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Zeit für Kuscheldecke, Tee und diese drei winterlichen Romances Dieser Sammelband enthält Fake Dates, Forbidden Love, Second Chances und Cosy Winter Vibes. »Herzklopfen im Schneegestöber« Eine überraschende Einladung führt Emma über die Weihnachtstage in ihre kanadische Heimat zurück. Doch im winterlichen Richmond Hill warten nicht nur schmerzhafte Erinnerungen auf sie, sondern auch ihr früherer bester Freund Henry … »Crashed Hopes. Fallon & Cooper« Fallon ist der aufsteigende Stern der Canadian Hockey League. Doch gerade als ihr Traum – ein Platz in der kanadischen Eishockey-Nationalmannschaft – zum Greifen nah ist, zerstört ein Unfall all ihre Hoffnungen auf eine Karriere im Profisport. Sie hat nur noch eine Chance: Cooper Sullivan – jung, erfolgreich und ein Ass in seinem Gebiet der Medizin. »Snowy Kisses. Schreib dich in mein Herz« Die 24-jährige Lynn ist Vollzeitautorin und hat einen neuen Auftrag: Sie soll eine Winter-Romance schreiben. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn einem gerade das Herz gebrochen wurde. Zum Glück erklärt sich ihr süßer Nachbar Ayden dazu bereit, ihr zu helfen: Er lädt sie zu romantischen Fake-Dates ein, um sie an das Kribbeln des Verliebens zu erinnern. Rein zu Recherchezwecken, versteht sich … //Diese Winter-Romance-E-Box enthält alle drei vollständigen Romane. Jeder Roman ist ein Standalone und eigenständig lesbar.//
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Veröffentlichungsjahr: 2025
www.impressbooks.de Die Macht der Gefühle
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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH, Völckersstraße 14-20, 22765 Hamburg © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2025 Text © Ulrike Koch 2021; Viktoria Christians, 2021; Solvig Schneeberg, 2023 Coverbild: Shutterstock.com/ ©Here / ©sivVector / ©Alexander Shunevich / ©Zakharchuk / ©Bookcoverstore Covergestaltung der Einzelbände: Birgit Gitschier; Bookcoverstore ISBN 978-3-646-61249-3www.impressbooks.de
Band 1: Herzklopfen im Schneegestöber. Ein Kanada-Liebesroman
Band 2: Snowy Kisses. Schreib dich in mein Herz
Band 3: Crashed Hopes. Fallon & Cooper
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Ulrike Koch
Herzklopfen im Schneegestöber. Ein Kanada-Liebesroman
**Vom Mut über sich hinauszuwachsen …**Eine überraschende Einladung führt Emma über die Weihnachtstage in ihre kanadische Heimat zurück. Doch im winterlichen Richmond Hill warten nicht nur schmerzhafte Erinnerungen auf sie, sondern auch Henry. Der Balletttänzer bringt mit seinen azurblauen Augen eine längst verdrängt geglaubte Seite in ihr wieder zum Schwingen, aber Emma ist sich nicht sicher, ob sie sich darauf einlassen will. Denn Henry verkörpert Dinge aus ihrer Vergangenheit, die sie lieber vergessen würde …
Buch lesen
Vita
Rezept für Winterküsse
Danksagung
© privat
Ulrike Koch ist ein waschechtes Küstenkind, dass bereits seit Kindertagen von einem abenteuerlichen Leben als Archäologin träumte. Mit ihrem Studium erfüllte sich dieser besondere Wunsch Doch der Drang längst Verschwundenes zu entdecken weitete sich aus, sodass sie anfing eigene Welten zu erschaffen. Wenn sie nicht gerade an einer neuen Geschichte schreibt, dann bereist sie mit ihrer Familie fremde Orte.
Für all meine wundervollen Leser und Leserinnen – setzt euch mit eurem Lieblingsgetränk an den schönsten Ort, den ihr finden könnt, und lasst euch von mir in ein kanadisches Winterwunderland entführen.Ich wünsche euch unvergessliche Stunden mit Emma und Henry!
Genervt starrte ich auf die große Wanduhr in der Umkleidekabine, deren Vintage-Stil zum Charme des alten Theatergebäudes passte. Es war fast so, als verhöhnten mich die kunstvoll geschwungenen Ziffern und Zeiger, während sie immer schneller voranschritten.
Nervös tippelte ich mit dem Fuß auf dem Boden und ging noch einmal jeden Tanzschritt im Kopf durch. Wenn irgendetwas schiefging, dann würde ich mich in einem tiefen Loch vergraben und erst wieder herauskommen, wenn jemand etwas noch Peinlicheres getan hatte.
Die Tür zur Umkleide wurde langsam geöffnet und eine zierliche Frau trat ein. »In zehn Minuten geht es los, meine Damen.« Trotz der schlanken Gestalt war ihre Stimme in jeder Ecke des Raumes zu hören und verstärkte die Unruhe der anderen Tanzenden um ein Vielfaches.
Paula, die Tanzlehrerin unserer Ballettgruppe, verschaffte sich einen kurzen Überblick über das Meer aus Rüschen, Schleifen und übertriebener Schminke. Viele der Mädchen kontrollierten noch einmal ihr Make-up und zogen sich das Schwanenkostüm zurecht, während ihre Stimmen immer lauter in meinem Kopf dröhnten. Vielleicht lag es aber auch an der stickigen Luft in der Umkleidekabine, dass meine Kopfschmerzen mit jedem Atemzug schlimmer wurden. Mit den Zeigefingern massierte ich meine pulsierenden Schläfen – in der Hoffnung auf Linderung. Leider blieb jeder Versuch vergebens.
Ich nahm einen großen Schluck aus dem Wasserglas, das vor mir auf dem Schminktisch stand, und blickte dann erneut zur Wanduhr. Mom hätte schon vor einer halben Stunde da sein müssen. Sie war sonst immer pünktlich und gerade heute war es besonders wichtig. Zu einer Premiere besuchte sie mich regelmäßig in der Kabine und setzte sich dann erst später in den Saal zu Dad und meinen Brüdern. Das war unsere Tradition und sie brach gerade damit.
Nervös knetete ich meine Hände, während die Minuten bis zum Auftritt vorübergingen. Selbst das Ticken des Sekundenzeigers erschien mir in diesem Moment unnatürlich laut.
Mom, wo, verdammt noch mal, steckst du?
Ich durchwühlte meine Handtasche und schaute nach, ob sie mir eventuell eine Nachricht geschrieben hatte. Doch der Blick auf das Display brachte die Ernüchterung: keine neuen Nachrichten.
Eine Hand legte sich sanft auf meine Schulter und kurzzeitig keimte Hoffnung in mir auf.
»Ist alles in Ordnung, Emma?« Paulas einfühlsame Stimme hüllte mich sanft ein, während sie mich besorgt mit ihren haselnussbraunen Augen ansah.
»Meine Mom sollte schon längst hier sein. Ich tanze heute zum ersten Mal die Schwanenkönigin und sie ist nicht da.« Es auszusprechen verdeutlichte mir umso mehr, wie sehr ich sie gerade brauchte. Warme Tränen verschleierten meine Sicht, doch ich schluckte die Enttäuschung herunter wie eine schlechte Mahlzeit. Der bittere Beigeschmack blieb.
Paula löste ihre Hand von meiner Schulter und steckte eine meiner braunen Locken fest, die sich aus dem strengen Zopf gelöst hatte. Eine einfache Geste, die mir dennoch viel bedeutete.
»Ich bin mir sicher, dass sie gleich da ist. Vielleicht hat sie dich falsch verstanden und sitzt bereits im Saal, während sie auf die Vorstellung wartet. Sobald die Show anfängt, kann ich dir ein Zeichen geben, wenn ich sie in der Menge entdecke.«
Immer wieder bewies Paula, dass sie mehr war als nur eine Trainerin. Sie interessierte sich wirklich für die Probleme ihrer Schülerinnen. Das war einer der Gründe, warum Mom ihr erlaubt hatte, mich zu trainieren. Denn seit einem halben Jahr tanzte meine Mutter aufgrund eines schlecht verheilten Bruchs am Bein selbst nicht mehr. Sie war umso glücklicher gewesen, dass Paula noch einen Platz in ihrer Gruppe für mich gehabt hatte, damit mein Training weitergehen konnte. Ein Wermutstropfen war jedoch, dass Henry, mein bester Freund, nicht weiterhin mit mir tanzen konnte. Wenigstens sahen wir uns in der Schule und an den meisten Nachmittagen.
»Danke schön.« Mehr brachte ich nicht heraus.
Paula nickte verständnisvoll und schob dann ihre schwarze Brille wieder auf den Nasenrücken hoch. Sie wandte sich an die anderen Mädchen, die gemeinsam mit mir gleich die Bühne betreten würden, um Schwanensee aufzuführen.
»Ihr alle habt hart für diese Premiere trainiert und es wird Zeit, dass unsere Zuschauer sehen, was für herausragende Talente ihr seid.« Sie machte eine kleine, dramatische Pause und blickte jede nacheinander an. »Also alle Schwäne stellen sich jetzt nacheinander auf und unsere Schwanenkönigin bildet den Schluss.«
Paula ging voran und die Tänzerinnen folgten ihr schweigend. Ich blickte in den Spiegel und musste noch rasch das Make-up wieder herrichten. Durch die Tränen war es an einigen Stellen verwischt worden. Mit fünfzehn sollte ich nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit weinen, aber die Last der Enttäuschung wog einfach zu schwer.
Ein letztes Mal schaute ich auf mein Handy, ob sie mir nicht doch noch in den letzten Minuten geschrieben hatte, aber ich wurde erneut enttäuscht.
Die Tänzerin vor mir hatte gerade die Kabine verlassen und jetzt war ich an der Reihe. Einmal tief ein- und ausatmen.
»Bleib ruhig, Emma«, sagte ich leise, während ich noch einmal auf das weiße Feder-Tutu hinabschaute.
Es schimmerte sacht im Licht der Deckenlampe und auf der Bühne würde es aussehen, als hätte ich ein glitzerndes Federkleid an. Zusätzlich trug ich eine silberne Krone auf dem Kopf, damit die Zuschauer sofort erkannten, wer die Königin war. Schon als kleines Mädchen hatte ich davon geträumt, diese Rolle zu spielen. Jeden Tag, an dem Mom mich trainiert hatte, hatte ich an dieses Ziel gedacht.
Jetzt würde ich tanzen. Für Mom und mich.
Noch einmal atmete ich tief ein und aus, bevor ich einen Schritt in das Scheinwerferlicht wagte.
Es muss perfekt sein.
Paula gab mir ein Zeichen und ich trat hinaus auf die Bühne. Mit einfachen Schritten begann ich zu den anderen aufzuschließen. Die Bewegungen zur Musik von Tschaikowsky waren synchron. Dank des Scheinwerferlichts und der raschen Tanzschritte konnte ich keinen genauen Blick auf das Publikum werfen, aber ich war überzeugt davon, dass den Zuschauern die Aufführung gefiel. Der Gedanke daran beflügelte jeden meiner Schritte. Normalerweise würden meine Brüder und Dad jetzt auch da unten sitzen, aber ausgerechnet heute hatten die Jungs ein Footballspiel, zu dem Dad sie begleitete.
Ich gab mich vollkommen dem Moment hin und versuchte all die Gefühle, die ich in mir wahrnahm, in die Bewegungen zu legen.
Ein Tanz lebt von den Emotionen der Tänzer, hörte ich Moms Stimme in meinem Kopf. Und in genau diesem Augenblick lebte ich meinen Traum und fühlte mich glücklicher als jemals zuvor.
Als die erste Hälfte der Spielzeit vorbei war und eine kurze Pause angesagt wurde, war ich derart energiegeladen, dass ich immer noch herumhüpfte. Dabei ignorierte ich vollkommen meine schmerzhaft pulsierenden Füße.
Stumm betete ich, dass Mom alles mit angesehen hatte, denn ich wollte so sehr, dass sie ein Teil dieses Augenblicks gewesen war. Immerhin war das hier unser gemeinsamer Traum und ich hatte mein Bestes gegeben, um sie glücklich zu machen.
Ich versuchte Paula zu finden, konnte sie jedoch in der Kürze der Zeit nicht entdecken. Mit Sicherheit unterhielt sie sich mit dem Eigentümer des Theaters, um weitere Vorstellungen für uns zu organisieren. Sie war immer bestrebt darin, uns voranzubringen. Es war keine Selbstverständlichkeit, in Toronto als Tanzgruppe in einem renommierten Theater auftreten zu können. Meist war dieses Privileg nur den ausgebildeten Tänzern vergönnt.
Als ich Mom davon erzählt hatte, hatte sie mich ganz fest umarmt und mir immer wieder gesagt, wie stolz sie auf ihre kleine Ballerina sei.
Und jetzt war ich dennoch ohne sie hier. Inmitten der anderen Tänzerinnen, die nach der ersten Halbzeit noch aufgeregter schienen als am Anfang.
Gierig trank ich in der Umkleidekabine ein paar Schlucke Wasser und genoss die Kälte, die sich rasch in meiner Kehle ausbreitete. Unter dem Licht der Scheinwerfer zu tanzen bedeutete auch einer enormen Wärme ausgesetzt zu sein. Etwas, woran ich mich definitiv noch gewöhnen musste. Ich schaute erneut auf mein Handy, das ich aus meiner Tasche geholt hatte.
Wieder keine neuen Nachrichten – innerlich kämpfte ich gegen den Groll an, der sich langsam ausbreitete. Mom hätte wenigstens in der Pause zu mir kommen oder mir eine Nachricht hinterlassen können, dass sie sich verspätete. Das wäre das Mindeste gewesen, nachdem sie sich vor der Aufführung nicht gezeigt hatte. Hoffentlich hatte sie eine gute Ausrede.
Ein kleiner Gong ertönte und läutete das Ende der Pause ein. Euphorie durchströmte mich und ich fieberte dem großen Finale entgegen, während die ersten Tänzer bereits wieder aus der Umkleide strömten. Einen kurzen Moment war ich verwundert, weshalb Paula nicht noch einmal vorbeischaute, aber vermutlich war sie immer noch in ein Gespräch vertieft oder kontrollierte das Bühnenbild. Sie war durch und durch eine Perfektionistin.
Nach einer weiteren Kontrolle des Make-ups verließ ich die Umkleidekabine. Obwohl ich mich umsah, konnte ich Paula nicht entdecken, was meine Verwunderung nur weiter steigerte. Wenigstens sie hätte ich gern noch vor dem großen Finale gesehen.
Ich versuchte die Wut meiner Mutter gegenüber zu vergessen und gab mich ganz der Musik hin.
Wie im Flug verging die Aufführung und nach dem tosenden Applaus der Zuschauer verließ ich überglücklich die Bühne. Ich war wie berauscht und gierte bereits nach mehr.
Hoffentlich war es Paula gelungen, weitere Aufführungen für uns zu organisieren.
Auf dem Weg zur Umkleide stellte sich mir überraschend Paula in den Weg. Trotz der Brille konnte ich erkennen, dass ihre Augen rot unterlaufen waren. Als hätte sie eben noch geweint. Noch bevor sie sprach, wusste ich, dass etwas Schreckliches passiert sein musste.
»Emma, deine Mutter hatte einen Unfall«, waren die letzten Worte, die ich noch wahrnahm, bis die Welt um mich herum in Finsternis versank.
Vier Jahre später
Zierliche Flocken tanzten in einem wilden Durcheinander in dem klaren Wasser. Erneut schüttelte ich die Schneekugel und sah, wie die weiße Pracht sachte auf das kleine Schloss hinabfiel, welches sich in der Mitte der Kugel befand. Bereits als kleines Mädchen hatte ich mir so immer den Palast der Schneekönigin vorgestellt, der hoch oben über den Menschen auf einem Berg thronte.
Wunderschön und gefährlich zugleich.
Jeden Tag hatte meine Mom Henry und mir die Geschichte erzählen müssen, wie die Königin die Herzen der Menschen vergiftete. Nur die Liebe schaffte es, das Eis zu schmelzen. Die Schneekugel, die Henry mir vor vier Jahren an Weihnachten geschenkt hatte, erinnert mich immer an diese magische Zeit. Als die Liebe nur Dinge heilen konnte, anstatt sie zu zerstören. Er wollte mich damals trösten und mir etwas schenken, was mich sowohl an ihn als auch an Mom erinnerte, die kurz zuvor gestorben war. Das war unser letztes Weihnachtsfest in Richmond Hill. Früher hatte ich mir ein romantisches Märchen erträumt – wie das von dem Mädchen, das ihren Freund durch wahre Liebe befreien konnte. Als würde jeder Schmerz durch Zuneigung geheilt werden können.
Heute konnte ich über dieses naive Mädchen von einst nur noch lachen, das an Liebe auf den ersten Blick geglaubt hatte. Bad Boys blieben Arschlöcher, zumindest meiner Erfahrung nach. Die netten Männer waren hingegen schwer zu finden, denn meist waren sie in einer Beziehung oder sie wollten sich aktuell auf niemanden einlassen.
Umso dankbarer war ich, weil mir nach einer dramatischen Trennung momentan nicht wirklich der Sinn nach einer Beziehung stand. Sobald Gefühle im Spiel waren, wurden Dinge kompliziert, und mir fehlte derzeit die Kraft für alles, was nicht einfach war. Die ersten Monate des letzten Schuljahres waren bereits verstrichen und forderten mir viel ab.
»Emma.« Die tiefe Stimme meines Vaters drang von der unteren Etage unseres Hauses bis hinauf zu mir.
Sachte stellte ich die Schneekugel wieder zurück in das überfüllte Bücherregal, dessen Bretter bereits eine leichte Biegung aufwiesen, und verließ rasch das Zimmer. Meine Hand legte sich auf das Holz des Treppengeländers, während ich die Stufen hinuntereilte, begleitet vom Knarzen der alten Dielen. Als wir vor vier Jahren in das Haus gezogen waren, hatte ich mich erschrocken, wenn jemand nachts die Treppe benutzt hatte. Für mich hatte es immer so geklungen, als würde ein Geist in der Dunkelheit sein Unwesen treiben und nur meine über den Kopf gezogene Bettdecke könnte mich beschützen. Allerdings hatte ich schon damals gewusst, dass es weitaus schlimmere Dinge gab als knarzendes Holz.
»Was ist los?« Ich bemühte mich um einen unbeschwerten Tonfall, während meine Gedanken noch um die Geschichte der Schneekönigin kreisten. Gemächlich ließ ich mich auf einen der dunkelbraunen Ledersessel im Wohnzimmer fallen, die schon von der Zeit gezeichnet waren. Kurz nach Moms Tod hatte Dad das Jobangebot aus New York erhalten und wir waren Kopf über in ein neues Leben gestürzt. Ein Leben ohne sie. Dennoch hatten wir es in all den Jahren nicht geschafft, uns von den alten Möbeln zu trennen. Vielleicht brachten wir es auch einfach nicht übers Herz, dieses kleine Stückchen Heimat gehen zu lassen.
Mein Vater war in einen Anzug gekleidet und blickte angespannt auf die Uhr an seinem Handgelenk.
»Tante Sophie hat gerade angerufen.« Er machte eine kurze Pause und ging auf und ab. Bevor ich verstand, was genau er damit sagen wollte, fuhr er fort. »Sie lädt uns über Weihnachten und Silvester zu sich nach Hause ein«, sagte er zögerlich.
Dad sah auf und etwas veränderte sich in seinem Blick. In seinen schiefergrauen Augen schien ein Sturm zu toben, den er nur mit Mühe im Zaum halten konnte.
Sophie zu besuchen … das bedeutete, zurück nach Richmond Hill zu fliegen. In unserem alten Haus zu wohnen, denn Moms Schwester lebte jetzt mit ihrer Familie dort. Bis zu Moms Beerdigung hatte ich es kaum ausgehalten, mehr Zeit als notwendig im Haus zu verbringen. Ich erinnerte mich noch daran, wie ich mich jede Nacht in den Schlaf geheult hatte, wenn ich es überhaupt geschafft hatte einzuschlafen. Ich hatte es nicht ertragen können, dort zu sein – ohne sie. Wie sollte ich jetzt einen Urlaub überstehen?
Ein bitterer Kloß bildete sich in meinem Hals und raubte mir die Luft zum Atmen. Mir wurde heiß und kalt zugleich, während alles um mich herum anfing sich zu drehen. Ich verdrängte die Bilder des brennenden Autowracks, die mich noch einige Tage danach im Fernsehen und in der Zeitung verfolgt hatten.
Ich sah in Dads Augen, um Halt zu finden. Sie wirkten wie ein Fels in diesem Meer aus Gefühlen, in dem ich zu ertrinken drohte. Für den Bruchteil eines Augenblicks war ich mir sicher, dass er mit den gleichen Schreckensbildern kämpfte, wie ich es gerade tat. Doch dann war dieser Moment ebenso schnell vorbei, wie er gekommen war.
»Ich wollte erst mit dir und deinen Brüdern darüber sprechen und dann zu- oder absagen. Adam und Dean sind ja noch beim Footballtraining, sodass ich sie erst später abends fragen kann.«
Er trat einen Schritt auf mich zu und berührte mit seinen Händen meine Arme. Der leichte Druck gab mir ein Gefühl von Sicherheit und ließ mich etwas freier atmen.
»Ich würde mich freuen, wenn wir nach Toronto fliegen«, gestand er zu meiner Überraschung offen.
»Ich mich auch.«
Eine Lüge, die mir derart leicht über die Lippen kam, dass ich mich vor mir selbst erschrak. Aber ich wusste genau, dass es für Dad wichtig war, er mich aber nie dazu überreden würde.
Ein Lächeln bildete sich auf seinem kantigen Gesicht, was jedoch seine Augen nicht erreichte. Offenbar schöpfte er Verdacht und ich wusste nicht, wie lange ich ihn noch ansehen konnte, ohne in Tränen auszubrechen. Als seine Armbanduhr anklagend zu piepsen anfing, ließ er mich los und Erleichterung durchströmte mich, da seine Konzentration nicht länger auf mir lag.
Dad legte die Stirn in Falten. »Ich habe noch einen Termin in der Kanzlei, der etwas länger dauern wird, also wartet nicht mit dem Abendessen. Du weißt, dass die Jungs unausstehlich werden, wenn sie hungrig sind.« Wie immer versuchte Dad mit einem Witz eine angespannte Situation zu retten, aber dieses Mal half auch das nicht.
Mit großer Überwindung rang ich mir ein Lächeln ab und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich Sophies Einladung aus der Bahn warf.
»Ist gut. Ich bestelle uns eine Pizza«, antwortete ich routiniert und hoffte, dass er das Thema Weihnachten nicht noch einmal aufgriff, bevor er ging.
»Danke schön, Emmi.«
Dad gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ dann das Haus. Seit Moms Tod war es keine Seltenheit, dass er lange arbeitete. Es war seine Art, mit der Situation umzugehen, und ich hatte mich daran gewöhnt. Außerdem war ich erwachsen und konnte mich gut um mich selbst kümmern. Dennoch ließ mich Sophies Einladung nicht los. Es fühlte sich an wie das berühmte Damoklesschwert, wenn ich daran dachte, in das Haus meiner Kindheit zurückzukehren. Ich hatte dort so viel Schönes erlebt, aber seit Moms Tod war all das überschattet.
Eine Träne lief warm an meiner Wange hinunter und hinterließ eine feuchte Spur aus Kummer und Schmerz. Weitere folgten und obwohl ich jede von ihnen wegwischte, fühlte es sich wie eine Sintflut an, die nicht aufgehalten werden konnte.
Egal wie sehr ich es auch wollte.
Keine Ahnung, wie viele Minuten vergangen waren, ehe sich mein rasendes Herz beruhigt hatte. Ich rief Mel an und schilderte ihr die Situation. Durch mein Geschluchze konnte sie allerdings nur die Hälfte verstehen, weshalb ich mehrere Minuten brauchte, um mich zu erklären.
»Ich kann in dreißig Minuten bei dir sein, Süße«, sagte meine beste Freundin enthusiastisch.
»Nein, nein. Wir sehen uns doch eh morgen und ich muss noch für die Abschlussprüfungen lernen.«
»Wir wissen beide, dass du schon längst damit angefangen hast, obwohl es noch über ein halbes Jahr hin ist. Ich verstehe schon, dass du allein sein möchtest. Bis morgen, Emmi.«
Dann legte sie auf.
Ich wusste, dass es Mel gerade viel Überwindung kostete, nicht herzukommen. Es widersprach ihrer fürsorglichen Natur, mich jetzt allein zu lassen, dennoch respektierte sie meinen Wunsch. Das schätzte ich sehr an ihr. Ich hatte mir den Kummer nur von der Seele reden wollen und manchmal genügte bereits ein Telefonat, um wieder frei durchatmen zu können. Es würde noch drei Stunden dauern, ehe die Jungs hier waren, also beschloss ich etwas im Central Park spazieren zu gehen. Ich brauchte die frische Luft jetzt, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich zog mir meinen dicksten Wintermantel an, denn ganz New York war bereits im eisigen Griff des Winters gefangen.
Alles war mit einer dicken Schicht aus weißem Pulverschnee überzogen. Nur die Straßen konnten diese Reinheit nicht lange erhalten und verwandelten das Weiß in ein schmutziges Grau. Auf dem Weg zur U-Bahn-Station wurden meine Schritte durch ein stetiges Schmatzen begleitet, sodass ich das Gefühl bekam, durch zähen Schlamm zu warten. Die Menschen um mich herum waren beladen mit gefüllten Einkaufstaschen und hasteten von einem Geschäft zum nächsten. Hinzu kamen die unzähligen Touristen, die bei dem leichten Schneefall verzweifelt auf ihr Handy starrten und sich zu orientieren versuchten. Ich konnte gar nicht mehr zählen, wie oft ich Touristen den Weg zum Rockefeller Center oder Flat Iron Building erklärt hatte. Die meisten interessierten sich wirklich nur für die Wahrzeichen der Metropole. Die kleinen, feinen Ecken, die den Charme dieser pulsierenden Stadt ausmachten, ignorierten sie geflissentlich.
Ich pustete die warme Atemluft in meine Handflächen und ärgerte mich darüber, dass ich gestern meine Handschuhe verloren hatte. Wenn es darum ging, Sachen zu verlieren, war ich wirklich eine Weltmeisterin.
Ich stellte mich auf die Rolltreppe und fuhr hinab zu den Bahnsteigen, die sich wie ein Spinnennetz durch die Stadt zogen. Der stickige Geruch nach Urin und Fast Food drang in meine Nase und augenblicklich vermisste ich die frische Luft. Obwohl es selbst in New York nie wirklich sauber roch. Es war nicht zu vergleichen mit Richmond Hill.
Die Fahrt mit der U-Bahn dauerte fast zwanzig Minuten und ich fühlte mich wie eine Sardine in der Aluminiumschale. Egal wie voll eine Bahn bereits war, bei jeder Station kamen gefühlt mehr Menschen dazu, als ausstiegen. Dieses Phänomen hatte ich bis heute nicht verstanden und konnte mir nur denken, dass die Antwort auf die Frage: »Wie viele Menschen passen in eine New Yorker U-Bahn?«, mit Sicherheit
»Unendlich viele!« lautete.
Die Zeit zog sich dahin und je länger ich in der beheizten U-Bahn verbrachte, desto wärmer wurde mir. Nicht mehr lange und ich musste versuchen den Mantel auszuziehen, um keinen Hitzschlag zu bekommen. Dann kam endlich die erlösende Durchsage der Haltestelle. Erleichtert atmete ich auf und beschleunigte meine Schritte in Richtung Ausgang.
Schon beim Betreten des Parks fühlte ich sofort eine Unbeschwertheit, die ich sonst kaum empfand. Als hätte der Wind all meine Sorgen mit sich getragen, sodass ich mich jetzt an dem Winterwunderland erfreuen konnte. New York hatte seinen ganz eigenen Zauber.
Obwohl Hunderte von Touristen jeden Tag herkamen, wirkte der Park doch wie ein Ruhepol, umgeben von dem hektischen Treiben in den Hochhäusern und Bürogebäuden. Ich atmete die kalte Luft tief ein und blies meinen warmen Atem hinaus. Langsam ging ich den Weg entlang, begleitet vom Knirschen des Schnees unter meinen Stiefeln.
Mein Ziel war die Wollmann Rink Eislaufbahn. Ich selbst hatte ein paar Anläufe genommen, um mich auf dem Eis zu bewegen. Wie meine Brüder dann aber belustigt festgestellt hatten, war ich absolut talentfrei. Etwas, was mich selbst erstaunte, denn eigentlich hätte mir meine Balletterfahrung dabei helfen müssen, mich auf dem Eis halten zu können. Wahrscheinlich lag mein Unvermögen eher an einer innerlichen Blockade, die es mir verwehrte, an etwas Spaß zu haben, was dem Ballett auch nur im Entferntesten ähnelte. Ich konnte gar nicht sagen, wie oft ich mich verletzt hatte, nur bei dem Versuch, aufrecht zu stehen. Adam und Dean stellten sich da deutlich besser an. Jetzt traute ich mich kaum noch aufs Eis, wenn jemand in der Nähe war, den ich kannte.
Ich lehnte mich gegen die Balustrade der Eisfläche und ließ meinen Blick über die Menschenmenge gleiten.
Verliebte Pärchen fuhren Hand in Hand miteinander und hatten dabei nur Augen für sich. Eltern versuchten ihren Kindern mithilfe von großen Plastikpinguinen zu helfen, die meisten schafften es ganz gut, sich eine Zeit lang zu halten. Dann gab es natürlich auch noch die professionellen Eisläufer, die ihre federleicht wirkenden Pirouetten drehten. Sie schlängelten sich geschickt durch die Menge, ohne dabei jemand anderen zu berühren.
Wie die Leute gemeinsam über die Eisfläche fuhren und sich grazil bewegten, hatte etwas Magisches. Ein Tanz auf dem Eis, bei dem alle mitwirkten.
Das war einer dieser seltenen Momente, in denen sich ein kleiner Teil von mir wünschte, wieder zu tanzen. Genau dieselbe Freiheit zu verspüren wie diese Menschen dort. Ich konnte mich noch genau an dieses beschwingte Gefühl erinnern, das entstanden war, wenn die Bewegungen sich der Musik angepasst hatten. Als würde man jeder Note Leben einhauchen. Durch Tänzer wurde die Musik erst lebendig. Ohne dass ich es bemerkte, tippte mein Fuß im Rhythmus, in dem die Musik aus den aufgestellten Boxen erschallte.
Doch schnell schluckte ich dieses Verlangen herunter und begrub es so tief in mir, wie ich konnte. Allein schon für den Gedanken ans Tanzen hasste ich mich. Wie könnte ich mich jemals daran erfreuen, jetzt, da Mom tot war? Ohne meinen Auftritt bei dieser verfluchten Aufführung wäre sie noch am Leben!
Ich beschloss mich nicht länger selbst zu quälen, sondern zurück nach Hause zu fahren. Egal wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte vor den Geistern der Vergangenheit nicht davonlaufen. Es überhaupt zu hoffen, war lächerlich.
***
Die Zwillinge kamen spät vom Training nach Hause. Sie schmissen ihre Sporttaschen vor die Garderobe und zogen ihre dicken Jacken aus, während mir der Geruch der durchgeschwitzten Sachen in der Nase brannte.
»Wie wäre es, wenn ihr euch in der Sporthalle waschen würdet? Dort gibt es genügend Duschkabinen und ihr würdet nicht das ganze Haus vollstinken«, schlug ich vor, während ich mir demonstrativ die Nase zuhielt.
»Ich freue mich auch dich zu sehen, Schwesterchen«, überging Adam meinen Hinweis. Seine grauen Augen, die er eindeutig von Dad hatte, wanderten zum Flyer in meiner Hand. »Oh, du kochst also heute?«, fragte er belustigt. Wir wussten beide, dass ich selbst Wasser anbrennen ließ und es für alle eine Gefahr darstellte, mich allein in der Küche zu lassen.
»Es gibt heute was Italienisches. Dafür habe ich mir extra zahlreiche Kochshows angesehen und bin nach Italien geflogen, um mich vom besten Pizzabäcker Roms ausbilden zu lassen.«
»Der hat dir also gezeigt, wie man Teig im Ofen in Kohle verwandelt?«, witzelte Dean und fuhr sich durch die kurzen dunkelbraunen Haare. Adam hingegen hatte seine schulterlangen Haare zu einem Zopf nach hinten gebunden, damit sie ihn nicht beim Spielen behinderten.
»Ganz genau und noch dazu, wie man sie am besten als Wurfgeschoss für kleine Brüder verwendet«, entgegnete ich und streckte frech die Zunge raus.
»Wen nennst du hier klein?«
Adam stellte sich direkt vor mich und gegen meinen Willen musste ich den Kopf heben, um ihm in die Augen sehen zu können. »Na dich.« Ich pikste ihm sachte mit dem Zeigefinger gegen die muskulöse Brust.
»Weißt du, was wir schon lange nicht mehr gemacht haben?«, fragte Adam und ich hob verwundert eine Augenbraue. »Uns ganz doll umarmt.«
Ehe ich weglaufen konnte, legte mein Bruder die durchtrainierten Arme um mich.
»Igitt«, schrie ich und spürte die Nässe seiner durchgeschwitzten Sachen. Demonstrativ machte ich Würgegeräusche und kämpfte gegen den eisernen Griff an, bis er mich endlich losließ.
»Na toll, jetzt muss ich mich umziehen.« Ich verschränkte die Arme und funkelte Adam finster an.
»Du sagst doch immer, dass wir die Zeit miteinander genießen sollen, bis du ausziehst. Was gibt es da Schöneres als eine innige Umarmung, damit du mich auch vermisst?«
Gerade wollte ich antworten, dass es ungefähr eine Million Dinge gab, die spaßiger waren, als Dean sich einmischte.
»Ist Dad noch auf der Arbeit?«
»Ja«, gab ich kurz wieder und war schon in Gedanken bei dem Gespräch, was Dad mit den Jungs führen wollte.
Ich drückte Dean den Flyer in die Hand. »Da er nicht da ist, können wir uns etwas bestellen. Ihr habt die Auswahl aus vierzig liebevoll zubereiteten Gerichten«, verkündete ich grinsend und war bereits dabei, die Treppe hinaufzugehen. Es wurde dringend Zeit für einen Kleiderwechsel.
»Wuhu, endlich wieder gute Hausmannskost«, stichelte mein Bruder liebevoll.
»Bestell mir bitte ein Margherita mit Ananas«, rief ich über die Schulter hinweg.
»Also eine Hawaii?«, fragte Adam und kicherte dabei.
Seit drei Jahren war ich Vegetarierin und meine Brüder machten sich trotzdem fast jeden Tag einen Spaß daraus, mich damit aufzuziehen.
»Genau. Ich möchte einen Berg aus totem Tier auf der Tomatensoße haben. Und wehe, es ist nicht schön blutig«, erwiderte ich und war dann endgültig im Zimmer verschwunden. Kleine Brüder, auch wenn sie bereits siebzehn waren, waren durchaus anstrengend. Ohne die zwei Chaoten wäre es aber auf jeden Fall ziemlich langweilig hier. Ich schmiss das gelbe T-Shirt in die Wäsche und suchte mir dann einen grauen Pullover aus, dessen weicher Stoff perfekt war für einen gemütlichen Abend.
Mit einem wohligen Gefühl auf der Haut wollte ich die Treppe hinuntergehen, aber meine Brüder waren gerade dabei, sie hinaufzustürmen und mich dabei fast umzurennen.
Der normale Streit um die Dusche hatte begonnen. Das Haus war leider zu klein für ein zweites Badezimmer, aber umziehen wollte niemand von uns. Also blieb nur die Option, dass sich Dean und Adam stetig um die Dusche stritten, wenn sie vom Training nach Hause kamen. Ein endlos währender Kampf, den Dean heute gewann.
Kopfschüttelnd ging ich hinunter und griff mir meine aktuelle Lektüre, um weiter darin zu versinken. Mit einem guten Buch konnte man mich stundenlang allein lassen.
Allerdings setzten sich meine Brüder bereits zwanzig Minuten später frisch geduscht zu mir.
Abgesehen von den unterschiedlichen Frisuren waren Adam und Dean kaum auseinanderzuhalten. Ein Faktor, aus dem sich schon zahlreiche Streiche ergeben hatten. Zum Glück waren die beiden irgendwann reif genug geworden, um nicht ständig die Plätze zu tauschen und ihre Mitmenschen damit zu nerven.
»Bist du schon wieder in einem dieser Liebesromane versunken?«, fragte Dean und versuchte aus dem Cover des Buches schlau zu werden.
Ich legte meine Lektüre auf den hölzernen Wohnzimmertisch.
»Nicht nur ein Liebesroman. Das ist ein Meisterwerk«, sagte ich und blickte verträumt auf das Buch.
»Aber mit Liebe lag ich schon richtig, oder?«, hakte Dean weiter nach.
»Natürlich spielt das eine Rolle, aber keine wesentliche.« Unruhig bewegte ich mich im Sessel. Ich dachte an das bevorstehende Gespräch. »Es würde euch sicherlich nicht schaden, auch etwas mehr zu lesen«, schlug ich vor, um mir nichts anmerken zu lassen.
»Ich bin eher ein Fan davon, die Dinge wirklich zu erleben, statt nur darüber zu lesen. Das wahre Leben findet dort draußen statt«. Dean zeigte auf das Wohnzimmerfenster.
»Wo? In der Bäckerei gegenüber? Ist klar, dass für dich das Leben mit Essen zu tun hat«, entgegnete ich trocken.
Adam grinste.
Das erlösende Klingeln an der Haustür ließ mich aufspringen und zum Lieferanten eilen. Zwar redete ich gern und viel mit meinen Brüdern, aber mein Liebesleben war ein Thema, das ich sicherlich nicht mit ihnen bis ins kleinste Detail ausdiskutieren wollte.
Energiegeladen öffnete ich die Tür und nahm dem Pizzamann die drei Kartons ab. Sie dampften noch und ich belohnte die Schnelligkeit mit zwanzig Dollar. Ehe ich mich versah, hatte Adam mir das Essen abgenommen und hastete damit in die Küche, während Dean ihm folgte.
Ich schloss die Haustür, nachdem ich dem Lieferanten noch einen schönen Abend gewünscht hatte, und ging zu meinen Brüdern. Die hatten bereits ihre Gesichter über den köstlich duftenden Speisen hängen und schmatzten genüsslich. Ich zog einen der vier Stühle zurück und setzte mich an den großen Esstisch, an dem viel zu selten Gäste saßen. Bereits jetzt lag dieser unverkennbare Geruch nach gebackenem Teig, auf dem eine dicke Schicht Käse zerflossen war, in der Luft und mein Magen knurrte sehnsüchtig.
Dennoch mischte sich gleichzeitig das Gefühl von Übelkeit unter den Hunger. Bereits als Dad mir von dem Telefonat mit Sophie erzählt hatte, hatte der Drang bestanden, es sofort meinen Brüdern zu sagen. Es war zwar nicht in Ordnung, ihm dieses Gespräch vorwegzunehmen, aber ich hatte das Gefühl, es erst einmal allein mit ihnen besprechen zu müssen. In den letzten Jahren hatte sich unsere Bindung noch um ein Vielfaches verstärkt, sodass ich mit ihnen offen über fast alles reden konnte.
Nachdem sie ihre Pizzen aufgegessen hatten, wollten sie aufstehen und es sich im Wohnzimmer bequem machen.
Jetzt oder nie!
»Ich müsste mal was mit euch besprechen.«
Obwohl ich kaum einen Bissen gegessen hatte, fühlt es sich an, als würden in meinem Magen Steine wie in einem Betonmischer umherkullern. Innerlich jonglierte ich die Worte hin und her, doch um die Jungs nicht weiter warten zu lassen, musste ich endlich anfangen.
»Dad hat mir heute erzählt, dass Tante Sophie angerufen hat.« Ich atmete einmal tief ein und aus. Adam sah mich nachdenklich an, während Dean sich entspannt zurücklehnte.
»Sie lädt uns über die Feiertage zu sich nach Richmond Hill ein.«
Beide hielten einen Moment inne und warfen sich vielsagende Blicke zu. Das war die Art der stummen Kommunikation, die sie bereits als kleine Jungs verwendet hatten. Dann glitten zwei graue Augenpaare zu mir.
»Dad wollte eigentlich mit euch sprechen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, es vorher mit euch bereden zu müssen. Wenn er das Thema anspricht, tut also bitte überrascht, ja?«, sagte ich entschuldigend.
»Ist das deine einzige Sorge?«, fragte Adam und fuhr sich nachdenklich mit der Hand übers Kinn.
»Nicht nur, aber das steht ganz oben auf der Liste. Ich dachte, so habt ihr etwas Zeit, um darüber nachzudenken, was ihr wollt«, gestand ich.
Für mich war diese Einladung immer noch verwirrend, zumal wir kaum Kontakt zu unseren Verwandten hatten.
»Es klingt doch nach einer netten Abwechslung, als Weihnachten wieder mit chinesischem Essen bei einem schlechten Film zu verbringen«, sagte Dean äußerst pragmatisch und blickte dann zu unserem Bruder.
»Hm, auch wenn ich es anders ausdrücken würde, stimme ich Dean zu. Etwas Abwechslung wäre ganz schön und ich bin mir sicher, dass unsere Großeltern uns mit Sicherheit gern wiedersehen würden«, erläuterte Adam.
»Aber das spielt eigentlich keine große Rolle, denn es ist wichtiger, was du davon hältst«, fasste Adam zusammen und sah mich dabei eindringlich ein. Er tippte mit den Fingern auf dem Tisch herum.
Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe und versuchte mein schnell schlagendes Herz zu beruhigen. »Ich hab dem Ausflug zugestimmt«, gestand ich zögerlich und fürchtete ihre Reaktion. Ich suchte in den Gesichtern meiner Brüder nach den Emotionen, die sich in ihrem Inneren wohl abspielten.
Doch da war nichts Genaues zu erkennen oder sie konnten ihre Gefühle deutlich besser verbergen als ich.
»Das hat Dad dir abgekauft?«, fragte Dean skeptisch und zog die Augenbrauen so zusammen, dass sich kleine Fältchen zwischen ihnen bildeten.
»Ich kann sehr überzeugend sein«, entgegnete ich und reckte stolz lächelnd das Kinn.
Meine Brüder brachen in schallendes Gelächter aus und es dauerte einige Augenblicke, ehe sie sich beruhigt hatten. Das war ein herber Schlag für mein Selbstbewusstsein.
»Du bist vieles, aber sicherlich keine gute Lügnerin. Er hat es vermutlich sofort durchschaut und aus Anstand nichts gesagt. So wie immer«, sagte Adam und bestätigte meinen Verdacht.
Ich sollte wirklich mal ein Training absolvieren, um mir nicht immer alles anmerken zu lassen. Sonst war das das Ende für meine nicht vorhandene Pokerkarriere.
»Ehrlich gesagt glaube ich, dass er es selbst eigentlich gar nicht möchte, sondern viel mehr aus Schuldgefühlen heraus zugestimmt hat. Immerhin waren wir nach … Moms Beerdigung nicht mehr dort«, sprach ich meine Gedanken aus.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete Adam und rieb sich übers Kinn, auf dem bereits reichlich Bartstoppeln sprießten. Er wollte sich einen Vollbart wachsen lassen, aber bei dem Tempo in Sachen Haarwuchs würde das vermutlich erst der Fall sein, wenn er mit dem College fertig war.
»Du kennst Dad gut genug, um zu wissen, dass er nichts gegen seinen Willen macht. Schon mal daran gedacht, dass er es wirklich will?«, fragte Dean frei heraus und zog mir damit den Boden unter den Füßen weg.
Zugegeben, das war mir nicht in den Sinn gekommen. Es erschien mir einfach unwahrscheinlich, dass Dad wirklich nach Richmond Hill wollte. Immerhin vermisste er Mom ebenso sehr wie wir, wenn nicht sogar noch mehr. Wenn ich an Seelenverwandte dachte, dann hatte ich immer das Bild meiner Eltern vor Augen. Sie waren für mich einfach das perfekte Paar gewesen, dass heller gestrahlt hatte als alles andere. Ohne Mom verblasste Dad mit jedem Tag etwas mehr.
Es musste ihm doch ebenso wehtun, wieder an jeder Ecke an Mom erinnert zu werden.
»Glaubst du das wirklich?«, hakte ich nach.
»Ich bin mir sogar sehr sicher. Immerhin hat er dann auch die Möglichkeit, ihr Grab zu besuchen. Wir alle, besser gesagt. So seltsam, wie das auch klingen mag, aber es wäre schön, ihren Grabstein wiederzusehen. Irgendwie gibt es einem das Gefühl, als könnte man mit ihr reden«, offenbarte Adam.
Und mit jedem gesprochenen Wort wurde mir deutlicher, wie sehr er Mom vermisste. »Dann habt ihr also nichts dagegen?«, fragte ich nach, um ganz sicherzugehen, dass ich meine Brüder nicht falsch verstanden hatte.
Zustimmendes Nicken erfolgte und ich wusste nicht, ob ich deshalb erleichtert oder verängstigt sein sollte.
»Sophie und die anderen werden sich bestimmt darüber freuen«, sagte ich unverfänglich.
»Hast du überhaupt mal etwas von Maggie gehört?«, fragte Dean.
Bevor wir nach New York gezogen waren, hatten ich und meine Cousine eine enge Freundschaft gepflegt, die sich aber auch mit der Zeit und über die Distanz abgeschwächt hatte.
»Um ehrlich zu sein, war der letzte Anruf an ihrem Geburtstag. Allerdings war sie da mit ihren Freundinnen beschäftigt. Man wird schließlich nicht jeden Tag achtzehn«, erklärte ich.
»Ein Grund mehr, sich über unseren Besuch zu freuen«, sagte Adam anschließend.
Damit stand es fest: Wir würden Weihnachten bei dichtem Schneegestöber in Richmond Hill verbringen.
Nachdem ich mir später am Abend eine halbherzige Standpauke von meinem Dad hatte anhören dürfen, hatte ich meine Brüder innerlich verflucht. Warum machte ich immer wieder den Fehler und glaubte, dass sie ein Geheimnis für sich behalten konnten? Während Dad mehr als einmal betont hatte, dass es respektlos sei, nicht auf das, was er sage zu hören, hatte er immer mal wieder herzhaft gegähnt. Irgendwann hatte ich gar nicht mehr versucht mich zu erklären, sondern nur stumm genickt, damit er endlich in sein Bett verschwand. Die tiefen Augenringe hatte man bereits aus mehreren Metern Entfernung erkennen können.
Jetzt war es eine Stunde vor Mitternacht und ich schleppte mich in mein Zimmer.
Da ich nicht müde war, beschloss ich ein paar Bücher auszusortieren. Also verbrachte ich eine Stunde damit, jedes einzelne Regal zu durchforsten und Bücher herauszunehmen, die ich wahrscheinlich niemals lesen würde. Als ich danach immer noch vor überschüssiger Energie sprudelte, musste ich mir eine neue Aufgabe suchen. Wir würden zwar erst in einer Woche nach Toronto fliegen, aber ich fand einfach keine Ruhe. Wenn mein Koffer gepackt war, dann machte es die ganze Situation für mich realer.
Die Minuten vergingen und ich hatte erst zwei Teile im Koffer liegen. Zum wiederholten Male fragte ich mich, ob ich das wirklich wollte. Ob mir dieser Besuch mehr bringen würde als Schmerz und Kummer.
Das Piepen des Handys unterbrach meinen Sortierwahn. Eine Nachricht von Mel.
Geh jetzt endlich schlafen, Emmi! Du bist morgen sonst unausstehlich.
Jeder andere hätte angenommen, dass meine beste Freundin eine Kamera in meinem Zimmer versteckt hätte. Nach drei Jahren inniger Freundschaft kannten wir einander aber so gut, dass sie wusste, was das Angebot meiner Tante mit mir anstellte. Das hier war erst der Anfang von zahlreichen schlaflosen Nächten bis zum Abflug.
Einen kurzen Moment war ich gewillt ihr zu antworten, ließ es aber. Stattdessen folgte ich ihrer liebevollen Anweisung und legte mich in das frisch bezogene Bett. Mein Blick glitt zum Fenster, dessen Vorhänge nur halb zugezogen waren. In New York war es fast unmöglich, die Sterne genau zu erkennen. Das war etwas, voran ich mich erst hatte gewöhnen müssen. Jetzt stellte ich mir immer vor, wie sie hell am Himmel strahlten und den Menschen den Weg wiesen.
Beim Versuch, die nicht sichtbaren Sterne zu zählen, schlief ich schließlich ein.
***
Vier Stunden später wurde ich durch das penetrante Klingeln meines Weckers unsanft aus dem Bett geholt.
Langsam ging ich ins Bad und stolperte dabei über den aufgeklappten Koffer.
Der Schmerz an meinen großen Zeh machte mich wacher als zehn große Kaffeetassen am Morgen. Fluchend setzte ich meinen Weg fort, bis das Pulsieren endlich aufhörte.
Kurz nach dem Aufwachen hatte ich in der flauschigen Wolkenwelt gelebt, in der Tante Sophie diese Einladung nie ausgesprochen hatte. Jetzt allerdings traf mich die harte Realität wie der Hartschalenkoffer meinen zierlichen Zeh. Wie sollte ich nur zwei Wochen in dem Haus überstehen … ohne Mom? Alles dort war mit ihr verbunden.
Ich schloss die Badtür und setzte mich auf den geschlossenen Toilettendeckel. Einmal tief durchatmen, um all die wirren Gedanken zu ordnen.
»Emmi, bist du das?« Die Stimme meines Vaters drang dumpf durch die geschlossene Tür und löste endlich die Starre.
»Ja.« Ich bemühte mich um eine feste Stimme.
»Beeil dich bitte, sonst schaffst du es nicht mehr zu frühstücken.«
Ich hörte, wie seine Schritte sich langsam entfernten.
Seltsam, sonst interessierte er sich nicht derart für meine Essgewohnheiten. Mit neunzehn war ich durchaus in der Lage, darauf zu achten, nicht zu verhungern.
Nachdem ich mir das Gesicht gewaschen hatte, versuchte ich die Müdigkeit mit etwas Make-up zu überdecken.
Ein absoluter Fehlversuch. Jetzt wirkte ich wie ein sehr müder Panda.
Bevor ich mich in einen sehr müden und schlecht geschminkten Panda verwandeln würde, beschloss ich es einfach dabei zu belassen und zum Frühstücken zu gehen. Meine Brüder saßen bereits am Esstisch und schlangen ein Sandwich nach dem anderen hinunter. Es war mir immer noch ein Rätsel, wie sie es schafften, so früh am Morgen diese Unmengen an Nahrung zu verputzen.
»Guten Morgen«, brachte ich immer noch leicht zerknirscht heraus.
»Morgen«, antworteten beide im Chor und einige Brotkrumen landeten auf dem Esstisch.
Igitt. Jetzt hatte ich erst recht keinen Hunger mehr.
»Ich muss jetzt los und bin wahrscheinlich auch erst heute Abend zurück. Momentan herrscht in der Kanzlei absolutes Chaos. Die Tage vor den Feiertagen sind wirklich die schlimmsten.« Dad machte eine kurze Pause und sah uns langsam, aber bedeutungsvoll an. »Jungs, bitte versucht eure Schwester nicht bis zum Äußersten zu reizen. Emmi, nimm dir bitte genug zu essen mit in die Schule, sonst kannst du dich nicht konzentrieren.«
Wir nickten einträchtig und vermieden es, Dad darauf hinzuweisen, dass wir alt genug waren, um uns nicht wie Kleinkinder zu verhalten. Na ja, meistens zumindest.
Schon war er wieder verschwunden. Vermutlich würden wir ihn bis zum Abflug kaum zu Gesicht bekommen.
Ich goss mir eine große Tasse voll mit dem schwarzen Lebenssaft, Kaffee genannt, ein. Ich war quasi süchtig danach. Unsere Küche war klein und nur spartanisch eingerichtet, da außer Dad kaum jemand von uns am Herd stand. Ein gut gefüllter Kühlschrank und der Esstisch stellten die wohl wichtigsten Gegenstände in diesem ganzen Raum dar. Schließlich brauchte man Platz, um die bestellten Mahlzeiten zu lagern und zu essen. Nicht dass hier wirklich etwas übrig blieb. Meine Brüder sorgten meist dafür, dass es kaum Reste vom Vortag gab.
Dean beendete als Erster das Frühstück und räumte den Teller in den Geschirrspüler. »Ich bin heute Nachmittag bei Alice«, verkündete er fröhlich.
»Du lebst ja quasi dort«, gab Adam wieder und grinste ihn frech an.
»Im Gegensatz zu dir habe ich wenigstens eine Freundin.« Adam griff sich theatralisch an die Brust. »Oh, das hat gesessen. Ich glaube, heute Abend muss ich mich in den Schlaf heulen, wenn ich daran denke, wie glücklich du bist.«
»Sehr witzig«, sagte Dean trocken.
»Das war mein Ziel.«
Adam folgte unserem Bruder, während ich rasch die Kaffeetasse leerte und mir Brote für die Schule schmierte. Spätestens nach der ersten Pause würde mein Magen in der Kniekehle hängen und Hunger machte bekanntlich unzufrieden.
Zehn Minuten später war ich bereits auf dem Weg in die Schule, nachdem ich mir die Uniform angezogen und die dunkle Lockenmähne mit einem strengen Zopf gebändigt hatte. Das letzte Schuljahr war nun schon einige Monate vorangeschritten und ich fieberte bereits dem Abschluss entgegen. Zwar war ich mir wegen der genauen Wahl meines Colleges noch unsicher, aber das würde sich in den nächsten Wochen ergeben.
Mel wartete bereits vor der Schule auf mich. In all den Jahren, in denen ich sie kannte, trug sie bei jedem Wetter eine Sonnenbrille. Als ich sie irgendwann darauf angesprochen hatte, hatte sie nur gemeint: »Jeder berühmte Mensch braucht ein herausstechendes Merkmal. Bei mir ist es die schillernde Persönlichkeit.«
Sie hatte mir damals einen bitterbösen Blick zugeworfen, als ich in schallendes Gelächter ausgebrochen war. Irgendwie musste ich es dann doch geschafft haben, dass sie mich mochte. Denn seit diesem Tag waren wir unzertrennlich.
Trotz der Kälte bedeckte die Uniform bei Mel nur das Nötigste und sie reizte damit ein weiteres Mal die bestehende Schulordnung aus. Der grün-blau karierte Rock endete etwas über dem Knie und ich wusste, dass sie ihn hatte umändern lassen. Wenn sie darauf angesprochen wurde, meinte sie immer dreist, dass es wohl kaum ihr Vergehen wäre, wenn die Schule keine passenden Uniformen für die Schülerinnen bereitstellte.
Ich zog mir den Wintermantel noch etwas enger um den Körper, als mich ein eisiger Wind streifte.
»Du siehst aus, als hätte dich ein Wal versehentlich für Krill gehalten und dann wieder ausgespuckt«, begrüßte Mel mich herzlich. Ihre schulterlangen dunkelbraunen Haare bewegten sich sachte im Wind, während sie die Arme ineinander verschränkt hatte.
Meinem müden Gehirn fiel es schwer, ihre Worte zu entschlüsseln, bis mir schließlich wieder einfiel, dass Krill kleine, blasse Tierchen waren, die mit Vorliebe von Meerestieren gefressen wurden. Keine besonders schöne Vorstellung. »Herzlichen Dank«, gab ich grummelig wieder und ignorierte sie bewusst.
»Seit wann ist es ein Verbrechen, ehrlich zu sein?«, fragte sie und legte sich empört die Hand auf die Brust.
Ich überging ihre Frage. »Diese liebevolle Begrüßung am Morgen werde ich mit Sicherheit vermissen, wenn uns ungefähr achthundert Kilometer trennen.«
Ihr Grinsen wurde breiter. »Keine Sorge, ich schicke dir jeden Tag eine Nachricht, damit du mich auch von Richmond Hill aus vermissen kannst.«
Für einen kurzen Moment war der Gedanke verlockend, dass Handy in Kanada einfach auszuschalten und mir damit Dutzende von diesen herzlichen Nachrichten zu ersparen. Allerdings würde Mel dann höchstpersönlich vorbeikommen, um nach mir zu sehen.
»Vielleicht solltest du nicht so oft schreiben und mir die Chance geben, dich zu vermissen«, sagte ich, als wäre Mel ein klammernder Liebhaber. Natürlich meinte ich es nicht im Entferntesten ernst. Von all den Menschen, die es in meinem Leben gab, nervte mich Mel am wenigsten.
»Keine Chance«, winkte sie ab.
Meine beste Freundin schloss mich in eine herzliche Umarmung. Das war äußerst ungewöhnlich für sie, aber ein sicheres Anzeichen dafür, dass sie sich um mich sorgte. Ihr Duft nach Rosen mit einem Hauch Vanille stieg mir direkt in die Nase. Mel hatte für jeden Tag in der Woche einen anderen Duft zu ihrem Liebling auserkoren, sodass ich anhand des Parfums den Wochentag bestimmen konnte. Noch eine verrückte Angewohnheit, die ich aber liebte.
»Sehe ich wirklich so schlimm aus?«, fragte ich leise, sodass nur sie es hören konnte. Ich löste mich aus ihrer Umarmung.
Mel ließ den Blick langsam über mich gleiten. »Zwing mich bitte nicht, mir noch einmal eine umschmeichelnde Bemerkung zu deinem Äußeren einfallen zu lassen.« Sie presste die Hände flach aufeinander, als würde sie wirklich zu einer Gottheit beten.
»Gut, dann verzichte ich dieses eine Mal auf deine hochgeschätzte Meinung«, sagte ich großmütig und sie gab die betende Haltung auf.
»Lass uns reingehen, sonst sind die besten Plätze bereits besetzt«, sagte sie trocken. Als wäre der Unterricht ein heiß begehrtes Konzert, an dem die halbe Stadt teilnehmen wollte.
Mit enormer Kraft schoben wir die schwere Eingangstür des Backsteingebäudes auf.
»Bei dem Geld, was die Schule jedes Jahr von unseren Eltern erhält, sollte man meinen, dass sie locker einen Portier einstellen könnten.«
»Oder ihr macht es wie Menschen mit Verstand und benutzt den Türöffner an der Seite«, gab eine weibliche Stimme wieder, die ich mehr als verabscheute.
»Es freut mich auch, dich zu sehen, Nicoletta«, antwortete Mel und war mir damit voraus. Unsere Mitschülerin zupfte sich gelangweilt eines ihrer langen wasserstoffblonden Haare vom Jackett und beachtete uns nicht weiter.
Die Hewitt Highschool war eine reine Mädchenschule und somit der absolute Albtraum für jedes Mädchen, das in die Pubertät kam. Plötzlich wurden aus Sandkastenfreundinnen erbitterte Feindinnen, die um den Platz der schönsten Schülerin konkurrierten. Dabei sollte man eigentlich meinen, dass solche Machtkämpfe weniger wurden, wenn es keine Kerle gab, die beeindruckt werden mussten. Scheinbar schafften es Frauen auch ohne das andere Geschlecht, sich untereinander zu entwerten.
Die meiste Zeit konnte ich mich aus solchen Zickereien heraushalten, aber nicht immer. Bei Nicoletta schwand meine Selbstbeherrschung mit jeder Minute, die ich mit ihr verbringen musste. Immerhin war sie der Hauptgrund, warum meine letzte Beziehung gescheitert war. Sie hatte sich einen Spaß daraus gemacht, Chris zu verführen, und es mir am nächsten Tag brühwarm erzählt. Selbstverständlich gehörten immer zwei dazu. Daher hätte ich ihr sogar verziehen, wenn sie nicht in der ganzen Schule damit angegeben hätte. Das Schlimmste war, dass sie gar kein Interesse an meinem Ex hatte. Nach dem One-Night-Stand hatte sie ihn links liegen lassen.
Es war dabei nur um mich gegangen und war die Rache dafür gewesen, dass ich in dem Jahr davor bessere Leistungen erbracht und ihr damit den ersten Platz weggenommen hatte. Nach der Trennung hatte sie ihr Ziel erreicht und meine Noten waren rapide bergab gegangen, sodass ich beinahe das Stipendium verloren hätte. Zum Glück war es Mel gelungen, mich wieder aufzubauen.
An diesen Tagen, an denen ich Nicoletta nicht aus dem Weg gehen konnte, wünschte ich mir sehnlichst mit meinen Brüdern auf einer Schule zu sein.
Adam und Dean gingen auf die Xavier, eine Schule nur für Jungs. Zu Beginn hatte ich es ganz angenehm gefunden, mal getrennt von den beiden zu sein, nachdem wir jahrelang auf der gleichen Schule gewesen waren und sie mich ziemlich genervt hatten. Jetzt allerdings fehlten sie mir. Durch das Training sah ich sie an manchen Tagen nur zum Abendbrot und am Wochenende. Selbst das wurde manchmal durch ein Spiel verhindert.
»Alles okay bei dir?« Mel flüsterte mir die Worte so leise zu, dass nur ich sie verstehen konnte.
»Alles gut. Ich bin nur froh, wenn ich diese dämliche Kuh nach dem Abschluss nie wiedersehen muss.«
»Das kann ich sehr gut verstehen, aber abgesehen von ihr ist das doch eigentlich ein nettes Schuljahr. Wir haben weniger Kurse und die Lehrer sind nachsichtiger, weil wir so viel pauken müssen und bald alle weg sind.«
Mel lächelte mich breit an und schon hellte sich meine Laune auf. Sie wusste einfach, wie sie mich in jeder Situation aufmuntern konnte. In den Weihnachtsferien würde sie mir wirklich fehlen. Mit Schrecken dachte ich an die Zeit nach unserem Abschluss, wenn Mels und mein Weg sich zwangsläufig trennen würden. Aber jetzt in diesem Moment wollte ich einfach die Zeit genießen, die uns noch blieb. Das nachhaltige Klingeln verkündete vom baldigen Beginn der ersten Unterrichtsstunde.
»Jetzt aber los, bevor Mr Smith noch einen Tobsuchtsanfall bekommt wie beim letzten Mal.«
Die Wutausbrüche unseres Lateinlehrers waren legendär und jedes Jahr machte es sich jemand zur Aufgabe, ihn so lange zu provozieren, bis seine Gesichtsfarbe einen Purpurton annahm. Das Los entschied, wer die ehrenvolle Aufgabe bekam, und ich war dankbar noch nie gezogen worden zu sein. Vergangene Woche war es Steph geglückt, Mr Smith bis zur Weißglut zu treiben, als sie ihn gefühlt einhundert Mal gefragt hatte, wann wir endlich das Stargate, das Tor aus der gleichnamigen Serie, mit dem man in unterschiedliche Welten reisen konnte, sehen würden. Dass sie Science-Fiction mit einer alten Sprache verband, trieb ihn förmlich in den Wahnsinn. Als Strafe hatte sie einen Nachmittag lang nachsitzen müssen. Allerdings war sie von unserer Klasse gefeiert worden.
Diese Streiche würden mir wirklich fehlen, denn die ganzen Spielchen mit ansehen zu dürfen war durchaus komisch. Wie das Leben wohl später am College war? Hoffentlich würde es nicht so streng und arbeitsintensiv werden, wie ich befürchtete.
Was ich studieren wollte, wusste ich noch nicht genau. Als Richtung konnte ich mir gut Journalismus vorstellen, aber auch Sozialwissenschaften würden mich interessieren. Für Mel hingegen stand fest, dass sie nach der Schule für ein Jahr durch die Welt reisen würde. Ein Deal, den sie mit ihren erfolgsorientierten Eltern geschlossen hatte, die als einzige Bedingung herausragende Abschlussnoten gestellt hatten. Ein Kinderspiel für Mel. Allerdings bezweifelte ich, dass sie nach diesem Reisejahr wirklich Medizin studieren und später im Privatkrankenhaus ihrer Eltern arbeiten würde. Doch selbige spekulierten darauf, da war ich mir sehr sicher.
Das erneute Läuten der Glocke ließ die Gespräche im Klassenzimmer verstummen und lenkte die Aufmerksamkeit auf den Lateinunterricht. Ich kann nicht behaupten, dass alte Sprachen zu meinen Stärken zählten, und war dankbar, dass ich nicht ausgefragt wurde.
Der restliche Tag zog sich wie zäher Kaugummi und langsam holte mich der fehlende Schlaf ein. Es fiel mir immer schwerer, die Augen offen zu halten.
Auf dem Nachhauseweg fühlten sich meine Beine an, als wären sie aus Blei gegossen. Daheim angekommen legte ich mich hin und schlief sofort ein.
Die restliche Woche glitt so dahin, als wäre ich nur ein Zuschauer in meinem eigenen Leben. Es fiel mir schwer, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen, weil meine Schlaflosigkeit mir nach und nach die Konzentration raubte. Heute musste Mel mehrfach verhindern, dass ich einschlief. Je weniger Schlaf ich mir gönnte, desto unruhiger wurde ich.
Meinen Brüdern schien es wirklich nichts auszumachen, nach Kanada zu fliegen, und obwohl mein Dad sich kaum blicken ließ, redete er freudig über unseren Urlaub. Mit keiner Silbe erwähnte er Mom oder einen Besuch auf dem Friedhof.
Manchmal glaubte ich, dass er nur darauf bestand, weiter in New York zu wohnen, um nicht ständig an ihrem Grab stehen zu müssen oder durch unsere Familie an sie erinnert zu werden. Ein Teil von mir verstand das gut, schließlich ging es mir genauso.
Jetzt war der Abend vor dem Abflug gekommen und ich hatte meinen Koffer bisher fünfmal aus- und wieder eingepackt. Ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, ihn endgültig zu schließen und zum Gepäck meiner Familie zu stellen. Es war zum Verrücktwerden.
Irgendwann kam dann Dad ins Zimmer und sah mich mitleidig an. Heute war einer der wenigen Tage, an denen er bereits vor mir zu Hause gewesen war und mit selbst gekochtem Essen auf uns gewartet hatte. Im Gegensatz zu mir war er ein ausgezeichneter Koch. Worin er allerdings schlecht war, war, offen über das zu reden, was in ihm vorging.
»Packen ist immer eine lästige Angelegenheit.« Er zwinkerte mir wissend zu und versuchte offenbar zu erfahren, wie es mir ging.
»Ich hatte es mir irgendwie leichter vorgestellt, ja, aber ich bin mir sicher, dass es beim sechsten Mal besser klappt«, entgegnete ich gelassen grinsend.
Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Ich bin mir sicher, du schaffst das, Emmchen.«
Damit verschwand er auch schon wieder und ließ mich allein mit meinen Grübeleien.
Als hätten sie sich abgesprochen, stand plötzlich Adam neben mir. »Sag mal, Schwesterherz, wolltest du dich nicht noch mit Mel treffen, um euch rührselig voneinander zu verabschieden? Immerhin seht ihr zwei euch ja fast zwei Wochen nicht.«, witzelte er, weil Adam genau wusste, wie eng unsere Freundschaft war.
»Wie spät ist es denn?«, fragte ich erschrocken.
Adam holte sein Handy aus der Hosentasche. »Halb neun«, sagte er trocken.
»Mist! Ich muss ihr absagen. Mein Koffer ist noch nicht gepackt und ich kann nicht verschwinden, wenn das nicht erledigt ist.«
Mein Bruder atmete einmal tief ein und aus. »Geh! Ich erledige das«, sagte er, als wäre es nur eine Kleinigkeit. »Wie bitte?« Verwundert hob ich eine Augenbraue.
»Du hast mich schon verstanden. Amüsiere dich noch etwas mit der Verrückten. Ich kann mir dieses Elend nicht länger ansehen.«
Etwas in mir protestierte gegen die Vorstellung, dass mein kleiner Bruder Klamotten für mich einpackte. Ein viel größerer Teil war aber einfach dankbar für die Hilfe und die stumme Botschaft dahinter. Ohne weiter mit Adam zu diskutieren, folgte ich seiner Anweisung. Ich schnappte mir einen dicken Wintermantel, sagte Dad Bescheid, dass ich in zwei Stunden wieder zu Hause sei, und ging zu Mel.
Sie wohnte nur zehn Minuten mit der U-Bahn entfernt, dennoch zählte ich jede einzelne Sekunde, bis ich bei ihr war. Mel war Einzelkind und lebte mit ihren Eltern in einer luxuriösen Stadtvilla. Als sie mich das erste Mal mit zu sich genommen hatte, hatte ich nicht aufhören können sie Uncle Pennybag zu nennen. Danach hatte sie mich eine Woche lang angeschwiegen. Das war unsere längste Funkstille gewesen. Danach hatte ich mir jedweden Spruch zum Thema Geld verkniffen, auch wenn es mir schwergefallen war. Vor allem, als Mels Eltern ihr zum sechzehnten Geburtstag nicht ein Pferd, sondern einen Pferdehof mit zehn Tieren geschenkt hatten. Bald wurde auch sie neunzehn und ich war schon gespannt, womit sie dieses Mal von ihren Eltern überrascht wurde.
Routiniert betätigte ich die Klingel und spürte sofort alle Linsen der Kameras auf mir, die auf dem gesamten Grundstück verteilt waren. Eine Stimme, die zu einem Roboter gehören könnte, begrüßte mich monoton.
»Guten Abend, wer sind Sie und was wollen Sie?«
Ich stieß genervt die Luft aus und konnte gerade noch ein Augenrollen unterdrücken. War ja nicht so, dass ich seit fast drei Jahren hier ein- und ausging, als wäre es mein zweites Zuhause.
»Ich bin Emma Wilson und möchte zu Miss Hardford«, versuchte ich die verzerrte Stimme zu imitieren.
»Werden Sie erwartet?«
»Das hoffe ich doch«, entgegnete ich knapp.
Ein Knacken ertönte und das eiserne Eingangstor öffnete sich wie von Zauberhand. Ich ging die Stufen zur Eingangstür empor – mit dem nicht enden wollenden Gefühl, beobachtet zu werden.
Ein Mann mit grauem Haar und einem eng sitzenden Anzug begrüßte mich. Mr Fitz, das Gesicht hinter der Computerstimme und mein persönlicher Kinderschreck. Die eiskalten Augen sahen mich abschätzend an, während er die leicht gebogene Nase rümpfte. Als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, wäre ich beinahe die Treppe rückwärts hinuntergefallen. Noch nie zuvor war mir ein Mensch begegnet, der so offenkundig zeigte, dass er alles und jeden hasste. Eine Eigenschaft, die Mels Eltern scheinbar gefiel.
»Guten Abend, Miss Wilson. Miss Hardford befindet sich in ihrem Zimmer. Soll ich Sie dahin begleiten oder möchten Sie den Weg allein gehen?«, sagte er in einer gleichmütig monotonen Stimme.
Ich setzte mein süßestes Lächeln auf, doch der Mann vor mir verzog keine Miene. Typisch. Ich hatte ihn exakt einmal lächeln sehen und das war gewesen, als Mel einmal die letzten beiden Stufen der Treppe hinuntergestolpert war und sich das Knie aufgeschlagen hatte. »Ich finde den Weg allein«, sagte ich schließlich.
Wortlos trat er zur Seite, sodass ich ungehindert das Haus betreten konnte. Sofort spürte ich den eisigen Blick von Mr Fitz im Nacken und versuchte mich nicht zu schütteln. Mels Zimmer befand sich im oberen Stockwerk der Villa und ich eilte die gewundene Treppe hinauf. Auf keinen Fall wollte ich ihren Eltern begegnen, die mich immer mitleidig ansahen. Selbst vier Jahre danach versuchten sie immer wieder das Thema auf den Unfall zu lenken. Als wäre es ihnen ein inneres Bedürfnis, über jedes Detail in Mels Leben genau Bescheid zu wissen. Und da ich ein Teil davon war, war ich unglücklicherweise nicht darüber erhaben.
Das letzte Mal war ich vor zwei Wochen hier gewesen und hatte festgestellt, dass mal wieder der Flur neu gestrichen und mit goldenen Bilderrahmen verziert worden war. Mels Mom arbeitete als Ärztin nur noch halbtags und verbrachte die andere Hälfte ihrer Zeit damit, dass Haus alle paar Wochen grundlegend umzugestalten. Unzählige Male hatten wir uns darüber lustig gemacht, auch wenn ein kleiner Teil von mir sie verstehen konnte.
Ich klopfte an Mels Zimmertür.
»Herein, wenn du nicht gerade wie Frankenstein aussiehst.« Frankenstein war Mels Kosewort für Mr Fitz.