Winter of Love: Elli & Ben - Katharina Wolf - E-Book

Winter of Love: Elli & Ben E-Book

Katharina Wolf

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Beschreibung

**Turbulente Feiertage** Elli ist in ihrem winzigen, verschneiten Heimatkaff wortwörtlich bekannt wie ein bunter Hund. Dafür sorgen allein schon ihre verrückten und stets wechselnden Haarfarben. Um sich etwas Freiheit von den kleinstädtischen Vorurteilen zu verschaffen, studiert sie seit zwei Jahren in Berlin. Aber jetzt will sie ausgerechnet ihr neuer Hipster-Freund Ben über Weihnachten zu ihrer Familie begleiten. Ist sie bereit Ben Ihr altes ich zu zeigen? Schließlich hat Elli ihm nie wirklich erzählt, wo sie aufgewachsen ist... Winterliebe zum Advent  Bei »Winter of Love« wartet an jedem Advent eine neue herzerwärmende Winter-Geschichte auf dich! Die gefühlvollen Romane über Familie, Freundschaft und die ganz große Liebe in winterweißem Setting sind perfekt, um es sich an kalten Tagen mit warmem Kakao gemütlich zu machen.    //Dies ist der vierte Band der Winter-Romance-Reihe. Alle Bände der Buchserie bei Impress:  -- Winter of Love. Lina & Phil  -- Winter of Love. Julia & Reed   -- Winter of Love. Anna & Vince   -- Winter of Love. Elli & Ben -- Winter of Love: Alle Bände der romantischen Winter-Serie in einer E-Box! (erscheint Februar 2020)//  Jeder Liebesroman wird aus der Perspektive von einer der vier Freundinnen erzählt und enthält eine eigene Liebesgeschichte. Damit steht jeder Roman für sich und kann auch unabhängig von den anderen gelesen werden.

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Katharina Wolf

Winter of Love: Elli & Ben

**Turbulente Feiertage**Elli ist in ihrem winzigen, verschneiten Heimatkaff wortwörtlich bekannt wie ein bunter Hund. Dafür sorgen allein schon ihre verrückten und stets wechselnden Haarfarben. Um sich etwas Freiheit von den kleinstädtischen Vorurteilen zu verschaffen, studiert sie seit zwei Jahren in Berlin. Aber jetzt will sie ausgerechnet ihr neuer Hipster-Freund Ben über Weihnachten zu ihrer Familie begleiten. Ist sie bereit Ben Ihr altes ich zu zeigen? Schließlich hat Elli ihm nie wirklich erzählt, wo sie aufgewachsen ist …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

Winter-Gewinnspiel

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© privat

Katharina Wolf lebt mit ihrem Sohn, dem Gatten und den beiden Katzen in der schönen Pfalz und lässt es sich dort gutgehen. Das Lesen und Schreiben gehört zu ihr wie ihr nervöses Beinhibbeln und die Liebe zu Schokolade, Kaffee und einem Glas trockenen Rotwein. Da ihr Hirn – genau wie ihre Beine – selten stillsteht, arbeitet sie meist an vier Geschichten gleichzeitig, wenn sie nicht gerade ihrem Beruf als Online-Redakteurin nachgeht.

Für alle Freundinnen

Prolog

»Ich habe eine entfernte Tante, die könnte da glatt mitspielen. Zum Glück echt nur sehr entfernt.«

Ben und ich lagen auf dem Bett und schauten uns die Serie Anne with an E auf Netflix an. Der Vorschlag war von mir gekommen. Er wollte schon wieder ein actiongeladenes, dystopisches Drama schauen, bei dem in den ersten zehn Minuten durch eine Umweltkatastrophe oder einen geheimnisvollen Killervirus die Weltbevölkerung halbiert wurde. Auf solche Filme und Serien stand er momentan total. Ich hingegen zuckte im Sekundentakt zusammen und würde am Ende womöglich Albträume bekommen. Ich hatte also mein Veto eingelegt. Mir stand heute mehr der Sinn nach etwas Ruhigerem. Die Geschichte rund um das Waisenmädchen Anne, das auf der Farm Green Gables aufwuchs, hatte ich schon als Kind geliebt. Damals hatte ich die Zeichentrickserie dazu immer angesehen.

»Wie kommst du darauf?«, fragte ich mit vollem Mund. Ben hatte meine Lieblingschips mitgebracht. Die gesalzenen mit den Riffeln.

»Na ja, Tante Maddie lebt in einem kleinen Dorf in Brandenburg. Da gibt es echt nichts. Nichts außer tratschende Nachbarn und einen Verein für Landfrauen.« Er rollte mit den Augen. »Dort wird natürlich auch nur übers Kuchenbacken und Stricken gesprochen. Und über die Kindererziehung. Weil Frauen ja anscheinend zu sonst nichts in der Lage sind.«

Ich lachte amüsiert auf. »Aha. Und was machen die Männer in der Zeit?«

Ben zuckte mit den Schultern. Wie er so dasaß, verstrubbeltes braunes Haar, Dreitagebart, leuchtende braune Augen, die mich die meiste Zeit verliebt ansahen … Ich war so was von verliebt in diesen Kerl. Ob er mich wohl genauso musterte wie ich ihn? Strahlten meine Blicke die gleiche Verliebtheit aus?

»Keine Ahnung. Das Feld bestellen? Gegen Flüchtlinge demonstrieren?«

»Übertreibst du nicht etwas?«

»Kein bisschen. Das ist sogar noch schlimmer. Meine Tante meinte mal zu mir, dass Homosexualität und dieser ganze LGBT-Hype …« Er setzte das letzte Wort mit den Fingern in Anführungszeichen. »… nur eine Modeerscheinung sind. Immerhin gäbe es so was bei ihnen ja auch nicht.« Er lachte auf. »Klar. Wie beim Fußball, da gibt es auch keinen einzigen schwulen Mann.«

»Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass das nicht am Dorf oder am Dorfleben liegen könnte, sondern ganz einfach an deiner Tante? Weil die stockkonservativ ist und womöglich auch nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen?«, gab ich schon etwas angriffslustiger zurück. Immerhin konnte er nicht alles und jeden über einen Kamm scheren.

»Aber das sind sie doch alle. Wenn du in so einem Dorf aufwächst und nur zu deinen paar Nachbarn Kontakt hast, dort zur Schule gehst und arbeitest, bleibt dein Horizont auch genauso winzig klein. Eben nur bis zur Dorfgrenze und zurück. Da gibt es ja gar keinen Platz für Entfaltung. Ich bin echt verdammt froh, dass die Zeit vorbei ist, als ich ständig mit der Familie dort hinmusste. Nie wieder!«

Ich drückte auf Pause. Die letzten Minuten der Serie waren eh an mir vorbeigezogen, ohne dass ich mitbekommen hatte, was geschehen war. Und ich hatte das Gefühl, dass das nun ausdiskutiert werden musste.

»Du wirfst anderen vor intolerant zu sein, urteilst aber selbst über alle Menschen, die nicht in einer Großstadt aufgewachsen sind. Das ist ziemlich bigott.«

»Ich sehe schon, Elli packt die Fremdwörter aus. Scharfe Geschütze für eine Diskussion.«

»Ich finde es einfach widersprüchlich. Menschen sind unterschiedlich, manche sind langweilig, manche verrückt, einige aufgeschlossen und wieder andere eben verstockt. Nicht nur in Berlin ist das so. Ich bin also komplett anderer Meinung«, sagte ich abschließend und kreuzte die Arme vor der Brust.

»Du meinst also, ich sollte mal drüber nachdenken?«

»Ja!«

»Okay.«

Er beugte sich zu mir, küsste mich und legte dann den Arm um meine Schulter. Als er wieder auf Play drückte und Anne with an E weiterlief, lehnte ich meinen Kopf gegen ihn und versuchte mich auf die Serie zu konzentrieren. Meine Gedanken waren aber immer noch bei unserem Gespräch. Was ich ihm nämlich nicht erzählt hatte, war, dass ich ihm in Teilen sogar zustimmen konnte. Warum sonst hatte ich schon als Teenie rebelliert und angefangen mir die Haare in allen Farben des Regenbogens zu färben? Natürlich, um aufzufallen, um aus dem dörflichen Einheitsbrei herauszustechen.

Um auszubrechen.

Aber davon würde ich ihm ein anderes Mal erzählen.

Unterwegs

»Nächster Halt: Salzburg. Folgende Anschlusszüge werden erreicht …«

Ich streckte mich ausgiebig und blinzelte hinaus in die Dunkelheit. Wann genau war bitte schön die Sonne untergegangen? Eine Sache, die ich am Winter, neben der eisigen Kälte, hasste, war, dass es so verdammt früh dunkel wurde. Man hatte immer den Eindruck, nichts vom Tag mitzubekommen, da er schlichtweg viel zu kurz war. Jetzt war es kurz vor 19 Uhr. Einen Tag vor Heiligabend. Und es war stockfinstere Nacht.

Der Zug ruckelte und wurde langsamer. Dies nahm ich zum Anlass, mich auch endlich zu erheben und meinen Koffer aus der Ablage über mir zu zerren. Viel hatte ich nicht dabei, aber ich hatte ja auch nicht vor allzu lange zu bleiben. Außerdem hatte mein heimischer Kleiderschrank noch einen kleinen Restbestand. In meinem Kuhkaff achtete eh kein Mensch auf Mode. Da störte es also auch nicht, wenn ich Jeans trug, die schon fünf Jahre alt waren. Dort fiel man eher negativ auf, wenn man irgendeinem Trend folgte, der es noch nicht über die Alpen geschafft hatte. Ich wurde zumindest schon immer doof angestarrt, nur weil ich mit vierzehn beschlossen hatte mir die Haare zu färben. Erst weißblond, dann knallrot und momentan trug ich sie in einem leuchtenden Grasgrün. Jap. So war ich. In meinem kleinen Heimatdorf Aibach war ich bekannt als die Schwarzgekleidete mit den bunten Haaren vom Ederhof. Das absolute Kontrastprogramm hatte ich hingegen in Berlin, wo ich seit zwei Jahren Germanistik studierte. Dort fiel ich in der Masse der Menschen nicht mal auf. Das war eines der größten Unterschiede zwischen den paar hundert Einwohnern in Aibach und den über Dreimillionen Menschen in Berlin. Ich liebte diese herrliche Anonymität der Großstadt.

Ich stieg aus dem Zug aus und sah mich auf dem Bahnsteig um. Einige Leute rempelten mich an und eine Frau mit besonders dickem pinken Hartschalenkoffer fuhr mir über den Fuß.

»Verdammt!« Ich fluchte und sprang zurück.

Hinter mir piepste die ICE-Tür und schloss sich zischend und krachend. Wo waren meine Eltern? Sie hatten versprochen mich abzuholen. War ich am richtigen Gleis? Und warum war es so verdammt kalt? Wieder sah ich mich verwirrt um und rieb dabei die Hände aneinander. Ich stand an Gleis 4. Also alles nach Plan. Ich kramte mein Handy aus der hinteren Hosentasche, um zu checken, ob meine Eltern geschrieben hatten, dass sie im Stau standen oder sich verlaufen hatten. Die einzige Nachricht, die ich allerdings sah, war von Ben, meinem Freund, den ich in Berlin zurückgelassen hatte. Auf, wie ich im Nachhinein zugeben musste, ziemlich kaltherzige Art und Weise.

Hey hübsche Frau! Ich hoffe, du bist gut angekommen. Melde dich doch mal. Vermisse dich jetzt schon.

Ich seufzte und spürte sogleich einen Stich im Herzen. Ich hatte eindeutig ein schlechtes Gewissen.

Bin gerade am Bahnhof angekommen und warte auf meine Eltern, antwortete ich ihm und ließ mein Handy dann wieder in meiner Hosentasche verschwinden. Und nun? Wieder sah ich mich um und entschloss einfach mal Richtung Ausgang zu gehen. Im Idealfall …

»Elli!!!«

Ich hörte meine Schwester, bevor ich sie sah. Dann kam sie hinter einem Brezelstand hervorgeschossen und fiel mir mit solch einer Wucht in die Arme, dass wir beinahe beide aufs Gleis gefallen wären.

»Hey du, scheinst mich ja vermisst zu haben.«

»Kaum!« Meine kleine Schwester Leonie, die erschreckenderweise gar nicht mehr so klein war, gab mir ein Küsschen auf die Wange und strahlte mich an. Und wie sie mich vermisst hatte, mindestens so sehr wie ich sie.

»Elli!«

Nun kamen auch mein Vater und meine Mutter endlich in mein Blickfeld und sie umarmten mich herzlich. Wir hatten uns tatsächlich schon sehr lange nicht gesehen. Ich war zwar zum fünfzigsten Geburtstag meines Vaters in die Heimat gefahren, allerdings nur für einen Tag, da am nächsten wichtige Vorlesungen angestanden hatten. Und letzte Weihnachten hatte ich es einfach nicht geschafft. Zu viel war für die Uni zu tun gewesen und auch an Geld hatte es gemangelt. Als ich kurz vor knapp nach einem Last-Minute-Ticket bei der Bahn geschaut hatte, war ich schockiert fast rückwärts vom Stuhl gekippt. Ein einzelnes Ticket hatte um die 200 Euro gekostet. Insgesamt wäre ich mit Rückfahrt und Platzreservierung auf fast 450 Euro gekommen. Das war einfach nicht drin gewesen. In diesem Jahr hatte ich es anders gemacht und bereits drei Monate im Voraus nach Zugtickets Ausschau gehalten. Beim ersten Schnäppchen, das ich entdeckt hatte, hatte ich sofort zugeschlagen.

»Mensch, Elli, toll siehst du aus«, sagte mein Vater und blickte meine Haare bewundernd an. »Die Farbe mag ich.«

»Findest du?« Ich beäugte eine meiner Haarsträhnen und zwirbelte sie zwischen meinen Fingern. Ich mochte das Grün auch sehr, war mir aber doch immer recht unsicher, was meine Eltern oder der Rest der Verwandtschaft und der Dorfgemeinde davon halten würden. Zum Glück waren meine Eltern aufgeschlossener als so manch anderer.

»Ich finde es hübscher als dieses grau-rosa, mit dem ich dich an meinem Geburtstag begrüßen durfte. Das sah aus, als wäre es ein Unfall gewesen.«

»War es auch ein wenig«, lachte ich.

»Ist das alles?« Mama sah meinen kleinen Koffer irritiert an.

»Ja? Ich hab doch noch Klamotten zu Hause und deshalb nicht allzu viel mitgeschleppt.«

»Aber was ist mit einem dicken Mantel oder Ersatzschuhen, falls die hier nass werden? Es liegt schon Schnee und es ist noch mehr gemeldet.«

Ich winkte ab. »Mach dir keine Gedanken. Notfalls klaue ich mir eine Jacke und Stiefel von dir, Mum.« Ich legte den Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

»Außerdem«, entgegnete nun Leonie vorwitzig und streckte dabei wissend ihren Zeigefinger in die Höhe, »ist es am wichtigsten, dass sie mein Geschenk dabeihat.«

Ich wuschelte durch ihr dunkelblondes Haar. Ich konnte mich vage daran erinnern, dass ich mal die gleiche Haarfarbe hatte. »Das bringt doch der Weihnachtsmann, ich habe damit nichts am Hut.«

»Ist klar, Elli. Ich bin übrigens keine drei mehr, sondern vierzehn.«

Damit nahm sich Paps meinem kleinen Koffer an und ich hakte mich bei Mum und Leonie ein. So gingen wir ins Parkhaus und stiegen in den alten Kombi meiner Eltern. Dabei fielen mir die vielen Tüten und Pakete im Kofferraum auf.

»Wart ihr Besorgungen machen?«, fragte ich und zeigte auf den Kofferraum.

»Wenn wir mal in die Großstadt kommen, nutze ich das auch aus«, entgegnete Mum.

Verständlich. In Aibach gab es nämlich nichts. Nicht mal einen Bäcker oder einen Kiosk. Für kleinere Besorgungen musste man schon in den nächsten größeren Ort St. Aurel fahren. Da der auch bei Touristen sehr beliebt war, gab es zumindest vier oder fünf kleinere Läden. Es war also mehr als verständlich, dass meine Eltern den Ausflug nach Salzburg richtig genutzt hatten.

Wir fuhren über eine Stunde in Richtung Heimat. Der Verkehr war zäh und irgendwie hatte man den Eindruck, als ob die ganze Welt gerade versuchte rechtzeitig zu den Weihnachtsfeiertagen zu Hause anzukommen. Und alle nutzten die gleiche Autobahn wie wir.

»Magst du noch was zu Abend essen?«, fragte meine Mum, sobald wir das Haus betreten hatten. Typisch, sie war immer besorgt darum, dass die Töchter nicht genug zu essen hatten und vom Fleisch fielen.

»Lass mal stecken. Ich bin komplett im Eimer und will nur noch ins Bett.«

Ich hatte den ganzen Tag im Zug gesessen und abwechselnd gelesen, gegessen oder vor mich hin gedöst. Was genau machte einen daran so unglaublich müde? Es würde wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Fakt war: Ich wollte mich dringend hinlegen und die Augen schließen.

»Dann lass uns morgen gemeinsam frühstücken. Okay?«

»Prima Idee. Gute Nacht.«

Ich gab meiner Mum, Paps und Leonie einen Kuss und stieg dann mit meinem kleinen Koffer die Treppe hoch in den ersten Stock. Das erste Zimmer rechts war meins. Ich schmiss mich erschöpft auf mein Bett und starrte die Poster an der Decke an. Boygroups, die es teilweise schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gab, sahen zu mir herab. Ich war zu faul gewesen, die Poster abzunehmen, und außerdem konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie es wohl wäre, an eine nackte Decke zu starren. Also blieben die Erinnerungen meiner peinlichen Jugend an Ort und Stelle.

Ich kramte nach meinem Handy und sah, dass eine neue Nachricht eingegangen war.

Wieder Ben.

Ich vermisse dich. Schick mir doch mal ein Selfie. Nicht, dass ich vergesse, wie du aussiehst.

Ich schnaubte und setzte mich etwas auf, bevor ich antwortete.

Du würdest tatsächlich vergessen, wie ich aussehe? Das ist irgendwie ziemlich traurig, immerhin hast du mich schon nackt gesehen. War ja wohl wenig beeindruckend.

Ich komplettierte die Nachricht mit ein paar herzzerreißenden Heul-Emoticons.

Jetzt hast du nackt gesagt und ich kann an nichts anderes mehr denken. Gemein!

Also brauchst du schon mal kein nacktes Selfie, oder? ODER?

Ich wartete nicht auf seine Antwort. Grinsend zog ich meinen Pullover etwas nach unten und knipste ein Selfie von meinem Gesicht inklusive nackter Schulter. Man könnte mit viel Fantasie meinen, ich wäre komplett nackt. Meine grünen Haare waren um mich ausgebreitet wie ein radioaktiver Heiligenschein und lenkten hoffentlich genug von den Augenringen und der leicht verschmierten Wimperntusche ab. Ich klickte auf senden und bekam viele heulende Emoticons als Antwort, die mich wiederum zum Lachen brachten.

Meldest du dich morgen mal? Oder wirst du zu viel zu tun haben? Du meintest ja, dass du voll eingespannt sein wirst.

Und da war sie. Die Lüge, die zwischen uns stand. Ich seufzte und versuchte das schlechte Gewissen zu verdrängen.

Ich geb mein Bestes.

Einige Minuten später klopfte es an der Tür und meine Schwester kam schüchtern herein. »Ich wollte fragen, ob …«

»Na komm schon her!«

Ich wusste genau, warum sie hier war. Wie schon früher so oft, wollte sie bei mir schlafen und mit mir die halbe Nacht entweder Filme schauen oder quatschen. Und wir hatten verdammt viel zu erzählen.

»Ich kann dir nur nicht versprechen, dass ich lange durchhalte. Ich bin echt müde.«

»Ach, komm schon, früher hast du Nächte durchgemacht. Oder bist du in Berlin so sehr gealtert?«

Diesen Vorwurf konnte ich mir natürlich nicht bieten lassen. So kam es also, dass ich am nächsten Morgen vollkommen übermüdet mit schlurfendem Schritt nach unten ging und mich am Esstisch auf einen Stuhl fallen ließ.

»Erinnert mich an alte Zeiten«, begrüßte mich meine Mum. »Zu Schulzeiten hast du genauso unmotiviert hier gesessen und auf deine Ration Koffein gewartet. Nur damals noch mit anderer Haarfarbe.«

»Leonie und ich haben die Nacht zum Tag gemacht.« Ich gähnte und streckte mich ausgiebig. »Irgendwie hat mir das den Rest gegeben. Ich werde heute bestimmt nicht mehr wach. Vielleicht mache ich nachher ein Mittagsschläfchen, sonst erlebe ich die Mitternachtsmesse nicht«, gab ich zu und versuchte mich an einem müden Grinsen.

»Ich habe mitbekommen, dass bei euch noch Licht an war. Was habt ihr geschaut?«

»Eine große Auswahl an DVDs hatte ich ja nicht gerade. Ihr solltet euch echt mal überlegen euch Netflix zuzulegen. Ihr seid garantiert der einzige Haushalt ohne!«

»Meinst du tatsächlich, dass das Internet in Aibach dafür gut genug ist? Das bezweifle ich stark.«

»Wahrscheinlich hast du recht. In Ermangelung an Alternativen haben wir die vierte Staffel Sex and the City geschaut.«

Mum stellte mir eine Tasse Kaffee vor die Nase und blieb sprachlos neben mir stehen. »Ähm …« Sie schüttelte den Kopf und rieb sich das Kinn. »Ist Leonie nicht noch etwas jung …«

»Nein, ist sie nicht. Sie wusste erstaunlich gut über alles Bescheid. Die Kinder heutzutage sind erschreckend.«

»Okay.« Mum wirkte noch immer etwas skeptisch.

»Eigentlich ist die Sendung harmlos und einfach nur lustig. Schau sie dir doch auch mal an.«

»Vielleicht irgendwann.«

Sie setzte sich mir mit einer Tasse Kaffee gegenüber und wir schwiegen kurz beide. Ich genoss den Duft des frischen Kaffees und nippte vorsichtig daran. Perfekt.

»Genau die richtige Menge Milch. Danke, Mum.« Ich trank einen weiteren, nun sehr großen Schluck, bevor ich die Tasse wieder auf den Tisch stellte. »Schläft Paps noch?«

»Er ist schon unterwegs. Besorgt Brötchen und ein paar Kleinigkeiten für später. Wenn er zurück ist, können wir frühstücken. Würdest du rausgehen und die Tiere füttern? Also, wenn du noch weißt wie das geht.«

Sie zwinkerte mir zu und ich musste lachen. Ich war zwar lange weg gewesen, aber ich war ja nicht dement.

Es war tatsächlich, als wäre ich nie weg gewesen. Schon früher zu Schulzeiten war es mein Job gewesen, vor dem Frühstück unsere Tiere zu versorgen. Es gab eine feste Aufgabenteilung in unserer Familie und das war okay gewesen. Ich hatte geholfen, so gut ich konnte. Nachdem ich ausgezogen war, hatte Leonie mehr mit anpacken müssen. Ich gönnte ihr also, dass sie heute noch etwas ausschlafen konnte und übernahm das Füttern unserer Hühner, Gänse, Ziegen und Schweine sehr gerne.

Nachdem ich mir schnell einen warmen Mantel meiner Mum über meinen Pyjama gezogen hatte und in ihre Gummistiefel gestiegen war, lief ich nach draußen und freute mich, gerade rechtzeitig das Haus verlassen zu haben, um Zeuge dieses wunderbaren Sonnenaufgangs zu werden. So sehr ich mein Stadtleben liebte und nicht mehr missen wollte, so sehr vermisste ich manchmal diese Momente der Ruhe. Nicht oft, aber ab und zu. Man hörte hier kein einziges Auto. In meiner Kreuzberger Bude war es hingegen nie ruhig. Am Himmel waren nur ein paar vereinzelte weiße Wölkchen zu sehen und der Horizont leuchtete zwischen den schneeverhangenen Gipfeln der Berge in allen Orangetönen. Ein Sonnenaufgang wie aus einem kitschigen Film. Einfach perfekt.

Ich ging über unseren Hof, auf dem sich kein einziges Tier zeigte. Wahrscheinlich waren alle noch am Dösen oder vielleicht war es ihnen auch einfach zu kalt, um hier draußen herumzulaufen. Ich ging erst in den Hühnerstall, dann zu den Gänsen und Ziegen, die gleich daneben eine kleine Hütte für sich hatten. Zuletzt fütterte ich die Schweine. Im Schweinestall hatten sich auch einige Hühner über den Winter einquartiert. Hier war es nämlich nicht ganz so kalt wie in den restlichen Ställen und Unterschlüpfen, da die Schweine ordentlich Wärme abgaben. Tatsächlich bekam man hier drinnen auch im Winter einen Schweißausbruch.

Als ich wieder über den Hof lief, sah ich mich genau um. Es hatte sich nicht viel verändert. Die Ziegen hatten ein paar neue Kletterhügel bekommen und daneben wuchsen zwei neue, wenn auch noch recht kleine Bäume. Momentan wirkte alles grau und karg. Im Frühling würde es hier wieder an allen Enden und Ecken wachsen und blühen. Tiere würden herumlaufen, Schweine sich im Matsch suhlen, Hühner herumwuseln und nach Würmern picken.

Als ich wieder unser Haus betrat, war der Tisch bereits gedeckt. Leonie und Paps saßen schon auf ihren Stühlen und Mum stellte gerade einen Teller mit verschiedenen Sorten Käse auf den Tisch.

»Wow, das ist ja fast wie im Hotel!«, lobte ich begeistert.

»Heute ist ja auch ein besonderer Tag. Heiligabend und du bist wieder da. Da kann man ruhig etwas feiern.«

Da hatte sie natürlich recht. Und daher genossen wir das Frühstück in vollen Zügen und saßen geschlagene drei Stunden zusammen. Danach ging Paps wieder raus zu den Tieren und sammelte alle Eier ein, die unsere Hennen im Laufe des Vormittags gelegt hatten, und ich zog mich erst mal in mein altes Kinderzimmer zurück. Mein Handy lag noch immer auf dem Nachttisch und als ich einen Blick darauf warf, sah ich, dass unser Freundinnen-Chat sich gemeldet hatte.

Mitternacht im Glockenturm. Wehe, ihr lasst mich im Stich, dann schleif ich eure hübschen Großstadtärsche höchstpersönlich her.

Das war Lina, wie sie leibt und lebt. Sie war tatsächlich die Einzige, die hiergeblieben war und weiter im Hotel ihrer Eltern aushalf. Wir anderen hatten alle einen Neuanfang gewagt und waren weggezogen. Ich nach Berlin, Annabell nach München und Julia sogar nach Kalifornien!

Ja, Mann. Ich freue mich so sehr auf euch. Und ich hab sogar Schnaps dabei!

Hatte ich tatsächlich. Wenn man sich ganze zwei Jahre nicht gesehen hatte, musste man doch zumindest anständig anstoßen.

So muss das!, antwortete Julia. Vor allem in der Kirche!

Annabell schickte ein Smiley hinterher.

Ich freute mich auf das Wiedersehen mit meinen Mädels. Wir hatten uns viel zu lange nicht gesehen und einiges aufzuholen.