Wir beide wussten, es war was passiert - Steven Herrick - E-Book

Wir beide wussten, es war was passiert E-Book

Steven Herrick

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Beschreibung

... und wie ich mich abmühte, selbstsicher zu erscheinen. Und er antwortete: Ja, toll. Und ich sagte auch: Toll. Und danach machte ich mich wieder ans Wischen und versuchte zu wirken, als wenn nichts passiert wär, obwohl Wir beide wussten, es war was passiert. Eine poetische Geschichte vom und zum Verlieben, übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn

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Buchinfo

… und wie ich mich abmühte,

selbstsicher zu erscheinen.

Und er antwortete: Ja, toll.

Und ich sagte auch: Toll.

Und danach machte ich mich

wieder ans Wischen

und versuchte zu wirken,

als wenn nichts passiert wär,

obwohl wir beide wussten,

es war was passiert.

Eine poetische Geschichte vom und zum Verlieben, übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn

Autorenvita

© privat

Steven Herrick wurde in Brisbane als jüngstes von sieben Kindern geboren. Er arbeitet schon seit vielen Jahren als Autor, auch wenn er noch lieber Profi-Fußballer geworden wäre. Steven Herrick lebt mit seiner Partnerin in den Blue Mountains bei Sydney in Australien und hat zwei erwachsene Söhne.

Für meinen Dad, in Erinnerung,

für meine Mum, die mich immer wieder

zu Hause willkommen hieß.

SEKT

BILLY

Zum ersten Mal erweist sich

meine Schultasche als äußerst nützlich.

Ich kippe Bücher, Stifte, Pullover aufs Bett,

schüttle das alte zerquetschte Frühstücksbrot

vom Taschenboden,

geh in die Küche,

schnapp mir das Bier,

die Reste von gestern Abend,

dazu ein paar glänzende rote Äpfel,

Dads Sekt und die Zigaretten,

verstaue alles in meiner Schultasche,

der neuen Reisetasche,

und stell eine Flasche Limo

auf den Tisch,

versehen mit einer Nachricht:

»Tschüss, Dad.

Den Alkohol hab ich mitgenommen.

Trink das hier stattdessen

zur Feier, dass sich dein Sohn

aus dem Staub macht.«

Der alte Dreckskerl kriegt einen Anfall.

Und ich?

Bin weg.

EINEN KUSSFÜRDEN HUND

BILLY

Ich bin nicht stolz.

Ich bin sechzehn

und werde bald obdachlos sein.

Ich sitze auf der Veranda

und schau in den prasselnden kalten Regen.

Unser Hund Bunkbrain sitzt neben mir.

Ich würd ihn ja gerne mitnehmen.

Er hat’s nicht verdient,

in diesem Kaff hier zu bleiben.

Niemand hat das verdient.

Aber mit einem Hund

nimmt einen niemand mit.

Und zwei Mäuler stopfen

ist eines zu viel.

Bunkbrain spürt was,

er schnuppert an mir mit der Nase,

die feucht ist und schmutzig vom Schnüffeln

nach lange vergrabenen Knochen.

Ich kraule ihn hinter den Ohren

und küsse das weiche Fell an seinem Kopf.

Ich werde den Hund vermissen.

Ich bin nicht stolz.

Ich gehe.

Der Regen, er prasselt weiter

und Bunkbrain bleibt auf der Veranda zurück.

LONGLANDS ROAD

BILLY

So schäbig, heruntergekommen

ist mir das alles noch nie erschienen.

Der Truck von Old Busten immer noch aufgebockt,

das Gras um die Türen herum nicht geschnitten.

Der Briefkasten von Mrs Johnston am Boden,

nachdem ich letzte Woche mit einem Baseballschläger

all meine Wut an ihm ausgelassen hab.

Und die Fenster vom Haus der Spencers

immer noch eingeschlagen seit letztem Silvester.

Nachts muss es eisig sein

in dem vorderen Zimmer.

Meine Straße.

Mein Vorort.

Ich nehm eine Handvoll Steine,

so groß wie Golfbälle.

Langsam gehe ich durch den Regen,

die Tasche auf meinem Rücken.

Ich werf einen Stein auf jedes Dach

dieser trostlosen, elenden

Loser-Löcher der Longlands Road

am Arsch der Welt.

Die Steine hüpfen und klackern,

kullern und protestieren,

dass sie in diesem Horrorkaff bleiben sollen.

Ich verabschiede mich von der Longlands Road,

indem ich Steine werfe.

WENTWORTH HIGH SCHOOL

BILLY

Um halb vier steh ich

an diesem verregneten Nachmittag

meines Abschieds

vor unsrer Schule.

Der Holden von Rektor Viera

fährt von dem Lehrerparkplatz

und qualmt die Straße entlang.

Ich springe über den Zaun,

laufe über das Schulgelände.

Der Wind heult,

peitscht mir den Regen entgegen

und weht leere Chips-Tüten über den Hof.

Ich gehe zu Raum Nummer 421

und schaue durchs Fenster.

An der Tafel steht Mr Cheetams Hausaufgabe.

Sechsundzwanzig Schüler lernen

die Geografie Japans

und ein seliger Schwachkopf schreibt

»Alles Gute, ihr braven Spießer,

leckt mich am Arsch!«

auf die Scheibe,

mit rotem Lippenstift,

den ich extra im Kaufhaus geklaut hab.

Darunter mein Name, schön rot:

»Billy Luckett,

reimt sich auf …«

Soll doch der Cheetham drauf rumkaun.

WESTFIELD CREEK

BILLY

Ich liebe den Ort,

das Strömen des eiskalten

klaren Wassers über die Steine,

die Akazien am Ufer,

die sonnenhungrigen Eidechsen,

wie sie horchend den Kopf heben,

und die Vögel,

Hunderte Currawongs,

Brillenvögel und Kookaburras,

die uns Jugendliche auslachen,

wenn wir am Seil schwingen

und in die erfrischende Flut stürzen.

Die Hälfte meiner Schultage

hab ich hier draußen verbracht mit Büchern,

geklaut aus dem Megalong-Buchladen,

wo mich der alte Tom Whitton

für seinen besten Kunden hielt,

während ich mit jedem Buch, das ich kaufte,

drei andere unter der Jacke

nach draußen schmuggelte.

Im zehnten Schuljahr fiel ich in allem durch,

nur nicht in Englisch.

Ich kann lesen.

Ich kann träumen.

Ich kenne die Welt,

all das, was ich wissen muss,

hab ich in meinem Lieblingsklassenzimmer

am Westfield-Creek aus Büchern gelernt.

BITTE

BILLY 

Der Great Western Highway

ist weder ein richtiger Highway

noch groß,

doch er führt nach Westen,

mein Ziel,

wenn bloß eins der verdammten Autos

anhielte und mich mitnähm.

Zwei Stunden im Dunkeln,

im Regen,

im Schmutz der beschissenen Straße,

und ich bin kein Stück weiter.

Was tun?

Zurück nach Hause?

»Hör zu, Dad,

ich möchte immer noch weg,

aber niemand hat mich mitgenommen,

deshalb bleib ich noch eine Nacht.

Ist doch okay, oder?«

Er wäre nüchtern, weil ich

sein Bier,

seinen Sekt

geklaut hab.

Niemals, ich geh nicht zurück.

Ich könnt in der Schule schlafen,

oder auf der Veranda.

Eine Stunde noch –

nur eine einzige Mitfahrgelegenheit,

bitte.

GÜTERZUG

BILLY

Kein einziges Auto ist in den letzten

zwanzig Minuten vorbeigekommen.

Wenigstens hat der Regen aufgehört.

Ich sitze auf meiner Tasche,

schau zu dem Güterzug rüber,

der ohne Grund

an der Kreuzung steht.

Fünfzig Kohlewaggons, leer,

auf dem Weg zu den Waggawang Coalfields,

und ein Waggon

mit einem Speedboot vertäut obendrauf.

Ein Speedboot auf einem Zug

in Richtung Westen?

Wohin?

Zu einem Kohlefeld-See?

Die Flüsse im Landesinnern

sind trocken wie alte Dingo-Knochen.

Dann plötzlich dämmert es mir.

Was soll’s? Das Boot fährt nach Westen,

ich nicht …

also …

renn ich mit schwingender Tasche

über den Highway

und der Zug pfeift,

gerade als ich das Buschwerk erreiche

neben dem Gleis.

Ein schneller Blick nach beiden Seiten,

und ich bin auf dem Waggon,

ziehe mich hoch

in das Aquadream Speedboot

mit weich gepolstertem Steuersitz,

Evinrode-Außenbordmotor

und Angelausrüstung.

Noch einmal pfeift der Zug

und wir rucken an.

So komme ich doch noch

raus aus der Stadt,

per Speedboot

und ohne See weit und breit.

KALT

BILLY

Nach zwei Kilometern merk ich,

wie schnell Züge sind,

wenn du kein Fenster zumachen kannst

und dir Regen und Wind

mit der Schlagkraft eines Vaters

ins Gesicht peitschen.

Ich räume die Tasche aus,

nehm mir die Jacke,

wickle den Pulli um Hals und Ohren,

zieh die Ersatzhose

über die andre drüber

und friere trotz allem.

Der Zug pfeift weiter,

während wir durch die eisige Nacht rasen.

Ich werde zu Eis erstarrt sein,

ehe es Morgen wird.

Und ich schiebe mich unter den Bogen

des rasenden Speedboots,

das durch die Nacht schießt,

meine Beine eng an die Brust gedrückt

und die Zähne zusammengebissen

zu einem erfrorenen Grinsen,

nur das Pfeifen des Zugs hält mich fit,

dröhnt über jeden kreuzenden Feldweg

mit blinkenden roten Lichtern.

Kein Mensch ist mehr wach

außer dem Lokführer

an seinem warmen Arbeitsplatz

und diesem Schwachkopf,

der hier zusammengekauert unter dem Bogen

fleht, dass es Morgen wird,

fleht um die Sonne.

BLEIB WARM

ERNIE

»Hey, Junge,

los, raus da.

Du frierst dich zu Tode.

Wird dir ’ne Lehre sein,

nicht mit der National Rail zu trampen.

Hier gibt’s keinen staatlichen Freifahrtschein.

Ach was, ich mach ja bloß Spaß.

Ich hass unsere Scheißregierung.

Schnapp deine Tasche und komm

in den Begleitwagen hinten.

Gibt eine Heizung, die funktioniert,

und sogar Kaffee.

Wir halten, weil wir hier

auf den Interstate warten.

Reisende in bequemen Schlafwagen

haben Vorrang

vor leeren Kohlezügen.

Und, was hältst du von meinem Boot?

Ja, meinem.

Hab eine Sondererlaubnis für den Transport.

Es gibt einen See bei uns vor der Stadt,

perfekt zum Angeln

und um nicht vor dem Fernseher rumzuhängen.

Jedes Wochenende werd ich

in diesem Kahn hocken

und mich zu Tode saufen.

Also komm.

Nimm dir ’n Kaffee, wenn du möchtest.

Sind auch noch Sandwiches da.

Zu viel Salat drauf für meinen Geschmack.

Aber sag keinem was, ja?

Dann also bis morgen.

Bei Dämmerung sind wir in Bendarat.

Ich werd dreimal pfeifen

und halte kurz an vor der Stadt.

Da springst du runter, okay?

Mach’s dir schön warm.