Wildwasser und Feuerteufel - Marcel Naas - E-Book

Wildwasser und Feuerteufel E-Book

Marcel Naas

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Beschreibung

Es brennt! Bad Lärchenberg wird von Brandanschlägen auf mehrere Geschäfte in der Innenstadt erschüttert. Wer ist der Feuerteufel und was steckt dahinter? Als auch der Friseursalon von Amélies Mutter in Gefahr ist, schreiten die MounTeens mutig ein. Die heiße Spur verleitet sie aber zu gefährlichen Entscheidungen: Erst tappt Sam in eine Falle, dann finden sich die MounTeens mitten in einer alles verzehrenden Feuersbrunst wieder. Und als einziger Ausweg bleibt das wilde Wasser ...

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Band 8

Impressum

Copyright © 2025 boox-verlag, Dürrhalde 16, CH-9107 Urnäsch

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Coverillustration und Covergestaltung: Jenny Harder

Innenillustrationen: Jenny Harder

Korrektorat: Beat Zaugg

Graphik: media-graf, Herisau, Schweiz

ISBN

978-3-906037-93-6 (ebook)

Auch erhältlich als:

978-3-906037-92-9 (Hardcover)

MounTeens ist eine eingetragene Marke von Feigenwinter Strategy & Creation

www.boox-verlag.ch

(Mit 1% seiner Einnahmen unterstützt der Verlag eine Umweltschutzorganisation)

Marcel Naas

Wildwasser und Feuerteufel

Der achte Fall für die MounTeens

boox-verlag

Für Jerome

Inhalt

Die MounTeens sind ...

Lenas Spiel mit dem Feuer

Brandneu

Brandserie

Brenzliges Manöver

Brandaktuelle Neuigkeiten

Verhinderte Brandausbreitung

Zündende Idee

Achtung Brandgefahr!

Brandbeschleuniger

Das Feuer lodert ...

Brandheiße Spur

Doppelte Brandbekämpfung

Ein feuriger Abend

Flächenbrand

Alles Schall und Rauch!

Die MounTeens sind ...

Sam

Samuel Winter, von seinen Freunden Sam genannt, ist für seine dreizehn Jahre groß, kräftig und ein richtig guter Sportler. Er ist stets voller Tatendrang, wagemutig und besitzt einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Vielleicht liegt das ja daran, dass sein Vater, Wachtmeister Jan Winter, als leitender Polizist in Bad Lärchenberg arbeitet.

Seine Mutter Sarah ist Englischlehrerin im örtlichen Sportgymnasium und hofft insgeheim, dass sich Sam in der Schule noch etwas mehr anstrengt, um nicht nur im Eishockey erfolgreich zu sein. Sam hat wilde, blonde Locken und blaue Augen. Die vereinzelten Sommersprossen und sein spitzbübisches Lächeln machen ihn unwiderstehlich sympathisch. Sam ist selbstbewusst, spontan und unbekümmert, sodass er sich oft ohne zu überlegen in neue Abenteuer stürzt.

Lena

Lena Sander ist blitzgescheit und gilt als Denkerin der MounTeens. Gemeinsam mit ihren Freunden besucht sie die siebte Klasse in Bad Lärchenberg, wobei sie den Schulstoff eher als lästige Pflicht sieht. Viel lieber stillt sie ihren großen Wissensdurst, indem sie in ihrer Freizeit das Internet nach allen möglichen Informationen durchsucht.

Mit ihren schulterlangen, roten Haaren, der frechen schwarzen Hornbrille und ihrem leicht spöttisch wirkenden Gesichtsausdruck gilt Lena als pfiffiger, kaum zu bändigender Wirbelwind. Was andere über sie denken, kümmert sie wenig. Das zeigt sich auch in ihrem ausgefallenen Kleidungsstil. Sie legt sich – zumindest mit Worten – mit jedem an und ist dabei nicht auf den Mund gefallen. Ihre Mutter, Anna Sander, ist alleinerziehend und als Tourismusdirektorin von Bad Lärchenberg zeitlich stark beansprucht, weshalb Lena viele Freiheiten genießt.

Matteo

Matteo Bertone, kurz »Berti«, ist ausgesprochen hartnäckig – und dies nicht nur beim Fußballspielen, wenn er dem Ball nachjagt. Auch bei den Moun-Teens kann er sich so richtig in einen Fall verbeißen. Besonders auffallend ist Matteos positive Ausstrahlung – sein allzeit spürbarer Optimismus und die ansteckend gute Laune, die seine Freunde Matteos italienischen Wurzeln zuschreiben. Mit seinem wachen Blick, den dunkelbraunen Augen und seiner temperamentvollen Art versprüht Matteo jedenfalls viel Charme. Als Einziger der MounTeens wohnt Matteo nicht in Bad Lärchenberg, sondern mitten im Ski- und Wandergebiet, da seine Eltern Claudio und Monica Bertone das Hotel Regina auf der Lärchenalp führen. Matteos Bruder Diego ist bereits achtzehn, was ihn aber nicht daran hindert, seinen Bruder und die MounTeens immer wieder mal tatkräftig zu unterstützen.

Amélie

Amélie Richard ist humorvoll und unkompliziert. Ihr Lachen steckt an und macht sie, gepaart mit ihrer herzlichen Art, zur unverzichtbaren »Seele« der MounTeens. Amélie ist sehr sportlich, was wenig verwundert, da ihr Vater Tim Richard im Winter als Skilehrer und im Sommer als Bademeister in Bad Lärchenberg arbeitet.

Ihrer Mutter Lou Richard hilft sie manchmal im familieneigenen Friseurgeschäft, weshalb sie über Klatsch und Tratsch in der kleinen Bergstadt gut informiert ist. Amélie hat lange blonde Haare, blaue Augen und ist wie alle MounTeens dreizehn Jahre alt. Mit ihrer eher zurückhaltenden und bisweilen ängstlichen Art weckt sie den Beschützerinstinkt der Jungs – insbesondere jenen von Sam. Mit allen MounTeens verbindet sie eine enge Freundschaft, wobei sie sich selbst nicht sicher ist, ob der Begriff »Freundschaft« ihre Gefühle für Sam wirklich treffend beschreibt ...

Lenas Spiel mit dem Feuer

Mit einem dicken Kloß im Hals stieg Lena in den Zug, suchte sich ein freies Abteil und schaute traurig aus dem Fenster. Da standen sie alle auf dem Bahnsteig und sahen genauso ungläcklich aus wie ihr Spiegelbild: Ganz links ihre Mutter, die ihre Tränen nur mähsam unterdräcken konnte, rechts davon ihre beste Freundin Amélie, die hemmungslos schluchzte, und dann Sam, der Amélie mit ernstem Blick im Arm hielt, während Matteo mit wässrigen Augen danebenstand. Der Abschied fiel Lena unendlich schwer. Als der Zug anfuhr und ihre Liebsten nach einem letzten Zuwinken aus ihrem Blickfeld verschwanden, fählte es sich fär Lena an, als wärde ihr Herz herausgerissen. Sie spärte, wie sich eine erste Träne löste und ihr äber die Wange lief, dann schrie sie: »Ich will nicht wegfahren!«

Lena erwachte schweißgebadet. Hatte sie den letzten Satz wirklich gerufen? Und weshalb war dieser Alptraum schon wieder zurückgekehrt? Hatte er etwas mit Verlustängsten zu tun, wie ihre Mutter vermutete? Verarbeitete sie so die Tatsache, dass ihr Vater die Familie verlassen hatte, als sie sehr klein gewesen war? Oder ging es immer noch um diese Internatsgeschichte, die in den Sommerferien erstmals aufgekommen war? Da hatte ihre Mutter ernsthaft gefragt, ob Lena nicht lieber in ein Internat gehen wolle. Sie würde dort sicher viel besser betreut, meinte sie. Schnell war Lena klargeworden, dass ihre Mutter vor allem ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie wegen ihres Berufs als Tourismusdirektorin und als alleinerziehende Mutter so wenig Zeit für ihre Tochter aufbringen konnte.

Seufzend schlug Lena die Bettdecke zurück, um sich etwas abzukühlen. Die Leuchtziffern ihres Weckers zeigten zwei Uhr siebzehn. Sie dachte an das ernste Gespräch in den Sommerferien. Zum Glück hatte sie Mama davon überzeugen können, dass alles in bester Ordnung sei und sie sich kein bisschen vernachlässigt fühle. Ihre Mutter hatte sie dann in die Arme genommen und seither war das Ganze eigentlich kein Thema mehr gewesen. Dennoch hatte sich Lena danach oft überlegt, wie es wohl wäre, nur noch ab und zu an den Wochenenden zuhause zu sein. Unvorstellbar!

Im Flur waren leise Schritte zu hören. Wenig später wurde die Haustür geöffnet und wieder geschlossen.

Was war denn los? Unternahm ihre Mutter einen nächtlichen Ausflug? Lena setzte sich auf und tappte barfuß durch die dunkle Wohnung zum anderen Schlafzimmer. Als sie im Bett nur noch die Restwärme ihrer Mutter fühlen konnte, machte sie das Licht an und eilte zur Haustür. Ein gelber Zettel hing dort unübersehbar auf Augenhöhe. Lena erkannte die krakelige Schrift ihrer Mutter und las:

Falls du erwachst und das liest, mach dir keine Sorgen.

Ich musste nur kurz ins Bäro und bin gleich zuräck.

Mama

Lena runzelte die Stirn. Ins Büro? Mitten in der Nacht? Das klang doch sehr seltsam!

Plötzlich zuckte blaues Licht durch die Fensterscheiben im Wohnzimmer. Lena rannte hinüber, öffnete die Tür zum Balkon und trat hinaus. Die Kühle der Herbstnacht schlug ihr entgegen und Lena wurde bewusst, dass sie bloß einen Pyjama trug. Dennoch machte sie die drei Schritte zum Geländer und schaute hinunter zur Straße. Der mit Blaulicht fahrende Wagen war bereits hinter der nächsten Kurve verschwunden. Deshalb leuchteten nur noch die Bäume des kleinen Tierparks gespenstisch im Rhythmus des blauen Lichts. Was war passiert? Hatte Mamas plötzlicher Aufbruch mit einem Polizeieinsatz zu tun? Lena wandte den Blick etwas weiter nach links, wohin sich der Einsatzwagen offenbar bewegte. Dort im Stadtzentrum schien alles hell erleuchtet. Waren es Scheinwerfer? Lena spürte, wie die Kälte des Betonbodens via ihre nackten Füße langsam in ihr hochkroch. Sie fröstelte und schlang die Arme um sich. Dann atmete sie die kühle Nachtluft ein. Roch sie da Rauch? Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag: Der Einsatzwagen musste von der Feuerwehr sein! Da brannte es!

Fünf Minuten später hatte sich Lena angezogen, die Wohnung verlassen und hastete durch die dunklen Straßen Bad Lärchenbergs. Ihr Ziel war klar: das Tourismusbüro. Es konnte kein Zufall sein, dass ihre Mutter mitten in der Nacht dorthin geeilt war. Außerdem stimmte die Richtung, in der Lena den Brand vom Balkon aus vermutet hatte. Sie beschleunigte ihre Schritte. Nicht aus Angst, alleine unterwegs zu sein, sondern aus Sorge. Brannte tatsächlich das Haus, in dem sich das Tourismusbüro befand? Waren Menschen in Gefahr? Schließlich gab es in den zwei darüberliegenden Stockwerken ja auch Wohnungen. Sie überlegte fieberhaft, ob sie dort jemanden kannte, und erinnerte sich plötzlich an eine Situation, als Matteo beim Tourismusbüro einen Fußballkollegen verabschiedete. »Leandro Pozzi!«, sagte sie leise und spürte, wie ihr die Angst die Kehle zuschnürte. Er war ein Jahr jünger als sie und ging in die sechste Klasse, doch sie kannte ihn gut, weil er als Matteos Teamkollege in den Pausen oft bei den MounTeens stand. »Bitte nicht!«, stieß sie hervor. Natürlich hoffte sie, dass auch sonst niemandem etwas zugestoßen war, aber der Gedanke, dass der stets gut gelaunte Leandro möglicherweise in Gefahr war, ließ sie nicht mehr los.

Kurz darauf erreichte Lena die Hauptstraße und sah ihre Befürchtung bestätigt. Hundert Meter weiter links, genau auf Höhe des Tourismusbüros, musste es brennen. Jedenfalls waren mehrere Feuerwehrwagen, deren Warnlichter die Szene in pulsierendes, blaues Licht tauchten, quer über die Straße geparkt. Die Luft war erfüllt von Rauch und Lärm. Von Weitem waren Schreie zu hören: die Befehle von Feuerwehrmännern, aber auch entsetzte Ausrufe von den Menschen, die sich auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig versammelt hatten und die Löscharbeiten verfolgten. Als Lena näherkam, erkannte sie, dass einige Personen in Nacht-

hemden und Pyjamas mit umgewickelten Wolldecken dastanden. Sie ließ ihren Blick über die mehrheitlich unbekannten Gesichter wandern, bis sie bei einem Jungen hängen blieb. Ein großer Stein fiel ihr vom Herzen. Inmitten der Menschenmenge stand auch Leandro!

Bevor sich Lena weiter näherte, sah sie sich nach ihrer Mutter um und entdeckte sie schließlich etwas abseits des Geschehens in Diskussion mit einem der Feuerwehrmänner. Es wäre wohl schon besser, wenn Mama sie hier nicht sähe, dachte Lena und beschloss, sich im Hintergrund zu halten und vor ihrer Mutter wieder zuhause zu sein. Zur Sicherheit umrundete sie dennoch einen Häuserblock, um sich zwei Minuten später den Menschen auf dem Bürgersteig von hinten zu nähern und sich unauffällig unter sie zu mischen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Feuer zu sehen. Es brannte tatsächlich nur im Tourismusbüro, das sich im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses befand. Die Feuerwehr schien den Brand allerdings schon gut unter Kontrolle zu haben. Nur einzelne Flammen züngelten noch aus dem geborstenen Schaufenster. Die oberen Stockwerke waren nicht in Brand geraten und auch im Erdgeschoss schien nur der eine große Büroraum betroffen zu sein. Lena suchte in der Menge nach Leandro, bahnte sich den Weg zu ihm und tippte ihm auf die Schulter.

»Was machst du denn hier?«, fragte Leandro überrascht. Er war bleich und seine Lippen zitterten. Ob vor Kälte oder als Folge des Schocks, vermochte Lena nicht zu sagen. Sie hatte ihn jedenfalls noch nie so verstört gesehen.

»Ich bin aufgewacht, weil meine Mutter als Tourismusdirektorin natürlich hierherkommen musste.« Sie deutete mit dem Kinn zum Büro. »Da ist wohl ein Großteil der Inneneinrichtung beschädigt worden.«

Leandro nickte schweigend, bevor sein leerer Blick wieder zum Haus hinüberwanderte.

»Bist du okay?« Lena legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Hmm, ja. Geht schon.« Leandro sprach, während er der Feuerwehrfrau zuschaute, wie sie mit dem Hochdruckstrahl weiterhin Wasser ins Büro spritzte, obwohl der Brand nun ganz gelöscht schien. »Meine Mutter wurde wegen des Rauches als Erste wach und hat mich sofort geweckt. Dann rannten wir zu unseren Nachbarn neben und über uns, um sie zu warnen. Wir klopften gerade an ihre Türen, als auch schon die Feuerwehr eintraf. Jemand hatte den Brand bereits gemeldet. Die Feuerwehrleute riefen uns zu, wir sollten direkt zu ihnen kommen und auf keinen Fall mehr Dinge aus der Wohnung holen.« Er schaute mit einem Schulterzucken an sich herunter. »Das erklärt die lächerliche Aufmachung.«

Lena bemerkte erst jetzt, dass Leandro unter der umgewickelten Wolldecke in Pyjama und Flip-Flops vor ihr stand, was ihm sichtlich unangenehm war. Sie versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln. »Hauptsache, euch ist nichts passiert!«

»Ja, schon«, antwortete Leandro bedrückt. »Ich mache mir aber Sorgen, ob wir wieder zurück in die Wohnung gehen dürfen!«

»Entschuldigt, ich habe euer Gespräch nicht belauschen wollen«, sagte einer der Umstehenden. »Du musst dir keine Sorgen machen, Junge!«

Lena und Leandro sahen den Mann fragend an.

»Der Brand war zu klein und zu schnell gelöscht, um die Bausubstanz des Gebäudes anzugreifen. Und die Rauchentwicklung hat das Haus auch nicht unbewohnbar gemacht. Ihr werdet wieder in eure Wohnung gehen können.«

»Klingt gut, aber ... woher ...«, stammelte Leandro.

»Woher ich das weiß? Ich hatte bei einer Versicherung beruflich mit Schadenermittlung zu tun, bevor ich hier nach Bad Lärchenberg zog und mich neu orientierte. Ihr entschuldigt mich. Ich muss zurück an die Arbeit.«

Lena schaute dem Unbekannten verdutzt nach. »Weißt du, wer das war?«

»Ich glaube, das war der Tankstellenbesitzer.« Leandro schien dank den Erklärungen des Mannes bereits viel zuversichtlicher zu sein. In sein blasses Gesicht war sogar ein wenig Farbe zurückgekehrt.

»Ob er wohl den Brand gemeldet hat?«

Leandro schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, es war der Herr dort drüben.« Er deutete zu einem kahlköpfigen Mann mittleren Alters, der sich bei der linken Straßensperre intensiv mit einem Feuerwehrmann unterhielt. »Zumindest habe ich ihn schon unten auf der Straße gesehen, als ich aus unserer Wohnung rannte.«

Lena nahm ihre Brille ab und putzte sie mit dem Ärmel ihres Pullovers. Dann betrachtete sie den Mann genauer. Es war Herbert Großmann, der Besitzer des Restaurants »Lauenbrücke«. Da Anna Sander als Tourismusdirektorin mit vielen Gewerbetreibenden der Stadt im steten Kontakt war und ihre Tochter zu einzelnen Veranstaltungen auch mitnahm, kannte Lena mittlerweile die meisten von ihnen. Beim Gedanken daran, wie ihre Mutter und sie den Restaurantbesitzer jeweils nannten, wenn sie unter sich waren, musste sie schmunzeln: »Großmaul«! Angesichts des beträchtlichen Sendungsbewusstseins und der Wichtigtuerei passte dieser Name viel besser als »Großmann«, fand Lena.

»Ich gehe mal zu ihm«, sagte sie zu Leandro und wünschte ihm, dass schnell wieder alles gut werde. Nach einem prüfenden Blick zu ihrer Mutter, die weiterhin mit dem Feuerwehrmann diskutierte und abgelenkt schien, bewegte sich Lena im Schutze der noch immer zahlreichen Schaulustigen unauffällig hinüber zur Straßensperre.

»Emmerich«, las sie auf der Uniform des Feuerwehrmannes, als sie näherkam. Lena schätzte den eher kleinen Mann, unter dessen Helm sie nun ein freundliches Gesicht mit Nickelbrille und Dreitagebart erkannte, auf knapp vierzig. Er schaute sie fragend an, worauf sich auch sein Gesprächspartner Großmann zu ihr umdrehte.

»Hallo, junge Frau! Was machst du denn zu so später Stunde hier draußen?« Großmann schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Ach so, ich Idiot! Jetzt weiß ich wieder, woher ich dich kenne. Du bist Lena und bestimmt mit deiner Mutter hier.«

»Na ja ...«, druckste Lena herum. »Ehrlich gesagt wäre ich froh, wenn Sie meiner Mutter nicht sagen, dass ich hier bin. Sie hat es mir zwar nicht ausdrücklich verboten, aber ...«

Großmann zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Verstehe, ich schweige wie ein Grab.«

»Danke, darf ich Sie etwas fragen?«, legte Lena direkt los. »Ist es richtig, dass Sie den Brand gemeldet haben?«

Großmann hob wegen der Frage überrascht eine Augenbraue, antwortete dann aber nicht ohne Stolz: »Ja, ich bin gegen zwei Uhr hier vorbeigekommen und sah es brennen. Zum Glück habe ich sofort richtig reagiert.« Er plusterte sich wie ein Pfau auf und tippte sich an die Schläfe. »Ein Segen, dass die Nummer der Feuerwehr da drin gespeichert ist, nicht wahr, Lars?«

Emmerich schien von der Angeberei wenig beeindruckt und schwieg.

»Ist das Feuer im Innern des Tourismusbüros ausgebrochen?«, hakte Lena stattdessen nach.

»Ich denke schon, wo sonst?«

Der Feuerwehrmann schaltete sich ein. »Als wir ankamen, hat es wohl bereits rund eine Viertelstunde gebrannt. Die Fensterscheibe war geborsten und die Flammen züngelten heraus. Der Brand hat also bestimmt im Inneren begonnen, allerdings ...« Er brach mitten im Satz ab.

»Glauben Sie, es könnte Brandstiftung gewesen sein?«, fragte Lena einer plötzlichen Eingebung folgend.

»Nein, wie kommst du darauf?«, entgegnete Emmerich etwas zu hastig, wie Lena fand. Warum war der Feuerwehrmann auf einmal so nervös? Konnte es sein, dass sie mit dem Verdacht der Brandstiftung ins Schwarze getroffen hatte und er das nicht bestätigen durfte?

»Nur so«, erwiderte sie argwöhnisch. »Aber was denken Sie?«

Emmerich runzelte die Stirn. »Ich denke, dass ich mich hier von dir fast ein wenig verhört fühle. Wäre das nicht Sache der Polizei?«

»Lena ist eben bei den MounTeens«, sagte Großmann ohne sarkastischen Unterton in der Stimme. Es wirkte eher so, als würde er sich damit brüsten, die Detektivbande zu kennen.

Lena frohlockte innerlich, dass die MounTeens mittlerweile sogar in der Bevölkerung Bad Lärchenbergs eine gewisse Bekanntheit genossen.

Emmerich verstand allerdings bloß Bahnhof. »Mauzis? Hat das was mit Katzen zu tun?«

»Nicht ganz.« Lena klärte den Feuerwehrmann in aller Kürze auf. Dieser nickte aufgrund der Ermittlungserfolge der Moun-Teens in vergangenen Fällen zwar anerkennend, wollte ihr danach aber dennoch keine weiteren Auskünfte mehr geben.

Lena blickte sich um. Die Hektik bei den Feuerwehrleuten hatte spürbar nachgelassen. Gerade versammelte der Kommandant seine Truppe und gab Anweisungen, alle Schläuche bis auf jenen der Feuerwehrfrau einzurollen. Diese sollte zusammen mit einem Kollegen Brandwache halten, wenn Lena das von Weitem richtig verstanden hatte.

»Lars und Rico«, schrie der Kommandant seinen zwei Männern bei den Straßensperren links und rechts des Hauses zu. »Ihr bleibt ebenfalls hier, weil wir die Straße vorderhand gesperrt lassen.« Für alle anderen erklärte er den Einsatz offenbar als beendet, worauf die Fahrzeuge beladen und abfahrbereit gemacht wurden.

Höchste Zeit, sich langsam aus dem Staub zu machen, bevor ihre Mutter sie entdeckte, dachte Lena. Aber wo war Mama eigentlich?

»Lena!«, hörte sie eine entrüstete Stimme ganz in der Nähe schrill rufen. Dann wurde sie an der Schulter gepackt.

»Mama, lass mich erklä...«

»Da gibt's gar nichts zu erklären!«, schimpfte Anna Sander. »Was denkst du dir eigentlich dabei, mir hierher zu folgen? Du gehst nun sofort nach Hause!« Aufgebracht stapfte sie davon, bevor sie mit hochrotem Kopf wieder zurückkehrte. »Ich bin so durcheinander und wütend, dass ich dich fast alleine zurückgeschickt hätte.« Sie rang um Fassung. »Das geht natürlich nicht.«

»Ich lasse Ihre Tochter mit dem Einsatzleiterfahrzeug nach Hause fahren«, bot der Feuerwehrkommandant an, der die Situation mitbekommen und die Verzweiflung in Annas Augen gesehen hatte. »Ich bin nämlich froh, wenn Sie noch kurz hierbleiben könnten, Frau Sander.«

»Danke!«, presste Lenas Mutter hervor, dann schaute sie ihre Tochter scharf an. »Wir sprechen uns beim Frühstück!«

Brandneu

Amélie stellte ihr Fahrrad in den dafür vorgesehenen Ständer bei der Schule und wartete auf Sam. Sie überlegte, wie sie den Beziehungsstatus zwischen ihnen gerade beschreiben würde. Sicherlich war es so, dass sie mehr als nur Freunde waren, aber als ihren