Wildeule - Annette Wieners - E-Book

Wildeule E-Book

Annette Wieners

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Beschreibung

Die ehemalige Kommissarin Gesine Cordes hatte sich nach dem Tod ihres kleinen Sohns aus ihrem alten Leben zurückgezogen. Erst in der Arbeit als Friedhofsgärtnerin fand sie Trost. Doch ihre geliebte Idylle wird jäh gestört, als während einer Beerdigung entdeckt wird, dass der Sarg nicht richtig geschlossen ist. Und nicht der erwartete Leichnam im Sarg liegt, sondern ein bekannter Bestattungsunternehmer - er wurde ermordet. Gesine ermittelt undercover auf dem Friedhof und kommt skandalösen Praktiken im Bestattergewerbe auf die Spur. Bald gerät ausgerechnet ihr bester Freund, der Bestatter Hannes, unter Verdacht. Als sie zögert, ihn in ihre Ermittlungen einzuweihen, verschwindet er spurlos. Gesine muss sich entscheiden: Wird sie sich weiter vor der Welt verstecken? Oder kann sie Hannes retten, den Mord aufklären und womöglich sogar in ihr altes Leben zurückkehren?

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Das Buch

Manchen Menschen fällt der Weg auf den Friedhof schwer, doch der Friedhofsgärtnerin Gesine Cordes geben die Ruhe und besondere Atmosphäre neue Kraft. Sie vermisst nichts aus ihrem früheren Leben als Kriminalkommissarin.

Dann aber wird bei einer Beerdigung plötzlich ein Mordopfer gefunden. Bei dem Toten handelt es sich um einen bekannten Bestattungsunternehmer – den größten Konkurrenten von Gesines bestem Freund, dem Bestatter Hannes. Gesine ist überzeugt von Hannes’ Unschuld. Doch die Beweise sprechen gegen ihn, und mit einem Mal ist er wie vom Erdboden verschluckt.

Gesine muss sich entscheiden: Wird sie sich weiter vor der Welt verstecken? Oder kann sie Hannes retten, den Mord aufklären und womöglich sogar in ihr altes Leben zurückkehren?

Die Autorin

Annette Wieners, geboren in Paderborn, hat für ARD, ZDF und WDR als Drehbuchautorin gearbeitet. Sie lebt als Autorin und Journalistin in Köln. Wildeule ist der dritte Teil der Krimiserie um Friedhofsgärtnerin Gesine Cordes.

Von Annette Wieners sind in unserem Hause bereits erschienen:

KaninchenherzFuchskindWildeule

Annette Wieners

WILDEULE

Kriminalroman

List Taschenbuch

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ISBN978-3-8437-1535-5

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017Umschlaggestaltung: Büro für Gestaltung – Cornelia Niere, MünchenTitelabbildung: © Gettyimages/Ingram Publishing (Landschaft); Artwork unter Verwendung von shutterstock und trevillion (Vogel und Wald Grafiken Innenteil: © Katharina Hacka

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

1

Vom Dach der Kapelle hing Eis. Blanke Spitzen, in denen sich die Morgensonne brach. Der Wind schnitt scharf um die Ecke, und in den Nischen der Fensterbänke wirbelte trockener Reif.

Gesine lehnte rücklings an der Mauer. Sie mochte den Winter auf dem Friedhof. Der Frost vertrieb die Nebensachen und zeigte das Wesen der Dinge. Die Erde zog blank, und an den Gräbern standen nur noch die Leute, die es unbedingt brauchten.

Oder?

Sie hob den Kopf zum Fenster. Ein Spalt war offen, und der Wind fauchte am Rahmen, aber sie konnte auch die Stimme des Pfarrers in der Kapelle hören. Er dozierte, laut und inbrünstig, als wüsste er, dass sie lauschte.

Es wäre ja auch kein Wunder. Drinnen sah es aus wie in der Grabkammer eines Königs. Der Sarg hatte Beschläge aus echtem Silber. Rechts und links türmten sich Nelken wie dorische Säulen, und auf dem Boden davor, auf dem grauen Schieferimitat, lag ein zwei Meter breites Herz aus frischen Rosen. Und erst die Trauerkränze und Gestecke: kein Gebinde unter vierhundert Euro. Selbst der Pfarrer hatte gestaunt, als Gesine die Ware in die Kapelle schleppte.

Aber es waren fast keine Trauergäste erschienen. Nur ein einzelner klappriger Herr saß drinnen in der Bank. War das nicht suspekt?

Jetzt stimmte der Pfarrer ein Lied an, »Großer Gott wir loben dich«, und Gesine entfernte sich vom Kapellenfenster. Sie sollte sich nicht einmischen, sondern lieber den klaren Tag hier draußen genießen. Die Kälte schmeckte nach Wacholder.

Oder vielleicht war es auch die Jacke, die nach Wa­cholder roch, denn beim Dekorieren vorhin hatte sie bis zu den Ellbogen im Grün gesteckt. Sie hatte sich beeilt. In der Annahme, es müsse sich um eine Prominenten-Bestattung handeln, hatte sie die Kränze mit Kraft und Präzision an ihren Platz gewuchtet. Die Leute würden doch in Scharen heranstürmen, Fotografen, Showbusiness, Geldadel, und sie wollte nicht stören. Aber dann war es still geblieben.

Der Pfarrer hatte so getan, als sei alles normal oder als müsse er nur noch ein wenig länger im Gebetbuch blättern, bis sich der Raum füllen würde. Dabei lag es auf der Hand, dass etwas nicht stimmte. Auf dem Parkplatz schlugen keine Autotüren, auf dem Vorplatz scharrten keine Schuhe. Erst recht klickten keine Fotoapparate. Nichts, nur Winterstille.

Bis der einzelne ältere Herr erschienen war. Fast lautlos, auf billigen weichen Sohlen, hatte er die Kapelle betreten und sich an den Bänken entlanggehangelt. Den Blick hielt er auf den Sarg und die Blumenpracht geheftet, und dann setzte er sich in die zweite Reihe, ohne den Pfarrer, Gesine oder auch die leeren Plätze ringsum zu beachten.

Der Pfarrer hatte das Gebetbuch zugeklappt und Gesine ein Zeichen gegeben, den Raum zu verlassen, und kaum war die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen, hatte er lauthals mit der Zeremonie begonnen.

War das in Ordnung? Wurde es dem Leichnam im Sarg gerecht? Und wo war eigentlich der Bestatter? Er musste doch während der Beisetzung nach dem Rechten sehen und dem älteren Herrn, vermutlich seinem Kunden, durch die schwere Stunde helfen.

Gesine streckte sich nach einem der Eiszapfen, die in der Sonne glitzerten. Die zarte Spitze brach ab.

Also gut. Im Grunde wusste sie Bescheid. Für die Beisetzung heute war Carsten Schellhorn vom Bestattungsinstitut Schellhorn zuständig, und natürlich passte es bestens zu ihm, seinen Kunden alleinzulassen. Schellhorn liebte das ganz große Ding auf dem Bestellzettel, den allerdicksten Auftritt auf den Friedhöfen der Region, aber fürsorglich war er nicht.

Wobei die Leute das nicht zu bemerken schienen. Ja, sie rannten ihm förmlich die Bude ein. Sie hörten, dass es bei ihm etwas Exklusives gab, und wussten nicht, dass die Betreuung jäh zu Ende war, sobald man alles unterschrieben hatte. Würde Schellhorn einen einsamen, älteren Herrn in der Kapelle auf dem Ostfriedhof trösten? Wozu, wenn es nicht explizit auf der Rechnung stand?

Gesine horchte. »Großer Gott« hatte viele Strophen, sie ging weiter um die Kapelle herum. Dahinten, in der Nische am Brunnen, hockten die Sargträger, die Schellhorn engagiert hatte, und warteten auf ihren Einsatz. Männer in Phantasie-Uniformen, Mietpersonal, das man in all den Jahren auf diesem Friedhof noch nicht gesehen hatte und das sich mit den Gepflogenheiten vor Ort selbstverständlich nicht auskannte.

War das zu fassen? Sie rauchten und tranken und lungerten herum wie vor einem Baumarkt. Einer von ihnen winkte mit einer Thermoskanne herüber: »Auch einen Schluck?«

Sie lehnte natürlich ab. Der Kaffee war mit Cognac versetzt. Sie hatte die leere Flasche vorhin im Rhododendron gefunden.

Außerdem war es unglaublich, wie die Sargträger herausgeputzt waren. Die Uniformen saßen spack wie bei Bodybuildern. Auf den Schirmmützen leuchtete eine kleine rote Stickerei, fast wie Schmuck, aber Gesine wusste, dass es ein Emblem war. Dieselben roten, ineinander verschnörkelten Buchstaben hatte sie auf den Plakaten gesehen, die neuerdings an den Bushaltestellen hingen. BCS.Bestattungsinstitut Carsten Schellhorn. Effektvoll, knallig, wiedererkennbar. Doch seit wann wurde bei einer Beisetzung Werbung getragen?

Die Sargträger lachten rau. Gesine beschloss, eine kleine Runde um die Gräber zu drehen, um sich ein wenig zu beruhigen.

Schellhorn war ein Reizthema, und zwar für alle, die seit Jahren auf dem Ostfriedhof arbeiteten. Für die örtlichen Bestatter, die sich von dem großen Konkurrenten bedroht fühlten, aber auch für die Gärtner, die den neuen Zeiten mit dem überkandidelten Blumenschmuck skeptisch entgegensahen.

Für Gesine allerdings war Schellhorn leider auch noch ein privates Problem. Ein Ärgernis, eine Peinlichkeit, die sie quälte wie ein kratzendes Etikett im Nacken.

Sie hatte Schellhorn zwar noch nie persönlich getroffen, aber sie hatte sich seinetwegen schon ganz furchtbar mit Hannes gestritten, ihrem besten Freund. Weil sie beschwipst gewesen war. Und weil sie für einen kleinen Moment außer Acht gelassen hatte, unter welchem Stress Hannes als traditioneller Bestatter stehen musste.

Es war zu Silvester gewesen. Sie hatten zu zweit gefeiert. Hummus, Bagels und Bleigießen im Wohnwagen, in aller Freundschaft. Und es gab Sekt, und nach dem Essen war das Gespräch wie so oft auf den Job gekommen, und Hannes hatte Schellhorn als Raubvogel bezeichnet, der über dem Ostfriedhof schwebe, um ihnen allen die Aufträge wegzureißen.

Gesine hatte sich sorglos nachgeschenkt und einen großen Schluck genommen. »Keine Angst vor Wettbewerb, Hannes. Qualität setzt sich durch.«

»Ach ja?«, hatte er erwidert, schon leicht gereizt. »Wo geht es denn noch um echte Qualität, Gesine?«

Und dann waren die verhängnisvollen Worte gefallen. »Ich meine ja nur«, hatte sie gesagt und auf seine Lippen geschaut. »Vielleicht solltest du im neuen Jahr auch einmal etwas wagen, Hannes.«

Grauenvoll. Einfach nur schlimm. Sie hatte sogar ihre Wange an ihr Sektglas geschmiegt, plötzlich angetrieben von einer heftigen Lust, Hannes zu provozieren. Ihn! Aus dem Nichts heraus! Hatte sie sich in Zweideutigkeiten begeben.

Während er natürlich vor Schreck die Augen aufriss. Vollkommen entgeistert, was musste er hören und sehen, nach all den Jahren der Freundschaft? Er explodierte und warf ihr vor, ihn zu veralbern und seine beruflichen Sorgen nicht ernst zu nehmen. Sie ließ das Sektglas sinken, denn ihr dämmerte sehr wohl, dass sie drauf und dran war, alles kaputtzumachen. Aber es war längst zu spät. Denn Hannes fragte sie schon allen Ernstes, ob sie ihn für einen Schwächling halte und ob sie das Arschloch Schellhorn für seine Raffgier heimlich bewundere. Ihr Herz geriet aus dem Tritt. Sie hatte nicht antworten können.

Klar, dass die Silvesternacht dann nur noch einsam und lang gewesen war, ein Auftakt zu der höflichen Eiszeit, die seitdem herrschte. Auch von ihrer Seite aus, zugegeben, aber bei ihr war es doch nur schlichte Scham, wohingegen er vermutlich in allen Facetten wütend war.

Und wie könnte sich alles wieder einrenken? Möglichst bald? Könnte Gesine ihr Geplapper irgendwie ungeschehen machen und demonstrieren, wie fest Hannes sich auf sie verlassen konnte?

Ja. Denn vielleicht ergab sich heute die Gelegenheit dazu, bei der pompösen Trauerfeier aus dem Hause Schellhorn. Wenn Gesine es geschickt anstellte, könnte sie Erkenntnisse über das Geschäftsgebaren der Konkurrenz sammeln und Hannes später davon berichten. Zur Not übers Handy.

Sie kehrte zur Vorderseite der Kapelle zurück. Die Sträucher zitterten im Wind. Das Licht, das eben noch im Eis gefunkelt hatte, loderte über dem Giebel. Drinnen hatte der Pfarrer aufgehört zu singen.

Gesine zog sacht an der Kapellentür, um einen Blick ins Innere zu werfen. Es war still. Der Pfarrer hielt die Hände gefaltet und das Gesicht gen Decke gehoben. Der ältere Herr saß reglos und krumm in der zweiten Reihe, noch immer allein, aber als Gesine die Tür schon wieder schließen wollte, drehte er sich plötzlich um.

»Die Toilette?«, fragte er laut.

Der Pfarrer runzelte die Stirn. Der ältere Mann jedoch stieg aus der Bank, und Gesine blieb nichts anderes übrig, als ihn mit nach draußen zu nehmen.

»Mein Beileid«, sagte sie.

Er drängte zur Eile. Dünn war er und blass. Sein Mantel bauschte sich, war zu weit in den Schultern und zu lang in den Ärmeln, und auch die schwarze Hose flatterte um die Waden, als sei sie ausgeliehen.

Als Gesine das WC-Haus aufschloss, drückte er ihr ein Geldstück in die Hand. Sie fuhr zurück: »Nicht!« Aber er verschwand schon zwischen den Kachelwänden und ließ sie mit dem Toilettengeld allein.

Halb vom Gebüsch verborgen, hatten die Sargträger das Geschehen beobachtet. Sie kicherten albern und wurden erst leiser, als der Pfarrer mit großen Schritten näher kam. Mit der einen Hand hielt er seine Stola fest, mit der anderen Hand wedelte er durch die Luft.

»Könnten Sie etwas für mich erledigen?«, rief er Gesine zu. »Ich weiß nicht, wo der Bestatter bleibt!«

»Ich habe mit dem Institut Schellhorn nichts zu tun«, erwiderte sie und ging kurzentschlossen an ihm vorbei, um sich in der Kapelle noch einmal umzusehen.

Eine Taxiquittung lag auf dem Boden, dort, wo der Herr aus der Bank gestiegen war. Ein hoher Betrag, fast 120 Euro. Geld schien bei dieser Feier wirklich keine Rolle zu spielen, trotz der ärmlichen Kleidung des Hinterbliebenen. Und der Sarg, den er sich geleistet hatte, war wirklich sensationell. Er glänzte, als sei er mit Nussöl poliert. Die silbernen Beschläge spiegelten das Kerzenlicht, und das Rosenherz auf dem Boden schien zu bluten. Hätte der Wacholder nicht so stark geduftet, hätte Gesine gedacht, sie stünde vor einem Gemälde.

»Jemand müsste mir sagen, wie es weitergeht«, sagte der Pfarrer leise hinter ihr. »Kommen noch andere Angehörige? Ich kann die Feier nicht endlos in die Länge ziehen, wissen Sie.«

»Warum besprechen Sie das nicht mit Ihrem Trauergast? Ich bin nur die Gärtnerin.«

Der Pfarrer schüttelte den Kopf. Sein Schädel war lang und schmal, die Haare raspelkurz rasiert, wie es Mode war. Der Bart stand nur wenige Millimeter länger.

»Wenn Sie die Gärtnerin sind, muss doch irgendjemand mit Ihnen über die Feier gesprochen haben«, beharrte er.

»Nein. Ich weiß nicht einmal, wer gestorben ist.«

»Da kann ich aushelfen. Sie hieß Madeleine Jablin und war die Schwester von Herrn Jablin, den Sie eben aus der Kapelle gebracht haben.«

»Den Namen habe ich nie gehört. War Frau Jablin denn eine prominente Person?«

»Nein. Warum fragen Sie das?«

Seine Augen schienen eine flexible Farbe zu haben. Eben noch hellblau und offen, blickten sie jetzt dunkel und bekümmert.

»Es ist so«, er verlegte sich aufs Flüstern. »Normalerweise überlässt Herr Schellhorn mir ein paar Unterlagen. Ein Dossier über den Verstorbenen und die Familie, damit ich etwas Stoff für die Rede habe. Aber heute, wie soll ich sagen, heute schöpfe ich nicht gerade aus dem Vollen.«

»Das kann ich kaum glauben.« Gesine spitzte den Mund. »Gucken Sie sich die Blumenarrangements an. Die Ausstattung. Da hat sich jemand extreme Mühe gegeben.«

»Seien Sie versichert, dass mir die Situation sehr unangenehm ist.«

Seine Wangen liefen rot an wie bei einem Schuljungen, er schien schuldbewusst und gleichzeitig gewillt zu sein, trotz der Lage einen guten Eindruck zu machen. Gesine erkannte die Chance, Informationen zu gewinnen.

Sie reichte ihm die Hand. »Gesine Cordes. Wir sind uns, glaube ich, noch nie begegnet.«

»Franz Faust.« Er lächelte gequält. »Bitte keine Witze über meinen Namen.«

»Wo haben Sie Ihre Gemeinde, Herr Faust?«

»Draußen im Bergischen, nur eine Stunde von hier.«

»Wo auch das Institut Schellhorn sitzt?«

»Warum?«

»Weil Sie eine ganze Stunde anreisen, um jemanden zu beerdigen, den Sie nicht kennen, und zwar auf einem Friedhof, auf dem Sie noch nie gewesen sind.«

Das Schuljungengesicht verschwand, Franz Faust wurde ernst. »Ein Seelsorger muss da hin, wohin er gerufen wird. Und Carsten Schellhorn hat mich heute nun einmal auf den Ostfriedhof bestellt.«

»Aber Sie beteiligen sich an einem Verdrängungskampf unter den Bestattern, Herr Faust. Einem Kampf, den Schellhorn als Schwergewicht der Branche mit ungleichen Mitteln führt.«

Der Pfarrer hob den Zeigefinger. »Na, Frau Cordes. Hat Ihre Gärtnerei denn nicht auch von dem Auftrag heute profitiert?«

Sie lächelte und schob ein paar Nelken in Form, aber es stimmte natürlich. Der Chef der Gärtnerei war regelrecht aus dem Häuschen gewesen wegen des Großauftrags und hatte keinen Gedanken an die örtlichen Bestatter verschwendet.

Franz Faust sah auf die Uhr. Ein großes, dunkles Ziffernblatt, das Display einer teuren Smartwatch.

»Also folgendermaßen«, er straffte sich. »Ich werde Ihrer Anregung folgen und Herrn Jablin freiheraus fragen, wie er sich den weiteren Abschied von seiner Schwester vorgestellt hat. Und mit Herrn Schellhorn werde ich in naher Zukunft ein kritisches Gespräch führen. Einverstanden?«

Die Tür knarzte. »Nein, ich kann nicht mehr.« Herr Jablin hielt sich an der Klinke fest und schwankte. »Ich will auch gar keine Trauerfeier, denn meine Schwester hatte mit der Kirche nichts am Hut.«

Der dunkle Mantel hing an ihm herab wie die Flughaut einer Fledermaus, und auch die Mundwinkel des Pfarrers sackten nach unten.

»Ihre Schwester muss doch in der katholischen Kirche gewesen sein! Daraus hat sich doch das alles hier ergeben!«

»Na und?« Herr Jablin ließ die Klinke los. »Ich habe dem Bestatter gesagt, dass meine Schwester eine anständige Person war und dass die Beerdigung zu ihr passen soll. Um mehr habe ich mich nicht gekümmert, erst recht nicht um einen religiösen Rahmen.«

Gesine machte auf sich aufmerksam. »Wann haben Sie den Bestatter denn zuletzt gesprochen, Herr Jablin?«

»Warum interessiert Sie das?«

Er kam auf sie zu, mit wackeligen Schritten, und zog dabei ein Gesicht, als sei sie die Person, die den Tag für ihn so anstrengend machte. Franz Faust ergriff seinen Arm.

»Schauen Sie«, sagte er. »Sie haben den Blumenschmuck für Ihre Schwester so liebevoll ausgesucht. Nun lassen Sie uns die Beisetzung würdig zu Ende bringen.«

»Wenn die Kirche alles bezahlt, gerne.«

Gesine musste nachhaken. »Es ist doch genau der Blumenschmuck, den Sie über das Institut Schellhorn bestellt haben, oder?«

Aber Herr Jablin antwortete nicht, sondern setzte sich auf seinen alten Platz und ließ den Kopf hängen. Franz Faust sprach leise mit ihm, dann rang er sich zu einer Entscheidung durch und rief die Sargträger herein. Sie machten sich umgehend ans Werk, mit stolzer Brust und bedeutungsschwangeren Mienen. Doch als sie den Sarg auf den Wagen hievten, hörte Gesine ein feines Geräusch. Ein Geklingel wie von einer offenen Gürtelschnalle, oder nein, es war, als ob die Sargbeschläge klirrten. Als ob sie locker säßen. Aber das konnte nicht sein, oder waren die Verschlüsse etwa offen?

Niemand reagierte. Der Pfarrer sortierte seine Insignien, Herr Jablin studierte seine Schuhspitzen, und die Sargträger waren womöglich so unerfahren, dass sie das leise Geräusch gar nicht zuordnen konnten.

Gesine ging näher heran und horchte. Nein, jetzt klirrte nichts mehr, natürlich nicht, denn der Sarg stand jetzt auf dem Wagen und wurde nicht mehr bewegt. Und dann schien der richtige Moment, in dem sie hätte eingreifen können, auch schon wieder verstrichen zu sein, denn der Pfarrer stieß die Kapellentür auf und bat den Tross hinaus ins Freie. Er marschierte voran, mit wehender Stola, die Männer gingen mit dem Rollwagen hinterher, und schließlich folgte Herr Jablin, einen Arm zum glänzenden Holz hin ausgestreckt, als wolle er seine Schwester noch einmal berühren.

Auch Gesine lief mit, wenn auch nur am Wegesrand. Sollten die Beschläge wirklich locker sitzen, musste sie für Ordnung sorgen, weil die Vorschrift zur Dichtigkeit von Särgen eindeutig war. Und weil sie als Friedhofsgärtnerin Verantwortung trug, und ja, möglicherweise fühlte sie sich auch als ehemalige Kriminalkommissarin angesprochen. Denn es stellten sich Fragen: Warum war der Sarg offen, falls er offen war? Hatte jemand geschlampt, oder hatte jemand widerrechtlich hineingeschaut? Mit welchem Ziel?

Der gefrorene Lehm knirschte hart unter den Reifen des Sargwagens. Der Stoff von Herrn Jablins Mantel schabte trocken im Wind, und unter Gesines eigenen Schuhen zerbröselte verdorrtes Laub. All das war nicht laut, aber laut genug, um das feine Klirren für den Moment zu übertönen, und so erreichte der Tross ohne Unterbrechung das offene Grab. Eine schmale Parzelle auf Feld D.

Pfarrer Faust breitete die Arme aus. »Wir nehmen Abschied von unserer Schwester, und wir wollen es so tun, wie es Madeleine Jablin gefallen hätte.«

Die Träger beugten sich geschmeidig vor, um den Sarg an den silbernen Griffen vom Rollwagen zu heben. Die Jacketts spannten sich über den Muskeln, es klirrte wieder, vernehmlich jetzt, und die Männer stutzten. Einer von ihnen fasste nach, wodurch der Sarg in eine Schräglage geriet, und dann geschah das Unglaubliche: Der Deckel verrutschte.

Herr Jablin stöhnte auf. Der Pfarrer drückte den Deckel in seine Position zurück und befahl den Männern, den Sarg sofort auf die Schultern zu hieven. Doch da musste Gesine ihren Beobachterposten verlassen.

»Halt! Stellen Sie den Sarg zurück auf den Wagen.«

»Frau Cordes!«, protestierte Franz Faust. »Wir sind mitten in der Beisetzung.«

»Aber wie wir sehen, sind grundlegende Vorschriften nicht erfüllt.«

»Das ist doch kein Grund …«

»Doch.«

Widerstrebend setzten die Träger den Sarg ab. Gesine roch den Cognac in den Atemwolken. Ihr Herz schlug schnell.

»Warum ist der Deckel lose?«, rief Herr Jablin. »Meine Schwester. Madeleine!«

»Bitte«, Pfarrer Faust drückte seine Hände auf den Deckel. »Lassen Sie uns die Würde wahren, Frau Cordes.«

Sie betastete die Beschläge, sechs an der Zahl. Drei von ihnen standen tatsächlich offen. Herr Jablin fing an zu schluchzen, und wie auf Kommando nahmen die Sargträger die Uniformmützen ab. Der Pfarrer aber fühlte sich berufen, auch einmal an den Verschlüssen zu fingern, aber so, als ob er sie schnell zudrehen wollte, und Gesine dachte, dass ihr nicht mehr viel Zeit bliebe, wenn sie der Sache auf den Grund gehen wollte. Geschwind löste sie sämtliche Beschläge und lupfte, gegen den Widerstand von Franz Faust, den Deckel.

Das Sonnenlicht fiel auf die weiße schimmernde Polsterung, der satte, süß-widerliche Geruch der Verwesung quoll hervor. Und da lag sie, eine Leiche mit einem dunklen Vollbart.

»Was machen Sie denn da, Frau Cordes?«, stöhnte der Pfarrer.

Sie legte den Deckel wieder auf. »Herr Jablin, es tut mir sehr leid, aber das hier kann nicht der Leichnam Ihrer Schwester sein.«

»Nein?«

»Wir werden die Polizei verständigen.«

Die Sargträger erstarrten. Franz Faust bewegte sich hölzern nach vorn. »Wovon reden Sie?«

Herr Jablin aber stürzte sich auf den Sarg, bevor ihn jemand davon abhalten konnte. »Nein!« Seine Stimme überschlug sich. »Wo ist Madeleine? Meine Schwester!«

Krachend fiel der Deckel zu Boden. Franz Faust schlug sich vor die Stirn. »Gelobt sei Jesus Christus, aber es wird sich doch klären, Herr Jablin!«

»Sie verdammter Pfaffe!« Der alte Herr spuckte vor ihm aus. »Ich zeige Sie an! Mitsamt Ihrer idiotischen Gärtnergehilfin!«

Nur Gesine blieb nach außen hin ruhig. »Herr Jablin, ich verstehe Ihre Aufregung. Am besten rufen wir Herrn Schellhorn an, Ihren Bestatter. In seinem Institut muss etwas verwechselt worden sein.«

»Haben Sie keine Augen im Kopf?« Jablin versetzte ihr einen erstaunlich harten Stoß. »Da liegt er doch selbst!«

»Wer?«

»Der Bestatter! Da liegt Carsten Schellhorn!«

2

Herr Jablin war kaum zu beruhigen. Die Sargträger zogen ihn zur Seite, aber er schimpfte in einem fort und beleidigte den Pfarrer. »Judas! Wo ist meine Schwester? Was haben Sie mit ihr gemacht, und wie ist Schellhorn in ihren Sarg gekommen?«

Franz Faust forderte den alten Mann auf, sich zu mäßigen, doch es war vergeblich. Von A bis Z sei er betrogen worden, rief Jablin. Schon die Zeremonie in der Kapelle sei höchst verdächtig gewesen, so aufgeblasen und katholisch, dass ihm schlecht geworden sei.

Gesine merkte sich jedes Wort, denn Herr Jablin sagte Dinge, die er später vielleicht nicht mehr wiederholen würde. Er zeigte seine spontanen Gefühle. Die Abneigung gegen die Kirche, den Verdacht, vom Pfarrer hintergangen worden zu sein. Griff er dabei auf Erfahrungen zurück?

Franz Faust drehte ihm den Rücken zu. »Ein Verstorbener liegt in unserer Mitte, ein Freund, unter Gottes freiem Himmel«, sagte er mit bebender Stimme. »Und gerade weil die Umstände schrecklich und unklar sind, sollten wir uns in Demut mäßigen.«

Er faltete die Hände, aber nur die Sargträger reagierten auf das Signal. Sie setzten die Uniformmützen wieder auf und postierten sich in einer Reihe am Wegesrand, als wollten sie Mahnwache halten.

Pfarrer Faust zeichnete vor ihnen ein Kreuz in die Luft und wandte sich an Gesine.

»Lassen Sie uns den Sargdeckel auflegen«, bat er. »Der Anblick ist schwer zu ertragen.«

»Nein. Im Sinne der Polizei sollten wir möglichst wenig berühren«, widersprach sie.

»Es wird doch nicht so schwierig sein, die Verwechslung von zwei Verstorbenen zu klären.«

»Und wenn es sich nicht um eine Verwechslung handelt?«

»Sondern?«

»Um ein Tötungsdelikt. Dann wird jede Spur, jeder Fingerabdruck wichtig sein.«

»Ach du liebe Güte. Unsere Abdrücke sind doch jetzt schon überall vorhanden!«

Seine Mundwinkel zitterten, und er schaute bestürzt auf den Sarg, den Deckel und die Leiche, den Bestatter, den er wohl recht gut kennen musste.

Carsten Schellhorn, ein Mann in den mittleren Jahren, lag in Unterwäsche da. Die Sonne stand grell auf seiner fleckigen Haut. Der Wind strich unbarmherzig über die bloßen Arme und Beine, so dass sich die Behaarung bewegte, auch im Gesicht. Unter dem Rücken schien ein dünnes Rinnsal Blut hervorgelaufen und eingetrocknet zu sein. Der rostrote Strich endete in einer Polsterfalte.

Herr Jablin sackte zeternd auf dem gefrorenen Boden in die Knie. »Meine Schwester ist tot. Oder nicht? Vielleicht brauche ich gar keine Beerdigung?«

»Jesus Christus«, sagte Franz Faust leise. »Der Herr, der uns verbindet, über die Grenzen hinweg und durch die Zeit in Ewigkeit.«

Doch Jablin unterbrach ihn barsch. »Wenigstens kann Schellhorn mir keine Rechnung mehr schicken!«, rief er schrill und ließ sich nach hinten fallen.

Endlich fuhr ein Einsatzwagen vor. Zwei junge Streifen­beamte stiegen aus, eine Frau, die sich der Leiche annahm, und ein Mann, der sich breitbeinig aufbaute und nach den Personalien der Anwesenden fragte.

»Frau Cordes also«, sagte er halblaut, als er ihren Ausweis las. »Bei dem Namen klingelt doch irgendwas.«

Er drehte sich zu seiner Kollegin um: »Cordes?«, und dann konnte man förmlich mitansehen, wie beiden ein Licht aufging. Im Präsidium wurde also noch immer über Gesine geredet, über ihre Karriere und das Ende. Es blieb nur unklar, in welcher Art man über sie sprach.

»Ich habe die Kränze und den Blumenschmuck für die Beisetzung gebracht«, sagte sie rasch. »Als Gärtnerin.«

»Sie hat auch einen Schlüssel für das WC-Haus!«, warf Herr Jablin ein. »Aber am Ende wollte sie uns allen Kommandos geben.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Der Beamte gab ihr den Ausweis zurück. »Ich habe schon lange darauf gewartet, Sie einmal live und in Farbe zu sehen.« Sein Schnurrbart zuckte unter der Nase wie ein Tier.

»Haben Sie schon mit Schellhorns Familie Kontakt aufgenommen?«, fragte Gesine. »Oder mit dem Bestattungsinstitut?«

»Selbstverständlich«, antwortete die Polizistin eilfertig von hinten. »Mehrere Streifenwagen fahren zur Minute dort vor, Frau Cordes.«

»Stopp«, befahl ihr Kollege. »Wir geben keine Auskunft. Niemandem.«

Da erhob Pfarrer Franz Faust die Stimme, als stünde er am Altar. »Gehen wir doch besonnen vor. Ich bin mit der Familie Schellhorn gut bekannt und begebe mich am besten ebenfalls dorthin, um zu helfen.«

»Von wegen.« Der Polizist lächelte schmal. »Wir lassen niemanden hier weg. Jetzt gleich kommen die Leute von der Kripo, und Sie alle können sich darauf einstellen, die nächsten Stunden auf dem Friedhof zu verbringen.«

»Nein!« Herr Jablin hielt sich den Magen, als sei ihm schlecht, und er sah wirklich erbärmlich aus. Blau gefrorene Lippen, weiße Furchen auf der Stirn. An seinem Mantel klebten Tannennadeln, der Saum war grau vor Staub.

»Wir Gärtner haben einen Betriebshof auf dem Gelände«, sagte Gesine. »Wir alle könnten uns dort aufwärmen und für die weiteren Ermittlungen bereithalten.«

Der Polizist besprach sich leise mit seiner Kollegin und blieb schließlich beim Sarg, während die Beamtin mit den anderen zum Betriebshof ging.

Das Gebäude wurde im Winter nur selten genutzt. Es war feucht und kalt, aber im Aufenthaltsraum ließ sich die große Heizung andrehen. In der kleinen Küche lagen Teebeutel, deren Haltbarkeitsdatum noch nicht allzu lange überschritten war, und der Wasserkocher funktionierte.

Herr Jablin verkroch sich auf die Eckbank, und als er seinen Mantel öffnete, kam ein verschlissener Hemdkragen zum Vorschein. ›Er lebt wahrscheinlich allein‹, dachte Gesine. ›Und vielleicht ist er auch nicht reich, sondern hat schlicht den Bezug zu Geldsummen verloren.‹ Sie nahm sich vor, ihm die Münze, die er ihr vor der Toilette zugesteckt hatte, zurückzugeben.

Im Flur, ein wenig abgeschirmt durch die Garderobe, telefonierte sie mit der Gärtnerei, um sich für heute abzumelden. Der Chef war fassungslos, dass sie schon wieder mit der Polizei zu tun hatte, aber er machte sich auch um die Kränze und Gestecke Sorgen. Die Rechnungen waren noch nicht bezahlt. Wen konnte man ansprechen, wenn der Bestatter verstorben war? Gesine versprach, sich um alles zu kümmern, und legte auf.

Prompt erschien der Pfarrer im Flur und machte keinen Hehl daraus, gelauscht zu haben: »Sie können Ihren Chef beruhigen. Das Institut Schellhorn hat sich noch nie lumpen lassen.«

»Ich nehme an, Sie hatten noch nie mit einem Mord zu tun, Herr Faust?«

»Wieso?«

»Weil sich Gewissheiten auflösen, sobald es um ein Kapitalverbrechen geht.«

Sie öffnete die Tür zur Teeküche, und er folgte ihr in den kleinen Raum.

»Warum kannte die Polizei eigentlich Ihren Namen?«, fragte er.

»Ach, das ist eine alte Geschichte.« Sie winkte vage ab. »Früher war ich einmal bei der Kripo.«

»Ein interessanter Lebenslauf. Waren Sie deshalb so mutig, in den Sarg zu schauen?«

»Dazu gehörte kein Mut.«

»Doch. So wie auch Mut dazugehören würde, sich erschrocken zu zeigen.«

Sie nahm frische Tassen aus dem Schrank und ließ die Klappe zuschnappen. »Mir macht nur Herr Jablin Sorgen. Hoffentlich wissen wir bald, wo der Leichnam seiner Schwester ist, damit er sich beruhigen kann.«

»Und Sie? Wie geht es Ihnen, Frau Cordes?«

»Herr Faust, das ist jetzt nicht der richtige …«

»Doch.« Der Pfarrer berührte sie sanft am Arm. »Sie beobachten uns nämlich, uns alle auf dem Friedhof, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das guttut.«

Erst jetzt fiel ihr auf, dass er seine Stola abgelegt hatte. Sein Hals wirkte nackt, der Übergang zum Bart war sorgsam am Kieferknochen definiert.

»Der Tee ist gleich fertig«, sagte sie.

Er ließ sich nicht abwimmeln. »Ich meine, es wird doch einen Grund gegeben haben, warum Sie aus dem Polizeidienst ausgeschieden sind. Vielleicht ist es besser, darauf Rücksicht zu nehmen.«

Ihre Stimme nahm einen warnenden Ton an. »Vielleicht ist es auch besser, Sie lehnen sich nicht zu weit aus dem Fenster?«

»Wie heißt es so schön? Ein Pfarrer lehnt sich niemals weg, sondern immer den Menschen entgegen.«

Er sah Gesine an, nah und frontal, mit großen, runden Augen. Ein Priestertalent, dazu geschaffen, die Leute weich und mundtot zu machen.

»Entschuldigung, Frau Cordes, es geht mir nicht darum, Sie auszuhorchen oder Ihnen Vorschriften zu machen.«

Und ihr ging es nicht darum, sich zu rechtfertigen. Für nichts aus der Vergangenheit und für nichts von ­heute. Und erst recht nicht, wo sie die Einzige war, die während der Beisetzungszeremonie richtig gehandelt hatte.

»Schwamm drüber, Herr Faust.«

Er lächelte. »Ich denke, der Herrgott mag Sie.«

Sie verabschiedete sich und trat ins Freie. Die Sonne drang weiß durch die Kronen der Kiefern. Unter den Rhododendren verdunstete ein Rest von Schnee. Bekannte Bilder, klare, irdische Verhältnisse. Der Wegweiser aus Holz, der am Brunnen stand, war mit blitzsauberem Eis überzogen.

Friedhofsfeld D lag rechts. Das Feld mit der Leiche von Carsten Schellhorn und der Grube für Madeleine Jablin. Stimmen klangen herüber, offenbar war die Verstärkung der Polizei eingetroffen. Gesine machte sich auf den Weg, hielt aber an der nächsten Ecke inne.

Drüben versank Feld A im Gegenlicht. Kniehohes Gestrüpp und Hartriegel unter goldenen Sonnenschleiern. Feld A, für das sie nie einen Arbeitsauftrag annehmen würde. Feld A, das sie magisch anzog und unerbittlich abstieß. Das im Grunde ihr ganzes Leben bestimmte, denn es war das Feld der Kindergräber. Feld A, wo auch ihr Sohn begraben lag, mitsamt jeder Antwort auf jede Frage.

Vier Polizisten waren damit beschäftigt, die Gegend um den Sarg und die offene Grube abzusperren. Gesine musste unter einem Flatterband hindurchtauchen, wurde aufgehalten, verwies auf den Beamten mit dem buschigen Schnurrbart und durfte erst dann weitergehen. Aber wie schön war es zu sehen, welche Ermittlerin sich inzwischen über die Leiche von Carsten Schellhorn beugte: Marina Olbert von der Mordkommission war da.

Die Olbert drehte sich herum. »Schön, Sie wiederzutreffen, Frau Cordes.« Für die Begrüßung zog sie extra einen Handschuh ab. »Allerdings müssen Sie mir erklären, warum Sie an dieser verrückten Bestattung hier teilgenommen haben.«

»Ich habe die Kapelle für die Feier vorbereitet. Als Gärtnerin natürlich.«

»Aber warum sind Sie mit zum Grab marschiert? Wie eine Angehörige?«

»Mir waren Unstimmigkeiten an dem Sarg aufgefallen, die Beschläge klirrten, und das konnte ich natürlich nicht auf sich beruhen lassen.«

Die Olbert schloss ganz kurz die Lider. Gesine kannte die Geste. Gleich würde sie aufgefordert werden, der Ermittlerin die wichtigsten Fakten zu schildern. Oder doch nicht?

»Frau Cordes«, die Olbert stockte. »In welcher Beziehung stehen Sie zu den Todesfällen, sowohl zu dem Toten, den wir hier sehen, als auch zu der Verstorbenen, die verschwunden ist?«

»In gar keiner. Ich kenne keine Frau namens Madeleine Jablin, und auch den Bestatter Carsten Schellhorn habe ich zu seinen Lebzeiten nie persönlich getroffen.«

Die Antwort rief ein knappes Stirnrunzeln hervor, es erweckte fast den Eindruck, als sei die Olbert enttäuscht. Doch bevor Gesine nachfragen konnte, gesellte sich ein Polizist zu ihnen, um mit der Chefin den Ablauf des Einsatzes zu besprechen. Die Olbert nahm ihn beiseite, und Gesine fiel die Gelegenheit in den Schoß, noch einmal in Ruhe die Leiche zu betrachten.

Carsten Schellhorn. Ein dicker Mann mit Dandyfrisur und Hipsterbart. Unter dem Unterhemd wölbten sich Brüste aus Fett, auf den Hüften saßen zwei Speckgürtel. Die Oberschenkel lagen aneinandergepresst in der weiß betuchten Form. Dicht behaart, mit kahleren Stellen, wo die Hosenbeine wohl besonders eng gesessen hatten. Die kantigen Füße wirkten überraschend gepflegt.

»Treten Sie zurück, Frau Cordes«, verlangte die Olbert.

Gesine gehorchte, obschon sie wegen der Strenge der Ermittlerin irritiert war. »Wenn wir uns nach den Feinden von Carsten Schellhorn erkundigen, Frau Olbert: Die Liste ist lang. Schellhorn hat den anderen Bestattern die Aufträge weggenommen.«

»Ich weiß.«

»Und haben Sie eine Meinung zu der Blutspur, die unter seinem Rücken hervorläuft?«

Marina dirigierte Gesine mit Nachdruck noch weiter nach hinten. Ein Hauch von Parfüm drang aus ihrer ­feinen Kleidung, wie immer. Aber ihr Gesichtsausdruck war neu, das musste man jetzt einmal ernsthaft registrieren.

»Frau Cordes, Ihr Freund zählt ebenfalls zu den Feinden von Schellhorn«, sagte die Ermittlerin ernst.

»Mein Freund? Hannes van Deest? Ja, natürlich, er hat sich wie alle anderen über Schellhorn beschwert.«

»Bei wem?«

»Bei mir zum Beispiel. Wieso?«

»Was hat Ihr Freund denn gegen den Konkurrenten Schellhorn unternommen?«

»Nichts. Soweit ich weiß.«

Marina Olbert bewegte tadelnd den Kopf, das blonde Haar wurde ihr vor die Augen geweht. »Lustig ist aber, Frau Cordes, dass ich Herrn van Deest soeben auf dem Parkplatz getroffen habe.«

»Wirklich?«

»Getroffen ist vielleicht das falsche Wort. Er hatte seinen Wagen extra abseits geparkt, als ob er sich unsichtbar machen wollte.«

Verwundert sah Gesine sich um. Hannes war hier? Und hielt sich den ganzen Morgen von ihr fern?

»Sie meinen bestimmt, dass sein Auto hinter der großen Eibe parkte«, sagte sie. »Aber das ist unsere berühmte Grüne Nische. Die Bestatter parken immer dort, wenn sie von den Kunden nicht entdeckt werden wollen.«

»Aus welchen Gründen?«

»Weil sie manchmal nur kurz über den Friedhof huschen wollen und keine Zeit haben, in Gespräche verwickelt zu werden.«

»Nun, wir haben Herrn van Deest sehr gemächlich in seinem SUV herumsitzen sehen.«

Wirklich? Aber dann hatte Hannes bestimmt gewartet, dass Gesine dort vorbeikam. Um sie zu überraschen. Um den albernen Streit von Silvester beizulegen, endlich. Oder um sie zu fragen, warum sie die Kapelle heute ausgerechnet für eine Schellhorn-Veranstaltung dekorieren musste.

»Ihr Freund ist jetzt mit einem meiner Kollegen auf dem Weg ins Präsidium«, sagte Marina Olbert. »Wir wollen seine Aussage aufnehmen.«

»Tatsächlich?« Gesine tastete nach ihrem Handy, doch Marina hielt sie zurück.

»Ich wünschte, wir würden offen zueinander sein. Immerhin haben wir uns doch in den vergangenen Monaten ganz gut kennengelernt: Sie, Herr van Deest und ich.«

»Ja natürlich.« Gesine war zunehmend verwirrt.

»Dann überlegen Sie bitte, wie Sie mit mir umgehen.« Jetzt griff die Ermittlerin in ihre Manteltasche. »Herr van Deest hat mir das hier für Sie gegeben.«

Mit lauerndem Blick überreichte sie Gesine eine Armbanduhr. Eine fremde kleine Damenarmbanduhr. Was ging hier bloß vor?

»Herr van Deest sagte, Sie hätten die Uhr heute Nacht bei ihm vergessen.«

»Ich?« In der Nacht? Sie hatte Mühe, sich zu beherrschen. Bei Hannes eine goldene Uhr vergessen, mit der sie überhaupt nichts anfangen konnte?

Hinter ihr knisterte es, sie fuhr herum. Kriminaltechniker hatten damit begonnen, den Sarg mitsamt der Leiche in Folie zu hüllen und für den Abtransport vorzubereiten. In der alten Buche, deren Äste den Weg überspannten, saßen zwei Krähen und knabberten.

»Stimmt es nicht, was Herr van Deest uns gesagt hat?«, insistierte Marina Olbert.

»Das wäre vorschnell formuliert«, antwortete Gesine, überwand sich und ließ die Uhr in der Jackentasche verschwinden. Was sollte sie auch anderes tun? Sie konnte Hannes doch nicht geradeheraus als Lügner bezeichnen. Und sie konnte andererseits auch nicht selbst dazu übergehen, die Polizei anzulügen. Zumal Marina Olbert so ahnungsvoll guckte.

»Ich kann unter diesen Umständen nicht wie gewohnt mit Ihnen arbeiten beziehungsweise reden, Frau Cordes.«

»Ich werde alles klären, was zu klären ist«, erwiderte Gesine gepresst.

»Ich hoffe es. Denn dann werde ich Sie zum zweiten Mal fragen müssen, warum Sie heute, obwohl Sie als Gärtnerin nur für die Kapelle zuständig waren, mit dem Sarg zum offenen Grab marschiert sind.«

»In diesem Punkt wird meine Antwort gleich lauten, Frau Olbert.«

»Warten wir es ab.«

3

Hohe Nadelbäume umringten den Parkplatz vor dem Friedhof. Seidenkiefern, Schwarzkiefern, wuchtige Eiben. Der Mischwald mit den Buchen und Birken begann weiter hinten, aber hier vorne versuchte man schon seit Jahrzehnten, den Leuten einen Sichtschutz zu gewähren, der immergrün blieb.

Ein alter Wunsch der Menschheit, Tod und Trauer in Schach zu halten, und man dachte, es könnte gelingen, wenn man den Friedhofsbesuchern half, sich zu verbergen. Aber man täuschte sich. Je dichter der Sichtschutz wuchs, umso größer wurde die Neugier von außen.

Neulich hatte Gesine auf dem Friedhofsamt ein Foto gesehen, das offenbar heimlich entstanden war. Es zeigte den Parkplatz in den sechziger Jahren. Die Nadelbäume standen halbhoch, der Asphalt war glatt und leer bis auf einen Mann und eine Frau, die aus einem Alfa Spider stiegen. Beide trugen einen lässigen Chic, dunkle Kleidung, große Sonnenbrillen, aber beide duckten sich. Sie waren auf der Hut, als ahnten sie, dass sie von der Straße aus durchs Gebüsch beobachtet wurden.

»Der Mann in dem Anzug war damals unser Bürgermeister«, hatte der Angestellte im Friedhofsamt gesagt. »Ich war zu der Zeit noch klein, aber ich erinnere mich an die schlimme Geschichte. Der Kerl hatte sein eigenes Kind totgefahren. Aus Versehen. Die Presse war lange hinter ihm her.«

»Und wer war der Fotograf?« Gesine suchte das Bild ab. »Ein Voyeur, ein Friedhofs-Paparazzo?«

»Das Foto muss ja nicht jedem gefallen«, erwiderte der Angestellte kühl. »Obwohl der Bürgermeister an allem selbst schuld war.«

Sie hatte sich über diese Bemerkung geärgert, denn rund um einen Friedhof sollten keine Urteile fallen. Wenigstens hier sollte jeder mit seinem Schicksal im Reinen sein dürfen, allein und unbehelligt, egal, ob tot oder lebendig.

Ein Automörder sollte mit dem Cabrio vorfahren, um endlich zu trauern. Eine Mutter, in deren Garten sich ein Kind vergiftet hatte, sollte Blumen bringen oder auch nicht. Alles sollte von allen erlaubt sein, das Weinen und das Nicht-Weinen, sogar das Fernbleiben von einem Friedhof, und niemand sollte je in die Not geraten, sich mit seiner Art an den Gräbern verstecken zu müssen.

Aber natürlich blieb ein solcher Friedhof ein Traum. Denn auf der Nahtstelle zwischen Leben und Tod wurde der Verstand von der Angst aufgefressen.

Nach dem Wortwechsel mit Marina Olbert hatte Gesine das Gelände verlassen und, etwas außer Atem, den Parkplatz betreten. Mehrere Streifenwagen kamen ihr von der Straße entgegen. Die Olbert hatte also weitere Unterstützung angefordert, vermutlich von der Rechtsmedizin und der Schutzpolizei.

Der Pick-up, mit dem sie in der Frühe den Blumenschmuck für Frau Jablin zur Kapelle gebracht hatte, parkte vorn in der Nähe des eisernen Eingangstors. Weiter hinten, näher an den Kiefern, stand ein silberner Mittelklassewagen. Das Nummernschild gehörte ins Bergische, vermutlich handelte es sich um das Auto des Pfarrers Franz Faust. In einigem Abstand daneben war ein dunkler Kombi abgestellt worden, ein Zivilfahrzeug der Polizei, die Beamten waren nicht zu sehen.

Und der Wagen von Hannes? Stand er wirklich in der Grünen Nische?

Sie tauchte ins seitliche Gebüsch, drang bis zur großen Eibe vor, und noch ehe sie die Zweige auseinandergebogen hatte, sah sie den schwarzen Lack blitzen. Hannes hielt den SUV seines Instituts immer auf Hochglanz poliert. Der Schriftzug am Heck hob sich strahlend ab.

Sie schaute in den Innenraum. Auch hier war alles sauber, und selbst die Rückbank war aufgeräumt. Es fehlte nur die dicke braune Mappe, die sonst im Seitenfach der Beifahrertür steckte. Die Sammlung an Formularen, die Hannes für seine Kunden brauchte: Verträge, Informationsblätter über Behördengänge und eine Telefonnummernliste für Angehörige.

Hatte er die Mappe mit aufs Präsidium genommen? Warum? Und warum hatte er überhaupt hier herumgesessen, als die Polizei ihn fand? In der Kälte, mit der merkwürdigen Armbanduhr – und mit einer Lügengeschichte auf der Zunge.

Ratlos trat Gesine zwei Schritte zurück. Rund um den SUV war der Raureif zerstampft, ein Anblick, bei dem es in ihren Nieren zog.

Bisher war Hannes der ehrlichste und zuverlässigste Mensch gewesen, den Gesine kannte. Er war derjenige, auf den sie bauen konnte. Immer und jederzeit. Und nicht nur das: Ihm hatte sie im Grunde alles zu verdanken, was ihr Leben heute ausmachte. Die Arbeit als Friedhofsgärtnerin, den Wohnwagen, in dem sie sich zu Hause fühlte, und den angenehmen Grad an innerer Ruhe.

Denn vor Jahren, als sie nach der Kripo-Zeit arbeits- und obdachlos gewesen war und Tag für Tag nur deshalb über den Friedhof streifte, um sich Notizen über giftige Pflanzen zu machen, hatte Hannes sie angesprochen, um einen Blick in ihr Notizheft werfen zu dürfen. Er hatte ­darüber gestaunt, wie akribisch sie den Blauen Bergeisenhut zeichnete, und als er erfuhr, dass dies die giftigste Pflanze Europas war, hatte er Gesine nicht mehr aus den Augen gelassen.

Es fiel ihm auch bald auf, wie oft und wie lange sie sich die Hände wusch. Immer nur die Hände, den restlichen Körper nahm sie damals ja gar nicht mehr wahr. Nicht die verklebten Haare, nicht den knurrenden Magen oder die knochigen Schultern.

Irgendwann erkundigte sich Hannes nach dem speziellen Grab auf Feld A, um das sie ständig herumschlich. Nach ihrem Sohn. Woran er gestorben war. Und sie gab natürlich keine Auskunft, zuerst, bis ihr plötzlich jedes Wort guttat.

Und es tat nicht etwa deshalb gut, weil sie einsam gewesen wäre und Anschluss gesucht hätte. Oder weil sie auf billige Weise dankbar gewesen wäre, dass jemand sich mit ihr beschäftigte, nachdem sie ihren Job bei der Polizei, ihr Reihenhaus und ihre Ehe so rigoros in Schutt und Asche gelegt hatte. Nein, um das zu bewältigen, hätte sie Hannes nicht gebraucht. Aber da war ja noch die andere Hölle in ihrem Innern. Die Schuld, an der sie Tag für Tag krepierte.

Er blieb ruhig, als sie ihm davon erzählte, und er blieb immer noch ruhig, als er sah, dass sie nicht weinte. Er legte nur die Arme um sie, gab keinen sogenannten Trost und ermahnte sie nicht, sondern ließ sie einfach so sein, wie sie war.

Sie begann, ihm bei seiner Arbeit zu helfen, trug mit ihm Särge und schmückte an seiner Seite die Kapelle. Und so fügte sich plötzlich alles: Hannes entdeckte den wunderbaren Wohnwagen als Behausung für sie und verschaffte ihr außerdem den festen Job in der Friedhofsgärtnerei. Nur als er durchblicken ließ, wie gern er seine Zeit mit ihr verbrachte, kam er kurzzeitig ins Schleudern. Weil sie ihm beibringen musste, dass ihr Herz wohl für immer verschrumpelt und untauglich war und dass er das zu akzeptieren habe. Aber am Ende hatte er eingelenkt. Nicht ganz ohne zu klagen, aber er hatte ihr einfach das Beste geschenkt, was blieb: seine bedingungslose Freundschaft, stabil über Jahre.

Und jetzt? Hier und heute, gut vierzehn Tage nach dem verkorksten Silvester?

Gesine tauchte wieder durch die Eibe und lief quer über den Parkplatz zu ihrem Pick-up. Sie war am Zug, Hannes zur Seite zu stehen. Was auch immer sein Problem war und was auch immer ihn zu der lächerlichen Lüge mit der Armbanduhr getrieben hatte, sie würde ihm helfen.

»Frau Cordes! Sie sind ja noch hier!« Pfarrer Faust eilte mit den Sargträgern durchs Friedhofstor und hielt auf sie zu.

»Oh, hallo.« Gesine wandte kaum den Kopf. »Hat die Polizei Sie schon gehen lassen?«

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