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... und wie ich mich abmühte, selbstsicher zu erscheinen. Und er antwortete: Ja, toll. Und ich sagte auch: Toll. Und danach machte ich mich wieder ans Wischen und versuchte zu wirken, als wenn nichts passiert wär, obwohl wir beide wussten, es war was passiert. Eine poetische Geschichte vom und zum Verlieben, übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Buchinfo
… und wie ich mich abmühte,
selbstsicher zu erscheinen.
Und er antwortete: Ja, toll.
Und ich sagte auch: Toll.
Und danach machte ich mich
wieder ans Wischen
und versuchte zu wirken,
als wenn nichts passiert wär,
obwohl wir beide wussten,
es war was passiert.
Eine poetische Geschichte vom und zum Verlieben, übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn
Autorenvita
© privat
Steven Herrick wurde in Brisbane als jüngstes von sieben Kindern geboren. Er arbeitet schon seit vielen Jahren als Autor, auch wenn er noch lieber Profi-Fußballer geworden wäre. Steven Herrick lebt mit seiner Partnerin in den Blue Mountains bei Sydney in Australien und hat zwei erwachsene Söhne.
Für meinen Dad, in Erinnerung,
für meine Mum, die mich immer wieder
zu Hause willkommen hieß.
SEKT
BILLY
Zum ersten Mal erweist sich
meine Schultasche als äußerst nützlich.
Ich kippe Bücher, Stifte, Pullover aufs Bett,
schüttle das alte zerquetschte Frühstücksbrot
vom Taschenboden,
geh in die Küche,
schnapp mir das Bier,
die Reste von gestern Abend,
dazu ein paar glänzende rote Äpfel,
Dads Sekt und die Zigaretten,
verstaue alles in meiner Schultasche,
der neuen Reisetasche,
und stell eine Flasche Limo
auf den Tisch,
versehen mit einer Nachricht:
»Tschüss, Dad.
Den Alkohol hab ich mitgenommen.
Trink das hier stattdessen
zur Feier, dass sich dein Sohn
aus dem Staub macht.«
Der alte Dreckskerl kriegt einen Anfall.
Und ich?
Bin weg.
EINEN KUSSFÜRDEN HUND
BILLY
Ich bin nicht stolz.
Ich bin sechzehn
und werde bald obdachlos sein.
Ich sitze auf der Veranda
und schau in den prasselnden kalten Regen.
Unser Hund Bunkbrain sitzt neben mir.
Ich würd ihn ja gerne mitnehmen.
Er hat’s nicht verdient,
in diesem Kaff hier zu bleiben.
Niemand hat das verdient.
Aber mit einem Hund
nimmt einen niemand mit.
Und zwei Mäuler stopfen
ist eines zu viel.
Bunkbrain spürt was,
er schnuppert an mir mit der Nase,
die feucht ist und schmutzig vom Schnüffeln
nach lange vergrabenen Knochen.
Ich kraule ihn hinter den Ohren
und küsse das weiche Fell an seinem Kopf.
Ich werde den Hund vermissen.
Ich bin nicht stolz.
Ich gehe.
Der Regen, er prasselt weiter
und Bunkbrain bleibt auf der Veranda zurück.
LONGLANDS ROAD
BILLY
So schäbig, heruntergekommen
ist mir das alles noch nie erschienen.
Der Truck von Old Busten immer noch aufgebockt,
das Gras um die Türen herum nicht geschnitten.
Der Briefkasten von Mrs Johnston am Boden,
nachdem ich letzte Woche mit einem Baseballschläger
all meine Wut an ihm ausgelassen hab.
Und die Fenster vom Haus der Spencers
immer noch eingeschlagen seit letztem Silvester.
Nachts muss es eisig sein
in dem vorderen Zimmer.
Meine Straße.
Mein Vorort.
Ich nehm eine Handvoll Steine,
so groß wie Golfbälle.
Langsam gehe ich durch den Regen,
die Tasche auf meinem Rücken.
Ich werf einen Stein auf jedes Dach
dieser trostlosen, elenden
Loser-Löcher der Longlands Road
am Arsch der Welt.
Die Steine hüpfen und klackern,
kullern und protestieren,
dass sie in diesem Horrorkaff bleiben sollen.
Ich verabschiede mich von der Longlands Road,
indem ich Steine werfe.
WENTWORTH HIGH SCHOOL
BILLY
Um halb vier steh ich
an diesem verregneten Nachmittag
meines Abschieds
vor unsrer Schule.
Der Holden von Rektor Viera
fährt von dem Lehrerparkplatz
und qualmt die Straße entlang.
Ich springe über den Zaun,
laufe über das Schulgelände.
Der Wind heult,
peitscht mir den Regen entgegen
und weht leere Chips-Tüten über den Hof.
Ich gehe zu Raum Nummer 421
und schaue durchs Fenster.
An der Tafel steht Mr Cheetams Hausaufgabe.
Sechsundzwanzig Schüler lernen
die Geografie Japans
und ein seliger Schwachkopf schreibt
»Alles Gute, ihr braven Spießer,
leckt mich am Arsch!«
auf die Scheibe,
mit rotem Lippenstift,
den ich extra im Kaufhaus geklaut hab.
Darunter mein Name, schön rot:
»Billy Luckett,
reimt sich auf …«
Soll doch der Cheetham drauf rumkaun.
WESTFIELD CREEK
BILLY
Ich liebe den Ort,
das Strömen des eiskalten
klaren Wassers über die Steine,
die Akazien am Ufer,
die sonnenhungrigen Eidechsen,
wie sie horchend den Kopf heben,
und die Vögel,
Hunderte Currawongs,
Brillenvögel und Kookaburras,
die uns Jugendliche auslachen,
wenn wir am Seil schwingen
und in die erfrischende Flut stürzen.
Die Hälfte meiner Schultage
hab ich hier draußen verbracht mit Büchern,
geklaut aus dem Megalong-Buchladen,
wo mich der alte Tom Whitton
für seinen besten Kunden hielt,
während ich mit jedem Buch, das ich kaufte,
drei andere unter der Jacke
nach draußen schmuggelte.
Im zehnten Schuljahr fiel ich in allem durch,
nur nicht in Englisch.
Ich kann lesen.
Ich kann träumen.
Ich kenne die Welt,
all das, was ich wissen muss,
hab ich in meinem Lieblingsklassenzimmer
am Westfield-Creek aus Büchern gelernt.
BITTE
BILLY
Der Great Western Highway
ist weder ein richtiger Highway
noch groß,
doch er führt nach Westen,
mein Ziel,
wenn bloß eins der verdammten Autos
anhielte und mich mitnähm.
Zwei Stunden im Dunkeln,
im Regen,
im Schmutz der beschissenen Straße,
und ich bin kein Stück weiter.
Was tun?
Zurück nach Hause?
»Hör zu, Dad,
ich möchte immer noch weg,
aber niemand hat mich mitgenommen,
deshalb bleib ich noch eine Nacht.
Ist doch okay, oder?«
Er wäre nüchtern, weil ich
sein Bier,
seinen Sekt
geklaut hab.
Niemals, ich geh nicht zurück.
Ich könnt in der Schule schlafen,
oder auf der Veranda.
Eine Stunde noch –
nur eine einzige Mitfahrgelegenheit,
bitte.
GÜTERZUG
BILLY
Kein einziges Auto ist in den letzten
zwanzig Minuten vorbeigekommen.
Wenigstens hat der Regen aufgehört.
Ich sitze auf meiner Tasche,
schau zu dem Güterzug rüber,
der ohne Grund
an der Kreuzung steht.
Fünfzig Kohlewaggons, leer,
auf dem Weg zu den Waggawang Coalfields,
und ein Waggon
mit einem Speedboot vertäut obendrauf.
Ein Speedboot auf einem Zug
in Richtung Westen?
Wohin?
Zu einem Kohlefeld-See?
Die Flüsse im Landesinnern
sind trocken wie alte Dingo-Knochen.
Dann plötzlich dämmert es mir.
Was soll’s? Das Boot fährt nach Westen,
ich nicht …
also …
renn ich mit schwingender Tasche
über den Highway
und der Zug pfeift,
gerade als ich das Buschwerk erreiche
neben dem Gleis.
Ein schneller Blick nach beiden Seiten,
und ich bin auf dem Waggon,
ziehe mich hoch
in das Aquadream Speedboot
mit weich gepolstertem Steuersitz,
Evinrode-Außenbordmotor
und Angelausrüstung.
Noch einmal pfeift der Zug
und wir rucken an.
So komme ich doch noch
raus aus der Stadt,
per Speedboot
und ohne See weit und breit.
KALT
BILLY
Nach zwei Kilometern merk ich,
wie schnell Züge sind,
wenn du kein Fenster zumachen kannst
und dir Regen und Wind
mit der Schlagkraft eines Vaters
ins Gesicht peitschen.
Ich räume die Tasche aus,
nehm mir die Jacke,
wickle den Pulli um Hals und Ohren,
zieh die Ersatzhose
über die andre drüber
und friere trotz allem.
Der Zug pfeift weiter,
während wir durch die eisige Nacht rasen.
Ich werde zu Eis erstarrt sein,
ehe es Morgen wird.
Und ich schiebe mich unter den Bogen
des rasenden Speedboots,
das durch die Nacht schießt,
meine Beine eng an die Brust gedrückt
und die Zähne zusammengebissen
zu einem erfrorenen Grinsen,
nur das Pfeifen des Zugs hält mich fit,
dröhnt über jeden kreuzenden Feldweg
mit blinkenden roten Lichtern.
Kein Mensch ist mehr wach
außer dem Lokführer
an seinem warmen Arbeitsplatz
und diesem Schwachkopf,
der hier zusammengekauert unter dem Bogen
fleht, dass es Morgen wird,
fleht um die Sonne.
BLEIB WARM
ERNIE
»Hey, Junge,
los, raus da.
Du frierst dich zu Tode.
Wird dir ’ne Lehre sein,
nicht mit der National Rail zu trampen.
Hier gibt’s keinen staatlichen Freifahrtschein.
Ach was, ich mach ja bloß Spaß.
Ich hass unsere Scheißregierung.
Schnapp deine Tasche und komm
in den Begleitwagen hinten.
Gibt eine Heizung, die funktioniert,
und sogar Kaffee.
Wir halten, weil wir hier
auf den Interstate warten.
Reisende in bequemen Schlafwagen
haben Vorrang
vor leeren Kohlezügen.
Und, was hältst du von meinem Boot?
Ja, meinem.
Hab eine Sondererlaubnis für den Transport.
Es gibt einen See bei uns vor der Stadt,
perfekt zum Angeln
und um nicht vor dem Fernseher rumzuhängen.
Jedes Wochenende werd ich
in diesem Kahn hocken
und mich zu Tode saufen.
Also komm.
Nimm dir ’n Kaffee, wenn du möchtest.
Sind auch noch Sandwiches da.
Zu viel Salat drauf für meinen Geschmack.
Aber sag keinem was, ja?
Dann also bis morgen.
Bei Dämmerung sind wir in Bendarat.
Ich werd dreimal pfeifen
und halte kurz an vor der Stadt.
Da springst du runter, okay?
Mach’s dir schön warm.