

Sein Gesicht wirkte eingefallen, die Haut spannte sich straff über den Schädel. Das silbergraue Haar war strähnig, reichte bis auf die Brust und glänzte vor Fett. Die Finger glichen dürren Klauen, mit brüchigen Fingernägeln.

Brude McDonagh hockte neben dem Kamin. Das Fenster war mit einer dünnen Lederhaut verhangen, die Licht und Luft nach draußen verbannte.

»Du wolltest mit mir reden?«, sagte Kjelvar und schloss die Tür hinter sich. Der Gestank machte ihm das Atmen schwer.

»Setz dich, Nordmann.« McDonaghs Worte waren mehr ein Krächzen und Flüstern, was es schwer machte, ihn zu verstehen.

Kjelvar setzte sich auf einen Schemel, den er sich neben das Fenster zog.

»Du hast gesehen, was vor sich geht?«, fragte der Earl.

»Natürlich. Ich habe Augen.«

»König Causantin hat sie geschickt.« McDonagh wandte sich dem Feuer zu. Sein altes Gesicht schien in Gram zu versinken.

»Ich kenne ihn nicht. Erzähl mir von ihm.«

»Er ist ein großer Mann, ein Mann des Schwertes, der von Gott geliebt wird. Und er hasst euch, mehr noch, als ich es getan habe.«

»Und jetzt hat sein Heer dein Land besetzt, würde ich sagen.«

McDonagh lachte keuchend. »Ja, so scheint es wohl.«

»Was will er?«

»Das ... weiß ich noch nicht. Doch ich fürchte, nichts Gutes.«

»Und was können wir tun?«

»Tun? Gar nichts können wir tun. Nur warten.«

»Worauf?«

In diesem Moment hämmerte eine Faust gegen die Tür, die sogleich geöffnet wurde. Ein Mann mit Kettenhemd und einem nachtblauen Umhang betrat das Gemach. An der Seite trug er ein juwelenbesetztes Schwert.

Seine Augen waren von eisigem Blau, sein Kopf war kahl, und sein Mienenspiel verriet eine kühle Überlegenheit, die einen kurzen Makel bekam, als er aufgrund des Geruchs die Nase rümpfte.

Er war nicht allein, ein Mann folgte ihm, schwer wie ein Bulle und so groß, dass er sich bücken musste, um nicht mit dem Kopf am Türrahmen anzuschlagen. Dort blieb er stehen und versperrte den Ausgang.

»Earl McDonagh, ich grüße Euch. Ich bin Ealdorman Thanreth«, sagte der, der zuerst eingetreten war. »König Causantin McCináeda schickt mich.«

»Um was zu tun? Mir Ketten anzulegen?«

Thanreth lächelte milde. »Nein, natürlich nicht. Seine Majestät zweifelt nicht an Eurer Treue zur Krone. Vielmehr hat er von den Aufständen gehört und uns entsandt, um den Frieden wiederherzustellen, der Ayrk und Clydonnan abhandengekommen ist. Ihr werdet verstehen, dass er es nicht gutheißen kann, wenn sich seine Untertanen gegenseitig umbringen und das Land dadurch in Aufruhr gerät. Zudem hat ihn die Wahl Eurer Verbündeten ... verwundert.« Beim letzten Satz neigte er den Kopf und sah zu Kjelvar.

Brude McDonagh gelang es, sich zu erheben und dem Neuankömmling gegenüberzutreten. »Wenn es etwas gibt, das du mir vorzuwerfen hast, dann sprich es offen aus! Ich tat, was ich tat, um meine Untertanen zu schützen. Und ich zahlte nur Gleiches mit Gleichem zurück. Earl McManneth hatte viel früher einen Nordmann zu seinem Verbündeten gemacht.« Die alte Kampfeslust und das bekannte Feuer waren in Brude McDonaghs Körper zurückgekehrt. Seine Augen blitzten zornig.

»Oh, Ihr missversteht die Absichten unseres Königs. Er möchte Euch nicht strafen, vielmehr ist es in seinem Sinne, Euch zu helfen. Deswegen bin ich hier. Und er möchte Euch danken. Euch und Eurem Freund hier.«

Das überraschte den Earl nun ebenso sehr wie Kjelvar, der sich von seinem Platz am Fenster nicht fortbewegt hatte.

»Unserem König war bekannt, welch ein Mann Earl McManneth war und dass seine Absichten dem Reich gegenüber unredlich waren. Ihr habt zuerst gehandelt und dabei viel verloren. Ich hörte von Eurer Tochter.«

»Sprich nicht von ihr«, fuhr McDonagh dazwischen.

»Vergebt mir.« Thanreth deutete eine Verbeugung an.

Kjelvar missfiel es, wie der Mann sprach. Obwohl die Worte höflich gewählt waren, glaubte er die unterschwellige Bedrohung dahinter zu erkennen. Er beschloss, Thanreth auf die Probe zu stellen.

»Dann bist du gekommen, um Earl McDonagh zur Seite zu stehen und deine Krieger seiner Führung zu unterstellen?«

»Nein, Nordmann. Ich führe diese Männer im Namen des Königs. Und wenn der Frieden wiederhergestellt ist, kehren wir an den Hof zurück.«

Kjelvar hatte die Lederhaut, die das Fenster bedeckte, ein Stück angehoben, um hinaussehen zu können. Seine Schiffe wurden von Thanreths Männern bewacht, und die Hafenausfahrt wurde durch ein halbes Dutzend aneinandergebundener Fischerboote versperrt. »Dein König scheint großen Wert auf meine Anwesenheit zu legen.«

Thanreth kam zu ihm und folgte seinem Blick aus dem Fenster. »Er möchte nicht, dass ihr absegelt, ohne seine Gastfreundschaft genossen zu haben.«

Kjelvar war aufs Höchste angespannt. Jeden Moment erwartete er, dass sich der Riese an der Tür wie ein losgelassener Kettenhund auf ihn stürzen würde. Um sich zur Wehr setzen zu können, hatte er McDonaghs Schwert ins Auge gefasst, das nur zwei Schritt von ihm entfernt an der Wand lehnte.

Thanreth entging das nicht. »Du hast nichts zu fürchten, Nordmann«, sagte er und gab seinem Begleiter einen Wink. Der reichte ihm eine Schriftrolle, die das königliche Siegel trug.

»Ich wurde angewiesen, Euch das hier zu übergeben«, sagte Thanreth und gab das Schriftstück an Earl McDonagh weiter.

Der brach das Siegel und begann zu lesen. In seiner Miene spiegelten sich Unglauben, Überraschung und Zweifel.

»Wir wurden an den Hof eingeladen«, sagte er schließlich und sah in Kjelvars Richtung.

Thanreth war weniger überrascht, offenbar kannte er den Inhalt des Schreibens. »Das ist die Schrift des Königs höchstselbst. Das dürfte beweisen, welche Achtung er vor Euch und Eurem Gast hat, Earl Brude. Und um die Last von Euren Schultern zu nehmen, werde ich während Eurer Abwesenheit Euren Platz einnehmen und das Land befrieden.«

»Mein Sohn wird an meine Stelle treten, er wird dir gute Dienste leisten.«

»Euer Sohn ist ein tapferer Mann, unbestritten, doch der König möchte auch ihn sehen. Er wird Euch also begleiten.«

»Sag mir, dein König hasst uns Männer aus dem Norden doch, wieso sollte er mich an seinem Hof haben wollen?«, fragte Kjelvar.

Thanreth lächelte milde. »Der König gibt mir Befehle, die ich auszuführen habe, er erklärt mir nicht seine Absichten.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»Dann muss ich bedauerlicherweise annehmen, dass du dem König feindlich gesonnen bist und Übles im Schilde führst.«

Thanreth brauchte nicht auszusprechen, was das bedeutete, Kjelvar verstand die Drohung auch ohne Worte. »Meine Schiffe sind bereit für den Aufbruch«, sagte er. »Wir wollen zurück in unsere Heimat und haben nicht vor wiederzukehren.«

»Das zu hören wird meinen König sicher erfreuen, wenn du es ihm sagst. Er ist äußerst begierig darauf, etwas über Euch und Eure Lebensweise zu erfahren. Um ihn nicht warten zu lassen, wird es das Beste sein, wenn ihr Eure Vorbereitungen für die Reise schnell abschließt und so bald wie möglich aufbrecht.« Damit verbeugte er sich erneut. »Es war ein anstrengender Ritt, und ich würde mich gern ausruhen. Gestattet Ihr mir, dass ich mich zurückziehe?«

McDonagh nickte, und Thanreth verneigte sich.

»Raethelred«, sagte er, »lass uns gehen.«

Der Riese trat auf den Gang hinaus und machte Thanreth Platz.

Sie entfernten sich, und erst als ihre Schritte verklungen waren, erhob Kjelvar die Stimme. »Bei Odin und Thor, diesem Mann ist nicht zu trauen!«

McDonagh ließ sich seufzend in seinen Lehnstuhl zurücksinken. »Ich muss tun, was der König verlangt. Sich ihm zu widersetzen würde das Ende meiner Familie bedeuten.« Seine buschigen Augenbrauen bewegten sich, als er die Stirn krauszog. »Auch dir würde ich raten zu gehorchen.«

Kjelvar wägte seine Möglichkeiten ab, doch die waren gering. Er hatte kaum noch Männer zur Verfügung, nicht mehr als dreißig. Ein Kampf würde Odin sicher gefallen, doch Kjelvar sträubte sich dagegen, sinnlos den Tod zu suchen. Die Schiffe mussten nicht nur beladen werden, sondern sie müssten auch noch die Blockade durchbrechen.

Auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, so hatte Thanreth doch deutlich gemacht, dass das nicht folgenlos bleiben würde.

Kjelvar musste an Thorvik denken. Sein Bruder wäre da anders gewesen. Schon sein Jähzorn hätte ihn dazu gebracht, sein Glück zu versuchen.

»Gut, ich werde dich begleiten«, gab er schließlich nach, da er keinen Ausweg sah, »aber zuvor gibt es noch einige Dinge zu erledigen.«

Brude McDonagh hob matt die Hand und wies zur Tür.

Kapitel 3

Thorvik und Jalf umarmten sich im Innenhof der Schenke, bevor der alte Jäger auf den Bock seines Karrens kletterte.

»Es wird Zeit für mich weiterzuziehen«, sagte Jalf und griff nach den Zügeln. »Ich habe jetzt lange genug die Gesellschaft anderer genossen.«

Thorvik legte einem Zugpferd die Hand auf die Flanke. »Ich danke dir, ohne dich wäre ich unterwegs verhungert.«

»Die Götter haben dafür gesorgt, dass sich unsere Wege kreuzten. Mögen sie jetzt ein wachsames Auge auf dich haben.«

»Ich glaube nicht, dass sie das tun werden.«

Jalf lachte. »Wie immer es auch ist, sie schicken dir Ablenkung.«

Auf Thorviks fragenden Blick hin nickte er in Richtung des Hoftores.

Margith, Kalls Weib, kam von dort herein. Sie trug eine Rüstung aus Leder, die Unterarme hatte sie mit Silber und Kupferreifen geschmückt.

Jalf schnalzte mit der Zunge, und die Pferde setzten sich in Bewegung. »Mögen wir uns eines Tages wiedersehen, mein Freund!«, rief er noch, dann hatte er das Tor durchquert und war auf die Straße eingebogen.

»Was suchst du hier?«, sagte Thorvik grimmig.

»Ich wollte dich sehen«, antwortete Margith, die lächelnd vor ihm stehen blieb.

»Hast du nicht schon genug angerichtet?«

»Was habe ich denn getan?«, fragte sie unschuldig. »Ich habe dich doch nur angesehen, mehr nicht.«

»Und dein Mann wurde wütend.«

»Und deswegen bist du böse auf mich? Es war seine Entscheidung, dich herauszufordern. Ich habe ihn nicht dazu gezwungen.«

»Ich hätte ihn töten können.«

»Dann wäre er jetzt in Walhall. Es gibt schlechtere Schicksale«, erwiderte sie kühl.

»Du warst doch seine Sklavin. Hat er dir nicht die Freiheit geschenkt?«