Wolfgang K. geht nicht mehr fremd - Dieter Winkler - E-Book

Wolfgang K. geht nicht mehr fremd E-Book

Dieter Winkler

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Beschreibung

Die DDR ist seit nahezu drei Jahrzehnten tot. Dieter Winkler hat Kurzdialoge und Episoden aufgeschrieben, die in der ehemaligen DDR stattgefunden haben oder stattgefunden haben könnten. Sie sind voller Humor, Ironie, Satire – und auch ein wenig Nachdenklichkeit. Aus dem Vorwort: In diesem Buch habe ich Geschichten und Dialoge, an denen ich selbst beteiligt war, von denen ich gehört oder die ich in Stunden der Erinnerung an den ehemaligen zweiten deutschen Staat erfunden habe, auf einige mir mehr oder minder sympathische, aber durchweg fiktive Personen aufgeteilt und in der Sprache eines noch nicht vollendeten DDR-Bürokraten zu Papier gebracht. Natürlich mangelt es meinem ebenfalls ziemlich fiktiven Autor nicht selten an den richtigen Worten und der nötigen Stimmung, um seine Geschichten und Dialoge in das heute gängige Bild von der DDR einzureihen. So bleibt bei ihm die Stasi nur im Ungefähren. Aber in der realen DDR war deren Geheimdienst zwar kein Geheimnis, aber ein Geheimdienst, um den der normale Bürger gern einen weit gefassten Bogen machte. Was dieser Geheimdienst auch von Normalbürgern wusste, wusste der Normalbürger damals nicht. … Mit dem offenen Schluss möchte ich junge Leute von heute dazu anregen, Eltern, Verwandte und Bekannte nach ihren Erinnerungen im oder mit dem ehemals zweiten deutschen Staat zu befragen und vielleicht auch in Schubläden oder auf Dachböden nach alten Aufzeichnungen und Dokumenten zu stöbern.

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Dieter Winkler

Wolfgang K. geht nicht mehr fremd

oder

Warum ein sozialistisches Lehrbuch in der sozialistischen DDR nicht fertig wird

Roman

IMPRESSSUM

Bestellungen über den Buchhandel oder direkt bei www.epubli.de

Copyright: © 2019 by Dieter Winkler, Kapellenweg 6c, 13159 Berlin

Korrektur und Layout: Korrlay – Iris van Beek, Berlin

Cover-Foto: Ulrich Schweizer, Berlin

Druck und Verlag: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Autors.

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Vorwort

In diesem Buch habe ich Geschichten und Dialoge, an denen ich selbst beteiligt war, von denen ich gehört oder die ich in Stunden der Erinnerung an den ehemaligen zweiten deutschen Staat erfunden habe, auf einige mir mehr oder minder sympathische, aber durchweg fiktive Personen aufgeteilt und in der Sprache eines noch nicht vollendeten DDR-Bürokraten zu Papier gebracht.

Natürlich mangelt es meinem ebenfalls ziemlich fiktiven Autor nicht selten an den richtigen Worten und der nötigen Stimmung, um seine Geschichten und Dialoge in das heute gängige Bild von der DDR einzureihen. So bleibt bei ihm die Stasi nur im Ungefähren. Aber in der realen DDR war deren Geheimdienst zwar kein Geheimnis, aber ein Geheimdienst, um den der normale Bürger gern einen weit gefassten Bogen machte. Was dieser Geheimdienst auch von Normalbürgern wusste, wusste der Normalbürger damals nicht.

Vor allem in dem seinem Ende langsam entgegenschleichenden SED-Staat – ab dem Biermann-Hinauswurf 1976 –, dessen sichtlich älter und müder werdende Herren einschließlich ihrer intellektuellen Dienerschaft immer weniger die Bereitschaft und Fähigkeit erkennen ließen, über den Sinn und die Effektivität ihres Tuns selbstkritisch nachzudenken, wurde von den Beherrschten über diesen Staat immer respektloser nicht nur gedacht, sondern in informellen Kreisen auch geredet. Zu respektlosem Handeln konnten sich die Freizeitkritiker des Staates infolge der Erfahrungen von 1953, 1956 und 1968 jedoch lange nicht aufraffen.

Als langjähriger Autor, aber nie Schriftsteller, habe ich mit der folgenden Textsammlung nicht versucht, an dem Urteil „Trivialliteratur“ vorbeizuschrammen. Trivialliteratur konnte für mich schon zu Zeiten meines durchaus seriösen Literaturstudiums in der DDR mehr an Alltagswahrheit über eine Gesellschaft vorzeigen als eine ästhetisch hochgezüchtete „Widerspiegelung“ gesellschaftlicher Realität mit einem politischen Verschönerungsauftrag.

Iris van Beek hat das Ganze mit großer Neugier und der Sache angemessener Professionalität wohlwollend durchgesehen und ihm auch die passende Form gegeben. Ulrich Schweizer stellte ein geeignetes Cover-Foto zur Verfügung, meine Freunde Gerd Koch und Claus Wolf gaben mir hilfreiche Hinweise zum Text. Ich danke ihnen wie allen anderen Förderern des Projektes.

Dieter Winkler im Sommer 2019

P.S.: Manchmal irrt sich mein fiktiver Autor auch. Nicht nur, dass ihm seine Gewährsleute zu unterschiedlichen Zeiten die gleiche Geschichte in etwas unterschiedlichen Fassungen mitgeteilt haben und er seine Informanten nicht durchgängig einer strengen Quellenkritik unterworfen hat; er ist auch in seinen eigenen Erinnerungen nicht immer gleich präzise.

Roman

„Ein Tagebuch, meine Damen und Herren, mag für Sie etwas höchst Altmodisches sein. Dabei haben so manche unserer Altvorderen per Verfertigen eines Tagebuchs ihre Beobachtungs- und Schreibkünste zu einer höheren Qualität geführt.“ Mit diesen Worten hatte Prof. M., zweifellos der Konservativste unter unseren nach eigenen Äußerungen durchgängig dem historischen Fortschritt ergebenen akademischen Lehrern – nicht zum ersten Male – unter uns, seinem Auditorium, ein belustigtes Schmunzeln hervorgerufen.

Ich habe mich entschlossen, die Anregung des alten Herrn mit jugendlicher Energie aufzunehmen. Morgen beginne ich meine neue Tätigkeit. Ich will mir selbst und eventuellen Nachfahren von dieser Tätigkeit berichten.

******************

Mein erster Arbeitstag im Institut.

Da ich nicht im Staatsapparat arbeiten wollte, etwa als Referent in der Abt. Kultur eines Rates des Kreises irgendwo in Nordbrandenburg, war die Stelle in diesem Kulturinstitut trotz ihrer äußerst mäßigen Bezahlung das Beste für mich. Sie hat zudem einen ausgesprochenen Vorzug: Ich darf Westkontakte haben. Wenn die mir z. Zt. auch völlig fehlen.

Mein Arbeitsantritt wurde im Institut offensichtlich nicht allzu ernst genommen. Bei der Referentin, bei der ich mich zu melden hatte, musste ich in deren Vorzimmer erst einmal einundeinehalbe Stunde warten. Die Dame telefonierte. Dann hatte sie nur eine wirklich wichtige Information für mich: Mein Arbeitsplatz würde sich nicht im Hauptgebäude des Instituts befinden, sondern in der Außenstelle. Dafür wäre ich aber dem dort residierenden Bereichsleiter, dem Ständigen Stellvertreter des Institutsdirektors, direkt unterstellt. Von diesem Bereichsleiter würde ich auch alles weitere erfahren.

Nachdem die Referentin mir den Weg in die Außenstelle, eine Etage in einem Wohngebäude noch aus Kaiser Wilhelm I. Zeiten, reichlich einen Kilometer vom Hauptsitz des Instituts entfernt, gründlich erläutert hatte, und ich da auch richtig angekommen war, durfte ich dem Fortgang meiner Einstellung dort weiter beiwohnen, allerdings nur passiv; denn ich durfte zuschauen, wie die zwei Kollegen, mit denen ich künftig im gleichen Zimmer sitzen soll, einen alten Schreibtisch aus dem Keller in das nunmehr gemeinsame Zimmer wuchteten. Der Schreibtisch wird die größere Hälfte meines künftigen Arbeitsplatzes ausmachen, die kleinere Hälfte, ein Stuhl, soll, wie ich zu hören bekam, der Fahrer des Institutsdirektors irgendwann ab morgen früh aus dem Lager des Hauptgebäudes heranfahren.

Da der Bereichsleiter seit drei Wochen auf Dienstreise ist, ließ mich dessen Sekretärin leihweise bis zum Feierabend dessen Arbeitsplatz besetzen. Sie gab mir zudem Texte des Bereichsleiters zu lesen, damit ich mich schon auf dessen ein wenig barocke Denk- und Schreibweise einstellen könne. Am Ende dieses meine Arbeitsfreude sehr mäßigenden ersten Arbeitstages hatte ich nur noch darauf zu achten, am Instituts-Wirkungsort meines künftigen Chefs keine Sachen von mir liegen zu lassen. Damit der Bereichsleiter bei seiner Rückkunft nicht auf die Idee käme, während seiner Abwesenheit wäre an seinem Stuhl gesägt worden und ein Nachfolger bereits da. Die Sekretärin, die mich zu Feierabend wieder aus dem Zimmer des Bereichsleiters entfernte, meinte, diesbezüglich sei unser aller Vorgesetzter ein wenig ängstlich veranlagt.

Die Außenstelle bietet, beinahe hätte ich das vergessen, noch einen beträchtlichen Vorzug: Bis auf die Sekretärin des Chefs raucht niemand. Und die Sekretärin, seit einer Krebsbehandlung vor sechs Jahren, auch nur noch mit schlechtem Gewissen. Das heißt: selten.

******************

Wolfgang K., einer der beiden Kollegen in meinem neuen Dienstzimmer, hat an der Wand hinter seinem Schreibtisch einen Picasso hängen. Einen Kunstdruck natürlich. Aber nicht die Friedenstaube. Sondern ein Stück Kubismus.

Der Kunstdruck ist Privateigentum, kein Institutsbesitz. Wolfgang hat ihn sich in den 50ern von der Cousine seiner Frau aus dem Westen schicken lassen.

Neulich der „hohe Chef“, wie ich den Bereichsleiter nenne, weil er sich im Gespräch mit mir immer noch ein Stück größer macht: Damals hätte ich nicht zulassen dürfen, dass sie sich solche Kunst in die Diensträume hängen. Und nach einer kleinen Pause: Daran können Sie erkennen, wie liberal wir mittlerweile geworden sind.

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Meine Arbeit im Institut: Ich soll die sozialistische Presse nach praktischen Beispielen einer sich entwickelnden sozialistischen Freizeitkultur absuchen. Fehlentwicklungen brauchte ich dabei nicht übersehen.

Der hohe Chef: Ich würde eine große Verantwortung tragen. Weil ich auch die Zeit vor dem VIII. Parteitag der SED nicht auslassen dürfe. Aber natürlich hätte ich die DDR-Geschichte immer aus der Sicht der neuesten Parteibeschlüsse zu betrachten.

Ich versicherte ihm: Das würde ich bereits von der Uni wissen.

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Damit ich das keinesfalls vergesse!

Ich war gerade in meine derzeitige (Hinterhaus-)Wohnung eingezogen – als mich ein Hausbewohner ansprach: Deine Antenne für das West-Fernsehen bringe besser ich dir an. Damit du ein gutes Westbild bekommst, und wir anderen ein gutes Westbild behalten.

Ich war überrascht: Woher wissen Sie, dass ich ein Westbild möchte?

Er antwortete, er kenne niemanden, der im Hinterhaus wohne und kein Westbild wolle.

Offensichtlich mein Gesichtsausdruck ließ ihn fortfahren: Nur in Neubaugebieten, und manchmal in Vorderhäusern, da gäbe es Leute, die dürften den Westen nicht schauen. Aber ich würde nicht wirken wie einer von denen.

Volkes Auge ist also auch wachsam.

******************

Meine Kollegen in der Außenstelle.

Wolfgang K., Jahrgang 1923 oder 1925, grau gelockt, stammt nach seiner Aussprache des Deutschen aus Sachsen. Er darf in regelmäßigen Abständen in die unterschiedlichsten Regionen der Republik fahren, um dort neue Entwicklungen in der sozialistischen Freizeitkultur zu erkunden bzw. zu „studieren“, und um seine „Beobachtungen“ dann an den hohen Chef und besonders den Institutsdirektor weiterzugeben. Er äußert sich gern und vorrangig spöttisch.

Herbert, Anfang 30, scheint vor allem auf der Suche nach einer und einer nun richtigen Frau zu sein. Er analysiert sehr intensiv Kulturhausprogramme aus allen Ecken unseres fortschrittlichen Staates, die – ich weiß noch nicht, wie – in unser Institut gelangen. Seine Rede über seine Ergebnisse bei dieser Arbeit ist mehr als knapp, für unser Leben allgemein zeigt er mehr Interesse. Hin und wieder darf er ein Kulturhaus „vor Ort“ besuchen, wobei er wie Wolfgang landschaftlich und denkmalpflegerisch anziehende Gegenden bevorzugt.

Im größten Zimmer der Außenstelle, einem zudem Durchgangszimmer, residiert Annie, wohl ein wenig über 50. Sie ist die Sekretärin vom hohen Chef und außerdem von der gesamten Außenstelle. Zu mir, dem jüngsten Mitarbeiter, ist sie ausgesprochen freundlich.

Der hohe Chef steht beträchtlich über uns, seinen Mitarbeitern. Mir scheint er aber mehr über uns zu schweben. Auch er reist gelegentlich in die Provinz. Er hält dann dort vor SED-Gremien, Staatsorganen, Kadern der Nationalen Front und ganz besonders gern vor Untergruppen des Kulturbundes Referate über die unaufhaltbaren Fortschritte bei der Erstürmung der Kultur durch unsere Werktätigen. Und wie wichtig dabei die allseitige Förderung der Alltagskultur ist. An Tagungen und Kolloquien in der Hauptstadt nimmt er nur teil, wenn der Institutsdirektor keine Lust verspürt, dort selbst zu erscheinen.

Jeden Tag kurz nach 9:00 Uhr versammeln sich die an diesem Tag in der Außenstelle anwesenden Mitarbeiter in Annies Zimmer, um dort gemeinsam ca. einundeinehalbe Tasse Kaffee zu sich zu nehmen. Nach der Zusage einer Kostenbeteiligung wurde ich anstandslos ins Kaffee-Kollektiv aufgenommen.

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Wolfgang K.s Onkel war vor 1933 in seiner Heimatstadt ortsbekannter Kommunist gewesen. Als die SA kam, um ihn zu „holen“, im März 1933, war sie völlig überrascht: Sie fand im Bücherregal des Onkels keinen Karl Marx, sondern Hitlers „Mein Kampf“, keinen Lenin, sondern Goebbels. Auf die erstaunte Frage des Führers des SA-Trupps, wieso bei ihm ihre Bücher stünden, will Wolfgangs Onkel geantwortet haben: Das muss man heutzutage doch lesen. Nachdem ihr gesiegt habt.

Der SA-Trupp zog, ohne Wolfgangs Onkel mitzunehmen, davon. Im Sommer 1945 standen Marx und Lenin allerdings wieder an ihrem angestammten Platz. Der parteilose Kleingartennachbar von Wolfgangs Onkel hatte die lebensgefährliche Literatur über die 12 NS-Jahre hinweg getreulich für seinen Kommunisten-Nachbarn aufbewahrt.

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Anregend schaue sie aus, sagte heute Wolfgang K. zu Frau Dr. K. und blickte ihr gleichzeitig intensiv auf ihre auffällige Oberweite.

Sie lächelte leicht und fragte zurück: Sie haben wohl viel Phantasie?

Wolfgang: Phantasie und eine gut entwickelte ästhetische Urteilsfähigkeit.

Sie: Und Sie haben sich in ihrem – äh – ästhetischen Urteil auch noch nie geirrt?

Wolfgang: Ganz besonders bewundere ich natürliche Schönheit.

Sie: Auch Kunstschönheit kann ausgesprochen schön wirken.

Wolfgang: Sie schminken sich nicht, warum sollten Sie woanders nachgeholfen haben?

Sie: Jetzt werden Sie aber zu direkt.

Wolfgang: Ich bin nur völlig offen.

Sie: Verschließen Sie doch besser Ihre Gedanken wieder.

Wolfgang: Das fällt mir bei Ihnen aber besonders schwer.

Sie: Lassen Sie doch Ihre Augen sprechen. Das reicht mir bei Ihnen völlig.

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Wolfgang K. hat mir Einblick in seine ersten beiden Dienstreiseberichte gegeben.

Aus dem ersten:

„Stellungnahmen im Gästebuch einer ‚Kleinen Galerie‘ des Kulturbundes in … (ehemalige thüringische Residenz):

Erste Äußerung: Solche Darstellungen von Arbeitern, wie sie der Maler (Name des Malers) auf seine Leinwand gebracht hat, lehnen wir Arbeiter aus (Name des Ortes) ab.

Zweite Äußerung / zwei Seiten später: Frage eines lesenden Arbeiters: Wie viel wirkliche Arbeiter seid ihr unter den den Maler (Name des Malers) ablehnenden Arbeitern aus (Name des Ortes)?“

Zitat aus dem zweiten Dienstreisebericht:

„Dialog des Kulturfunktionärs eines Leipziger Großbetriebes mit einem Werktätigen seines Betriebes.

Von dem Funktionär selber so erzählt.

Funktionär: Nächste Woche gehen wir im Kollektiv in ein Schubert-Konzert.

Werktätiger: Schubert interessiert mich nicht.

Funktionär: Aber wir haben doch Schubert-Jahr.

Werktätiger: Mir gefällt Beethoven besser.

Funktionär: Aber das Beethoven-Jahr liegt doch schon hinter uns.“

Wolfgang: Wegen dieser „Berichte aus dem wirklichen Leben“ sei er vom Institutsdirektor in einer öffentlichen Parteiversammlung amtlich gelobt worden. Und seitdem am Institut ohne Probleme verwendbar.

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Er halte auf der Parteiversammlung eine feurige Ansprache für mehr Kultur im Alltagsleben, dann fahre er sich in seinem Moskwitsch nach Hause, ziehe dort die Filzpantoffeln über und sähe sich den Montagabendfilm an – so die Einschätzung des hohen Chefs durch Herbert, meinen zweiten Zimmer-Kollegen im Institut.

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Herbert war in der „Distel“.

Und er hat eine Erkenntnis mitgebracht: Wer lachen darf, macht keine Revolution.

Wolfgang K., nach einem Moment des Überlegens: Da sollte das Politbüro aber besser noch mehr Kabaretts einrichten.

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Weimar wurde, es ist noch gar nicht so lange her, 1000 Jahre alt. Deshalb wurde die Stadt baulich saniert. Bei den Dächern wurden aber nur deren vordere Hälften, die nach der Straße hin, repariert.

Wolfgang K. berichtete es, Annie wollte es nicht glauben, Herbert stöhnte darüber, und der hohe Chef verschwand wortlos in seinem Zimmer.

Wolfgang K. am Ende seiner Erzählung: Das ist einfach DDR: Nur die Schauseite in Schuss halten.

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Als Wolfgang K. noch allein in dem Zimmer saß, dessen Luftinhalt er sich mittlerweile mit Herbert und mir teilen muss, war es einmal notwendig geworden, dass ihm seine Ärztin eine Schachtel Tabletten zur Anregung seiner Darmtätigkeit verschrieb. Die rosa Dingerchen veranstalteten sehr rasch ihre Wirkung. Vor allem aber hatte Wolfgang das Gefühl, nach ihrer Einnahme vorübergehend jeweils in den gasförmigen Aggregatzustand überzugehen. Er setzte das Wundermedikament nach wenigen Tagen mithin wieder ab.

Eines Tages nach diesem Geschehen besuchte ihn in seinem Zimmer, als er Annie die Dienstpost gebracht hatte, der Wolfgang R., ein Namensvetter aus dem Haupthaus. Der entdeckte die Tabletten auf Wolfgang K.s Schreibtisch und fragte umgehend „Wofür?“ Unserem Wolfgang war die Beschreibung seiner inzwischen vergangenen Leiden ein wenig peinlich, und er blieb folglich mehr im Allgemeinen. Er antwortete also: „Die Pillen regen an.“

Irgendwie muss dem Wolfgang R. da die Idee gekommen sein, dass gewisse Stimulanzien – für den Kopf, die Beine, Körperteile irgendwo dazwischen – auch ihm gut tun könnten. Er fragte somit unseren Wolfgang, ob der ihm einige der Kügelchen abgeben würde. Der war natürlich so freundlich bzw. – wenn man will – so boshaft, dem Wunsch des Namensvetters zu willfahren. Er legte dem einige der Tabletten in die weit geöffnete Hand.

Über die Folgen seiner Gefälligkeit weiß uns unser Zimmergenosse allerdings nichts zu berichten. Der Wolfgang R. hat sich ihm gegenüber diesbezüglich nie geäußert. Auffällig ist nur, dass er nach dem Vorfall nie wieder im Zimmer, nunmehr von uns dreien, aufgetaucht ist.

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Wolfgang K.: Im Beisein des hohen Chefs darfst du manches sagen, was du im Beisein des Parteisekretärs besser beschweigst. Und was du im Beisein des Institutsdirektors sagen kannst, hängt vor allem davon ab, wer noch dabeisteht.

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Wolfgang K. ist 1948 aus einer Westzone zu uns übergesiedelt. Weil seine Mutter hier lebte, er aus ihrer Stadt stammte, und er ihr Einziger war.

Manchmal legt er aber zusätzlich noch Wert auf die Feststellung, dass man damals noch die Hoffnung haben konnte, dass hier im Osten einmal wirklich ein besseres Deutschland entstehen würde.

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Wolfgang K. hat die merkwürdigsten Einfälle. Heute fragte er den hohen Chef, was nach dessen Meinung die wichtigsten Nahrungsmittel im voll aufgebauten Kommunismus wären.

Über kommunistische Essgewohnheiten hatte der sich jedoch noch keine Gedanken gemacht.

Wolfgang behielt das Thema trotzdem auf seiner Agenda. Seiner Meinung nach sollten die Menschen des Kommunismus, im Gegensatz zu uns sozialistischen tatsächlich neue Menschen, mithin nicht mehr übergewichtig sein. Also dürften auch Bock- und Currywürste, Bratkartoffeln, Eisbein und Pils nicht mehr ihren Speiseplan dominieren.

Während Herbert sofort einwarf, bei Bier schon bei einem selbst gewählten Sparkonsum angekommen zu sein, fand Annie, dass in Wolfgangs Aufstellung nicht nur das Eisbein, sondern das Schwein als Fleischlieferant insgesamt hineingehöre.

Nachdem sich Herbert noch über die Qualitätsunterschiede zwischen den bei uns im Handel befindlichen Kuba-Apfelsinen und einer von seiner Tante aus dem Westen geschickten Südfrucht gleichen Gattungsnamens ausgelassen hatte, glaubte der hohe Chef offenbar, die Diskussion durch eine prinzipielle Aussage beenden zu müssen – bevor sie noch weiter ausufern könnte. Und in seinem schönsten Pastorentonfall hob er an: Zuständig für die Beantwortung der von Wolfgang aufgeworfenen, aber erst bei der weiteren Annäherung an die lichte Zukunft der Menschheit aktuell werdenden Frage seien bei uns die Genossen vom Wissenschaftlichen Kommunismus. Und die würden sicher, von der Partei rechtzeitig dazu aufgefordert, die richtige Antwort auf Wolfgangs Frage geben.

Als ich während der Suada des hohen Chefs dem Wolfgang kurzzeitig in sein genüsslich Kaffee schlürfendes Gesicht sah, schien es mir nicht zum ersten Male, dass er den hohen Chef nur auf die Schippe genommen hatte.

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Wolfgang K. zu mir, dem neuen Mitarbeiter: Mit dem Parteisekretär diskutieren ist reine Zeitvergeudung. Der meint, dass er dir auf Grund seiner Funktion alles erklären muss, was du auf Grund deiner Lebenserfahrungen schon besser weißt.

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Immer wenn der hohe Chef zur Leitungssitzung ist, Wolfgang K. sich auf einer Dienstreise befindet, und Herbert mit irgendeinem vorgeschobenen Grund das Haus in Richtung Polnisches Kulturzentrum verlassen hat, um dort eine neue Platte zu erwerben, sitze ich bei Annie, und die berichtet mir aus der Geschichte des Instituts.

Annies heutige Erzählstunde handelte von dem Maler Sitte und dem Institutsdirektor. Kurz nach der Gründung des Instituts stand der Maler wieder einmal kulturpolitisch unter Beschuss. Folglich hatte ihn auch der Parteisekretär auf einer Parteiversammlung angegriffen. Da der Institutsdirektor aber vor jedermann Respekt empfindet, der – wie Sitte – dem Krieg Hitlers irgendwann aus eigener Initiative die weitere Mitwirkung verweigert hatte, glaubte er, Sitte zumindest innerhalb des eigenen Instituts verteidigen zu müssen. Und er tat es mit all seinen auch damals schon hoch entwickelten operativ-taktischen Fähigkeiten.

Der Institutsdirektor soll also laut Annie auf jener Parteiversammlung erklärt haben, wenn Sitte in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten wäre und nicht unter italienische Partisanen, würde er den sozialistischen Realismus sicher besser begriffen haben. Es sei aber nicht seine Schuld, wenn er auf Grund der Stationierung seiner Division nur zu den italienischen Partisanen habe überlaufen können. Mithin müssten wir in der DDR mit den Besonderheiten von Sittes Realismus noch ein wenig Geduld haben.

Diese Verteidigung des ästhetischen Abweichlers war nicht nur kühn und originell, sie war auch noch nicht von einem höheren Funktionär öffentlich als falsch oder kompromisslerisch zurückgewiesen worden. Und als der Institutsdirektor seine Argumentation auch noch mit einem echten Marx-Zitat – „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein“ – theoretisch untermauert hatte, war der Parteisekretär, und das nicht zum letzten Male, ideologisch geschlagen. Und der Maler Sitte blieb ab jenem Tag an unserem Institut unkritisiert.

Wolfgang K. dazu am folgenden Tag: Unser Institut sei eine ideologische Oase. Die könne es aber nur solange bleiben, wie der Parteisekretär den Glauben habe – und höhernorts auch zu vermitteln vermöge –, dass er das ideologische Gesicht des Instituts und nicht nur das politische Aushängeschild des Institutsdirektors ist.

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Wolfgang K. erzählt uns gelegentlich über die fünfziger Jahre. Diesmal:

Der 1. Kreissekretär in seiner damaligen Heimatstadt war abgesetzt worden. Nein, nicht abgesetzt. Aus seiner Funktion geradezu hinausgeworfen worden.

Es kam ein neuer. Direkt aus dem ZK in Berlin.

Der berief eine Versammlung der Kreisleitungsmitarbeiter ein, stellte sich vor und bat alle Anwesenden, ihn bei der verantwortungsvollen Aufgabe zu unterstützen, die Fehler des Vorgängers zu korrigieren.

Umgehend meldete sich dessen ehemaliger persönlicher Mitarbeiter. Er stehe mit seinen Erfahrungen dem Neuen natürlich voll und ganz zur Verfügung. Auch wenn er dem früheren 1. Kreissekretär gegenüber immer die Parteidisziplin gewahrt habe, nicht selten habe auch er seine Zweifel an der Richtigkeit von dessen Maßnahmen gehabt. Und jetzt möchte er die anderen Parteiarbeiter im Kreis noch aufrufen, ihre Parteiverbundenheit zu beweisen und mit vollem Einsatz an der Seite des neuen Ersten zu arbeiten.

Der ehemalige 1. Kreissekretär hatte offensichtlich noch Genossen unter seinen gewesenen Mitarbeitern. Einer von denen hatte ihm von dem Vorgang berichtet. Und der Ex-Sekretär hatte davon dann unserem Wolfgang erzählt. Der hatte ihn nämlich auf der Straße auch nach seiner Absetzung noch gegrüßt.

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Wolfgang K.: Warum hat es immer wieder Fortschritt gegeben? Obwohl die Zahl der Dummen unter uns Menschen kaum abgenommen haben dürfte.

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In der sächsischen Heimatstadt von Wolfgang K. soll das größte Optikergeschäft am Platze Mitte der fünfziger Jahre einem älteren Herrn gehört haben, der in der Nazi-Zeit ein unauffälliges NSDAP-Mitglied und ab 1948 ein gleichfalls wenig aktiver NDPD-Mitläufer gewesen sein soll. Als 1955 einige Funktionäre der Nationalen Front begonnen hätten, den alten Herrn zu agitieren, er möge seinen Laden doch freiwillig und zusätzlich sogar noch begeistert an die HO abtreten, zum Ausgleich könne er als stellvertretender Verkaufsstellenleiter in seinem bisherigen Geschäft weiterarbeiten, soll der alte Herr nur ein Wochenende gebraucht haben, um seine wertvollsten Auslagen und sein privates Tafelsilber einzupacken und sich unter Mitnahme seiner gelegentlich im Laden aushelfenden Ehefrau in Richtung Westberlin davonzumachen. Böse Zungen in der Stadt sollen in den ersten Tagen danach gern auf die halbleeren Schaufenster des vorübergehend geschlossenen Ladens gewiesen und dazu gezischt haben: Wieder ein Stück Sozialismus mehr.

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Wolfgang K.s ideologische Fehler in den Fünfzigern.

Einmal hatte er in einer Aussprache den Leiter eines neu gegründeten Jugendkollektivs mit „Brigadjäähh“ betitelt. Umgehend wurde Wolfgang vom Parteisekretär des Jungleiters korrigiert. Das heiße „Brigadiiir“. Wir hätten das Wort aus dem Russischen übernommen. Und keinesfalls aus dem Französischen.

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Wolfgang K.s absurde Überlegungen.

Heute meinte er: Schade, dass Karl Marx mit 65 gestorben ist.

Annie wollte natürlich sofort wissen: Warum?

Wolfgang: Hätte er 20 Jahre länger gelebt, wüssten wir, ob er Leninist oder Revisionist geworden wäre.

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Annie weiß auch das.

In den Sechzigern habe die Karriere des Institutsdirektors eine Weile an einem seidenen Faden gehangen. Er hätte sich in einer öffentlichen Versammlung gegen den Abriss der Ruine des Potsdamer Stadtschlosses ausgesprochen. Die Sowjetunion würde die kriegszerstörten Zarenschlösser rund um Leningrad doch wieder aufbauen.

Die Karriere des Institutsdirektors wäre dann von den Sowjets gerettet worden. Eine Delegation von hohen Kriegsveteranen sei in der DDR gewesen und habe im ZK nach ihrem ehemaligen Nationalkomitee-Freies-Deutschland-Genossen gefragt: Was macht der heute? Der hat sich schon vor 1945 für ein besseres Deutschland eingesetzt.

Und so wäre der damalige Nachwuchswissenschaftler mit einer Rüge davongekommen. Und auch nicht wegen seiner Meinung. Sondern nur, weil er sie öffentlich geäußert hatte.

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Wolfgang K. heute ganz am Ende des Frühstücks: Was lehrt uns das Christentum?

Annie: Ich denke, uns heute lehrt es nichts mehr.

Herbert: Es lehrt uns, wie zäh Religion ist.

Wolfgang: Es lehrt uns, dass Kommunisten, wenn sie an die Macht kommen, Hierarchien bilden, und die oben in der Hierarchie denen unten vorschreiben, was die zu glauben haben.

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In Wolfgang K.s Vorort macht jetzt der letzte noch private Bäcker zu. Er ist 68 und geht in die Rente. Sein einziger Sohn hat zwar Bäcker gelernt, will den Laden aber nicht übernehmen. Er ist FDJ-Sekretär im Backwarenkombinat. Der von seinem Sprössling bitter enttäuschte Alte: Da muss er nicht so früh aufstehen.

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Der Instituts-Knigge. Kapitel 1.

Der Institutsdirektor siezt alle Mitarbeiter. Nur zu den Genossen sagt er „Du“. Aber bei diesem „Du“ klingt immer ein wenig ein „Sie“ mit.

Der Parteisekretär duzt zusätzlich zu allen Genossen die Reinemachfrau und den Pförtner im Haupthaus.

Der Pförtner, der sich aus seinem Kabuff allzu gern im Tonfall des Parteisekretärs meldet, duzt meines Wissens alle Parteilosen.

Die Reinemachfrau siezt alle. Selbst den Pförtner und den Parteisekretär.

Ich duze bislang Annie, Wolfgang K. und Herbert.

(Und ab morgen, da der Pförtner mich grundsätzlich mit „Du“ anspricht, werde ich bei ihm das gleiche tun.)

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Beim Institutsdirektor arbeitet eine Praktikantin, Kulturwissenschaftsstudentin aus Leipzig. Sie heißt mit Vornamen Melanie, Wolfgang K. sagt aber immer Melanitis zu ihr. Heute fragte sie ihn: Warum Melanitis? Wolfgang: Wenn ich Sie sehen darf, steigt mir immer die Körpertemperatur. Annie danach zu Herbert: Ob dem alten Bock bei deren Anblick nicht noch etwas ganz anderes steigt als die Körpertemperatur?

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Autofahren ist das einzige, wo der hohe Chef ein Abweichler ist.

Allerdings fährt er schneller als erlaubt nur, wenn sein Ehegespons nicht mit im Wagen sitzt.

Kürzlich durfte der hohe Chef nicht nur den Institutsdirektor wieder einmal vertreten, er durfte dazu auch dessen Dienstwagen einschließlich Fahrer nutzen.

Das nächste Mal will er aber wieder auf den eigenen Moskwitsch zurückgreifen. Der Fahrer des Institutsdirektors sei eigentlich nur ein Fußgänger auf Rädern.

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Ich muss die Fälle von sozialistischer Freizeitkultur, die ich in der sozialistischen Presse entdecke, in Schönschrift auf liniertes Papier übertragen: auf die linke Seite eines in der Mitte gefalteten Blattes. Dann lesen dieses Produkt der hohe Chef, danach der Parteisekretär und gelegentlich auch der Professor. Die machen dann auf der rechten, von mir freigelassenen Seitenhälfte ihre Anmerkungen. Dann geht mein so veredeltes Arbeitserzeugnis an den Institutsdirektor. Und der entscheidet, wie mit dem Blatt weiter umgegangen wird. Seine Sekretärin hat mir auf der letzten öffentlichen Parteiversammlung mit strahlenden Augen mitgeteilt, dass sie bereits den zweiten halben Aktenordner mit meinen Produkten angelegt habe.

(Sie gehen also in die Ablage.)

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Auch der hohe Chef hat eine eigene Meinung.

Die Institutsleitung erhält zur Lektüre der Absichten des Klassenfeindes regelmäßig ein Exemplar der „Welt“. Im Original. Warum gerade die „Welt“ und seit wann, weiß niemand mehr.

Da Wolfgang K. vorgestern den hohen Chef beim Lesen des westdeutschen Blattes angetroffen hatte, als er unangemeldet dessen Zimmer betrat, erlaubte er sich heute die Frage, warum die Institutsleitung nicht die „Welt“ gegen die „Frankfurter Allgemeine“ tausche. Seine Cousine bzw. die Cousine seiner Frau würde der Institutsleitung diesen Tausch sehr empfehlen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ habe unter allen Tageszeitungen der Bundesrepublik das beste Feuilleton.

Der hohe Chef knurrte nur: Er persönlich würde ja auch ganz gern die „Welt“ gegen die „Frankfurter Allgemeine“ tauschen. Aber besser wäre, an der Sache nicht zu rühren. Sonst nähme jemand von den Devisensparern in der Regierung uns, d. h. der Institutsleitung, die „Welt“ nur ganz weg. Die gestiegene Lautstärke seines letzten Wortes ließ eine mögliche Empörung ahnen: Ersatzlos.

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Die arische Abstammung von Wolfgang K.s Großvater mütterlicherseits wies im wahrsten Sinne des Wortes einen Fleck auf.

In der Standesamtsakte, in der die (ursprüngliche) Konfession von Wolfgangs Urgroßmutter vermerkt war, war irgendwann gerade über dieser Eintragung ein großer Tintenfleck entstanden.

Da Wolfgangs Großvater mütterlicherseits aber merkwürdigerweise „alter Kämpfer“ der NSDAP gewesen war und kategorisch darauf bestanden hatte, dass „Rassenschande“ in seiner Familie schon zu Kaisers Zeiten undenkbar gewesen wäre, wurde von niemandem über die frühe Religionszugehörigkeit von Wolfgangs Ur-Großmutter ernsthaft nachgeforscht. Allerdings war das Familienstammbuch von Wolfgangs Familie bis 1945 auch nicht fertig geworden.

Fleck und diese Leerstellen lassen Wolfgang gelegentlich kühne Vermutungen darüber anstellen, von wem in der Familie er seine Chuzpe habe.

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Nach Annie, die von Anfang an im Institut arbeitet und zudem zur gleichen Fußpflegerin geht wie die Sekretärin des Institutsdirektors, ist Wolfgang K. bei uns in der Außenstelle über interne Vorgänge des Instituts am besten informiert. Bei ihm liegt es an seinen guten Kontakten zur Arbeiterklasse. Wann immer er im Haupthaus zu tun hat, macht er dort beim Pförtner Halt. Und in dessen Kabuff finden dann hin und wieder auch noch der Fahrer des Institutsdirektors und die Reinemachfrau des Instituts Platz.

Wenn der Parteisekretär Wolfgang beim Pförtner sitzen sieht, überzieht immer ein gewisses revolutionäres Misstrauen sein Gesicht, der Institutsdirektor dagegen spöttelt im gleichen Fall: Herr K., wenn ich nur auch soviel Zeit für Kontakte zur Arbeiterklasse hätte. Herr K., nur nicht die Verbindungen zur Arbeiterklasse verlieren. Usw.

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Wolfgang K. war in US-Kriegsgefangenschaft. Da bekam er mit, dass es in den Neu-England-Staaten durchaus so etwas wie einen Adel gibt: Leute, die ihre Vorfahren bis auf Einwanderer von vor dem Unabhängigkeitskrieg zurückführen. An diese Erfahrung muss Wolfgang K. immer denken, wenn Genossen bei uns betonen, dass ihre Eltern schon in der Thälmannschen KPD gewesen sind. Und ihre Großeltern sogar schon in der Bebelschen Sozialdemokratie.

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In Zeitz, weiß Wolfgang K. von seiner letzten Dienstreise zu berichten, habe sich ein Ingenieur einen Stadtmauerturm als Wohnturm für seine Familie ausgebaut. Dieses Domizil sei ihm erheblich billiger gekommen als ein gleichgroßes Eigenheim auf der grünen Wiese. Trotzdem hat der Ingenieur Ärger mit den örtlichen Parteibehörden. Die Empfehlung des Ausbaus von Stadtmauertürmen zu Einfamilienhäusern haben die in den Beschlüssen ihrer Oberen zur vermehrten Eigenheimerrichtung nicht gefunden.

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Wolfgang K. betätigt sich, einem berühmten Vorbild folgend, zur Abwechslung als Sprachwissenschaftler.

Der politisch wichtigste Begriff im DDR-Deutschen sei seiner Erfahrung nach das Wort „noch“.

Herbert hatte alles erwartet, aber nicht dieses bescheidene, klein geschriebene Allerweltswort.

Wolfgang konnte seine Wahl aber überzeugend nachweisen: „Noch“ gäbe es „Rudimente des Kapitalismus“ in der DDR, „noch“ würde unsere Wirtschaft nicht ganz so erfolgreich funktionieren, wie sie es laut Plan eigentlich müsste, „noch“ wären nicht alle Menschen in der DDR „neue Menschen“.

Wolfgang: Ohne dieses Wörtchen geht bei uns fast nichts. „Noch“ immer.

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Die nächste Parteiversammlung des Instituts ist öffentlich. Das heißt, auch ich, als Parteiloser, muss daran teilnehmen. Wolfgang K. hat mich auf den voraussichtlichen Ablauf des Geschehens detailliert vorbereitet.

Als erstes stünde vorn im Raum ein Präsidium. Mit dem Parteisekretär in der Mitte. Und dem Institutsdirektor zu seiner Rechten, und dem BGL-Vorsitzenden zu seiner Linken. Mit Hilfe eines dicken Kissens auf seinem Stuhl überrage der Parteisekretär seine Nachbarn. (Ob er dieses Kissen auch in den Parteileitungssitzungen benutzt, um seine Bedeutung zu erhöhen, wusste Wolfgang jedoch nicht.)

Der hohe Chef, eigentlich der drittwichtigste Mann des Instituts, würde dem Präsidium direkt gegenüber sitzen. An einem Tisch für sich ganz allein. Er soll bei den Referaten des Parteisekretärs und den Diskussionsbeiträgen des Institutsdirektors in geregelten Abständen beifällig nicken, selber aber, gar nicht passend zu ihm, das Wort nur höchst selten ergreifen.

Annie und die Sekretärin des Institutsdirektors säßen an einem gemeinsamen Tisch in einer Ecke des Raums. Beide redeten niemals. Auch nicht miteinander. Ihre Kommunikation während der Versammlung beschränke sich auf Blicke.

Der auffälligste Teilnehmer der Veranstaltung sei der Wolfgang R. Der würde immer reden. Und zu allem. Das heißt, er würde stets zu allem, was der Parteisekretär gerade verkündet hat, seine – O-Ton – „vollinhaltliche Zustimmung“ erklären. Und dann würde er auch gern so eine Art Selbstverpflichtung abgeben: Das Versprechen, die neuen Aufgaben noch besser zu erfüllen als die bisherigen. Außer dem Parteisekretär höre dem Wolfgang R. aber niemand so richtig zu.

Der einzige, der hin und wieder Fragen stelle, und einmal dem Parteisekretär sogar widersprochen habe, sei der Fahrer des Institutsdirektors. Aber der bilde ja zusammen mit dem Pförtner und der Reinemachfrau die Arbeiterklasse am Institut. Der Pförtner und die Reinemachfrau seien übrigens die einzigen am Institut, deren Teilnahme an den öffentlichen Parteiversammlungen von niemandem erwartet wird.

Neben dem Institutsdirektor, der zwar nur selten in die Diskussion eingreife, dann aber sofort die Richtung der weiteren Aussprache vorgebe, sei der wissenschaftliche Mitarbeiter des Institutsdirektors der einzige interessante Teilnehmer der Veranstaltung. Wenn es ihm der Institutsdirektor erlaubt habe, dürfe er die Versammlung mit Ergebnissen seiner Lektüre in den Giftschränken unserer Bibliotheken anreichern. Wenn der wissenschaftliche Mitarbeiter sich zu Wort melden würde, ginge immer ein Aufwachen durch den Raum.

Wolfgang schloss seine instruktiven Erläuterungen mit dem Hinweis: Reden brauchst du als Parteiloser auf den Veranstaltungen nicht. Aber allzu sichtbar dein Desinteresse zeigen, das darfst du auch nicht.

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Der BGL-Vorsitzende ist Leiter der Abteilung Allgemeine Verwaltung des Instituts, die nur aus ihm allein und einer Sekretärin besteht und für die Beschaffung und manchmal auch nicht mehr zu umgehende Aussonderung unserer Produktionsinstrumente zuständig ist – sowie für an ihnen anfallende Reparaturen. Da er diese Reparaturen nicht selten selber ausführen muss, weil unsere Handwerker bei ihren Terminvergaben eine weit in die Zukunft gerichtete Planwirtschaft betreiben, rechnet sich der BGLer zusammen mit dem Fahrer des Institutsdirektors, dem Pförtner des Haupthauses und der Reinemachfrau zur Arbeiterklasse am Institut.

Dass er auch deren „führender Kraft“ angehört, ist seiner Rede, wenn er wieder einmal irgendein älteres Arbeitsgerät aus dem Scheintod zurückzuholen hat, allerdings nur wenig zu entnehmen.

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An der Straßenbahn nach Feierabend.

Wolfgang K. zur Praktikantin des Institutsdirektors: Darf ich Ihnen für das schöne Wetter heute danken?

Die Praktikantin: Für das schöne Wetter kann ich doch nichts. Das ist doch die Sache von Petrus.

Wolfgang: Wenn Sie Petrus um schönes Wetter bitten, wird der schlecht widerstehen können.

Die Praktikantin: Warum denn nicht?

Wolfgang: Welcher Mann kann einer schönen Frau schon einen Wunsch abschlagen? Und Petrus ist doch ein Mann.

Sie guckte Wolfgang nur an.

Aber als Wolfgangs Bahn eine vor unserer abgefahren war, fragte sie mich: Macht der immer so schöne Komplimente?

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Wolfgang K.s Tätigkeit als stellvertretender Kreiskulturhausleiter fand 1958 abrupt ein Ende.

Als sein damaliger, im Volk wenig geliebter 1. Kreissekretär der SED völlig ungeplant verstorben war, hatte Wolfgang wieder einmal seinen Kreiskulturhausleiter zu vertreten gehabt: bei der Beerdigung des für seines Chefs Karriere nicht mehr verwendbaren Funktionärs. Als der streng atheistische, den Verblichenen aber in den sozialistischen Himmel lobende Bestattungsredner einmal eine Pause einlegte, flüsterte Wolfgang dem neben ihm stehenden FDJ-Kreischef zu: Diese verlogene Predigt – ich glaube, ich bin auf der falschen Vorstellung.

Wer von den Anwesenden den Satz gehört, weiter gegeben und möglicherweise noch ein wenig ausgeschmückt hatte, hat Wolfgang nie erfahren. Auf jeden Fall musste er drei Tage nach der Beerdigung zum amtierenden Mitglied des Rates des Kreises für Kultur und bekam von dem gesagt: Man wisse, was er auf die Friedhof von sich gegeben hätte, ihm dürfte doch wohl klar sein, dass er mit dieser Äußerung als stellvertretender Kreiskulturhauschef nicht mehr tragbar sei. Auf Grund seiner früheren Verdienste bekäme er jedoch die Erlaubnis, selber zu kündigen und eine gute Beurteilung, die ihm woanders einen Neuanfang erlauben würde.

Wie Wolfgang hinzusetzte, war dieser Umgang mit ihm damals durchaus großzügig. In seine Kaderakte durfte er in jenen Jahren zwar noch nicht Einsicht nehmen, die Reaktion aller späteren Chefs habe jedoch darauf schließen lassen, dass das Ratsmitglied sein Wort gehalten hatte.

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Alle unterrichten mich Neuen über Abläufe und Personen am Institut: Annie, Wolfgang K., Herbert.

Heute erläuterte mir Wolfgang K., wie unser Parteisekretär zur Politik von „Partei und Regierung“ – gelegentlich – die „Meinung der Arbeiterklasse“ einholt. Er bleibe dann, die lautere Leutseligkeit in Person, gern beim Pförtner im Haupthaus stehen, und verwickele den in ein ausführliches politisches Frage-und-Antwort-Spiel. Und der Pförtner erzähle dem Parteisekretär – soll er sich Ärger machen? –, was er zu dessen Fragen in der von ihm abonnierten Tageszeitung gelesen hat. Und habe er zu einer Frage des Parteisekretärs aus seinem Blatt nichts Brauchbares in sein Kurzzeitgedächtnis überführt, dann antworte er, zu dieser Frage habe er sich noch keine gültige Meinung gebildet.

Und so hält der Parteisekretär in seinen Vorträgen die reale Arbeiterklasse unseres Landes gern für politisch klüger als einige sich trotz aller ideologischen Erziehung immer noch zweiflerisch gebende Hochschulabsolventen.

Der Pförtner soll Wolfgang versichert haben, den Parteisekretär interessiert meine wirkliche Meinung doch gar nicht. Würde ich die ihm sagen, würde er ganz rasch aufhören, mich nach meiner Meinung zu befragen.

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Der hohe Chef heute mit seinem strengsten Gesicht zu Wolfgang K.: Seine, Wolfgangs, Auffassungen würden gelegentlich nicht mit den für unser Institut gültigen Lehrmeinungen übereinstimmen. Er wolle ihm ja nicht vorschreiben, was er, Wolfgang, zu denken habe, aber wenn ein Wolfgang K. sich in der Öffentlichkeit als Mitarbeiter des Instituts äußere, dann habe er die für unser Institut geltenden ideologischen Leitlinien – zumindest in ihren Grundrichtungen – nicht zu überschreiten. Er denke, dass Wolfgang ihn verstanden habe.

Wolfgang konnte die Widerrede nicht unterlassen: Es möge ja sein, dass er hie und da und kürzlich von den im Institut vorherrschenden Theorien und Meinungen abgewichen sei. Aber er habe noch erlebt, dass Tito Kommunist, dann Faschist, und dann wieder Kommunist gewesen wäre. Er könne sich auch noch gut an den Vorgänger von Erich Honecker erinnern. Den es, wie es heute gelegentlich scheine, gar nicht gegeben hat. Sein Pech sei, dass er für einen DDR-Bürger ein zu gutes Gedächtnis habe.

Der hohe Chef wurde nun noch prinzipieller: An dem, was Wolfgang da sage, sei sicher nicht alles falsch. Aber er möchte der Partei doch zubilligen, dass sie stets auf der Basis ihres jeweils höchsten Erkenntnisstandes agiere. Und der sei nun einmal auch die Grundlage für die Arbeit des Instituts. Sonst würde es überflüssig.

Wolfgang schien endlich begriffen zu haben: Natürlich wisse er, dass auch die Partei ständig dazulerne. Und habe er sich bislang nicht in allen seinen Texten bemüht, die Linie der Institutsleitung zu vertreten?

Der hohe Chef gestand daraufhin Wolfgang diese Bemühungen zu und verlangte nur noch, dass Wolfgang sich in seinen mündlichen Äußerungen seinen schriftlichen Hervorbringungen mehr annähern möge. Dann würde es solche Gespräche wie heute nicht mehr geben müssen.

Über die Ursache für dieses ungewöhnliche Frühstücksgespräch hüllten sich sowohl der hohe Chef wie auch Wolfgang K. in Schweigen. Und auch Annie, von Herbert unter vier Augen ins Gebet genommen, wusste diesmal nichts. Oder wollte diesmal nichts wissen.

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Wolfgang K. lässt gern durchblicken, dass es in seinem Leben Abenteuer mit Frauen in Hülle und Fülle gegeben hat. Als er Herbert und mir kürzlich die Nacherzählung eines seiner kuriosesten Erlebnisse ankündigte, erwarteten wir natürlich eine Frauengeschichte. Es ging aber um Geistiges. Materielles Geistiges.

Als ersten Arbeitsplatz in Berlin hatte Wolfgang nur die Stelle eines Nachtwächters in der Stadtbibliothek gefunden. Dort aber hatte der stets wache Wolfgang ziemlich rasch mitbekommen, dass der Direktor den Schlüssel zum Giftschrank der Bibliothek in einem unverschlossenen Fach seines Schreibtisches aufbewahrte. Und so las Wolfgang – als einziger Mitarbeiter der Bibliothek neben dem Direktor – regelmäßig den „Spiegel“ und die „Zeit“. Bis er eines Morgens den Giftschrank nicht mehr zu bekam.

Wie schon im Kreiskulturhaus erhielt Wolfgang wieder einen Aufhebungsvertrag und eine ausgemacht gut klingende Beurteilung. Den Direktor und Wolfgang hatte gleiches Interesse vereint: Dass die Geschichte von Wolfgangs spezieller Lektüre – zumindest vorläufig – eine Sache zwischen ihnen beiden blieb.

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Wenn ich über mein gewesenes Studium nachdenke, dann komme ich immer wieder auf dieses: Studiendisziplin, nicht geistige Initiative – das war es, worauf es an unserer Universität zuerst ankam.

Der Student wird bei uns in der DDR, finde ich, vor allem als Fass angesehen, ein Fass, in das von oben hinein gefüllt wird. Er wird nicht ausreichend als Individuum akzeptiert, das sich etwas aneignen will.

Unter dem Aspekt der Verwaltung von Studenten ist unser Hochschulwesen sicher ganz sinnvoll organisiert. Unter dem Aspekt eines effektiven „Produkts“ – initiativreiche Neuerungen überall in der Gesellschaft anstrebender Individuen – keinesfalls.

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Wolfgang K. zur Praktikantin des Institutsdirektors: Wenn Sie nicht rauchen würden, könnte ich mich bei Ihnen um die Stelle als Liebhaber bewerben.

Sie errötete und sagte nichts. Wie immer bei seinen Komplimenten.

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Als ich ihr von den Meinungsverschiedenheiten zwischen meiner Mutter und meiner Großmutter in Bezug auf meine ökonomische Erziehung erzählte, hat Annie richtig laut gelacht.

Meine Oma liebte es nämlich, dem angebeteten Enkelsohn den in ihren geistigen Besitz übergegangenen wirtschaftlichen Erfahrungsschatz ihres 1938 verstorbenen Geschäftsmann-Bruders schrittweise weiterzuvermitteln.

Wenn mich meine Mutter dann am Wochenende übernahm, und ich versuchte, die auf den wirtschaftlichen Kenntnisstand ihrer Mutter zu heben, seufzte meine Mutter nur noch in Richtung der alten Frau: Was du meinem Jungen wieder an Geschäftswissen deines Bruders beigebracht hast – in der sozialistischen Wirtschaft wird er das nie brauchen.

Meine Oma behielt gegenüber der Tochter jedoch gern das letzte Wort. Beim angesprochenen Thema klang das in der Zusammenfassung wie folgt: So, wie du mir die sozialistische Wirtschaft beschreibst, kann die nicht bleiben.

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In Kommentaren zu Kafkas „Prozess“ kann man lesen, Kafka habe darin Stalin und Hitlers Gerichtsverfahren genial vorweggeahnt.

Vielleicht hat Kafka aber auch nur Casanovas Beschreibung der Gerichtsverfahren im alten Venedig gelesen, und das getan, was man mit dem Wort „literarisch verarbeitet“ umschreibt.

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Wolfgang K. wollte unbedingt eine Frau kennenlernen, die in der gleichen Straßenbahn saß wie er. Kurz entschlossen stieg er an ihrer Haltestelle mit aus, ging auf sie zu, hielt seinen Knirps hoch und fragte: Darf ich Sie beschirmen?

Und als die verblüffte junge Frau auf die aktuelle Wetterlage verwies: Es regnet doch gar nicht, begründete er sein Vorgehen ebenso verblüffend: Kann ich dafür, dass die Sonne scheint, wenn ich Sie zu gern beschirmen möchte?

Nach diesem Satz soll die junge Frau herzlich gelacht und Wolfgang erlaubt haben, sie bis zu ihrer Haustür zu begleiten.

Und später auch noch bis in das Haus hinein.

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Anni hatte in den Sechzigern beinahe ein Parteiverfahren bekommen.

Ihre Schwester hatte ihr bei ihrem ersten Besuch nach dem Mauerbau einen „Tagesspiegel“ mitgebracht. Mit der Todesanzeige ihres ehemaligen Lehrers. Annie hatte die Westzeitung einer Schulfreundin, die es nach 1945 ebenfalls nach Ostberlin verschlagen hatte, in deren Büro mitgenommen. Und die hatte die Zeitung nach Feierabend auf ihrem Schreibtisch liegen gelassen …

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Wolfgang K. über das Verhalten einiger Verwandter nach 1945: Sie haben nur den Arsch gewechselt, in den sie gekrochen sind.

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Auf der Friedrichstraße hat mich ein junger Westdeutscher gefragt, wo denn hier der Biermann gewohnt habe. Ich zeigte ihm das Haus. Der junge Westdeutsche danach: Wie ihr lebt, ohne Freiheit – das könnte ich nicht.

Ich antwortete ihm: Ach, wir leben hier so ungefähr wie die Österreicher damals unter Metternich.

Leider kannte der junge Mann den ehemaligen österreichischen Staatskanzler nicht. Er wusste nur von einem westdeutschen Sekt gleichen Namens.

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Wolfgang K.s Westbesuch hat eine westdeutsche Zeitung, „Die Zeit“, mitgebracht. Seitdem weiß Wolfgang endgültig, dass Karl Marx und Friedrich Engels sich geirrt haben. Sie hätten verlangen sollen: Intelligente aller Völker, vereinigt Euch!

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Mein Ex-Kommilitone H. G. hat seine erste eigene Wohnung bekommen. Alt-Neubau. Mit Balkon und Bad. Zudem viel Sonne im Zimmer. Er muss nicht im Hinterhof anfangen, nicht bei warmem Wetter wie jetzt, wenn er nach Hause kommt, über das kurze Hemd eine Strickjacke drüberziehen, weil die Sonnenstrahlen die Wohnung nirgendwo erreichen.

Es hatte, wie mir G. anvertraute, allerdings auch bei ihm mit einer ordentlichen Wohnung anfangs nicht klappen wollen. Aber dann hätten sich seine Eltern eingeschaltet. Ursprünglich hätten sie so etwas natürlich keinesfalls tun wollen. Aber da es ohne sie eine vernünftige Wohnung für ihn einfach nicht gegeben habe, hätten sie ihm dann doch geholfen. Warum habe ich nicht solche Eltern? Bin ich neidisch? Oder wollen Leute wie ich manchmal schon mehr Gleichheit als unserer Gesellschaft gegenwärtig möglich ist?

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Es ist bekanntlich Sommer. Eine das Institut besuchende Ex-Kollegin trägt einen tiefen Ausschnitt. Wolfgang: Du siehst gut aus. Sie blickt erst einmal skeptisch. Darum ergänzt er umgehend: Soweit ich schauen kann.

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Was unsere Lieblings-Fernsehsendung wäre, wollte der hohe Chef wissen. Wolfgang K. fragte umgehend zurück, ob der hohe Chef den Namen unserer tatsächlichen Lieblingssendung hören wolle. Oder nur den Namen unserer Lieblingssendung im DDR-Fernsehen. Das ginge aus der Frage nicht hervor, die das ZK beantwortet haben wolle, antwortete der hohe Chef. Allerdings interessierte ihn unsere Meinung schon bald darauf nicht mehr.

Wolfgang K. in unserem Zimmer: Was wird der wohl berichten?

Für seine „guten Berichte“ wird der hohe Chef laut dem Institutsdirektor aus dem ZK immer wieder gelobt.

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Herbert war im Hauptgebäude und hat dort den Wolfgang R. in enger Umarmung mit der Sch. überrascht.

Herbert: Der nimmt auch alles.

Wolfgang K. verschnupft: Sagtest du „auch“? Merk dir, ich nehme nicht alles.

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Wolfgang K. erzählte heute vom 1. Kreissekretär der SED in der sächsischen Kleinstadt, in der er zu Anfang der fünfziger Jahre gearbeitet hatte. Nach einem von „ganz oben“ befohlenen Parteiverfahren habe der seine Stelle verloren gehabt. Und wäre danach wieder Dreher geworden. Also wieder Arbeiter, was er schon vor seinem Aufstieg zum „Parteiarbeiter“ gewesen wäre.

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Wir gingen zu zweit an einem Konfektionsgeschäft für Damen vorbei.

Plötzlich Wolfgang K., der mit dem Geschäft offenbar seine Erfahrungen gemacht hatte: In diesem Laden sind die Verkäuferinnen schöner als die Waren.

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Dem hohen Chef ist es tatsächlich gelungen, einen Widerspruch in der Westpropaganda zu entdecken. Auf der einen Seite, belehrte er uns heute, behaupte der Westen immer, dass die Planwirtschaft, die er Zentralverwaltungswirtschaft nenne, der Marktwirtschaft hoffnungslos unterlegen sei. Auf der anderen Seite aber, so würden einige westdeutsche Historiker verkünden, habe Deutschland im I. Weltkrieg nur deshalb so lange ausgehalten, weil Walther Rathenau gleich zu Kriegsbeginn eine hocheffiziente Zentralverwaltungswirtschaft geschaffen habe.

Wolfgang K. konnte sich wieder eine unpassende Bemerkung nicht verkneifen: Was wäre gewesen, wenn nicht Walther Rathenau, sondern Günter Mittag die Zentralverwaltungswirtschaft von 1914 geschaffen hätte?

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Der hohe Chef zu Wolfgang K.: Sie sollten weniger West-Fernsehen schauen und mehr die sozialistische Presse lesen.

Wolfgang salomonisch: Wenn ich die Qualitäten der sozialistischen Presse so richtig begreifen will, muss ich West-Fernsehen geschaut haben.

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Wolfgang K.s Cousin soll Professor sein. Für irgendeine Gesellschaftswissenschaft. Genaueres weiß nicht einmal Annie.

Allerdings ließ mir Annies Mitteilung auf einmal einige Äußerungen Wolfgangs verständlicher werden.

Kürzlich hatte er z. B. geknurrt: In den fünfziger Jahren haben Parteiversammlungen bei den Historikern an der Karl-Marx-Universität in Leipzig noch bis Mitternacht gedauert. Da wurde auf diesen Versammlungen noch gestritten.

Als ihn Herbert ganz interessiert anschaute, setzte er seine Rede fort: Und wie ist das bei euch heute? Nach dem, was ich gehört habe, dauern eure nichtöffentlichen Parteiversammlungen gerade einmal zwei Stunden, und die Diskussionsbeiträge werden auch noch von der Parteileitung verteilt.

Jetzt murrte Herbert: Wenn du es besser kannst, dann trete doch ein in die Partei.

Aber das wollte Wolfgang nun auch wieder nicht.

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Wolfgang K.: Sie akzeptieren den Widerspruch als objektives Gesetz. Aber sie akzeptieren ihn nicht als subjektive Haltung: Dass ich zu ihnen in Widerspruch stehe.

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Die Sch. aus dem Haupthaus hat mit uns gefrühstückt.

Ihr Schwager ist Arzt. Er müsse jetzt in die SED.

Herbert: Niemand muss in die SED. Zwei Bürgen muss man bringen, wenn man in die SED will.

Die Sch.: Aber wenn er der nächste Chef seiner Poliklinik werden will, hat man ihm gesagt, muss er in der SED sein.

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Wolfgang K.: Ich war zwar nur der zweite bei meiner Frau. Aber ich bin ihr letzter geblieben.

Annie: Da hast du aber Glück gehabt.

Wolfgang: Nein, meine Frau hat nur nicht geglaubt, als dritten noch einmal einen guten Liebhaber zu bekommen.

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Herbert war im Juni auf Einladung seines Brieffreundes Juri in Moskau. Und war wieder nicht bei Lenin in dessen Mausoleum. Nachdem er Juris Vater versichert hatte, mittelalterliche Heiligenverehrung sei seine Sache nicht, wurde dessen Verhalten dem deutschen Gast seines Sohnes gegenüber noch herzlicher.

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Ob es nicht nachteilig für unsere Republik wäre, wenn sie soviel Schulden im Westen hat, fragte Herbert den Professor.

Die Antwort des Professors: Wenn dem Westen hier soviel gehört, wird er keinen Krieg gegen uns führen.

Wolfgang K. nach dem Abgang des Professors: In Deutschland wirst du immer Professoren finden, die für jede Politik eine Begründung zustande bringen.

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Bei Geburtstagsfeiern seiner Mitarbeiter mischt sich der hohe Chef immer für eine gewisse Zeit unter uns, sein Volk. Wie lange, hängt ein wenig von den Getränken ab, die gereicht werden: Guten Kaffee mag er, guten Wodka allerdings auch. Seit einiger Zeit trinken wir letzteren aber nur noch, wenn er sich bereits in sein Zimmer zurückgezogen hat. Nicht, dass er soviel trinkt, aber er verwickelte uns beim Trinken immer in unangenehme Gespräche: Wie wir diese oder jene Fernsehsendung gefunden hätten. Es wurde dann immer zu einem Problem, ihm zu vermitteln, dass am betreffenden Abend weder Wolfgang K., noch Herbert, noch ich zu Hause gewesen wären, und darum die genannte Sendung leider nicht hätten sehen können. Die Fragen des hohen Chefs offenbarten nämlich unerbittlich den nicht überbrückbaren Unterschied zwischen ihm und uns: Der hohe Chef sieht Osten und wir drei kaum.

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Wolfgang K. war Fallschirmspringer im II. Weltkrieg. Auf seine Heldentaten als Soldat ist er stolz. Aber die Nazis, die ihn in den Krieg geschickt haben, hasst er.

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Herbert hat Wolfgang K. und mich heute – offensichtlich im Auftrag der Parteileitung – agitiert: Es gibt keine Alternativen zum Kurs von Partei und Regierung.

Wolfgang leicht ärgerlich: Solange Parteiführung und Regierung keine entdecken.

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Annie und ich waren heute beim Frühstück allein. Sie vertraute mir die Eindrücke an, die wir drei bei ihr hinterlassen haben. Wenn der hohe Chef den Wolfgang K., den Herbert oder mich rufen lasse, käme der Wolfgang fast gesprungen, der Herbert gemessenen Schrittes und ich geschlichen. Ich führte unsere unterschiedlichen Fortbewegungsformen darauf zurück, dass Wolfgang K. Obergefreiter, und dazu bei der Wehrmacht, Herbert Unteroffizier, aber bei der Volksarmee, und ich zwar ebenfalls bei der Volksarmee, aber nur Gefreiter gewesen wäre.

Annie: Meinst du, dass es daran liegt?

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Wolfgang K. verehrt seinen verstorbenen Onkel. Den Vor-1933-Kommunisten. Den Vater des Parteiwissenschaftlers.

Ende Juni 1954 war bei diesem Onkel ein Stasi-Leutnant erschienen: Wir haben deinen ehemaligen Kollegen Z. festgenommen. Der hat am 17. Juni, auf den Tag genau ein Jahr nach dem faschistischen Putsch, in einem Zug öffentlich von sich gegeben: Heute feiern wir in unserer Familie ein Fest.

Bei der Vernehmung dann habe er erklärt, seine Familie feiere bereits seit Jahren am 17. Juni. Weil seine Frau da die Zerbombung ihres Wohnhauses im Zweiten Weltkrieg überlebt habe. Du – Wolfgangs Onkel – wüsstest darüber Bescheid.

Wolfgangs Onkel bestätigte das. Und dann ergänzte er noch, dass der ehemalige Kollege sich gegenüber ausländischen Zwangsarbeitern im Krieg anständig verhalten habe. Auf solch ein Verhalten hatte Wolfgangs Onkel als Internationalist stets besonders hohen Wert gelegt.

14 Tage später war der Leutnant wiederum bei Wolfgangs Onkel. Auf deine Aussage hin haben wir den Z. freigelassen. Und jetzt ist er weg: nach Westberlin.

Wolfgangs Onkel will den jungen Offizier äußerst knapp abgefertigt haben: Hättet ihr mich über ihn befragt, bevor ihr ihn verhaftet habt, wäre er sicher noch da.

Wolfgang kann sich eine Spitze auf seinen Cousin nicht verkneifen: Der hätte sich sicherlich mehrfach für seine mangelnde Wachsamkeit entschuldigt. Der hätte sich in Selbstkritik wahrscheinlich fast aufgelöst – statt wie sein Vater Kritik zu wählen.

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Der Pförtner in unserem Haupthaus kann hervorragend Kollegen nachahmen. Ich muss stets gehörig lachen, wenn er bei einer meiner Visiten im Haupthaus wieder einen Kollegen imitiert.

Groß schaute er mich jedoch an, als ich ihn vorige Woche bat, mir auch einmal vorzuführen, wie ich in seiner Wiedergabe aussehen würde. Obwohl ich ihn mit Engelszungen ansprach – er wollte nicht.

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Der hohe Chef – ich weiß nicht, aber gelegentlich, wenn ich ihm zuzuhören habe und dabei die Augen schließe – dann sehe ich immer einen amerikanischen Wanderprediger aus einer Hollywood-Komödie vor mir: Wie der seinen Leuten rhetorisch das Blaue vom Himmel herunterholt.

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Annie weiß alles.

Der hohe Chef ist Arbeitersohn: Sohn eines Maurers. Auch wenn sein Vater später eine eigene kleine Baufirma besaß. Bei der Vergabe der Studienplätze wurde davon ausgegangen, dass der Vater unseres hohen Chefs zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes noch Geselle, also Arbeiter, war. Das wohl auch deshalb, weil der hohe Chef einer der aktivsten FDJler an seiner Oberschule war.

Beim Institutsdirektor sieht es mit der Herkunft ganz anders aus. Der stammt aus einer Intelligenzfamilie, hat aber als blutjunger Wehrmachtsleutnant eine Umerziehung in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft durchgemacht. Nach seiner Heimkehr wurde er Leiter eines Museums im Thüringischen, hat dort ein Philosophiefernstudium absolviert, und bekam danach eine Aspirantur an der heutigen Akademie für Gesellschaftswissenschaften. Als Ulbricht Anfang der sechziger Jahre qualifiziertere Kulturfunktionäre wollte, durfte der gerade promovierte Ästhetiker unser Institut gründen.

Annie selbst kommt aus einer Kommunistenfamilie in Neukölln. Da die elterliche Wohnung dort in den letzten Kriegstagen zerstört wurde, verschlug es sie zu ihren späteren Schwiegereltern nach Mahlsdorf, an den östlichen Stadtrand.

Über Wolfgang K. will Annie gesondert erzählen, wenn wir wieder einmal allein frühstücken. Der habe von uns allen das bewegteste Leben. Darum dürfe man auch nicht alle seine Äußerungen ernst nehmen.

Über Herbert dagegen sei genauso wenig zu berichten wie über mich. „Ihr seid in der DDR aufgewachsen. Was habt ihr schon erlebt?“

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Wolfgang K.: Wenn der Institutsdirektor im Institut anwesend ist, trifft er anstehende Leitungsentscheidungen allein. In seltenen Fällen zieht er den Parteisekretär oder den BGL-Vorsitzenden zu Rate. Wenn der hohe Chef ihn zu vertreten hat, geht der Leitungsentscheidungen möglichst aus dem Wege. Und wenn er sie wirklich nicht umgehen kann, macht er nichts „ohne Abstimmung mit der Partei“, d. h. dem Parteisekretär. In jedem Fall aber entscheidet er erst nach einer Befragung der Sekretärin des Institutsdirektors, was der im betreffenden Falle ihrer Erfahrung nach wohl getan hätte.

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Der hohe Chef: Gagarin hat den lieben Gott nicht getroffen, als er im Himmel war.

Wolfgang K.: Vielleicht hatte der nur keine Zeit für ihn. So kurz, wie Gagarin oben war.

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Der Parteisekretär des Instituts hat diese Funktion bereits seit Gründung des Instituts inne. Der Institutsdirektor wehrt sich nämlich hartnäckig gegen einen Wechsel auf dem Posten. Ein Untertan in der Rolle des Revolutionärs an seiner Seite – was kann er besser gebrauchen?

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Wolfgang K. bewundert immer noch seinen kommunistischen Onkel. Der habe, als er Parteirente hätte bekommen können, diese nicht beantragt. Er habe immer gesagt: Ich habe dafür gekämpft, dass es allen besser geht. Nicht dafür, dass es vor allem mir und meiner Familie besser geht.

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Kommt man zum hohen Chef mit dem Vorschlag, etwas anders als bislang zu machen, mit einer Idee, die ein wenig neu ist, bekommt man von ihm zu hören: „Müssen wir das denn anders machen?“, „Ich weiß nicht so recht, ob das unsere Aufgabe ist.“, „Sollten wir nicht erst einmal unsere Finger von der Sache lassen?“ Das höchste, was man in solchen Momenten erleben kann, ist ein: „Klingt ja ganz gut. Ich werde es mir einmal überlegen.“

Fragt man allerdings nach einiger Zeit nach, sind die „Überlegungen“ des hohen Chefs „noch nicht abgeschlossen“ oder er ist „noch nicht dazu gekommen“, sich mit der Sache ausführlich genug zu befassen. Und mit solchen Antworten vertröstet er einen von Woche zu Woche. Wohl in der Hoffnung, dass man irgendwann aufgibt, ihn zu quälen.

Man rennt bei diesem Chef nie gegen eine Wand. Oder besser: Man rennt nur gegen eine Gummiwand. Die gibt nach. Nach einer Weile allerdings schnellt sie zurück und man steht wieder auf seinem Ausgangsplatz und hat nicht einmal eine sichtbare Wunde davongetragen. Nur müder ist man geworden.

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Auf einer Bahnhofstreppe. Oder: Wie Wolfgang K. seine Frau kennenlernte.

Sie zu einer alten Dame, die sichtlich Schwierigkeiten hat, ihren Koffer die Treppe hinabzubugsieren: Darf ich helfen?

Wolfgang K. – nachdem er bislang nur sie gesehen hatte – die Chance begreifend: Dürfen wir Ihnen helfen?

Die alte Dame: Das ist aber nett. Wie komme ich denn dazu?

Sie hilft nur, er aber spricht zusätzlich und sagt sogar die reine Wahrheit: Es ist meine letzte Chance, diese junge Frau kennenzulernen. Im Zug hat es nicht geklappt, weil wir in zwei unterschiedlichen Waggons gesessen haben. Und ich sie dort also noch nicht einmal sehen konnte.

Daraufhin lässt sie sich nach gemeinsam vollendetem Werk sogar noch begleiten.

Und dies auch über jenen Tag hinaus.

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Ganz am Anfang des Instituts, in der ersten Hälfte der Sechziger also, soll nach einem Meinungsstreit in der Parteileitung der Parteisekretär den Institutsdirektor einmal angeherrscht haben: Du bist keiner von uns.