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Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Soziologie - Politik, Majoritäten, Minoritäten, Note: 1,0, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Institut für Soziologie und Politische Wissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung „Energie ist das treibende Moment aller Naturprozesse und stellt damit eine wesentliche Bedingung für die Entwicklung des Lebens auf der Erde als auch der menschlichen Gesellschaft dar. Wie alle Lebewesen ist der Mensch auf einen permanenten Zustrom an Energie angewiesen, um Nahrung, Wärme, Licht und die für ein angenehmes Leben wichtige Güterproduktion sicherzustellen.“ (Ackermann/ Krämer/ u.a. 2001: 18). 1 Die gesellschaftliche Bedeutung der Energienutzung besitzt eine lange Geschichte. Seit der industriellen Revolution und der Erschließung fossiler Energieträger, später der Entdeckung der Atomenergie, spielt dabei der Einsatz von Technik eine große Rolle. Vor dem Hintergrund der weltweiten Klimaerwärmung und der Endlichkeit fossiler Brennstoffe werden die technischen Errungenschaften jedoch nicht nur als Eingriff in die Natur, sondern auch als deren Ausbeutung und Zerstörung angesehen. 2 Aus diesem Grund gewinnen regenerative Energien immer mehr an Bedeutung. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse gelten als die Hoffnungsträger zur ressourcenschonenden und CO 2 -armen Energiegewinnung. Trotzdem liegt die Forschung - obwohl schon viele Fortschritte erzielt wurden - bezüglich der effektiven Nutzung regenerativer Energieträger noch weit zurück, so dass die Stromgewinnung aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse verhältnismäßig teuer ist (Ackermann/ Krämer/ u.a. 2001: 20f). Zur notwendigen finanziellen Unterstützung der erneuerbaren Energieformen trägt seit Anfang der 90er Jahre das Energiewirtschafts- und Stromeinspeisegesetz bei, das von allen Fraktionen im Bundestag unterstützt wurde. 3 Es verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen zur Einspeisung und Vergütung des Stroms, der durch regenerative Energien erzeugt wird. Diese staatliche Förderung der erneuerbaren Energieträger ging einher mit der mehrheitlichen Zustimmung in der Bevölkerung, die u.a. durch Ölkrisen und die Katastrophe von Tschernobyl zu einem neuen Umweltbewusstsein gelangt war (Hasse 1999: 14). 4 Die Windkraft, als eine der staatlich geförderten erneuerbaren Energien, erfuhr aufgrund der technischen Errungenschaften in diesem Sektor schon Anfang der 80er Jahre einen regelrechten Boom. Die Windenergieanlagen (WEA) wurden zu seriengefertigten Einheiten weiterentwickelt, deren Leistung sich stetig steigerte. [...]
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Veröffentlichungsjahr: 2007
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Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung
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Haben Sie eine schöne, unberührte Landschaft hinterm Haus? Wohnen Sie gar auf dem Land, fern von der Hektik der Großstadt? Sehen Sie beim Blick aus dem Fenster nur Wälder und Wiesen? Dann wird es aber höchstens Zeit, daß sich was ändert:
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„Energie ist das treibende Moment aller Naturprozesse und stellt damit eine wesentliche Bedingung für die Entwicklung des Lebens auf der Erde als auch der menschlichen Gesellschaft dar. Wie alle Lebewesen ist der Mensch auf einen permanenten Zustrom an Energie angewiesen, um Nahrung, Wärme, Licht und die für ein angenehmes Leben wichtige Güterproduktion sicherzustellen.“ (Ackermann/ Krämer/ u.a. 2001: 18).1Die gesellschaftliche Bedeutung der Energienutzung besitzt eine lange Geschichte. Seit der industriellen Revolution und der Erschließung fossiler Energieträger, später der Entdeckung der Atomenergie, spielt dabei der Einsatz von Technik eine große Rolle. Vor dem Hintergrund der weltweiten Klimaerwärmung und der Endlichkeit fossiler Brennstoffe werden die technischen Errungenschaften jedoch nicht nur als Eingriff in die Natur, sondern auch als deren Ausbeutung und Zerstörung angesehen.2Aus diesem Grund gewinnen regenerative Energien immer mehr an Bedeutung. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse gelten als die Hoffnungsträger zur ressourcenschonenden und CO2-armen Energiegewinnung. Trotzdem liegt die Forschung - obwohl schon viele Fortschritte erzielt wurden - bezüglich der effektiven Nutzung regenerativer Energieträger noch weit zurück, so dass die Stromgewinnung aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse verhältnismäßig teuer ist (Ackermann/ Krämer/ u.a. 2001: 20f). Zur notwendigen finanziellen Unterstützung der erneuerbaren Energieformen trägt seit Anfang der 90er Jahre das Energiewirtschafts- und Stromeinspeisegesetz bei, das von allen Fraktionen im Bundestag unterstützt wurde.3Es verpflichtet
1Zu Ausmaß und Art der Energienutzung in der Menschheitsgeschichte siehe ACKERMANN/ KRÄMER/ u.a. (2001), die bei einem interdisziplinären Projekt über die Akzeptanz der Windenergienutzung mitgearbeitet haben. In dem von Ralf ZOLL initiierten Projekt wurden sowohl politische als auch geographische und physikalische Aspekte der Windkraftnutzung im Marburger Raum untersucht. ACKERMANN/ KRÄMER/ u.a. haben sich dabei mit dem historischpolitischen Teil beschäftigt und die verschiedenen Dimensionen des Konflikts um die Energie-versorgung herausgearbeitet.
2Die Klimaerwärmung ist auf die vom Menschen verursachten Treibhausgase zurückzuführen. Bekanntestes Treibhausgas ist Kohlendioxid (CO2), dessen Konzentration seit Beginn der Industrialisierung ca. 30% über den Höchstwert der vorausgegangenen 250.000 Jahre angestiegen ist. Potentielle Folgen sind z.B. die Zunahme von Naturkatastrophen, der Verlust der Biodiversität und der Anstieg des Meeresspiegels (ACKERMANN/ KRÄMER/ u.a. 2001: 25).
3Das Stromeinspeisegesetz von 1991 wurde am 1.4.2000 novelliert und trägt seitdem den Namen „Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien“ - kurz EEG. Erklärtes Ziel des EEG ist die Verdoppelung des Anteils an erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch bis 2010. In der am 21.07.2004 nochmals überarbeiteten Fassung des Gesetztes heißt es: „Zweck des Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima-, Natur- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger
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die Energieversorgungsunternehmen zur Einspeisung und Vergütung des Stroms, der durch regenerative Energien erzeugt wird. Diese staatliche Förderung der erneuerbaren Energieträger ging einher mit der mehrheitlichen Zustimmung in der Bevölkerung, die u.a. durch Ölkrisen und die Katastrophe von Tschernobyl zu einem neuen Umweltbewusstsein gelangt war (Hasse 1999: 14).4
Die Windkraft, als eine der staatlich geförderten erneuerbaren Energien, erfuhr aufgrund der technischen Errungenschaften in diesem Sektor schon Anfang der 80er Jahre einen regelrechten Boom. Die Windenergieanlagen (WEA) wurden zu seriengefertigten Einheiten weiterentwickelt, deren Leistung sich stetig steigerte. Die Windräder wurden im Laufe der Zeit nicht nur leistungsfähiger, sondern immer größer, wobei die Großwindanlage (GROWIAN) einen Höhepunkt dieser Entwicklung darstellte (siehe untenstehende Grafik 1).
Grafik 1: Etappen der Windkraftanlagenentwicklung nach Heier (2000: 8).
externer Effekte zu verringern, Natur und Umwelt zu schützen, einen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten um fossile Energieressourcen zu leisten und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern.“ (BMU 2004: Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien, § 1)*. (Alle Internetverweise sind mit * gekennzeichnet. Sie sind im Literaturverzeichnis separat aufgeführt und auf der beiliegenden CD-ROM einsehbar.).
4Das neue Umweltbewusstsein zeichnete sich beispielsweise in dem Aufkommen der Anti-Atombewegung und der Entstehung und Etablierung der ParteiBündnis 90/ Die Grünenab. Aktuelle Zahlen zur Akzeptanz der erneuerbaren Energien in der Bevölkerung liefert eine ARD-Umfrage. Demnach meinen 81% der Deutschen, man solle erneuerbare Energien stärker nutzen. (TAGESSCHAU 01/2006)*.
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Momentan sind in Deutschland ca. 17.000 Windanlagen installiert - mit steigender Tendenz (DEWI 2004)*.5Die erbrachte Leistung entsprach im Jahr 2000 ungefähr die der Hälfte aller in Europa installierten Anlagen und eines Drittels der weltweiten Gesamtleistung (Heier 2000: 11f). Neben den positiven Umwelteffekten sind durch die großtechnische Windenergienutzung auch arbeitsmarktpolitische Auswirkungen zu beobachten (Fritzler 1997: 127). Der nach eigenen Angaben größte Hersteller von Windkraftanlagen Enercon beschäftigt aktuell mehr als 8.000 Mitarbeiter (Enercon - Unternehmen 2006)*. Aufgrund des großen Erfolgs der Windenergie und der günstigen Rahmenbedingungen zum Bau von Windkraftanlagen wurden in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend Standorte zugelassen, die aufgrund ungünstiger Witterung oder der Nähe zu Siedlungen nicht in vollem Maße geeignet waren (Heier 2000: 17f).6Mit steigender Erschließungsdichte münden die Ansichten über die richtige Nutzung und Gestaltung der Umwelt in einer öffentlichen Debatte um Gefahr und Potential der Windkraft.7In der Diskussion um Ablehnung und Befürwortung der Windenergie stehen sich vor allem zwei Gruppen gegenüber: die Bürgerinitiativen (BIs) als Windkraftgegner und die Bundesregierung (repräsentiert durch das Bundesumweltministerium (BMU)) als deren Befürworter.
Die vorliegende Arbeit untersucht, inwieweit es den Bürgerinitiativen und dem Ministerium gelingt, durch ihre Argumente Akzeptanz für die Windkraft bzw. Nicht-Akzeptanz für die Argumente der Gegenseite zu schaffen. Welche Ansichten werden auf welche Weise vom BMU hervorgebracht und welche werden von den BIs vermittelt, um die Windenergie im positiven bzw. negativen Licht darzustellen? Was steckt hinter den Aussagen und Argumenten der Kontrahenten? Sind strategische Vorgehensweisen erkennbar? Auf welche gesellschaftlichen Machtverhältnisse kann geschlossen werden?
5Die Anzahl der WEA ist stetig angestiegen. 1990 gab es gerade einmal 405 WEA, 1996 hatte sich die Anzahl schon mehr als verzehnfacht (4.326 WEA). Pro Jahr kommen ca. 1.000 bis 1.500 WEA hinzu (DEWI 2004)*.
6Gelöst werden soll die Standortfrage in Zukunft mit der Verlagerung der WEA in den küstennahen Meeresbereich, den sogenannten Offshore-Bereich. Die Beeinträchtigung der Meeresfauna durch die WEA muss hier jedoch noch genauer erforscht werden (HEIER 2000: 22).
7„Die Windenergie-Technologie wird gerade deshalb in gewisser Weise als die Verwirklichung einer Utopie gesehen und in rauschender Polit-Euphorie gefeiert und gefördert. [...] Zugleich stößt sie aber auf zunehmende Verweigerung derer, die die bis zu 100m in den Himmel ragenden Giganten ökologischer Gesinnung fortan in ihrer Lebenswelt als vertikales Mobiliar der Kul-turlandschaft hinnehmen müssen.“ (HASSE 1999: 14).
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Um diesen Fragestellungen nachzugehen, habe ich mich mit den Internetauftritten vom BMU und den BIs beschäftigt, da diese ganz besonders der Darstellung und Selbstdarstellung von Meinungen dienen.8Als Verfahren zur inhaltlichen ‚Entschlüsselung’ der Homepages wurde eine Diskursanalyse in Anlehnung an Michel Foucault durchgeführt, weil diese qualitative Forschungsmethode darauf abzielt, anhand sichtbarer Äußerungen (vor allem anhand schriftlicher Dokumente) auf gesellschaftliche Strukturen zu schließen. Gegliedert wurde die vorliegende Arbeit in drei große Abschnitte. Die beiden ersten theoretischen Teile beschäftigen sich mit dem Akzeptanzphänomen als soziologische Fragestellung und der Diskursanalyse als qualitative Methode zu dessen Erforschung. Das Kapitel zur Akzeptanzforschung orientiert sich dabei primär an einer Monographie von Lucke (1995). Deren Ausführungen werden unter anderem mit der wirtschafts-/ und sozialpsychologischen Studie zur Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz von technischen Produktinnovationen von Dethloff (2004) und mit Erkenntnissen aus dem Bereich der Technikakzeptanz von Kepplinger/ Mathes (1988) und Renn/ Zwick (1997) ergänzt. Die für diese Arbeit wichtigsten Elemente der Diskursanalyse Michel Foucaults werden mit Hilfe zwei seiner grundlegenden methodischen Werke erläutert: „Archäologie des Wissens“ (1973) und „Die Ordnung des Diskurses“ (1974).9Als Überleitung zur eigenen Anwendung der Diskursanalyse schließt sich ein Kapitel an, in dem anhand von drei Beispielanalysen aufgezeigt wird, wie Foucaults diskurs-theoretische Überlegungen methodisch umgesetzt werden können. Die Beispiele basieren auf Untersuchungen von dem Soziolinguisten Siegfried Jäger und den Soziologen Reiner Keller und Maarten Hajer.10
Der dritte große Teil stellt die praktische Umsetzung der theoretischen Vorüberlegungen am Beispiel des Windkraft-Diskurses dar. Die Analyse und Interpreta-
8Sowohlöffentliche als auch private Homepages haben immer mehr an Bedeutung gewonnen. MISOCH bezeichnet die Bedeutung privater Homepages für viele Menschen als „Bühnen der Selbstdarstellung“. „Private Homepages erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und man muss aktuell von mindestens 1 Million privater Web-Seiten allein in Deutschland ausgehen - mit steigender Tendenz.“ (MISOCH 2004: 11).
9Der Diskursbegriff FOUCAULTs wird am deutlichsten in der Monographie „Archäologie des Wissens“, die 1969 in französischer Fassung und 1973 in deutscher Fassung im Suhrkamp-Verlag erschienen ist. Ergänzend dazu wird in dieser Arbeit FOUCAULTs Inauguralvorlesung am Collège de France vom 2. Dezember 1970 hinzugezogen, die 1974 in deutscher Fassung im Carl Hanser Verlag erschien.
10Die Forschungsschwerpunkte von KELLER sind Wissenssoziologie und qualitative Sozial-forschung, jene von HAJER Politologie und Umweltsoziologie.
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tion der Webseiten wurde von der Verfasserin auf der Grundlage eines selbst erarbeiteten Analyseleitfadens unternommen, der einerseits auf den beschriebenen Anwendungsbeispielen beruht, andererseits sich an allgemeinen Grundsätzen qualitativer Sozialforschung orientiert. Abschließend sei auf den relativ hohen Anteil an Internetverweisen hingewiesen. Dieser Umstand rührt vor allem daher, dass viele Publikationen über die Diskursanalyse im Internet veröffentlicht werden.11Außerdem ließen sich aktuellste Angaben über die derzeitige Entwicklung der Windenergie nur im World Wide Web finden.
11Genannt sei z.B. das Forum für Qualitative Sozialforschung, eine seit 1999 bestehende, mehrsprachige Online-Zeitschrift für qualitative Sozialforschung.
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„Seit Beginn der 80er Jahre scheint die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland von einer seltsamen Krankheit befallen zu sein: dem Akzeptanzmangel. Alle Bereiche der Gesellschaft leiden unter dieser Entzugserscheinung. Die Wissenschaft befindet sich in einer Akzeptanzkrise, [...], dem Rechtssystem wurde die Akzeptanz entzogen [...], ohne Akzeptanz kommt weder der technische Fortschritt noch die Industrie aus [...].“ (Bechmann 1988: 1). Akzeptanz ist nach Lucke ein „Schlüsselbegriff der soziologischen Gegenwartsanalyse“ (Lucke 1995: 14).12- Wann genau spricht man jedoch von Akzeptanz, wann ist eine Sache oder Person akzeptiert, welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Im Folgenden soll Akzeptanz - im Fremdwörterlexikon nur vage bezeichnet als „[...] das Akzeptieren, das Bereitsein, etwas anzunehmen [...]“ (Wahrig-Burgfeind 2004: 40) - genauer beschrieben und dem Phänomen der Nicht-Akzeptanz gegenübergestellt werden. Beide Phänomene werden außerdem im Hinblick auf deren Erforschung betrachtet.
