Wunsch und Wirklichkeit bei Exchange Traded Funds (ETFs): Grundlagen, Funktionsweise und praktischer Einsatz - Rüdiger Götte - E-Book

Wunsch und Wirklichkeit bei Exchange Traded Funds (ETFs): Grundlagen, Funktionsweise und praktischer Einsatz E-Book

Rüdiger Götte

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Beschreibung

Dr. Rüdiger Götte lädt den Leser in seinem neuesten Buch zu einer Entdeckungsreise ins Abenteuerland der ETFs ein, der Exchange Traded Funds. Wie bei jeder Reise ist es natürlich erforderlich, sich vorher über Land und Leute zu informieren. Dabei hat man die Wahl zwischen einem kurzen ›Reiseführer‹, der nur plakativ das Land vorstellt, oder einem umfangreicheren und mehr in die Details gehenden, der einem auch versteckte und unbekannte Seiten des Landes zeigt. Damit man seine Reise ins ETF-Land gut planen kann, ist sicherlich der umfangreichere ›Reiseführer‹ der geeignetste. Darum erklärt dieses Buch ausführlich – von den Grundlagen ausgehend bis hin zum strategischen Einsatz von ETFs – alles, was Sie über ETFs wissen müssen. Die Grundlage aller ETFs sind Indizes. Sie bestimmen die Rendite und das Risiko eines ETF. Darum wirft Götte zunächst einen Blick auf die wesentlichen Modelle der Finanzmarkttheorie, auf denen die Indizes beruhen, so dass der Leser in der Folge weiß, welches theoretische Konzept – mit all seinen Stärken und Schwächen – hinter den Indizes und somit auch hinter den ETFs steht. Mit diesem Wissen gerüstet, kann man unter die schillernde Oberfläche der Indizes blicken. Dazu erläutert Götte en passant alles Relevante zu Indizes: Wie werden sie berechnet? Wie erfolgt die Gewichtung der Indexmitglieder? Am Zielort angekommen, im ETF-Abenteuerland, muss man sich zunächst orientieren – wo ist was? Nahtlos schließt sich das Kompendium der ETFs an. In diesem erfährt der Leser viele wissenswerte Details zum Thema: Vom Creation-/Redemption-Prozess über ihre Funktionsweise bis hin zum strategischen Einsatz. Wie bei jeder Reise stellt man fest, dass in dem besuchten Land nicht immer nur die Sonne scheint, darum erläutert Götte ausführlich auch die Schwächen der ETFs. Wie überall, gibt es im ETF-Land auch schöne Ecken jenseits der großen Sehenswürdigkeiten. Solchen Ecken sind beispielsweise Factor Investing, Smart-Beta-ETFs, ›aktive‹ ETFs, Bitcoin-ETFs etc. Sie laden den Leser zum Verweilen ein. Das Buch soll dem Leser ein Reiseführer und steter Begleiter im ETF-Land sein und ihn an Untiefen und Fallstricken vorbeilotsen, um ihm ein entspanntes Investment in ETFs zu ermöglichen.

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Seitenzahl: 722

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Theorie des Indexinvestments

2.1 Kapitalmarkttheorien

2.1.1 Klassische Theorie

2.1.1.1 Portfoliotheorie

2.1.1.1.1 Kritische Würdigung der Portfoliotheorie von Markowitz

2.1.2 Der Weg zu den Faktoren

2.1.3 Factor Investing. Die wahren Renditebringer?

2.1.4 Behavioral Finance

2.1.3 Was ist besser, der aktive oder der passive Managementstil?

3. Der Index ist das Maß der Dinge

3.1 Aktienindex

3.1.1 Das Wesen eines Aktienindexes

3.1.1.1Wie werden Aktienindizes gewichtet?

3.1.1.1.1 Gleichgewichtete Indizes

3.1.1.1.2 Preisgewichtete Konzept

3.1.1.1.3 Kapitalisierungsgewichtete Index

3.1.1.2 Was bedeuten die Kürzel TR, PR, NR und GR bei Indizes?

3.1.1.3 Leitindizes

3.1.1.4 Indexfamilien: DAX-Familie

3.1.1.5 Gesamtindizes (so genannte All-Share- oder Composite-Indizes)

3.1.1.6 Branchen- oder Sektorenindizes und Regionalindizes

3.1.1.7 Strategieindizes

3.1.2 Teuer oder billig?

3.1.3 Die wichtigsten Anbieter von Indizes

3.3 Rentenindizes

3.3.1 Wie funktionieren Anleihen?

3.3.2 Aufbau eines Rentenindizes

3.4 Geldmarkt

3.5 Credit Default Swaps (kurz CDS)

3.6 Rohstoffindizes

3.7 Hedgefondsindizes

4. Investieren mit Köpfchen – ETF

4.1 Die Geschichte der ETFs

4.2 Was sind Exchange Traded Funds? – Das Innenleben

4.2.1 Herausforderung präzise Indexabbildung

4.2.2 Tracking Error – Der Erfolg der Indexnachbildung

4.2.3 Tracking Difference

4.2.4 Total Cost of Ownership - Was kostet mich wirklich ein ETF?

4.3 Who is Who? – Die verschiedenen ETFs stellen sich vor

4.3.1 ETF-Namen: Was man aus ihnen lesen kann 

4.3.2 Aktien-ETFs

4.3.3 Renten-ETFs oder Fixed-Income-ETFs

4.3.3 Smart-Beta-ETFs

4.3.4 ESG, SRI & Co.: Was sind nachhaltige ETFs?

4.3.5 Rohstoff-ETFs

4.3.6 Kredit-ETFs

4.3.7 Währungs-ETFs (oder Currency-ETFs)

4.3.8 Hegdefonds-ETFs

4.3.9 Short- und Leverage-ETFs

4.3.10 ETF-Dachfonds

4.3.11 Aktiv gemanagte ETFs

4.3.12 Themen-ETFs

4.3.13 Bitcoin ETF bzw. Krypto ETN

4.4 Der kleine Bruder des ETFs – Exchange Traded Commodities (ETCs)

4.5 ETSF – der jüngste Bruder der Exchange Traded Funds

4.6 ETN – der Ritt auf der Erfolgswelle

4.7 Robo-Advisor

4.8 Unterschied zu anderen Anlageformen

4.9 Risiken der Fondsanlage

4.10 Was bringt eine Investition in ETFs?

4.11 Kauf und Verkauf eines ETFs

4.11.1 Schritt für Schritt ein Vermögen aufbauen – Sparpläne mit ETFs

4.12 Grau ist alle Theorie – Einsatz- und Handelsstrategien

4.12.1 Häufige Fehler bei der Geldanlage

4.12.2 Strategischer Einsatz von ETFs

4.12.2.1 Strategie, um dem Index zu folgen

4.12.2.2 Von Kernen und Satelliten – Die Core-Satellite-Strategie

4.12.2.3 Aktives Management mit passiven Instrumenten – Der Versuch, den Index zu schlagen

4.12.2.4 Spezielle Strategie für Rentenindizes – Das Spiel mit der Zinskurve

4.12.2.5 Das Spiel mit den Währungen

4.12.2.6 Sonstige Strategien

5. Optionen und Futures auf ETFs

6. Steuern – Das Wichtigste kurz erläutert

7. Literaturverzeichnis

Vorwort zur 2. Auflage

Sie spielen mit dem Gedanken, sich einem ETF (Abk. für Exchange Traded Funds) zu kaufen, wollen sich aber zuvor gründlich informieren? Dann wird Ihnen dieses Buch eine große Hilfe sein. Es wartet auf Sie eine spannende Reise durch die Welt der ETFs von den Grundlagen bis hin zu deren Nutzung!

ETFs sind börsengehandelte Indexfonds, die einen bestimmten Aktienindex, z.B. den DAX oder MSCI World, abbilden. Ihr Ziel ist es, eine ähnliche Rendite wie diese Indizes zu erreichen. Durch die Index-Nachbildung sind bei ETFs keine aufwändigen Analysen zur Titelauswahl notwendig. Aber! Der Anleger muss dafür sorgfältig den Index auswählen in dem er investiert. Damit der Anleger dies kann, habe ich mich entschlossen Ihnen zunächst die Theorie der Indexinvestments näher zu bringen. Neu in diesem Kapitel ist der Abschnitt Factor Investing. Nach dem Lesen dieses Abschnittes, verstehen Sie die Theorie hinter den Indizes. Nur so können sie die Güte von Indizes wirklich abschätzen.

Im nächsten Abschnitt sehen wir uns konkret an, wie ein Index zusammengebaut wird. Welche Arten von Indizes es gibt usw. Sie werden beim Lesen des Kapitels feststellen, ohne Indizes geht in der Welt der ETFs gar nichts. Ohne ein fundiertes Wissen über Indizes laufen Sie Gefahr, dass sich Ihre Ziele und Wünsche die Sie mit dem ETF-Investment haben, nicht erfüllen.

Mit dem so erworbenen Rüstzeug näheren wir uns nun Schritt für Schritt dem Wesen der ETFs an. Sie lernen die ETFs kennen. Es werden alle wichtigen Funktionen bzw. Eigenschaften von ETFs erklärt: von den ETF-Namen über wie ETFs die Indizes nachbilden (z. B. Was ist der Tracking Error, Tracking Difference, Total Cost of Ownership usw.), welche Arten von ETFs es gibt (z. B. Smart-Beta-ETFs, Bitcoin-ETFs) und vieles mehr. Neu in diesem Kapitel sind die Abschnitte über Smart-Beta-ETFs, nachhaltige ETFs und Bitcoin-ETFs.

Danach sehen wird uns die „kleinen“ Brüder von den ETFs an, nämlich die ETN, ETSF und ETC. Was hinter diesen Kürzeln steckt offenbart Ihnen dieser Abschnitt.

Darauf folgt das neue Kapitel Robo-Advisor. Eine „neuartige“ Vermögensverwaltung mit ETFs. Sie werden in diesen Abschnitt lernen, was Robo-Advisor sind und wie nützlich sie sind.

Natürlich lauern in der Welt der ETFs auch viele Risiken, die ihre Rendite gefährden. Darum werde ich Ihnen diese ausführlich da stellen. Nur durch Ihre Kenntnis kann man sie vermeiden und auf der Gewinnerseite platznehmen.

Da sie jetzt sowohl die Sonnen- als auch die Schattenseite der ETFs kennen, können wir die Theorie verlassen und uns dem Praktischen zu wenden. Darum erkläre ich Ihnen erst jetzt, wie sie ETFs kaufen oder verkaufen können, was ein Sparplan ist usw. Anschließend zeige ich Ihnen viele Strategien, die sie mit ETFs umsetzen können. Ebenso, wie sie sich ein Portfolio aus verschiedenen ETFs aus Risiko und Renditegesichtspunkten zusammenstellen.

Zuletzt lernen Sie noch das wichtigste über die Steuern, die fällig werden bei einem ETF-Investment, kennen.

Meiner Ansicht nach braucht man schon mehr als die sprichwörtlichen 5 Minuten, um sich ein Wissen über ETFs anzueignen, wie viele andere Bücher dies suggerieren. Darum habe ich mich entschlossen, Ihnen das Thema ETF möglichst umfassend näher zu bringen und von allen Seiten zu beleuchten. Der Lohn für die Arbeit bzw. das Durchlesen des Buches ist, dass sie Spaß mit ihrer ETF-Anlage haben werden und dauerhaft Gewinne erzielen.

 

Vorwort zur 1. Auflage

In der großen Börsenhausse1 bis zum Frühjahr 2000 war fast jeder Anleger erfolgreich. Zu dieser Zeit war es kein allzu großes Kunststück, mit Aktien Gewinne einzufahren. In der darauf folgenden Börsenbaisse trennte sich die Spreu vom Weizen. Viele Anleger verließen das Börsenparkett als Bankrotteure. Woran liegt das? Wenn die Aktienkurse steigen, setzt der Verstand aus und die Urtriebe erwachen, oft wird dann das ganze Vermögen in wenige Aktien investiert und von Reichtum und Luxus geträumt. Fallen dagegen die Kurse, starren die Anleger auf ihr kollabierendes Depot (wie der Hase auf die Schlange) oder schlagen wild um sich. Wiederum ist ihr Verhalten bauchgesteuert: Angst und Panik sind nun die Ratgeber. Dieses Verhalten ist schon so alt wie die Börse selbst. So verfasste vor mehr als 300 Jahren José de la Vega seinen Börsenklassiker Die Verwirrung der Verwirrungen. Seine Erkenntnis war: „Die Börsengewinne sind Koboldschätze. Bald sind sie Karfunkelsteine, bald Kohlen, bald Diamanten, bald Kiesel, bald Morgentau, bald Tränen.“ Nicht umsonst stellten schon viele Investoren fest: In der Euphorie schießen die Aktienkurse weit über jedes rational zu begründende Ziel hinaus und bei vorherrschender Panikstimmung fallen dieselben Aktien ebenfalls ohne logischen Grund ins Bodenlose. So stellt sich für den Anleger die Frage: Wie verhindere ich, dass ich ein Getriebener meiner Emotionen werde?

Eine Möglichkeit, seiner Psyche ein Schnippchen zu schlagen, sind Indexanlagen. Hier konzentriert sich der Anleger nicht auf einzelne Aktien, sondern auf ganze Märkte. Als Königsklasse der Indexanlagen2 gelten Exchange Traded Funds (ETFs). Exchange Traded Funds beziehen ihren besonderen Charme daraus, mit einem Trade einen ganzen Markt kaufen zu können. Bei ETFs handelt es sich um börsengehandelte Investmentfonds, die einen Börsenindex (z. B. den DAX) nachbilden. Die Anteile können wie einzelne Aktien fortlaufend an der Börse gehandelt werden. Das heißt, Exchange Traded Funds sind an einen Vergleichsindex gekoppelt, dessen Wertentwicklung sie im Guten und Schlechten nachvollziehen, sie sind also keine aktiv verwalteten Fonds.

Mithilfe dieses Buches möchte ich den Indexgedanken weiter in die Anlegerschaft tragen und vor allem Exchange Traded Funds ins Bewusstsein der Anleger rücken. Der Leser erhält auf den folgenden Seiten einen tiefen (aber auch kritischen) Einblick in das Wesen der ETFs. Sie werden sehen, dass ETFs gute Anlagevehikel sind, da sie kostengünstig, flexibel und transparent sind. Mit ihnen kann der Anleger langfristig sein Vermögen aufbauen, aber auch auf kurzfristige Trends an den Börsen setzen.

1 Die Begriffe Hausse und Baisse sind Ausdrücke aus der Fachsprache der Börsianer. So wird von einer Hausse (aus dem Französischen, „Anstieg“) gesprochen, wenn die Aktienkurse auf breiter Basis ansteigen. Synonyme hierfür sind auch die Begriffe Bull market oder Bullenmarkt. Fällt der Anstieg besonders kräftig aus, spricht man von einem Boom. Dagegen spricht man von einer Baisse, wenn die Aktienkurse auf breiter Front fallen. Synonyme hierfür sind auch Bear market bzw. Bärenmarkt. Kommt es zu einem heftigen Kursrückgang, spricht man von einem Crash. Im Vergleich der letzten Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass die durchschnittliche Hausse bedeutend länger dauert als die Baisse. Wer jedoch glaubt, dass die Dauer einer Hausse oder Baisse vorhersagbar ist, der irrt. Die Börse ist immer für eine Überraschung gut. Beispielsweise konnte man im letzten Börsenjahrzehnt (1999-2009) immerhin zwei ausgeprägte Haussen und Baisse sehen, was historisch gesehen eher unnormal ist.

2 Daneben existiert noch eine ganze Vielzahl anderer Indexanlagen. Die wohl wichtigsten sind die Indexzertifikate (vgl. Götte, Rüdiger: Richtig investieren mit Zertifikaten und Hebelprodukten. Grundlagen – Funktionsweisen – Einsatz. Das 1x1 der Zertifikate und Hebelprodukte. Zweite, erweiterte und überarbeitete Auflage. ibidem-Verlag, Stuttgart 2009).

1. Einleitung

Eigentlich wollte ich ein Buch über das Thema Exchange Traded Funds (Abk. ETF) schreiben, dass dem Leser grundlegende Informationen vermittelt. Dabei sollten Fragen beantwortet werden wie „Was sind ETFs?“ oder „Wie funktionieren ETFs?“ Diese Einführung sollte kombiniert werden mit einer hohen Aktualität, sodass auch bereits mit ETFs vertraute Leser neue Informationen erhalten können.

Doch bei den Recherchen zu diesem Buch wurde schnell klar, dass ich dieses Thema wesentlich weiter fassen muss, als ursprünglich gedacht. Denn Exchange Traded Funds sind nicht einfach nur börslich gehandelte Fonds, die wie Aktien während der gesamten Börsenzeit gehandelt werden können. Sie kombinieren die Vorzüge eines klassischen Fonds hinsichtlich des Investorenschutzes und der Laufzeit mit den Vorteilen eines börsengehandelten Wertpapiers in Bezug auf die Handelbarkeit und Liquidität. Sie stehen auch in Verbindung mit Indizes und passiven oder aktiven Managementstilen. Es ist also zunächst ein theoretisches Grundgerüst nötig, um ETFs zu verstehen.

Dazu gehören die gängigen Finanzmarkttheorien, wie die Portfoliotheorie, die Theorie der effizienten Märkte sowie die Behavioral Finance. So startet dieses Buch auch mit einem Kapitel über diese Theorien. Zudem werfen wir einen Blick auf das Factor Investing. Aus diesen Theorien lassen sich zwei Wertpapiermanagementstile entwickeln, der passive und der aktive Stil. Diese beiden Stile stehen in einem permanenten Wettstreit miteinander, welcher der erfolgreichere ist. Das ist für die Befürworter des einen oder anderen Stiles häufig eine Glaubenssache. In der Wissenschaft gibt es folgenden Ausspruch: „Menschen sehen Muster, wo keine sind, und das ständig: in Wolken, in Lotterien, im Kaffeesatz und sogar in Wurzeln.“ Genau hier ist das Problem. Seit der Preis von Computerrechenkapazität gegen null gesunken ist, hat sich unter Finanzwissenschaftlern die Unsitte eingebürgert, gigantische Mengen historischer Daten nach Mustern zu scannen, die den Beweis für die Überlegenheit des einen oder anderen Stiles bringen sollen. In diesem Buch werden Ihnen die beiden Stile möglichst objektiv erklärt und die Vor- und Nachteile aufgezeigt, damit Sie abwägen können, welcher der beiden Stile der richtige für Sie ist. In den folgenden Kapiteln werden Sie sehen, dass das wissenschaftliche Grundgerüst für ETFs der passive Managementstil ist, der auf dem Konzept der effizienten Märkte und der daraus abgeleiteten Portfoliotheorie aufbaut. Seit kurzem ist es allerdings auch möglich, mit ETFs aktive Strategien umzusetzen. Zudem ist mit Smart-Beta-ETFs eine Art Zwischenlösung zwischen (passiven) Indexfonds und aktiv gemanagten Aktienfonds am Markt.

Bei passiven Anlagen verzichtet man bewusst auf die Auswahl besonders aussichtsreicher Aktien oder Anleihen, die unter Umständen kurzfristig gute Renditechancen offerieren. Der Grundgedanke des passiven Investments ist die Abbildung der Wertentwicklung eines ganzen Marktes. Um dies möglichst kostengünstig zu bewerkstelligen, bieten sich die Indizes an. Sie werden im vierten Abschnitt sehen, dass das Rückgrat jedes ETFs ein Index ist. Ohne Indizes gäbe es keine ETFs, denn in fast allen Fällen repliziert ein ETF einen Index und versucht ihn 1:1 nachzubilden. Somit bestimmt der zugrunde liegende Index die Performance und das Risiko des ETFs. Heute gibt es schon mehr als 30.000 verschiedene Indizes. Aber keine Angst, nur ein Bruchteil (zurzeit ca. 250 Stück) von diesen wird von ETFs abgebildet.

Um dieser Vielfalt Herr zu werden, unterteilt man die Indizes nach verschiedenen Gesichtspunkten, wie Aktien-, Renten- oder Rohstoffindizes. Insbesondere bei der Zusammenstellung eines Portfolios aus ETFs müssen die Besonderheiten der Indizes berücksichtigt werden, ansonsten drohen unliebsame Überraschungen. Beispielsweise erlebten viele risikoscheue Anleger, die auf Value-Indizes setzten, da Value-Aktien als besonders risikoarm gelten, im Jahr 2008 ihr blaues Wunder. In diesen Indizes versammelten sich viele Werte aus der Finanzbranche, die im Rahmen der Krise Ende 2008 deutlich einbrachen. Mit ihnen verloren auch die Value-Indizes. Darum beschäftigt sich das dritte Kapitel des Buches mit den Indizes. Dort erfahren Sie z. B. etwas über die Indexberechnung und -zusammensetzung, über Indexarten und -familien.

Nach dieser Betrachtung können wir uns dem Begriff der Exchange Traded Funds nähern. Genau wie es für Rechtsanwälte unabdingbar ist, die Gesetzeslage genau zu kennen, ist es für den Anleger von zentraler Bedeutung, die Grundlagen und Funktionsweise von Exchange Traded Funds zu verstehen. Es werden Fragen beantwortet wie: „Was genau sind ETFs?“, „Welche Vorteile und Nachteile haben ETFs?“, „Welche grundsätzlichen Risiken gibt es bei der Fondsanlage?“, „Wie werden ETFs an der Börse gehandelt?“ „Welche Strategien kann man mit ETFs umsetzen?“ oder „Was ist nachhaltiges investieren?“.

Fast täglich kommen neue ETF-Innovationen auf den Markt. Seien Sie also offen für Neues! Im fünften Kapitel wenden wir uns den Optionen und Futures auf ETFs zu. Sie ermöglichen dem Anleger, beliebte Strukturen aus der Zertifikatewelt nachzubilden, wie Bonus-, Garantie- oder Discountzertifikate. Aber auch ganz andere Modelle sind möglich. So zeige ich in diesem Kapitel nicht nur, was Optionen und Futures auf ETFs sind, sondern erörtere auch einige beliebte Strategien.

Wer sich heute mit ETFs beschäftigt stößt fast zwangsläufig auf das Thema Robo-Advisor, weil die meisten Robo-Adivsor mit ETFs arbeiten. Darum habe ich mich entschlossen den Robo-Adivsor eigens ein Kapitel zu widmen. In diesem Kapitel werde ich deren Funktionsweise aufzeigen.

Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick auf die steuerliche Behandlung von ETFs.

Bei der Lektüre dieses Buches werden Sie vieles über die unentdeckte Welt der ETFs lernen können. Ich hoffe ferner, dass ich Sie durch dieses Buch vertrauter mit Exchange Traded Funds machen werde – ganz gleich, ob Sie sparen, anlegen, spekulieren oder sich informieren möchten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

2. Die Theorie des Indexinvestments1

Wie langweilig, werden Sie jetzt denken. Wofür ist denn eine Theorie notwendig? Schließlich ist ein Indexinvestments einfach der Kauf eines Indexproduktes – fertig. So ist z. B. der DAX trotz mancher Schwankungen über die Zeit betrachtet nur gestiegen. Wer z. B. 1945 in Gesellschaften investiert hätte, die später in den DAX aufgenommen worden sind (welche Aktien dies sind, zeigen Rückberechnungen des deutschen Aktieninstituts), hätte mit einem Einsatz von 5,10 Euro (ungefähr 10 DM) rund 4.800 Euro erzielt. Doch erinnern Sie sich an das Sprichwort „Wer ständig in Luftschlössern wohnt, zahlt allzu hohe Miete“ (Ilona Bodden). So sind nicht nur Aktien interessant. Bis zu 10 Prozent konnten in den letzten Jahren auch mit Staatsanleihen erzielt werden. Und nun die Überraschung: Wer zum Beispiel im Jahr 1960, also vor 62 Jahren, 350 Euro in Staatsanleihen investiert hätte, hätte heute 7.172 Euro. Bei einem Investment im DAX wären nur 3.800 Euro Gewinn erzielt worden. Die Erklärung ist: Nach 1960 bewegten sich die Aktienkurse über gut 20 Jahre seitwärts. So bewegte sich der DAX in den 1970er-Stagflationsjahren2 kaum vom Fleck. Mehr als 10 Jahre ging es mehr oder weniger seitwärts. Erst Mitte der 1980er Jahre setzten die Aktienkurse wieder zu einem großen Sprung an. Ab diesem Zeitraum war ein Investment in Aktien die bessere Wahl. Wer aber nicht gleich zu Beginn des Aktienbooms dabei war, sondern erst 1989 DAX-Werte kaufte, und diese 2003 wieder verkaufen wollte, dessen Gewinn war niedriger als bei einer Investition in Staatsanleihen. Bei einem Verkauf 2006 sah das schon wieder anders aus. Wer einen noch längeren Atem hatte und bis 2009 wartete, der musste gegenüber einem Kauf von Staatsanleihen wieder Verluste einstecken, weil nach der aktuellen Krise das DAX-Portfolio ins Minus gerutscht ist. Alles in allem waren in den letzten Jahrhunderten aber Aktien meist profitabler.

Allerdings hat sich das Börsengeschehen verändert. Heute beobachtet man, dass die Schwankungen aufgrund der zunehmenden Spekulationen an der Börse größer geworden sind. So schwankte z. B. der DAX in den letzten zehn Jahren zwischen 5.898 und fast 16.000 Punkten. Ob die Börse jemals wieder so ruhig und für langfristige Anleger sicher werden kann, wie in früheren Jahren, bleibt abzuwarten. Das bedeutet, dass Anleger sich darüber klar werden müssen, dass die Zeitachse nicht mehr unbedingt für sie spielt. Früher sagte man an der Börse: „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Heute gilt das nicht mehr unbedingt. Selbst nach 20 Jahren können Anleger noch Verluste erwirtschaften.

Das muss auch ein Indexanleger berücksichtigen, wenn er erfolgreich an der Börse sein möchte. Der Schlüssel zum Erfolg liegt hier beim Kauf. Der Anleger muss erkennen können, wann die Indizes zu teuer sind. Hätte beispielsweise ein Anleger am 29.12.2000 bei einen DAX-Stand von 6.433 Punkten ein Indexinvestment getätigt, hätte er bis zum 09.06.2009 (Indexstand von 4.997 Punkten) keinen Cent verdient, sondern sogar einen Verlust von ca. 22 % eingefahren. Wegen solcher Bewegungen reicht es heute nicht mehr aus, einfach einen Index zu kaufen und zu hoffen, dass irgendwann ein Gewinn erzielt wird. Erfolgreiche Indexinvestoren müssen die Theorie der Kapitalmärkte kennen, um böse Überraschungen zu vermeiden. Denn nicht der ETF definiert das Rendite-/Risikoprofil, sondern die im Index enthaltenen Komponenten und wie der Index zusammengestellt wird. Darum ist die Theorie des Indexinvestments unverzichtbar, um die Güte von Indizes beurteilen zu können!

2.1 Kapitalmarkttheorien

Dieses Kapitel beschreibt die ökonomischen Erklärungsansätze der klassischen (oder auch modernen) Kapitalmarkttheorie. Dabei stützt sich die moderne Kapitalmarkttheorie auf die Annahme, der repräsentative Marktteilnehmer sei ein Homo oeconomicus, und auf die Theorie der effizienten Märkte (engl. Efficient Market Hypothesis). Auf diesen Grundlagen entwickelte Harry M. Markowitz die Portfoliotheorie (engl. Portfolio Selection Theory). Ausgehend von den Schwächen der Portfoliotheorie, entwickelt sich seit 2010 ein neuer Ansatz – das Factor Investing.

Abschließend werfen wir einen alternativen Blick auf die Kapitalmarkttheorie, mit der Behavioral Finance. Dabei versucht die Behavioral Finance, die Annahme des Homo oeconomicus als rational denkenden Menschen aufzuweichen. Am besten lässt sich die Behavioral Finance mit den Worten von Richard Thaler zusammenfassen: „Think of the human brain as a personal computer with a very slow processor and a memory system that is both small and unpredictable. I don’t know about you, but the PC I carry between my ears has more disk failures than I care to think about!“

2.1.1 Klassische Theorie

Die klassische Finanztheorie geht von einem Homo oeconomicus aus, nennen wir ihn Mr. Cool. Bei Mr. Cool handelt es sich um das Idealbild eines durch und durch rational (= vernünftig) denkenden und handelnden Anlegers. Was genau steckt jedoch hinter dieser Rationalitätsvermutung? Im ökonomischen Kontext betrachtet geht Rationalität unmittelbar einher mit einem ganz bestimmten Prinzip der Bewertung, und zwar mit der Maximierung des „Erwartungsnutzens“.

Mr. Cool ermittelt für jede Alternative eines Problems den erwarteten Nutzen und wählt die Alternative, die ihm den höchsten Nutzenerwartungswert bringt. Das wird als Risiko-Nutzen-Theorie bezeichnet, die uns direkt zum durch den Mathematiker Bernoulli aufgestellten Bernoulliprinzip führt: „Jeder Mensch versucht bei seinen wirtschaftlichen Entscheidungen den erwarteten Nutzen zu maximieren.“3

Zu einer absoluten Rationalität gehören jedoch noch weitere Bedingungen. So zeigt Mr. Cool ein unbegrenztes Interesse an allen notwendigen Informationen, um zu einer fundierten Entscheidung zu kommen. Er benötigt sie, um verlässlich die Wahrscheinlichkeiten für den finanziellen Erfolg seiner Entscheidung ermitteln zu können. Denn schon ein einziger vernachlässigter Aspekt kann den Nutzen einer Investition deutlich reduzieren. Er blockt also keine Informationen ab und nimmt alles, was er wissen muss, unverzerrt und vollständig auf. Hierbei vernachlässigt er keine Neuigkeiten, die seiner bisherigen Erwartung nicht entsprechen. Ferner verarbeitet Mr. Cool die eingehenden Informationen ähnlich wie ein leistungsfähiger Computer, d. h. sorgfältig und logisch.

In der gleichen kühlen und sorgfältigen Weise, in der Mr. Cool sich Informationen verschafft, nimmt er natürlich auch ihre Bewertungen vor. Dabei ist Mr. Cool klar, dass das Handeln von Menschen allzu häufig von Motiven geleitet wird, die sich nur psychologisch erklären lassen und somit dem ökonomischen Handeln widersprechen. Aus diesem Grund lässt sich Mr. Cool auch nicht von solchen Beweggründen wie Freude, Gier, Angst, Panik, Kontrollwünschen und Selbstbestätigung bei seinen Entscheidungen leiten, d. h., er trifft seine Entscheidungen gefühllos, ähnlich wie eine Maschine. Zudem ist Mr. Cool von Natur aus risikoavers, d. h., er wünscht sich eine höchstmögliche Rendite bei minimalem Risiko. Daher belohnen die Finanzmärkte das Eingehen von Risiken. Wie stark die Belohnung ausfällt, hängt von der mittleren Risikoaversion der Anleger im Kollektiv ab. So gilt an der Börse: „Sind vor allem Feiglinge am Markt aktiv, dann zahlt sich ein bisschen Mut aus. Wenn hingegen nur Zocker am Markt sind, findet nur ein bisschen Mut kaum Beachtung.“ Das bedeutet, dass die Risikoprämie im zeitlichen Ablauf schwankt. So kostete eine 5 %-ige BMW-Anleihe mit einer Laufzeit bis 2018 am 20.10.2008 (Höhepunkt der Finanzkrise) 78,10 %, und knapp ein Jahr später am 11.09.2009 (Entspannung) 104 %. Somit hätte ein Anleger im Oktober 2008 eine Effektivverzinsung4 von 7,75 % erzielen können und mit derselben Anleihe ein knappes Jahr später nur noch 4,4 %. Insbesondere nach Kurseinbrüchen werden die Anleger extrem risikoavers, somit ist die Risikoprämie höher. Dagegen werden die Anleger im Laufe einer Aktienhausse immer risikofreudiger und die Risikoprämie sinkt.

Um das Verhalten der Anleger an den Börsen besser beschreiben zu können, wurde die klassische Finanztheorie in zwei Teilgebiete aufgeteilt: die Theorie der rationalen Erwartungen und die These der Informationseffizienz der Kapitalmärkte.

Die Theorie der rationalen Erwartungen geht auf den Wissenschaftler Muthzurück und unterstellt, dass alle Marktteilnehmer ihre Erwartungen so bilden und umsetzen, dass auch tatsächlich die Kurse zustande kommen, die sie erwartet haben. Wäre dies nicht der Fall, würden sie ihr Entscheidungsmodell so lange anpassen, bis sich die Erwartungen erfüllen, wobei die Anpassungen selbst zu entsprechenden Kursveränderungen führen. Durch dieses Lernverhalten können die Marktteilnehmer ihre Ergebnisse systematisch verbessern, bis sie das optimale Modell für sich gefunden haben. Auf dieser Vorstellung aufbauend hat der Ökonom Famadie These der Informationseffizienz5 entwickelt, nach der alle öffentlich verfügbaren Informationen, welche die Wertpapierkurse beeinflussen können, sich auch unmittelbar zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens in den Kursen niederschlagen. Folgerichtig müssen sich die Aktienkurse im Spiegel der zufälligen Nachrichten ebenso zufällig ändern. Insofern können lediglich unvorhersehbare Ereignisse zu unerwarteten Kursänderungen führen, die jedoch aufgrund des Überraschungseffekts nicht gewinnbringend ausnutzbar sind. Da die Ereignisse sowohl eine positive wie auch eine negative Wirkung haben können und von zufälliger Natur sind, haben sie auch einen Erwartungswert von null. Deshalb sind auf effizienten Kapitalmärkten Renditesteigerungen nur möglich, wenn man zugleich ein höheres Risiko eingeht6. Ein Witz unter Ökonomen verdeutlicht das Konzept der Markteffizienz.

„Ein Ökonom geht mit einem Freund spazieren. Plötzlich sehen beide einen 50-Euro-Schein auf dem Boden. Als sich der Freund bücken will, um ihn aufzuheben, sagt der Ökonom: ‚Lass nur! Falls es ein echter 50-Euro-Schein wäre, hätte ihn schon längst jemand aufgehoben.‘“7

So kommen wir ganz nebenbei zu der Efficient-Market-Theorie (EMT). Sie sagt aus, dass die Wertpapierkurse zu jedem gegebenen Zeitpunkt alle öffentlich zugänglichen Informationen zu diesem Wertpapier beinhalten. Deswegen ist der gegenwärtige Marktpreis die beste Schätzung des zukünftigen Marktpreises. Andere Schätzungen währen nur durch Zufall besser.

Hieraus folgt die Konsequenz, dass statistisch gesehen jede angelegte Geldeinheit (und letztlich somit auch die Anleger) von vornerein nur eine 50-prozentige Chance hat, vor Kosten mehr am Kapitalmarkt zur verdienen als die durchschnittliche Geldeinheit (also der Index).

Dies bedeutet, dass im Durchschnitt aktive und passive Investments innerhalb einer Asset-Klasse8 (wie Aktien, Anleihen, usw.) vor Kosten exakt gleich, aber nach Kosten müssen die aktiven Investments jedoch schlechter rentieren, denn aktive Anleger produzieren höhere Nebenkosten (weil häufiger gehandelt wird) als passive Anleger.9

Somit macht die Suche nach der „optimalen Aktie“ oder der „unübertreffbaren Anleihe“ keinen Sinn. Denn man kann ungeachtet der täglichen Schwankungen seines Vermögens beruhigt sein, dass man doch nichts Besseres hätte tun können, als sein Portfolio möglichst gut zu diversifizieren und stillzuhalten, weil zu jeder Zeit die Aktienkurse nach der These der Informationseffizienz bzw. Efficient-Market-Theorie fair gepreist sind. Es gilt: „Keiner kann den Markt schlagen – also auch ich nicht.“

Da eine allzu feine Stückelung der Anlagebeträge jedoch mit hohen Transaktionskosten verbunden ist, raten viele Börsenexperten Privatinvestoren zum Kauf eines kostengünstigen Fonds, der den Marktindex nachbildet, wie z. B. ETFs. Ausgehend von diesem theoretischen Konzept hat Harry M. Markowitz die Portfoliotheorie entwickelt, um die optimale Diversifikation eines Portfolios zu finden.

2.1.1.1 Portfoliotheorie

Im Kern der klassischen Portfoliotheorie steht die quantitative Beschreibung des Risikos sowie des Zusammenhanges zwischen erwarteter Rendite und Risiko. Deswegen müssen wir zunächst den Begriffen Rendite und Risiko auf den Zahn fühlen. Was versteht die Portfoliotheorie unter dem Begriff Rendite?

Die Rendite10 gibt die Wertveränderung einer Anlage innerhalb einer bestimmten Periode (z. B. Jahr oder Monat) an. Um die Rendite einer bestimmten Periode zu messen, ermittelt man die Differenz zwischen dem Kurs am Ende und am Anfang der betrachteten Periode, zzgl. eventuell ausgezahlter Erträge, wie beispielsweise Dividenden oder Zinsen.

 

mit RTOTT

 

Beispiel für die Berechnung der Rendite für die SAP-Aktie im Jahr 2003:

 

 

Tabelle 1: Wertentwicklung der SAP-Aktie

Jahr

Kurs Anfang des Jahres

Kurs Ende des Jahres

Rendite

2003

21,21 €

33,29 €

56,95

%

2004

34,90 €

32,85 €

-

5,87

%

2005

33,11 €

38,29 €

15,64

%

2006

39,93 €

40,26 €

0,83

%

2007

41,08 €

35,53 €

-

13,51

%

2008

34,21 €

25,24 €

-

26,22

%

 

Um die durchschnittliche Rendite pro Periode (Jahr) einer Anlage über mehrere Perioden (Jahre) hinweg zu ermitteln, verwendet man folgende Formel:

 

Diese Größe lässt jedoch die zum Teil erheblich schwankenden Renditen während der einzelnen Perioden bzw. Jahre vollkommen außen vor. Es werden lediglich die Werte zu Beginn und am Ende des Zeitraums berücksichtigt. Interessiert man sich jedoch dafür, wie hoch im Mittel die zu erwartende Rendite in jeder der betrachteten Perioden ist, so gibt hierüber der Mittelwert oder Erwartungswert Auskunft.

 

Zunächst springt einem beim Betrachten der Formel ins Auge, dass der Erwartungswert nichts anderes ist als das gewichtete arithmetische Mittel der Renditen der einzelnen betrachteten Perioden bzw. Jahre, ist. Was sagt der Erwartungswert aus? Im statistischen Mittel des betrachteten Zeitraumes kann also davon ausgegangen werden, dass die SAP-Aktie pro Jahr eine Rendite von 4,64 % erzielt. Darum wird der Erwartungswert auch als die erwartete Rendite bezeichnet. Sie ist der beste Schätzwert für die langfristige durchschnittliche Rendite in der Zukunft.1112

Der andere Partner im Boot Portfoliotheorie neben der Rendite ist das Risiko. Was ist das Risiko?

Die spontane Antwort wäre, Risiko ist die Möglichkeit, einen Verlust zu erleiden. Diese Betrachtung ist asymmetrisch und blendet die Chance aus. Darum versteht Markowitz unter Risiko die Unsicherheit, Zielgrößen zu erreichen oder sie zu verfehlen. Mit anderen Worten: Der Begriff Risiko bezeichnet die Unsicherheit, mit der die erwarteten Renditen auch wirklich eintreten. Das heißt, je stärker das Risiko einer Anlageform (wie z. B. Aktien) ist, desto stärker schwankt die Wert- bzw. Renditeentwicklung im Zeitverlauf. Um diese Unregelmäßigkeit der Renditeentwicklung zu messen, greift man auf die Volatilität zurück. Um die Volatilität berechnen zu können, müssen wir einen Schritt zurück machen und uns mit der Standardabweichung (Sie wird mit dem griechischen Buchstaben σ (Sigma) abgekürzt.) beschäftigen.

 

 

Berechnen wir die Standardabweichung der SAP-Aktie der Jahre 2003 bis 2008, mit dem bereits vorhin berechneten Mittelwert bzw. Erwartungswert von 4,64 % aus. Somit erhält man:

 

Die jahresbezogene Standardabweichung der SAP vom ihrem Erwartungswert bzw. erwarteten Rendite von 4,64 % beträgt 26,66 %.

Sofern die betrachteten Zeiträume zur Berechnung der Standardabweichung und die dem Datenmaterial zugrunde liegende Perioden exakt gleich sind (also die Berechnung von Jahres-Standardabweichungen erfolgt auf Basis von Jahresrenditen) ist die Standardabweichung mathematisch gesehen identisch mit der Volatilität!! Was sagt die Volatilität aus?

Vielleicht noch wichtiger für den Anleger ist die leicht negative Korrelation zwischen Kursveränderungen einer Aktie und ihrer Volatilität. Das bedeutet:

Wenn die Aktienkurse fallen, geht das tendenziell einher mit einer Erhöhung der Volatilität.

Wenn dagegen die Aktienkurse steigen, geht das tendenziell einher mit einer Verringerung der Volatilität.

Für unser Beispiel der SAP AG sind wir bei der Berechnung der Volatilität von jährlichen Renditen ausgegangen. Die Volatilität kann aber auch für kürzere Zeiträume berechnet werden, zum Beispiel quartals- oder monatsweise. Überdies ist die Volatilität einer Aktie keine feststehende Größe, sondern sie kann sich innerhalb kurzer Zeit ändern. Deshalb werden für die Volatilitätsberechnung meistens kürzere Zeiträume verwendet. Allerdings werden in der Regel alle berechneten Volatilitäten auf ein Jahr bezogen14. Man erhält die Jahresvolatilität wie folgt:

Bislang haben wir die Rendite und die Volatilität nur für einzelne Aktien betrachtet. Jetzt müssen wir unseren Horizont erweitern und uns mit der Berechnung der Rendite und des Risikos befassen, wenn sich mehrere Aktien in einem Wertpapierdepot vereinigen. Was passiert dann? Dazu nehmen wir an, dass Sie ein Wertpapierdepot aus den Aktien Allianz, Bayer und E.ON haben. Nach der bekannten Formel berechnen wir die Rendite während der einzelnen Monate, die Gesamtrendite und das Risiko (mittels Volatilität) jeder einzelnen Aktie.

 

Tabelle 2: Renditen und Volatilitäten der Aktien Allianz, Bayer und E.ON

Monat

Allianz

Monatsrendite

Bayer

Monatsrendite

E.ON

Monatsrendite

1

40 €

10 €

30 €

2

35 €

-12,50 %

9 €

-10,00 %

31 €

3,33 %

3

39 €

11,43 %

11 €

22,22 %

30 €

-3,23 %

4

40 €

2,56 %

12 €

9,09 %

33 €

10,00 %

5

50 €

25,00 %

11 €

-8,33 %

34 €

3,03 %

6

45 €

-10,00 %

13 €

18,18 %

36 €

5,88 %

7

46 €

2,22 %

10 €

-23,08 %

35 €

-2,78 %

8

48 €

4,35 %

11 €

10,00 %

36 €

2,86 %

9

47 €

-2,08 %

12 €

9,09 %

37 €

2,78 %

10

48 €

2,13 %

13 €

8,33 %

38 €

2,70 %

11

49 €

2,08 %

11 €

-15,38 %

36 €

-5,26 %

12

50 €

2,04 %

14 €

27,27 %

38 €

5,56 %

μ

2,48 %

4,31 %

2,26 %

σ*

9,49 %

15,48 %

4,24 %

σannualisierte

%

*Es liegen monatliche Rendite vor. Deswegen muss die Volatilität annualisiert werden.

 

Wir sehen, dass die Bayer-Aktie zwar mit Abstand den höchsten Erwartungswert (µ) für die Jahresrendite hat, zugleich birgt sie aber auch das höchste Risiko (σannualisierte). Dagegen weist die E.ON-Aktie zwar nur den geringsten Erwartungswert für die Jahresrenditen auf, dafür hat sie aber die absolut niedrigste Volatilität.

Die Frage, die man sich nun stellt, ist doch: Wie kann ich als Anleger mein Risiko minimieren, ohne im selben Umfang auf die Ertragschancen zu verzichten? Das ist scheinbar die Quadratur des Kreises. Um uns dieser Frage zu nähern, sollten wir uns die Wertentwicklung verschiedener Depots ansehen, welche aus jeweils zwei Aktien (also z. B. Allianz und Bayer) zusammengesetzt sind. Die Gewichtung der Aktien in den Depots liegt bei jeweils 50 %. Ferner ist der Anfangswert aller drei Depots in etwa gleich hoch, damit ihre Wertentwicklung vergleichbar ist. Um die Ergebnisse des Diversifikationsversuches möglichst übersichtlich darzustellen, tragen wir die Mittelwerte der Renditen und Volatilitäten in ein so genanntes Rendite-Volatilitäts-Diagramm oder μ-σ-Diagramm ein.

Abbildung 1:Lage der Aktien Allianz, Bayer und E.ON und der aus ihnen gebildeten Depots im Risiko-Rendite-Diagramm

 

Man sieht, dass die Depotrendite jeweils dem gewogenen arithmetischen Mittel der Renditen der im Depot enthaltenen Aktien entspricht. Demzufolge liegt die Depotrendite zwangsläufig zwischen der niedrigsten und der höchsten Einzelrendite der Wertpapiere des Depots. Anders als man erwarten würde, entspricht das Risikoprofil des Gesamtportfolios nicht dem Durchschnittswert der Einzelaktien. Manchmal ist die Volatilität des „zusammengesetzten“ Depots sogar geringer als die niedrigste Volatilität der darin enthaltenen Einzelaktie.

Dieses Phänomen wird als Risikovernichtung durch Diversifikation bezeichnet. Hiervon leitet sich auch der bekannte Satz der Portfoliotheorie „Lege nie alle Eier in einen Korb, denn es könnte ein Loch darin sein“ ab. Dies rührt daher, dass manche Aktien (bzw. Anlageobjekte) einen ähnlichen Kursverlauf aufweisen, wohingegen andere sich scheinbar gegenläufig verhalten. Um dieses Phänomen mathematisch zu erfassen, greift man auf das Konzept der Kovarianz zurück.

 

 

Um Ihnen die Berechnung der Kovarianz möglichst spannend zu erläutern, sehen wir uns nochmals die Kursverläufe und die Monatsrenditen von Allianz und Bayer an. Im darauffolgenden Schritt werden diese Monatsrenditen miteinander multipliziert und danach die Summe gebildet.

 

Tabelle 3:1. Schritt zur Berechnung der Kovarianz der Kursverläufe von Allianz und Bayer

Monat

Allianz

Monatsrendite

Bayer

Monatsrendite

RenditeAllianz· RenditeBayer

1

40 €

10 €

2

35 €

-12,50 %

9 €

-10,00 %

125,00

3

39 €

11,43 %

11 €

22,22 %

253,97

4

40 €

2,56 %

12 €

9,09 %

23,31

5

50 €

25,00 %

11 €

-8,33 %

-208,33

6

45 €

-10,00 %

13 €

18,18 %

-181,82

7

46 €

2,22 %

10 €

-23,08 %

-51,28

8

48 €

4,35 %

11 €

10,00 %

43,48

9

47 €

-2,08 %

12 €

9,09 %

-18,94

10

48 €

2,13 %

13 €

8,33 %

17,73

11

49 €

2,08 %

11 €

-15,38 %

-32,05

12

50 €

2,04 %

14 €

27,27 %

55,66

Arithm. Mittel

2,48

4,31

Summe Mittelwert

26,73

2,43

 

Vom Mittelwert wird nun nur noch das Produkt der Erwartungswerte, d. h. das arithmetische Mittel der Renditen von Allianz und Bayer, abgezogen.

Was sagt die Kovarianz aus? Die Kovarianz nimmt umso höhere positive Werte an, je ähnlicher der Kursverlauf der beiden Aktien ist, unabhängig davon, ob die Kurse gestiegen oder gesunken sind. Ferner ist die Kovarianz negativ, wenn der Kursverlauf zwischen den betreffenden Aktien sehr unterschiedlich ist. Das bedeutet, dass eine negative Kovarianz darauf hindeutet, dass durch die Mischung der entsprechenden Aktien in einem Depot eine signifikante Risikominimierung erreicht wird. Dagegen führt eine hohe positive Kovarianz meistens nur zu einer geringen bzw. sogar vernachlässigbaren Risikominimierung im Depot.

Mithilfe der Kovarianz und der Volatilität können wir das Risiko unterschiedlicher Depotstrukturen bestimmen. Doch genauso wichtig ist natürlich die Renditechance für ein Depot. Die Formel zur Ermittlung der Renditechance für ein Depot mit zwei Aktien lautet:

 

 

Wenn Sie über diese Formel nachdenken, dann erkennen Sie, dass sich für ein Depot bestehend aus zwei Aktien die Größen x1 und x2 zu 1 addieren, deswegen können wir die obige Formel vereinfachen.

 

 

Durch diese Vereinfachung braucht man nur für x1 stetig sinkende Werte einzusetzen, um mithilfe der bereits vorher berechneten Erwartungswerte der Renditen (d. h. arithmetische Mittel der Renditen) der einzelnen Aktien die Rendite für das Depot bei unterschiedlichen Depotstrukturen zu berechnen. Die Formel zur Ermittlung des Depotrisikos für verschiedene Depotstrukturen lautet.

 

 

Aus der Formel für die Gesamtdepotvolatilität sieht man, dass sich die Depotvolatilität nicht „nur“ aus der gewichteten Summe der Einzelvolatilitäten der darin enthaltenen Aktien zusammensetzt, sondern dass noch ein dritter Term auftaucht, der die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Einzel-Volatilitäten der im Depot enthaltenen Werte widerspiegelt.1516 Das heißt, das Gesamtrisiko des Depots, ist niedriger als die Summe oder der Durchschnitt der Einzelrisiken.

Um die doch „sperrige“ Formel des Depotrisikos zu vereinfachen, greifen wir auf das Konzept der Varianz zurück. Da sich mit der Varianz einfacher rechnen lässt, als mit der Standardabweichung. Dies liegt daran, weil die Varianz die quadrierte Standardabweichung, also σ2, ist. So bekommt man rel. simpel die Wurzel aus der Gleichung des Depotrisikos entfernt.

Mithilfe der Annahme, dass sich wiederum die Größen x1 und x2 zu 1 addieren, kann man die Formel zur Ermittlung des Depotrisikos weiter vereinfachen.

 

 

Die Standardabweichung bzw. die Volatilität des Portfolios ergibt sich aus der Wurzel der Varianz des Depots.

 

 

Haben Sie keine Angst beim Betrachten dieser Formeln. Schon Kant stellte fest: „Formeln sind Regeln, deren Ausdruck zum Muster der Nachahmung dient.“ Letztlich sind diese Formeln nicht mehr als die simple Addition bzw. Multiplikation von längst bekannten schon ermittelten Größen. Um Ihnen zu zeigen, wie einfach diese Formeln sind, möchte ich die Depotrendite bzw. Depotvolatilität anhand eines Zahlenbeispiels berechnen. Dazu betrachten wir ein Depot, welches zu 50 % aus der Allianz-Aktie und zu 50 % aus der Bayer-Aktie besteht. Dann ist die Depotrendite:

Die Varianz desselben Depots lautet:

Die Volatilität des Depots lautet:

Zum Vergleich das arithmetische Mittel der Einzelvolatilitäten von Allianz und Bayer im Depot wäre:

Man erkennt, dass die Gesamt-Depot-Volatilität (und damit das Risiko) tatsächlich nur bei 25,99 % und damit knapp 10 % niedriger liegt, als das arithmetische Mittel der Einzelvolatilitäten.

Markowitz sagt dazu: “Diversification is the only free lunch in investing!” Was meint: Diversifikation auf verschiedene Anlageklassen bzw. unterschiedliche Aktien, Anleihen usw. kostet nichts, bringt aber eine Reduktion des Risikos. Hierdurch wird das Verhältnis von Rendite zu Risiko im Portfolio verbessert. Gehen wir einen Schritt weiter und führen die Berechnungen für verschiedene Kombinationen der Aktien Allianz und Bayer aus. Dabei geht man von einem Depot aus, welches zunächst aus 100 % Allianz-Aktien besteht. Anschließend wird der Anteil der Allianz-Aktie zugunsten der Bayer-Aktie schrittweise um 10 % vermindert, bis keine Allianz-Aktien mehr im Depot sind. Um Sie nicht mit reinen Zahlenkolonnen zu langweilen, habe ich die Ergebnisse gleich in ein Rendite-Volatilitäts-Diagramm eingetragen.

 

Abbildung 2:Rendite-Risiko-Diagramm unterschiedlicher Depotstrukturen der Aktien Allianz und Bayer

 

Aus Abbildung 2 erkennt man, dass die Form der Verbindungslinie zwischen den elf berechneten Depotstrukturen eine nach rechts offene halbe Ellipse ist. Ferner sind die beiden Endpunkte identisch mit den Rendite-Risiko-Punkten der einzelnen Aktien, weil sie ein Depot darstellen, welches zu 100 % entweder aus der Allianz- oder Bayer-Aktie besteht.

Gehen wir doch einmal von einem Depot bestehend aus 100 % Bayer-Aktien aus und verfolgen den Verlauf auf der Rendite-Risiko-Linie. Je mehr nun der Anteil der Allianz-Aktie am Depot zunimmt, desto stärker geht die Volatilität (Risiko) zurück. Diese Risikovernichtung erkauft sich der Anleger jedoch mit einem Verlust an Rendite. Bis zum Mischungsverhältnis von 70 % Allianz- und 30 % Bayer-Aktien lässt sich die Volatilität stets verringern. Da ein risikoscheuer Anleger stets versuchen wird, die Volatilität zu minimieren, wird dieses Depot auch als Minimum-Varianz-Portfolio bezeichnet (da es von allen möglichen Kombinationen das geringste Risiko hat).

Mischt man ab diesem Punkt mehr Allianz-Aktien zu, steigt die Volatilität an, ohne dass der Anleger dafür durch eine höhere Depotrendite entschädigt wird.

Was bedeutet die Rendite-Risiko-Linie für den Anleger? Sie bedeutet, dass alle Depotkombinationen, die sich auf dem vom Minimum-Varianz-Depot nach unten abgehenden Ast (risikoineffiziente Linie) befinden, für den Anleger weniger interessant sind. Schließlich gibt es für alle Depotkombinationen auf diesem Ast eine Kombination auf dem oberen Ast, bei der bei vergleichbarem Risiko eine höhere Rendite erzielt werden kann.

Daher verbleibt für den risikoscheuen, aber zugleich renditesuchenden Anleger nur der obere Ast (risikoeffiziente Linie) der Rendite-Risiko-Linie übrig, d. h. das Minimum-Varianz-Portfolio bis zu einem Depot, welches allein aus der Bayer-Aktie besteht. Ferner kann der Anleger sicher sein, dass er bei gegebenem Risiko die beste Renditeerwartung oder bei gegebener Rendite das geringste Risiko hat, solange er eine Depotstruktur aus diesem Bereich wählt.

Hieraus folgt das eherne Gesetz der Kapitalmärkte. „There ain’t no free lunch.” Dies meint, je höher die erwartete Rendite eines Investments ist, desto höher ist auch das erwartete Risiko. Umgekehrt sind von Anlagen, welche ein geringes erwartetes Risiko besitzen, auch keine hohen Renditen zu erwarten. Nach Markowitz gibt es nämlich keine risikolosen Anlagen.

Dem hält Tobin entgegen, dass beispielsweise kurzfristige Anleihen mit Laufzeiten zwischen einem Monat und einem Jahr von als stabil geltenden Ländern, wie Deutschland, als sicher gelten. Solche Anlagen weisen eine Streubreite der Rendite von null auf, d. h. die Standardabweichung ist null. Lässt man diese sichere Anlage bei der Portfoliokonstruktion zu, dann erhält man so genannte supereffiziente Portfolios. Tobin stellte fest, dass alle aus Anleihen und Aktien gebildeten effizienten Portfolios auf der Kapitalmarktlinie (engl. Capital Market Line, kurz CML) liegen. Weiterhin erkannte Tobin, dass man in seinem Depot die sichere Anlage mit demjenigen Portfolio auf der Markowitz-Effizienzlinie kreuzen sollte, dass tangential von der Kapitalmarktlinie berührt wird. Der Berührungspunkt wird als Marktportfolio bezeichnet. Ferner sagt Tobin, dass alle effizienten Portfolios dadurch entstehen, dass ein Teil in dieses Marktportfolio investiert wird, und der verbleibende Teil risikofrei angelegt wird. Aufgrund dieser Definition gibt die CML alle möglichen effizienten Portfolios wieder. Ferner sagt Tobin, dass jeder Anleger seinen anzulegenden Betrag in zwei Teile trennt. Ein Teil wird in das risikobehaftete Marktportfolio investiert und der andere Teil in die risikofreien Anlagen (z. B. Staatsanleihen). Überdies geht Tobin davon aus, dass die Ermittlung des Marktportfolios und die Wahl des gewünschten Anteils von Aktien getrennt gelöst werden kann (Tobin-Separation). Geht man von einer ähnlichen Renditeerwartung der Anleger17 aus, so werden alle Anleger dieselbe Gewichtung risikobehafteter Anlagen wählen, d. h. ein identisch strukturiertes Portfolio haben. Einzig die Aufteilung, wie viel risikofrei bzw. risikobehaftet investiert wird, hängt noch von der persönlichen Risikoaversion des Anlegers ab, weil jeder Anleger in seinem Portfolio zwischen dem Festzinssatz (risikolose Anlage) und dem Marktportfolio wählen kann, also der Gewichtung zwischen sicherer und risikobehafteter Anlage. Aufgrund dieser Überlegung bieten Fondsmanager Musterportfolios (so genannte Strategiefonds) an, die das Risiko verschiedenartig dosieren, wie z. B. 50 % Aktien und 50 % Anleihen (das so genannte Fifty-Fifty- oder Balance-Portfolio). So kann der Anleger anhand seiner Risikoaversion das passende Portfolio für sich auswählen. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, wenn man sich dies in einem Rendite-Risiko-Diagramm ansieht. Hierzu sollten wir auf unser Beispiel Allianz und Bayer zurückgreifen.

Abbildung 3: Rendite-Risiko-Diagramm unterschiedlicher Depotstrukturen der Aktien Allianz und Bayer mit der Kapitalmarktlinie. Die sichere Anlage hat einen Zinssatz von 5 %.

 

Abbildung 3 zeigt: Die Portfolios, die links oberhalb der Kapitalmarktlinie liegen, bieten mehr Rendite bei weniger Volatilität. Aber die möglichen Kombinationen von Allianz- und Bayer-Aktien lassen eine solche Investition nicht zu. Punkte rechts unterhalb der Kapitalmarktlinie wären zwar durch geeignete Kombinationen zwischen den Aktien von Allianz und Bayer möglich, weisen aber bei gleicher Rendite eine weitaus höhere Volatilität auf. Am Rande sei noch erwähnt, dass das optimale Depot nicht unbedingt das Minimum-Varianz-Portfolio, wie in unserem Beispiel, sein muss. Punkte oberhalb des Marktportfolios auf der Kapitalmarktlinie lassen sich erreichen, indem zum risikolosen Zinssatz geliehenes Geld in das Marktportfolio angelegt wird. Doch was versteht man genau unter dem Marktportfolio?

Laut Theorie handelt es sich dabei um ein Portfolio aus allen am Markt befindlichen nicht risikolosen Wertpapieren, die gewichtet werden nach ihrem im Umlauf befindlichen Wert, sozusagen ein kapitalgewichteter Mega-Index18. Da nun eigentlich niemand in der Lage ist, einen solchen breiten Mega-Index zu konstruieren, verwendet man in der Praxis als Näherungswert breit diversifizierte Aktienindizes19, um das Marktportfolio zu erzeugen. Ein nicht vollständig risikoaverser Anleger wird je nach Risikoneigung mehr oder minder große Anteile des Marktportfolios seiner risikolosen Anlage hinzufügen. In der Praxis verwendet man für die risikolose Anlage Staatsanleihen oder Geldmarktanlagen. Offen ist bei der Betrachtung des Marktportfolios noch, wie es praktisch bestimmt wird.

Der erste Schritt ist festzulegen, welche Anlageklassen (wie Aktien und Anleihen) betrachtet werden sollen. Das kann von Anleger zu Anleger verschieden sein. So beschränken sich z. B. Anleger aus persönlichen Präferenzen nur auf Aktien der Bluechips. Dieses Anlageuniversum wird auch als Investment Opportunity Set (Abk. IOS) bezeichnet. Um das Marktportfolio auszurechnen, benutzt man am besten die Kapitalisierungsmethode. Sie geht von der Tobin-Separation und der Theorie der Annahme homogener Erwartungen aus. Das heißt, es wird unterstellt, dass alle Anleger dasselbe IOS haben und die Renditeparameter in Übereinstimmung schätzen. Dann kämen alle theoretisch auf dasselbe Marktportfolio. So ergeben sich die gesuchten Gewichtungen der Aktien im Marktportfolio durch die Kapitalisierungen der Aktiengesellschaften. Mit Kapitalisierung ist der augenblickliche Wert eines Unternehmens beschrieben, der sich aus dem aktuellen Börsenkurs multipliziert mit der Anzahl der ausgegebenen Aktien ergibt. Deswegen haben sich als Näherungen für das Marktportfolio Indizes wie DAX,Dow Jones, NASDAQ, Nikkei u. a. bewährt. Zudem gilt: Wer einmal sein Marktportfolio gefunden hat, braucht nichts mehr zu korrigieren. Selbst wenn sich die Kurse ändern, hält man immer noch das Marktportfolio. Aufgrund dieser Tatsache raten auch einige Experten: „Kaufe und halte das Marktportfolio, etwas Besseres kann man nicht machen.“ Hieraus leitet sich auch die berühmte Buy-And-Hold-Strategie des passiven Anlagestils ab.

Überdies stellte man fest, dass sich die Aktienkurse zwar nicht gleich, aber auch nicht ungeordnet bzw. unabhängig voneinander entwickeln. So steigen an guten Börsentagen die Kurse einer Vielzahl von Aktien und an schlechten Börsentagen wiederum sinken die meisten Aktienkurse.

Geht man der Sache noch tiefer auf den Grund, so stellt man fest, dass sich die Kurse verschiedener Aktien zwar grob in die gleiche Richtung bewegen, aber mit starken Schwankungen. Während beispielsweise die eine Aktie an guten Börsentagen sehr hohe Kursgewinne erzielt, kann eine andere Aktie nur geringe Kurszuwächse erzielen. Diese Erscheinung macht sich eine Weiterentwicklung der Portfoliotheorie zunutze.

Dabei wird im Indexmodell angenommen, dass sich die Entwicklung eines Aktienkurses zum überwiegenden Teil durch die Entwicklung der Gesamtheit aller Aktienkurse ergibt. Um die Entwicklung aller Aktienkurse zu messen, wurden Aktienindizes entwickelt. Der Zusammenhang zwischen einer Aktie und der Entwicklung eines Aktienindexes wird durch folgende Regressionsgleichung ausgedrückt.

 

 

Nach der obigen Formel ist die erwartete Rendite einer Aktie abhängig von einem konstanten α-Faktor und der Änderung des Aktienindexes multipliziert mit dem β-Faktor20. Dabei beschreibt der Alpha-Faktor einen vom Index unabhängigen Ertrag der Aktie. So haben Unternehmen mit einem guten Management einen hohen Alpha-Faktor. Daher beschreibt der Alpha-Faktor meistens unternehmensspezifische Tatbestände, wie beispielweise besonders hohe Gewinne. Dieser hohe Alpha-Faktor sorgt dafür, dass bei einem allgemeinen Kursrückgang noch eine positive Rendite erreicht werden kann. Dagegen beschreibt der Beta-Faktor, wie stark oder schwach die Schwankungen der Aktienkurse im Verhältnis zu den Schwankungen des Indexes ausfallen. Wie berechnet man den α- und β-Faktor? Das sehen wir uns am Beispiel des Aktienindexes DAX und des Indexmitgliedes Allianz an.

 

Tabelle 4: Berechnungsgrundlage für den α- und β-Faktor für den DAX und die Allianz-Aktie

DAX

Jahresrendite DAX

Allianz

Jahresrendite Allianz

2002

2892,63

90,65 €

2003

3965,16

37,08 %

100,08 €

10,40 %

2004

4256,08

7,34 %

97,6 €

-2,48 %

2005

5647,42

32,69 %

127,94 €

31,09 %

2006

6596,92

16,81 %

154,76 €

20,96 %

arithmetische Mittel der Jahresrendite

23,5 %

15,0 %

σ

12,0 %

12,5 %

σDAX, Allianz (Kovarianz)

82,01 %

 

Mathematisch lässt sich der Beta-Faktor wie folgt darstellen:

 

Der Beta-Faktor gibt an, wie stark einzelne Wertpapiere die Bewegungen des Gesamtmarktes vollziehen. Ein Beta-Faktor von 1 bedeutet, dass die Kursentwicklung proportional zu der Entwicklung des Gesamtmarktes verläuft. Dagegen bedeutet ein Beta-Faktor kleiner oder größer 1, dass die Kursentwicklung des Wertpapieres über- oder unterproportional zum Gesamtmarkt verläuft.

„Gut Ding will Weile haben“, weiß ein deutsches Sprichwort zu berichten. Also lassen Sie uns das „Ding“ Beta-Faktor noch genauer untersuchen. Die Güte des Beta-Faktors wird mit dem Korrelationskoeffizienten bestimmt. Der Korrelationskoeffizient misst, wie stramm der Zusammenhang zwischen der Indexentwicklung und der Kursentwicklung der betreffenden Aktie ist.

 

 

Aufgrund der mathematischen Konstruktion des Korrelationskoeffizienten21 liegt er immer zwischen -1 und +1. Falls der Korrelationskoeffizient -1 ist, so liegt ein perfekt negativer Zusammenhang zwischen dem Index und der Aktie vor. Deswegen führt jeder Anstieg des Indexes zu einem Rückgang des Aktienkurses, dessen Stärke sich aus dem Beta-Faktor ergibt. Umgekehrt verhält es sich bei einem Indexrückgang, weil der Aktienkurs steigt. Beträgt der Korrelationskoeffizient genau +1, so führt jeder Anstieg des Indexes zu einem Anstieg des Aktienkurses gemäß des spezifischen Beta-Faktors.

Liegt der Korrelationskoeffizient genau bei 0, dann ist statistisch gesehen kein Zusammenhang zwischen der Indexentwicklung und der Kursveränderung feststellbar. Liegt der Korrelationskoeffizient unter 1, so wird sich die Änderung der Aktienkurse im Durchschnitt aus der Änderung des Indexes multipliziert mit dem Beta-Faktor ergeben. Das gilt aber nicht für jeden Einzelfall. Je niedriger der Korrelationskoeffizient ist, desto unzuverlässiger ist der Beta-Faktor in seiner kurzfristigen Betrachtung.

Nach all der Theorie ist es nun an der Zeit, dem Korrelationskoeffizienten „Leben einzuhauchen“. Berechnen wir also den Korrelationskoeffizienten zwischen der Allianz-Aktie und dem Index DAX.

Der Korrelationskoeffizient zwischen der Allianz-Aktie und dem Index beträgt 0,55 22.

Wegen ihrer Einfachheit haben sich die Korrelationen zwischen den einzelnen Märkten als Grundlage für die moderne Portfoliotheorie etabliert23. Obendrein gilt: Korrelationen nehmen in Phasen hoher Volatilität und in Marktabschwungphasen zu, um anschließend wieder zu sinken. Der Anleger muss allerdings beachten, dass Korrelationen innerhalb einer Asset-Klasse (also z. B. zwischen zwei Aktien) und zwischen Asset-Klassen (z. B. zwischen Aktien und Anleihen) im langfristigen Zeitablauf nicht unverändert bleiben. Trotz dieser Unzugänglichkeiten kann sich jeder Anleger mithilfe der Korrelation relativ einfach ein Depot zusammenstellen. Der Aufbau eines Depots sollte systematisch erfolgen. Hierzu sollte der Anleger sich zunächst den drei W-Fragen stellen: Was will man erreichen? Wie will man es erreichen? Und womit will man es erreichen? Bei der Beantwortung dieser Fragen, ist es ratsam sich an den drei Grundsätzen der Weisheit „Sei du selbst, wähle immer die Mitte und erkenne Dich“ zu orientieren. Hiermit ist gemeint: Wähle eine Finanzstrategie, die zu dir passt, und befolge sie auch. Damit der Anleger sich nicht hoffnungslos verrennt, wurde die strategische und taktischeAsset Allocation24 eingeführt. Sie ist nichts anderes als eine ganz bestimmte Abfolge von Entscheidungen, die zur Auswahl einzelner Wertpapiere bzw. Indizes führt. Im Prinzip findet der Prozess der strategischen und taktischen Asset Allocation in sechs Stufen statt.

 

Stufe 1

Der eigenen Risikoneigung und Risikotragfähigkeit bewusst werden. Hierzu fragt sich der Anleger, wie viel kurzfristigen Wertverlust er ertragen kann, und wie viel Vermögen er am Ende der Laufzeit mindestens haben möchte.

Stufe 2

Wahl infrage kommenden Anlageklassen, wie z. B. Aktien, Rohstoffe, Renten usw.

Stufe 3

Gewichtung der Anlageklassen zueinander

Stufe 4

Festlegung der Struktur innerhalb einer Anlageklasse (z. B. Aktien: Region, Branche, Stile usw.)

Stufe 5

Auswahl der geeigneten Fondsbausteine

Stufe 6

Laufende Überprüfung

Abbildung 4: Wegweiser für die Asset Allocation

 

Um Ihnen die Asset Allocation möglichst anschaulich zu erklären, gehe ich gleich von einem Beispiel aus25. Der Anleger Schmidt entscheidet sich dafür, sein Portfolio ausschließlich aus Aktien zusammenzustellen. Außerdem sollte der Großteil seines Anlagebetrages von 10.000 Euro im Euroraum bleiben und andere Währungsgebiete sollen nur als Beimischung dienen. Überdies sollte die Abbildung seiner Investmentstrategie möglichst kostengünstig sein. Außerdem beschränkt er sein Universum nur auf die großen Aktienindizes der Welt, so hat er automatisch eine vernünftige Branchenauswahl im Depot.

Die Strategie unseres Anlegers verlangt, dass er einen Großteil seines Anlagebetrages im Euroraum investiert. Die Frage ist, wie er nun vorgehen soll. Anleger Schmidt könnte viele nationale Indizes (wie z. B. DAX, CAC40 usw.) kaufen oder auf den breit aufgestellten Euro Stoxx 50 setzen. Sieht man sich die Korrelationen an, so stellt man fest, dass der Euro Stoxx 50 stark positiv korreliert mit den meisten nationalen Indizes, wie dem FTSE 100 (0,80) oder dem DAX (0,93). Zudem stellt man eine große Korrelation zwischen dem Stoxx 50 (schließt die nicht Euroländer, wie z. B. Schweiz und Großbritannien, ein) und dem Euro Stoxx 50 fest. Somit lohnt sich eigentlich die Diversifikation in die anderen europäischen Währungsräume, wie Schweizer Franken, aus Sicht eines Euroanlegers nicht. Aus diesen Gründen ist der Euro Stoxx 50 der Index der Wahl. Der Anleger kann ihn kostengünstig kaufen, da viele ETFs den Euro Stoxx 50 als Basiswert haben. Nun müssen wir einen Blick über den europäischen Wirtschaftsraum hinauswerfen. So bietet sich natürlich als Beimischung die USA an. Es zeigt sich allerdings, dass der Euro Stoxx 50 mit den großen amerikanischen Indizes (Dow Jones, NASDAQ) eine hohe positive Korrelation hat. Dies ist eigentlich ja schon intuitiv klar, weil die amerikanische Börse als Leitbörse der Welt gilt. So richtet sich das Augenmerk der europäischen Investoren am Nachmittag der Eröffnung der New Yorker Börse zu. Startet sie im Minus, drehen auch die europäischen Börsen ins Minus. Ein Händler stellte dazu einmal fest: „Wir sind einfach nur der Entwicklung der New Yorker Börse gefolgt.“ Somit bringt portfoliotechnisch eine Diversifikation mit einem breiten US-Index wegen der starken positiven Korrelation mit dem Euro Stoxx 50 wenig. Die andere große Volkswirtschaft neben Europa und den USA ist Japan. Auch hier stellt man eine hohe positive Korrelation zwischen dem japanischen Leitindex Nikkei 225 und dem Euro Stoxx 50 fest, sodass es eigentlich aus portfoliotechnischer Sicht keinen Sinn macht, die beiden Indizes im Depot zu haben.

Schlussendlich richtet sich der Blick des Anlegers noch auf die Schwellenländer bzw. Emerging Markets26. Hier findet der Anleger endlich die niedrigen Korrelationen. So hat der Euro Stoxx 50 etwa mit dem DJ Asian Titans 50 eine Korrelation von 0,05. Das gleiche gilt für lateinamerikanische Aktienindizes.

Das Depot unseres Anlegers Schmidt sollte also zum Großteil aus dem Euro Stoxx 50 bestehen und als Beimischung den MSCI Emerging Markets (dieser Index investiert in einige der größten Unternehmen aus den Emerging Markets. Er enthält Aktien von mehr als 23 Ländern) haben. Durch die hohe Korrelation zwischen Euro Stoxx 50,Dow Jones & Co und Nikkei deckt der Anleger mit einem Investment in den Euro Stoxx 50 rund 80 % der Weltwirtschaft ab. Die restlichen 20 % liefert der MSCI Emerging Markets.

Ähnlich wie bei einem Auto, bedarf auch das Depot bzw. die gewählte Strategie einer regelmäßigen Kontrolle. Dazu muss der Anleger mindestens einmal jährlich überprüfen, ob die gewählten Relationen noch Bestand haben. So entwickelten sich die Emerging Markets in den vergangenen Jahren (bis 2007) deutlich besser als der Euro Stoxx 50. Dies führt dazu, dass der Emerging-Markets-Anteil im Depot immer mehr Raum einnimmt, als in der ursprünglichen Aufteilung. Hierdurch verändert sich das gesamte Rendite/Risiko-Profil des Portfolios. Um dies zu verhindern, muss der Anleger, die Quote der Emerging Markets wieder auf das geplante Maß reduzieren, obwohl die Emerging Markets in den letzten Jahren sehr erfolgreich waren. Das durch den Verkauf der Emerging Markets frei gewordene Kapital wird dann im Regelfall zugunsten der im Laufe der Zeit untergewichteten Positionen (Euro Stoxx 50) investiert. So wird die ursprüngliche Depotaufteilung wiederhergestellt. Dies regelmäßige zurückführen des Portfolios auf sein Ausgangsgewicht, nennt man in der Fachsprache „Rebalancing“. Dem Rebalancing27 wohnt ein wunderbar antizyklisches Moment inne. Man erhöht durch das Rebalancing den Anteil der Assets, die schlecht gelaufen sind und führt das Gewicht der Assets zurück, die gut gelaufen sind. Dies ist der Stoff, aus dem Outperformance28 gemacht ist! Denn schon im Jahr 2008 drehte sich das Blatt, und der Euro Stoxx 50 performte besser als die Emerging Markets.

Bleibt noch die Bestimmung des α-Faktors übrig. Diesen erhält man nachfolgender Formel.

 

 

Die Allianz hat ein α von 1,61 %, d. h. selbst wenn der Index sich einmal ein ganzes Jahr lang überhaupt nicht bewegt, würde für die Allianz-Aktie eine Rendite von 1,61 % herausspringen. Ähnlich wie der Beta-Faktor ist auch der Alpha-Faktor im zeitlichen Verlauf nicht konstant.

2.1.1.1.1 Kritische Würdigung der Portfoliotheorie von Markowitz

„An der Börse wird immer dasselbe Theater gespielt, nur die Schauspieler ändern sich.“ (Andre Kostolany) Derzeit tritt im Theater Börse häufig der Schauspieler Markowitz auf. Ihr Anlageberater wird Ihnen früher oder später Vorschläge zur Portfoliooptimierung nach Markowitz unterbreiten und Ihnen vorschlagen, einen bestimmten ETF zu kaufen, damit Sie ein optimales Portfolio haben. Solche Vorschläge sollten Sie mit Vorsicht genießen.

Markowitz wollte eigentlich nur zeigen, dass das Risiko unter Beachtung von Kovarianzen beurteilt werden sollte. Das ist nach wie vor richtig. Somit stellt ein Anleger nach Markowitz bei seinen Anlageentscheidungen nur Rendite- und Risikoüberlegungen an und kann anhand der zwei Parameter „erwartete Rendite“ und „Varianz“ bzw. „Standardabweichung“ (in der Markowitz-Welt die zentrale Kennzahl zur Risikoquantifizierung) seine Anlagen bewerten. Daher spricht man auch von einem Zwei-Parameter-Modell oder Mean-Variance-Model. Das Problem ist „nur“, wie man diese Idee in die Praxis umsetzt.

Für ein Portfolio aus zwei Aktien bzw. Wertpapieren ist die Berechnung noch relativ einfach. Bei zwei Anlagealternativen sind nur fünf Größen zu beachten, aber schon bei 10 sind es 65 und bei hundert Wertpapieren sind es ca. 5.150 Größen, die Sie berechnen müssen. Das ist ein großes Handicap bei der Anwendung der Portfoliotheorie. So werden bei der Wertpapierberatung die Anzahl der Wertpapiere in einem Depot, für die die Berechnung durchgeführt wird, häufig auf eine bestimmte Anzahl beschränkt. Allein dies führt schon zu fehlerhaften Ergebnissen, weil nicht alle Bestandteile eines Depots berücksichtigt werden. Aber auch die Eingabeparameter muss man kritisch sehen.

Zur Beschreibung des Risikos eines Wertpapiers bzw. einer Assetklasse verwendet man in der Regel die Volatilität. Sie wird meistens als Standardabweichung des monatlichen Gesamtertrags während des Beobachtungszeitraums gemessen. So kann mit ihrer Hilfe die Wahrscheinlichkeit der Abweichung des zukünftigen Returns vom erwarteten gemessen werden, d. h., die Volatilität gibt das Risiko an, eine erwartete Rendite nicht zu erreichen. Über die Sinnhaftigkeit der Verwendung der Volatilität bzw. Varianz als Risikomaß lässt sich streiten. Denn die Varianz streut beidseitig um den Mittelwert. Jeder vernünftige Anleger würde jedoch nur das Unterschreiten der erwarteten Rendite als Risiko bezeichnen, und nicht deren Übertreffen. Alles was über die erwartete Rendite hinausschießt, wird doch als gerne gesehene Überschussrendite angesehen, nicht aber als Risiko.

Doch das wirkliche Problem bei der Portfoliooptimierung ist die Abschätzung der erwarteten Rendite eines Wertpapieres. Sie wird häufig aufgrund von Vergangenheitswerten getroffen. Oftmals hat sich in der Vergangenheit aber gezeigt, dass die Börse immer wieder Überraschungen bietet. Das liegt daran, dass die empirische Verteilung der Renditen regelmäßig von der Normalverteilung29 abweicht. Man sagt, die Verteilung ist stärker leptokurtisch, d. h. die Wölbung im Zentrum der Verteilung ist stärker ausgeprägt und die Flanken sind dicker (so genannte Fat Tails). Folglich ist es wahrscheinlicher als bei einer Normalverteilung, kleine und sehr große Renditen zu erzielen als mittlere. Mit anderen Worten: Es kommt häufiger zu einem Börsencrash oder -hausse als die Normalverteilung erwarten lassen würde. Deswegen stehen alle mathematischen Modelle der klassischen Theorien, wie der Portfoliotheorie, auf tönernen Füßen, weil sie von einer Normalverteilung der Kurse ausgehen. Überdies zeigt sich, dass in der näheren Vergangenheit die Fat Tails größer geworden sind, d. h. in immer kürzeren Abständen werden die Börsen durchgeschüttelt.

„Zum Beispiel ergibt sich aus der Normalverteilung für eine negative Abweichung um mehr als 5 Standardabweichungen vom Mittelwert eine extrem kleine Wahrscheinlichkeit von ungefähr 1 zu 3 Millionen, d. h. mit einem solchen Ereignis wäre nur alle 12000 Jahre (zu je 250 Handelstagen) zu rechnen. Beim Dax entsprechen 5 Standardabweichungen bei einer geschätzten Tagesvolatilität von 1,6 % einem Tagesverlust von 8 %. Dieser Wert wurde z.B. am Tag des Anschlages auf das World Trade Center am 11.9.2001 (Dax: -8,5 %), davor beim Gorbatschow-Putsch am 19.8.1991 (Dax: -9,4 %) und beim Börsencrash am 19.10.1987 (Dax: -9,4 %) überschritten. Die Häufigkeit derartiger extremer Ausschläge steht also in einem offensichtlichen Widerspruch zu der sich aus der Normalverteilung ergebenden Wahrscheinlichkeitseinschätzung.“30

Auch im Rahmen der Finanzkrise mit Beginn Ende 2008 wurden solche Schwankungen häufig beobachtet. Man beobachtet ebenso häufig auch extreme Ausschläge nach oben. So stieg z. B. der DAX am 4. März 2009 um knapp 5,5 % innerhalb eines Tages. Diese extremen Ausschläge führen dazu, dass die zu erwartenden Renditen regelmäßig falsch eingeschätzt werden. Dies liegt auch daran, dass die Anleger häufig die Performancezahlen falsch interpretieren. Beispielsweise gewann ein DAX-ETF im Jahr 2006 22,26 % und im Jahr 2007 nochmals 21,98 %. Dagegen verlor er im Jahr 2008 (-) 40,37 %. Liegt der ETF noch im Plus? Naive Anleger würden das meinen. Schließlich erzielte der DAX-ETF in den beiden guten Jahren eine Performance von 44,27 %, bliebe unter dem Strich nach Abzug des Verlustes von -40,37 % ein Gewinn von knapp 3,9 % übrig. Leider spielt hier die Mathematik nicht mit. Tun wir einmal so, als hätten wir 100 Euro in den ETF investiert. Dann sehe die Rechnung so aus:

 

Jahr

Rendite

Kapital zu Anfang des Jahres

Kapital zum Ende des Jahres

2006

22,29 %

100,00 €

122,29 €

2007

21,98 %

122,29 €

149,17 €

2008

-40,37 %

149,17 €

88,95 €

Tatsächlich hätten wir mit einer Investition in den ETF also 11 % verloren. Die Berechnung erfolgt dann: 1,229 x 1,2198 x 0,5963 = 0,8895, das entspricht -11,05 %.