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Es geht um viel Geld und Macht. Bill Alamo kann insofern nicht einfach der Dinge harren, die da kommen mögen. Doch sobald der Texas-Ranger eingreift, schlagen seine Gegner noch stärker zurück. Einer der gefährlichsten unter ihnen ist Blizzard-Nelson, der die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Er mischt im blutigen Konflikt zwischen einer mächtigen Ölgesellschaft und erbosten Ranchern mit. Aber damit nicht genug - die Drahtzieher im Hintergrund haben noch größere Pläne: Sie wollen das gesamte County in ihren Besitz bringen ...
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Blizzard-Nelson
Vorschau
Impressum
Blizzard-Nelson
Von Rex Hayes
Ein scharfer Luftzug streift meine Kopfhaut, ein Knall erreicht meine Ohren, und plötzlich sitzt mein Hut schief.
Ich fliege aus dem Sattel und lande im bauchhohen Bunchgras. Shadow, mein treuer Kampfgefährte, macht ein paar erschreckte Sätze und bleibt dann stehen. Meine Winchester steckt im Gewehrschuh unter dem linken Sattelblatt, unerreichbar in dieser Sekunde für mich.
Ich ziehe meinen rechten Colt aus dem Holster und überlege mir, warum man mich wohl erschießen will. Ich bin fremd in dieser Gegend, nie bin ich hier irgendjemandem auf die Zehen gestiegen. Und doch muss es einen Mann geben, der mich auf seinen Schießprügel rennen lassen will.
Aber warum will er das tun? Und wer ist dieser Bursche?
Vorsichtig hebe ich den Kopf ein wenig über die wehenden Grashalme.
Ich habe die Nasenspitze noch nicht so weit hoch, dass ich etwas ausmachen kann, als es zum zweiten Mal knallt. Mein Stetson bekommt ein weiteres Loch. Der unbekannte Schütze versteht sein Handwerk.
Ich seufze und lasse mich wieder fallen. Dann nehme ich den Hut ab und betrachte die beiden Schusslöcher.
In Wirklichkeit sind es vier: zwei Einschüsse und zwei Ausschüsse.
Jetzt versuche ich einen alten Trick: Ich stecke meinen Stetson auf den Revolverlauf und hebe ihn langsam in die Höhe. Augenblicklich knallt es zum dritten Mal, und der Stetson fängt zu rotieren an. Nun ist ein fingerlanger Riss in dem mürben Filz, er ist endgültig hinüber.
Links von mir befindet sich eine kleine Erhebung. Auf Finger- und Zehenspitzen robbe ich darauf zu. Das geht ziemlich langsam, denn ich muss das Gras vorsichtig auseinanderbiegen, um meinen Fluchtweg nicht zu verraten. Als ich den Erdhügel erreiche, bin ich in Schweiß gebadet, und mein Herz rast.
Langsam schiebe ich den Kopf empor und spähe über den weiten Ozean von blaugrün schimmerndem Gras, dessen Halme von einem sanften Wind bewegt werden und den Eindruck eines wogenden Meeres verstärken.
Drüben, hundert Meter zu meiner Rechten, bewegt sich ein dunkler Körper durch die wehenden Grasschleier. Ein Gesicht erscheint im Schatten einer großen Hutkrempe für den Bruchteil eines Augenblicks und verschwindet sofort wieder. Ein Sonnenstrahl bricht sich im blaufunkelnden Stahl eines Gewehrlaufes.
Ich hebe den Colt und ziele. Dann lasse ich ihn wieder sinken und stecke ihn zurück ins Holster. Hundert Meter sind zu weit. Viel zu weit für ein Ziel, von dem man nicht mehr als einen vagen Schatten wahrnehmen kann.
Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen.
Ich beobachte die Umgebung. Im Hintergrund erheben sich sanfte, runde Hügel gegen den diesigen Horizont. Davor steht ein kleiner Cottonwoodhain. Mir ist es, als bewege sich ein dunkles Schemen zwischen den Cottonwoods.
Es muss das Pferd des Burschen sein, der so wild darauf ist, mich umzubringen.
Wenn es mir gelänge, zu dem Tier zu kommen, könnte ich meinen Gegner von seinem einzig möglichen Rückzugsweg abschneiden.
Das ist meine Chance.
Wieder beginne ich, auf Händen und Knien zu robben, und mein Gesicht bedeckt sich mit Schweiß, was meine Laune nicht gerade verbessert. Als ich mich einmal umdrehe, sehe ich Shadow weit im Hintergrund stehen und friedlich grasen.
Nach weiteren zweihundert Metern wage ich es, mich aufzurichten und geduckt weiterzuhuschen. Ich muss mich jetzt beeilen, denn wenn der Bursche merkt, dass er mich nicht erwischt hat, wird er das Bedürfnis haben, sich zu seinem Pferd zurückzuziehen.
Als ich die Cottonwoods erreiche, bin ich ziemlich erschöpft. Das Hemd klebt mir am Rücken, und ich habe das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette. Aber das muss ich mir vorerst noch verkneifen.
Ich arbeite mich durch das Unterholz und sehe, dass ich mich nicht getäuscht habe. Vor mir steht ein dürres Pony, das sich mit gefesselten Vorderbeinen ungeschickt zwischen den Stämmen bewegt und mit gesenktem Hals das Gras abrupft, das unter den Cottonwoods wächst. Der Gewehrscabbard unter dem Schweißblatt des Sattels ist leer.
Ich mache es mir etwas abseits hinter einem gestürzten Baumstamm bequem, hole mein Rauchzeug aus der Tasche und drehe mir eine Zigarette. Die ersten Züge schmecken herrlich. Ich blase blauen Rauch gegen den Himmel und überlege, was ich mit diesem Burschen machen werde, wenn ich ihn jetzt schnappe. Denn entkommen kann er mir nicht mehr.
Eine Weile später rascheln schnelle, hastige Schritte durch das Unterholz. Zweige knacken. Eine unterdrückte Stimme murmelt einen Fluch.
Vorsichtig drücke ich den Zigarettenrest an dem Baumstamm aus, der mich verbirgt, und ziehe den Revolver. Gleich darauf erscheint ein Mann auf der anderen Seite der schmalen Lichtung und tritt rasch und nervös auf das Pferd zu. Er hält einen Spencer am Lauf und schleift den Kolben hinter sich her.
Der Colt fällt mir beinahe aus der Hand, als ich ihn näher ins Auge fasse.
Ich war darauf gefasst, auf irgendeinen dieser Verbrecher oder Banditen zu stoßen, dem ich einmal zu ein paar Jahren hinter Gittern verholfen habe und der mich durch Zufall wiedererkannt hat.
Das Gegenteil ist der Fall. Der Mann ist alt und vertrocknet. Er trägt die raue Kleidung eines kleinen Viehzüchters oder Cowboys. Sein Revolver ist so hoch geschnallt, dass er ihn unmöglich schnell ziehen kann. Graues, strähniges Haar, das er nach der Sitte der alten Grenzer ziemlich lang trägt, fällt unter der Krempe seines verwitterten Stetsons herunter.
Das Auffälligste aber an diesem Mann ist sein Gesicht: Es ist nicht das Gesicht eines Mörders oder berufsmäßigen Verbrechers, sondern das raue, aber ehrliche Gesicht eines Mannes, dem das Leben nichts geschenkt hat.
Ich verstehe mich auf Gesichter. Das bringt mein Beruf mit sich.
Was nur hat diesen Mann veranlasst, auf mich zu schießen?
Er fummelt am Sattelzeug und zieht den Gurt stramm. Als er aufsitzen will und mir den Rücken zudreht, erhebe ich mich und richte meinen Colt auf seine Schulterblätter.
»Halt! Greifen Sie zum Himmel!«
Der Alte steht eine Sekunde lang wie erstarrt da. Dann zieht er den linken Fuß aus dem Steigbügel zurück und hebt die Hände über den Kopf. Sein Rücken wird krumm, er sinkt gleichsam in sich zusammen. Seine ganze Haltung drückt Mutlosigkeit und Enttäuschung aus.
»Ich wusste doch, dass ich Ihnen nicht gewachsen bin, Blizzard«, sagt er mit einer rauen, rostigen Stimme, die irgendwie auch hoffnungslos klingt. »Aber ich musste es einfach versuchen. Nun gut, ich habe Sie verfehlt. Erschießen Sie mich – und seien Sie verdammt dafür!«
Ich lasse den Revolver sinken. Jetzt weiß ich überhaupt nicht mehr, woran ich bin.
»Was?«, frage ich. »Was haben Sie gesagt? Wie nannten Sie mich eben?«
Der Mann hat bisher mit dem Rücken zu mir gestanden. Jetzt dreht er sich schwerfällig um und blickt mich an. Seine Augen sind pulvergrau. Aber sie zeigen keine Furcht. Nur Trauer und Hoffnungslosigkeit.
»Was soll das Theater? Sie sind doch Blizzard-Nelson, den die Titanic ins Land geholt hat, um uns zu vernichten. Warum geben Sie es nicht zu?«
Meine Gedanken wirbeln durcheinander. Was ist das jetzt schon wieder?
Blizzard-Nelson ist mir bekannt. Es ist der Name eines Revolverhelden, der das Gebiet westlich des Pecos Rivers unsicher macht und schon lange auf unserer Liste steht. Aber Blizzard-Nelson ist schlau und hat es bei allen seinen Aktionen bisher immer verstanden, den Notwehrparagrafen für sich in Anspruch zu nehmen. Aber auch er macht einmal einen Fehler, und dann werden wir, die Texas-Ranger, ihn schon schnappen.
»Alter, Sie können jetzt die Hände 'runternehmen, wenn Sie mir versprechen, keine Dummheiten mit dem Schießeisen zu machen, das Sie an Ihrer Hüfte tragen«, sage ich ruhig. »Ich bin nicht Blizzard. Ich heiße Bill – Smith. Sie haben mich verwechselt.«
Die Augen meines Gegenübers werden groß und rund.
»Ist das wahr?«
»Sicher«, antworte ich und stecke den Revolver ein. »Genügt Ihnen das?«
Er nimmt die Hände herunter. Etwas von Leben kehrt in sein Gesicht zurück. Gleichzeitig drückt es aber Sorge und eine echte Erschütterung aus.
»Da hätte ich beinahe den Falschen erwischt«, murmelt er zerknirscht. »Smith, zur Hölle, es tut mir mächtig leid.«
»Dass Sie mich nicht getroffen haben?«, frage ich grinsend.
»Nein, natürlich nicht. Dass ich auf Sie geschossen habe, wollte ich sagen.«
»Freut mich, dass Sie das einsehen. Ich hatte Glück, dass Sie Ihre erste Kugel einen Zentimeter zu hoch setzten, sonst könnten Sie sich jetzt nicht mehr mit mir unterhalten.«
Ich nehme meinen Stetson ab und deute auf die Kugellöcher. »Sie sind mir einen neuen Hut schuldig, schätze ich. Wie war doch Ihr Name?«
»Ich heiße Boulder, Hank Boulder«, gibt er hastig zurück. In seinem Gesicht, das vom Staub aller Rinderstaaten zwischen Texas und Montana gebeizt scheint, zuckt es. Er hat den Schock noch immer nicht überwunden.
»Setzen Sie sich, Boulder«, sage ich scharf. Der Alte gehorcht.
»Nun«, fahre ich fort, »ich könnte jetzt kurzen Prozess mit Ihnen machen, und jede Jury in diesem Land würde mich freisprechen. Ich tue es nicht. Aber ich will wissen, warum Sie diesen Blizzard mit einem Gewehr in der Hand erwarteten. Was wird hier gespielt?«
Boulder hebt den Kopf. »Es geht um Wasser.«
»Aha.« Ich nicke, als ob ich nun über alles Bescheid wüsste. »Ein Weidekrieg also?«
Er starrt mich an. Ich habe das Gefühl, als ob seine klaren, grauen Augen durch mich hindurchsähen. Da ist ein Mann, dem die Not die Waffe in die Hand gezwungen hat. Und sicher steht er nicht allein.
»Ja, so etwas Ähnliches wie ein Weidekrieg«, gibt er zu.
»Schön. Und die Gegenseite hat sich Blizzard gekauft, woraufhin Sie versuchen wollten, seine Ankunft zu vereiteln?«
Er nickt. »So ist es. Die Titanic ist nicht wählerisch in ihren Mitteln. Alle Vorteile sind in ihrer Hand. Wenn Blizzard auf ihrer Seite kämpft, haben wir keine Chance mehr. Dann können wir einpacken und versuchen, woanders von vorne anzufangen – oder nur noch mit fliegenden Fahnen untergehen. Es gibt keine dritte Möglichkeit.«
»Wer ist das, diese Titanic?«, forsche ich nach.
Seine Mundwinkel fallen nach unten, was seinem zerknitterten Gesicht einen Ausdruck tiefster Bitterkeit verleiht. »Sie haben noch nie von ihr gehört?«
»Nein. Eine Viehverwertungsgesellschaft?«
Boulder schüttelt den Kopf. »Die Titanic hat nichts mit Vieh zu tun. Jedenfalls züchtet sie keines und verkauft es auch nicht. Sie richtet es nur zugrunde.«
»Was treibt sie denn sonst?«, frage ich ungeduldig. »Sprechen Sie nicht in Rätseln.«
»Die Titanic-Compagnie ist eine Ölgesellschaft«, erklärt Boulder.
»Eine Ölgesellschaft?«
Ich weiß natürlich, dass in vielen Teilen von Texas nach Öl gebohrt wird. Erdöl ist das Produkt, dem die Zukunft unseres Landes gehört – nicht mehr die Viehzucht. Das ist bitter für alle diese alten Rinderleute, die mitansehen müssen, wie Tausende von Hektar Weideland umgewühlt und mit hässlichen Bohrtürmen bepflanzt werden.
Aber was will man machen?
Der Fortschritt ist rasant – und lässt sich nicht aufhalten. Schließlich habe ich selbst einmal die Ingenieurschule besucht, bevor ich Ranger wurde, und daher weiß ich, dass es zwecklos ist, sich gegen den Vormarsch des Erdöls zu stemmen. Eines Tages, in nicht mehr ferner Zukunft, wird es Kriege und Frieden, Siege und Niederlagen entscheiden, und dann werden wir froh sein, dass wir es bei uns in Texas haben.
Ich habe auch schon davon gehört, dass die Ölgesellschaften bei der Wahl ihrer Mittel gelegentlich ziemlich rücksichtslos sind, wenn sie Land erschließen wollen, das sie für fündig erachten. Ich habe aber noch nie davon gehört, dass sie Rinder zugrunde richten, wie Boulder es ausgedrückt hat. Das interessiert mich.
»Na schön«, sage ich. »Eine Ölgesellschaft also. Damit werdet ihr euch abfinden müssen. Hat sie euch Land abspenstig gemacht, oder was ist es sonst, warum ihr kämpfen wollt?«
Boulder schüttelt den Kopf. »Es geht nicht um Land. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, es geht um Wasser.«
»Das müssen Sie mir schon etwas näher erklären. Seit wann hat eine Ölgesellschaft Interesse an Wasserrechten? Da ist doch etwas faul. Machen Sie endlich die Zähne auseinander und lassen Sie sich nicht jedes Wort einzeln herausziehen!«
Boulder tritt neben sein Pferd.
»Wenn Sie mit mir reiten, werde ich Ihnen zeigen, was ich meine.«
Ich bin noch etwas misstrauisch. Schließlich könnte es eine Falle sein.
Er merkt es und lächelt. Mit spitzen Fingern zieht er seinen Colt aus dem Holster.
»Hier, nehmen Sie ihn. Mein Gewehr können Sie auch haben. Ich gebe mich ganz in Ihre Hand. Zufrieden jetzt?«
Ich nicke, nehme den Colt und verstaue ihn in meinem Hosenbund. Sicher ist sicher. Boulders Spencer lasse ich im Scabbard. Hier, auf kurze Distanz, hätte er mit einem Gewehr nie eine Chance gegen meine Revolver.
Ich gehe an den Rand des Unterholzes, stecke zwei Finger in den Mund und stoße einen grellen Pfiff aus. Zehn Sekunden später bricht Shadow mit trommelnden Hufen durchs Gestrüpp und bleibt schnaufend vor mir stehen.
Boulder sitzt schon im Sattel. »Feines Pferd. Wissen Sie, dass es Ihnen das Leben gerettet hat?«
Ich ziehe die Brauen hoch. »Wie das?«
»Ich sah ihn und bekam Herzklopfen bei seinem Anblick. Deswegen ging meine Kugel vorbei.«
Ich sitze ebenfalls auf und nehme die Zügel in die linke Hand.
»Reiten wir.«
Boulder lässt sein mageres Pferd vor mir hergehen, bis wir den Rand des Cottonwoods hinter uns haben. Dann hält er auf die Hügelkette im Westen zu. Das Bunchgras steht üppig und hoch, es ist noch nicht Hochsommer, und die Hitze hat es noch nicht verdorrt. Das beste Viehfutter, das man sich denken kann.
Trotzdem kann ich nirgends auch nur die Spur einer Rinderherde entdecken. Das macht mich stutzig. Aber ich will Boulder nicht fragen, der in ein mürrisches Schweigen versunken ist und mit krummem Rücken vor mir herreitet.
Nach einer halben Stunde sind wir zwischen den Hügeln und reiten darüber. Jenseits davon hat ein Fluss sein gewundenes Bett in die Landschaft gegraben. Er führt verhältnismäßig viel Wasser, und das ist eine Seltenheit hier unten im heißen Südwesten. Wieder kommt mir der Gedanke, wie ideal dieser Landstrich für die Viehzucht sein muss. Und wieder fällt mir auf, dass ich auch nicht die Spur einer Herde entdecken kann.
Boulder zieht auf der Höhe der Hügelkämme die Zügel an und bringt sein Pferd zum Stehen. Seine Hand zeigt auf den Fluss.
»Sehen Sie den? Das ist der Big Sandy River.«
Ich nicke. »Feiner Fluss. Ich verstehe nicht ...«
»Feiner Fluss?«, unterbricht er mich fast zornig. »Der Big Sandy war mal fein. Heute ist sein Wasser das reinste Gift für uns Rinderleute.«
»Die Ölgesellschaft? Sie hat doch nicht etwa ...«
»Sie hat!«, entgegnet mein Begleiter bitter. »Aber kommen Sie mit. Sehen Sie sich das selbst an.«
Er gibt seinem Pferd die Sporen und reitet zum Flussufer hinab. Ich folge ihm.
Und dann sehe ich es. Es ist eine Schweinerei. Es ist genau die Art von Schweinerei, die jeden aufrechten Rindermann auf den Kriegspfad treiben muss.
Jetzt wird mir manches klar.
Sogar die Schüsse, die Hank Boulder auf mich abgefeuert hat.
Das Wasser des Big Sandy glänzt in der Sonne. Ich brauche nicht aus dem Sattel zu steigen, um zu erkennen, woher dieses Glänzen kommt. Blaurot schillernde Farbkreise treiben vorbei, zerteilen sich, fließen wieder ineinander und bedecken die Wasseroberfläche. Gleichzeitig erreicht ein infernalischer Gestank meine Nase.
Der ganze Fluss ist mit einer dicken Ölschicht bedeckt. Boulder hat recht: Hier gibt es Wasser im Überfluss – eine Kostbarkeit im sonst meist recht wasserarmen und trockenen Westen –, aber es ist das reinste Gift für die Rinder, die an seine Ufer kommen, um davon zu trinken.
»Hank, erklären Sie mir das genauer!«, fordere ich ihn heiser auf.
Der Alte zuckt mit den Schultern. Er hat Mühe, sein durstiges Pferd von dem verseuchten Wasser fernzuhalten. Auch Shadow drängt gegen den Zügel und scharrt verlangend mit den Hufen.
»Da gibt's nicht viel zu erzählen«, sagt Boulder mit einer Stimme, die gallenbitter klingt. »Das Land am Big Sandy ist sehr fruchtbar, der Fluss hat immer Wasser. Viele Farmer siedeln hier, außerdem eine Reihe kleiner Viehzüchter. Aber es gibt keine sehr großen Ranches hier unten, wie man sie zum Beispiel im Panhandle finden kann. Wir lebten friedlich und waren glücklich. Der Big Sandy war unsere Lebensader – bis die Ölbohrer kamen.«
Er spuckt übers Sattelhorn in die verseuchte Brühe, die kaum noch die Bezeichnung Wasser verdient.
»Zuerst störten uns die Ölleute nicht«, fährt Boulder fort. »Die Stelle, wo sie zu bohren begannen, liegt oben im Desert Canyon, einem Wüstenstück zwischen den Bergen, das sich weder für die Viehzucht noch als Farmland eignet. Wir ließen sie also in Ruhe, und die Geschäftsleute in Pueblo City waren sogar froh, als sie kamen, denn sie brachten das Geld in die Stadt. Zuerst sah alles ganz harmlos aus – bis sie Fuß gefasst hatten und sich sicher fühlten. Ihre Bohrungen wurden fündig. Und jetzt begann die Schweinerei: Sie führten ihre Abwässer und den ganzen Dreck aus den Bohrlöchern, den sie nicht verwerten konnten, in einen Fluss ab, der in der Nähe ihres Camps aus den Bergen kommt. Der Fluss ist der Big Sandy. Sie brauchten nur ein paar Wochen, bis sie ihn durch und durch vergiftet hatten. Unsere Herden, die am Fluss weideten, gingen ein. Wir konnten sie nicht vom Wasser zurückhalten, wenn sie durstig waren, dazu hatten wir zu wenig Leute. Also mussten wir den ganzen Uferstreifen räumen. Es ist ein Jammer. Da liegt die beste Rinderweide, die ich je in meinem Leben gesehen habe, und wir können sie nicht benutzen. Können Sie jetzt verstehen, dass wir böse wurden?«
Ich kann nur nicken.
Diese Ölleute! Welcher Teufel mag sie geritten haben, dass sie ihren Dreck in den Fluss ablassen mussten? Wussten sie nicht, dass sie damit einen Krieg geradezu an den Haaren herbeizogen?
»Was sagt der Sheriff von Pueblo City zu dieser Sache?«
Hank Boulder hebt müde die Schultern unter seinem dünnen Wetterrock und lässt sie wieder sinken.