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Gerald Hüther

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Beschreibung

Wir alle wollen in Würde sterben, aber sollten wir nicht erst einmal in Würde leben?

»Unsere Würde zu entdecken, also das zutiefst Menschliche in uns, ist die zentrale Aufgabe im 21. Jahrhundert«, sagt der Neurobiologe Gerald Hüther. Ohne diesen inneren Kompass laufen wir in einer zunehmend komplexer werdenden und von ökonomischen Kriterien bestimmten Welt Gefahr, die Orientierung zu verlieren. In diesem sehr persönlichen Buch zeigt Gerald Hüther, wie wir unsere Würde zurückgewinnen.

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Seitenzahl: 162

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Zum Buch

Gleich in Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Doch was genau ist Würde? Was bedeutet es, wenn uns unsere Würde genommen wird, weil wir etwa in der digitalen Welt nur noch als Datensatz zählen oder im Netz geschmäht werden? Wenn wir uns selbst würdelos verhalten oder andere entwürdigen? Der Neurobiologe Gerald Hüther zeigt in seinem neuen Buch, dass Würde nicht allein ein ethisch-philosophisch begründetes Menschenrecht ist, sondern ein neurobiologisch verankerter innerer Kompass, der uns in die Lage versetzt, uns in der Vielfalt der äußeren Anforderungen und Zwänge der hochkomplexen Welt nicht zu verlieren. Deshalb ist es wichtig, dass wir lernen, die Wahrnehmung der eigenen Würde zu stärken. Denn: Wer sich seiner Würde bewusst ist, ist nicht verführbar.

Zum Autor

Gerald Hüther, geboren 1951, zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland. Der Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung schreibt Sachbücher, hält Vorträge, berät Politiker und Unternehmer und ist häufiger Gesprächsgast in Rundfunk und Fernsehen. Er versteht sich als Brückenbauer zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlicher bzw. individueller Lebenspraxis mit dem Ziel, günstige Voraussetzungen für die Entfaltung der menschlichen Potentiale zu schaffen.

Für Würde arbeitete Gerald Hüther wie auch bei dem Bestseller Jedes Kind ist hoch begabt mit dem Stern-Autor Uli Hauser zusammen.

GERALD HÜTHER

Würde

Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft

Mit Uli Hauser

KNAUS

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Copyright © 2018

Albrecht Knaus Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München, nach einem Entwurf von FAVORITBUERO, München

Covermotiv: © Josef Fischnaller / Roba Images

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München ISBN 978-3-641-21920-8 V005 www.knaus-verlag.de

Verletzt nicht jeder, der die Würde eines anderen Menschen verletzt,

Inhalt

Worum es geht

Geht es noch würdeloser?

Wie ist unsere Vorstellung von der Würde des Menschen entstanden?

Weshalb brauchen wir eine Vorstellung von unserer Würde?

Wie werden unsere Würdevorstellungen im Gehirn verankert?

Woher kommt das Empfinden der eigenen Würde?

Wie entsteht das Bewusstsein für die eigene Würde?

Was heißt es, sich seiner Würde bewusst zu werden?

Wie können wir einander helfen, uns unserer Würde bewusst zu werden?

Was wird aus uns, wenn das Bewusstsein unserer Würde zu wachsen beginnt?

Wie wäre es, in Würde zu leben, bevor wir in Würde sterben?

Dank

Worum es geht

IN DIESEM BUCH erfahren Sie nicht, wie Sie noch schöner und noch erfolgreicher werden. Auch nicht, wie Sie es schaffen können, in noch kürzerer Zeit noch besser zu leben. Es verspricht keine sieben Geheimnisse des, keine acht Schritte zu, keine Formel für. Dieses Buch passt nicht in unsere heutige, von Effizienzdenken und Erfolgsstreben geprägte Zeit. Es mag viele Argumente dafür geben, dass es im Leben um Geld und Macht und den eigenen Vorteil geht. Wer noch immer von der Richtigkeit dieses Denkansatzes überzeugt ist, sollte dieses Buch lieber jetzt schon beiseitelegen. Es wird in seinem Hirn nur Verwirrung stiften, denn die Wiederentdeckung des Gefühls oder gar die Bewusstwerdung der eigenen Würde ist mit dem, was dieses Streben nach Anerkennung und Erfolg den Menschen abverlangt, unvereinbar. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Woran wollen wir uns orientieren bei dem, was wir denken, sagen und tun?

Woran wollen wir uns orientieren bei dem, was wir denken, sagen und tun? An dem, was wir vorfinden, weil es sich in dieser Weise bisher so entwickelt hat, oder an dem, wie es sein müsste, damit wir das, was uns als Menschen ausmacht, bewahren und weiterentwickeln können?

Die Ansammlung von immer mehr Wissen hat uns bei der Suche nach Antworten auf diese wichtige Frage nicht so recht weitergebracht. Wir wissen längst, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Aber auch wenn dieses Wissen nicht einfach nur von anderen übernommen, sondern durch Nachdenken aus einer eigenen Erkenntnis gewonnen wird, hat das, was wir dann erkannt haben, meist keine unmittelbaren Auswirkungen auf unser Handeln. Wie viele Menschen haben erkannt, dass so vieles, was sie tun, nicht dazu beiträgt, gesund zu bleiben, glücklich zu werden und ihre Talente und Begabungen zu entfalten! Aber etwas erkannt zu haben, heißt nicht, dass es uns auch wirklich berührt. Und wenn es uns nicht berührt, ändert sich auch nichts im Hirn. Ganz anders ist es, sobald wir etwas nicht nur wissen oder erkennen, sondern wirklich zu verstehen beginnen. Dann dringt dieses nun gewonnene Verständnis in alle Fasern unseres Seins. Es geht unter die Haut, macht uns wach und berührt uns, weil es mit einer Aktivierung der emotionalen Bereiche in unserem Gehirn einhergeht. Wer irgendwann verstanden hat, was ihm in seinem Leben wirklich wichtig ist, kann nicht mehr länger so weiterleben wie bisher. Deshalb verspricht dieses Buch nicht noch mehr Wissen darüber, was die Würde des Menschen ausmacht. Darüber ist genug geschrieben worden. Es geht auch nicht um eine neue Erkenntnis über das, was ein würdeloses Leben bedeutet. Es geht um ein tiefes Verständnis des Umstandes, dass wir als Menschen, jede und jeder Einzelne von uns, ohne uns dessen bewusst zu sein, dabei sind, genau das zu verlieren, was uns ausmacht: unsere Würde.

Wenn Sie jetzt noch Lust haben, weiterzulesen, kann es sein, dass Sie im Verlauf dieses kurzen Buches genau das wiederentdecken: das Gefühl und das Bewusstsein für Ihre eigene Würde.

Wenn das Leben, vor allem das Zusammenleben mit anderen immer komplizierter wird und vieles von dem, was in der Welt geschieht, kaum noch verstehbar und erst recht nicht mehr durch eigenes Handeln beeinflussbar ist, breitet sich in jeder Gesellschaft eine zunehmende Verunsicherung aus. Ratlos suchen dann immer mehr Menschen nach Halt und Orientierung. Und viele sind bereit, jenen zu glauben und zu folgen, die zu wissen meinen und lauthals verkünden, worauf es in schwierigen Zeiten ankommt. Solche Phasen allgemeiner Verunsicherung sind Umbruchphasen einer Gesellschaft. Geschickten Demagogen bieten sie die Chance, sich mit ihren einfachen Rezepten als Wiederhersteller einer verloren gegangenen Ordnung feiern und zu Anführern wählen zu lassen. Wissenschaftlich heißt das, worum es dabei geht, Komplexitätsreduktion. Die Übernahme der Macht durch einen neuen Leithammel ist zwar eine sehr alte, ursprünglich von Herdentieren entwickelte Strategie, um wieder Ordnung in eine aufgescheuchte Meute zu bringen, aber wir Menschen nutzen eine Vielfalt an Strategien zur Komplexitätsreduktion, von denen Schafe und Büffel noch nicht einmal zu träumen imstande sind. Zum Beispiel können wir den Kopf in den Sand stecken und so tun, als sei alles in Ordnung. Das machen wir dann aber nicht gleich so offensichtlich wie der Vogel Strauß, sondern ganz unauffällig auf dem Sofa vor dem Fernseher, beim Shoppen oder Surfen oder im Stadion beim Heimspiel unserer Fußballmannschaft. Verdrängung, Ablenkung, künstliche Aufregung und neuerdings auch das Abtauchen in virtuelle Welten – all das sind uns Menschen zur Verfügung stehende Möglichkeiten, um das Leben wieder einfacher und überschaubarer zu machen, wenn es zu kompliziert zu werden droht. Dazu zählen auch alle Versuche derjenigen, die hoffen, ihr Leben werde überschaubarer, bequemer und unkomplizierter, wenn sie sich endlich in eine einflussreiche Position emporgearbeitet haben, wenn sie genug Geld verdienen und sich nun nicht mehr mit all dem komplizierten Kleinkram des alltäglichen Lebens befassen müssen, weil sie Leute dafür bezahlen können, die das für sie erledigen.

Im Gegensatz zu den Tieren verfügen wir Menschen also über sehr viele verschiedene Möglichkeiten zur Komplexitätsreduktion. Das liegt daran, dass unser menschliches Gehirn so offen für alles ist, was es dort draußen in der Welt wahrzunehmen, zu verarbeiten und zu tun gibt. Und dass dieses Gehirn nur dann eine bestimmte Leistung hervorbringen kann, wenn dort oben einigermaßen Ordnung herrscht. Sonst würden wir im Chaos unserer Wahrnehmungen und unserer Gedanken versinken. Deshalb ist Komplexitätsreduktion eine entscheidende Voraussetzung für ein einigermaßen funktionierendes Hirn. Aber nicht alles, was wir dabei als Lösung finden, erweist sich auch langfristig als tragfähig. Denn mit der Wahl eines neuen Anführers oder durch die Verengung des eigenen Blickfelds, durch Verdrängung und Ablenkung, durch das Abtauchen in virtuelle Welten oder das Streben nach Macht, Einfluss oder Reichtum werden das Leben und das Zusammenleben von Menschen ja nicht wirklich einfacher. Im Gegenteil, je mehr Leute das versuchen, desto heftiger kommen sie sich dabei über kurz oder lang ins Gehege, und dann wird es immer komplizierter.

So geht es also nicht. Wenn das Durcheinander in einer Gesellschaft und in den Köpfen der Menschen immer größer wird, hält das irgendwann auch das beste Hirn nicht aus. Zu viel Durcheinander im Hirn verbraucht zu viel Energie. Schon im Ruhezustand, also immer dann, wenn wir flach auf dem Rücken liegen und gar nichts denken, saugt das Hirn etwa zwanzig Prozent der vom Körper bereitgestellten Energie in Form von Glukose weg. Sobald wir die Augen öffnen, zu denken anfangen oder gar ein Problem haben, steigt dieser Energiebedarf massiv an. Und wenn es womöglich sogar viele Probleme sind, die sich kaum noch lösen lassen, bricht die normalerweise im Hirn herrschende Ordnung schnell zusammen. Dann funkt dort alles kreuz und quer, und der Energieverbrauch steigt so stark an, dass das nun auch im Körper als unangenehmes Gefühl spürbar wird. Spätestens dann fangen wir an, nach etwas zu suchen, das im Gehirn das Durcheinander abstellt und diesen viel zu hohen Energieverbrauch wieder normalisiert. Was also tatsächlich hinter unseren Bemühungen steckt, wieder einigermaßen für Ordnung im Hirn zu sorgen, ist nur vordergründig der Versuch zur Komplexitätsreduktion. Was wirklich dahintersteckt, beschreibt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Dieses physikalische Grundgesetz lässt nicht allzu viele Möglichkeiten zu: Entweder gelingt es, die zur Aufrechterhaltung einer komplexen Struktur erforderliche Energiemenge zu minimieren, oder das ganze bisher aufgebaute Gebilde zerfällt in seine Einzelteile. Und dann verteilt sich die darin enthaltene Energie wieder gleichmäßig im Universum. Daran kann auch ein menschliches Gehirn nicht vorbei, ebenso wenig wie eine menschliche Gemeinschaft.

Bisher haben wir aber noch keine Antwort auf die Frage gefunden, wie es uns gelingen kann, die zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Struktur unseres Gehirns und unserer menschlichen Gemeinschaft erforderliche Energie nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft zu minimieren. Was unsere Vorfahren auf der Suche nach einer Lösung für dieses Grundproblem ihrer Existenz alles versucht haben, lässt sich in den Geschichtsbüchern nachlesen. Es wurde tausendmal probiert, und tausendmal ist nichts passiert. Im Gegenteil! Unser Energieverbrauch ist ständig angestiegen. Noch nie hat ein einzelner Mensch im Durchschnitt – wie auch die Menschheit insgesamt – so viel Energieressourcen verbraucht wie heute. Noch nie hat sich das energieaufwendige Durcheinander in den Köpfen der meisten Menschen und in ihrem Zusammenleben so rasch ausgebreitet wie in den letzten Jahrzehnten. Alle ahnen, dass das so nicht mehr lange gutgehen kann, aber eine tragfähige Lösung ist nicht in Sicht. So, wie es bisher immer wieder versucht worden ist, also mit der Einsetzung eines neuen, für Ordnung sorgenden Anführers, geht es nicht.

Viele haben versucht und versuchen bis heute, anderen zu erklären, wie es gehen könnte. Dabei wurde und wird an deren Gewissen appelliert, an Werte und Normen erinnert, Druck gemacht, Gesetze erlassen und Regeln festgelegt. Es hat nichts genützt. Wir stürzen von einer Krise in die nächste, verbrauchen immer mehr Energie, plündern die natürlichen Ressourcen unseres Planeten und haben keine Ahnung, wie irgendeine Ordnung in das von uns angerichtete Durcheinander kommen soll. Stattdessen machen sich die Ersten fertig für einen Flug zum Mars.

Irgendwie, so scheint es, haben wir die Orientierung verloren. Verantwortlich dafür ist sicher nicht unser Gehirn. Aber es ist anfällig dafür, denn anders als bei den Tieren sind die unser Denken, Fühlen und Handeln leitenden neuronalen Verschaltungsmuster nicht angeboren. Wir müssen als Einzelne, aber auch alle zusammen erst lernen, worauf es im Leben ankommt. Diese durch eigene Erfahrungen erworbenen und im Gehirn verankerten Vorstellungen nutzen wir dann als Orientierung bietende innere Bilder, um Entscheidungen zu treffen, entsprechende Handlungen einzuleiten und unser Verhalten zu steuern. Deshalb sind die von jedem Menschen im Lauf seines Lebens entwickelten Vorstellungen davon, worauf es im Leben ankommt, so bedeutsam für seine eigene Lebensgestaltung. Manche dieser Vorstellungen übernehmen wir von wichtigen Bezugspersonen. Manche entwickeln wir, um unser Leben und unser Zusammenleben mit anderen auf die damit einhergehenden Erfordernisse auszurichten und uns so an die jeweils herrschenden sozialen, kulturellen und ökonomischen Gegebenheiten anzupassen. Und manche Vorstellungen entwickeln wir auch, weil sie uns helfen, wir selbst zu bleiben, uns nicht in der Vielfalt äußerer Anforderungen und Notwendigkeiten zu verlieren. Um diese besonderen Vorstellungen geht es in diesem Buch.

Wonach ich hier mit Ihnen gemeinsam suchen will, ist also so etwas wie ein innerer Kompass, den jeder Mensch im Lauf seines Lebens entwickelt und der ihm hilft, sich nicht in der Vielfalt der von außen an ihn herangetragenen oder auf ihn einstürmenden Anforderungen und Angebote zu verlieren. Dazu zählen nicht nur die vielen Verlockungen und Heilsversprechen, die ihm von anderen gemacht werden, sondern auch all das, was jemand als Notwendigkeiten und unabwendbare Gegebenheiten betrachtet, denen er sich, wie er meint, fügen müsse und die er, wie alle anderen auch, zu akzeptieren habe.

Damit eine Person den Mut aufbringt und die notwendigen Kräfte mobilisieren kann, um diesen von außen einwirkenden Verführungen, Angeboten oder scheinbaren Notwendigkeiten zu widerstehen, müsste es etwas geben, das in ihr wach wird und aus ihrem Inneren heraus kräftiger und verhaltensbestimmender wirkt als die von außen kommenden Vorführungen, Angebote oder scheinbaren Notwendigkeiten. Genau das ist dieser innere Kompass, nach dem ich mit Ihnen suchen möchte.

Aus neurobiologischer Sicht handelt es sich dabei um ein inneres Bild, also um ein in dieser Situation aktiv werdendes neuronales Verschaltungsmuster, das sehr eng an die Vorstellungen der eigenen Identität gekoppelt und damit zwangsläufig auch sehr stark mit emotionalen Netzwerken verknüpft ist. Es geht dabei um eine innere Vorstellung davon, was für ein Mensch jemand sein will. Für diese Orientierung bietende, vor jeder Art von Durcheinander im Hirn schützende und deshalb den Energieverbrauch dauerhaft reduzierende Vorstellung gibt es im Deutschen einen wunderbaren, wenngleich fast schon vergessenen Namen: Würde.

Die Vorstellung der eigenen Würde ist tief verwurzelt und eingebettet in die innere Überzeugung von dem, was uns als Menschen auszeichnet und worin unser eigentliches Menschsein im eigenen Handeln zum Ausdruck kommt.

Weil dieser Würdebegriff eine solch zentrale Bedeutung für unser Menschsein besitzt, haben sich vor allem Philosophen und später auch die Vertreter verschiedener anderer geisteswissenschaftlicher Disziplinen um aus ihrer Sicht geeignete Definitionen bemüht.

In diesem Buch mache ich nun den Versuch, das, was wir als die Würde des Menschen bezeichnen, aus naturwissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten. Hierfür bieten die neueren Erkenntnisse der Hirnforschung, der Entwicklungspsychologie und der Komplexitätswissenschaften eine bisher nicht vorhanden gewesene Grundlage.

Wer sich seiner eigenen Würde bewusst wird, ist nicht mehr verführbar.

Die Kernthese dieses Buches lautet: Wer sich seiner eigenen Würde bewusst wird, ist nicht mehr verführbar. Die Verfasser des ersten Artikels unseres Grundgesetzes haben das so noch nicht gesehen. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, war für sie entscheidend, und sie betrachteten diese Würde als etwas jedem Menschen Gegebenes, ihm vom Lebensanfang bis zum Lebensende Innewohnendes.

Diese Auffassung kann auch ein Naturwissenschaftler teilen. Aus neurobiologischer Perspektive jedoch stellt sich die Frage, was aber die einem Menschen innewohnende Würde bedeutet, wenn er sich ihrer gar nicht bewusst ist. Und welcher grundlegenden Erfahrungen es bedarf, damit sich ein Mensch seiner eigenen Würde bewusst werden kann.

Daraus ergibt sich im Weiteren die Frage, was es bedeutet, wenn sich eine Person ihrer eigenen Würde bewusst zu werden beginnt. Welchen Einfluss hat das auf ihr Denken, Fühlen und Handeln? Und gibt es dann etwas, das diese Person fortan nicht mehr so wie bisher zu behandeln und zu tun imstande wäre?

Noch interessanter ist die Frage, ob überhaupt jemand die Würde eines anderen Menschen zu verletzen vermag, wenn dieser sich seiner eigenen Würde bewusst ist. Oder noch deutlicher: Verletzt nicht jeder, der die Würde eines anderen Menschen verletzt, in Wirklichkeit seine eigene Würde?

Das sind spannende Fragen, und ich bin froh, dass ich sie endlich in dieser Weise zu stellen in der Lage bin. Die Antworten, auf die ich gestoßen bin, habe ich hier so darzustellen versucht, dass sie von möglichst vielen verstanden werden können. Aber diese Antworten beruhen auf dem begrenzten Wissen und den begrenzten Erfahrungen, die mir als Einzelnem zur Verfügung stehen. Nur dadurch, dass viele Menschen ihr jeweiliges Wissen und ihre jeweiligen Erfahrungen miteinander teilen, können irgendwann Antworten gefunden und Lösungen gesucht werden, die dann auch gemeinsam umsetzbar sind.

Für unser künftiges Zusammenleben und die Wiederentdeckung unserer Verantwortung als würdevolle Menschen wäre das ein Segen.

Geht es noch würdeloser?

ICH HABE BIOLOGIE studiert. Vorher war ich in einer ganz normalen Schule, und danach bin ich Neurobiologe geworden, weil ich verstehen wollte, wie das Nervensystem funktioniert und was alles in unserem Gehirn passiert. Dass sich einzelne Personen sehr würdelos verhalten, habe ich in dieser Zeit oft genug erlebt. Sonderbarerweise schienen die das aber gar nicht zu bemerken. Und mir selbst ist dieses würdelose Verhalten wohl nur deshalb aufgefallen, weil ich das Glück hatte, in meinem Leben auch einigen Menschen zu begegnen, die anders waren. Durch die Art und Weise, wie sie anderen Menschen begegneten, und oft auch, wie sie mit anderen Lebewesen umgingen, machten sie für mich erfahrbar, was es heißt, würdevoll zu leben.

Ich erinnere mich noch genau an die erste dieser Begegnungen. Elf oder zwölf Jahre alt muss ich damals gewesen sein. Wir Kinder waren mal wieder im Wald unterwegs, wie immer nach der Schule. Wir nannten es strolchen, herumziehen, ohne ein Ziel, einfach sein. Auf Bäume klettern, Äpfel klauen, Kaulquappen fangen. Was man so macht, wenn man kein Smartphone dabeihat. Wir waren eine Gruppe von Abenteurern, und unsere Eltern waren froh, wenn wir abends wieder heil und vollzählig zu Hause ankamen und ins Bett fielen. Und wir waren froh, wenn niemand uns fragte, was wir den ganzen Nachmittag über gemacht hatten.

An einem dieser Tage kam ein Herr des Weges, ein freundlicher alter Mann, der sich wohl verlaufen hatte. Er trug einen mächtigen Bart und sah, so würde ich heute sagen, aus wie Konrad Lorenz, dieser berühmte Verhaltensforscher, der viel Zeit seines Lebens mit der Beobachtung von Graugänsen verbracht hatte. Über seinen Schultern hatte der alte Mann – es ist wirklich eine wahre Geschichte – einen Riemen mit einem Blechbehälter hängen, es war eine Botanisiertrommel, so nennt man das, in deren Schutz man gesammelte Pflanzen legte. »Kinder«, fragte er, »könnt ihr mir sagen, wie ich zur nächsten Bushaltestelle komme?«