Wutanfall im Berner Rathaus - Dieter Widmer - E-Book

Wutanfall im Berner Rathaus E-Book

Dieter Widmer

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  • Herausgeber: Heimdall
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

An einem nebligen Herbsttag wird der Hauswart im Innenhof des Berner Rathauses in einer Blutlache gefunden. Es war nicht, wie zuerst vermutet, ein abstürzendes Fassadenelement, das ihn erschlagen hat. Bald gerät ein Mitglied des Regierungsrat in Verdacht, den Tod des Abwarts verschuldet zu haben. Als die Beweislage erdrückend wird, droht ihm der politische Absturz. Der Fall klärt sich schliesslich auf. Das Regierungsmitglied kommt dabei arg ins Schwitzen. Der Autor entwickelt ein hypo­thetisches Gedankenspiel, das seinen Lauf im Legislaturjahr 2010/2011 nimmt. Die frei erfundene Handlung wird, abgestützt auf einige reale Ereignisse, so geschildert, wie sie sich im «Räderwerk Rathaus» hätte zutragen können.

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Seitenzahl: 122

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Ähnliche


Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.

Hergestellt in Deutschland • 1. Auflage 2016

© Heimdall Verlag, Devesfeldstr. 85, 48431 Rheine,

www.heimdall-verlag.de

© Alle Rechte beim Autor: Dieter Widmer

Lektorat: Patricia Götti Zollinger

Satz und Produktion: www.lettero.de

Gestaltung: © Matthias Branscheidt, 48431 Rheine

ISBN: 978-3-946537-40-3

Weitere E-Books, Print- und Hörbücher unter:

www.heimdall-verlag.de

www.meinaudiobuch.de

Zum Inhalt

An einem nebligen Herbsttag wird der Hauswart im Innenhof des Berner Rathauses in einer Blutlache gefunden. Ein abstürzendes Fassadenelement muss ihn erschlagen haben. Dies entpuppt sich jedoch rasch als Irrtum: Am Boden befinden sich Gesteinsbrocken, die kaum von der Fassade stammen können. Politprominenz und Polizei rätseln darüber, bis der Vizestaatsschreiber erklären kann, was das für Material ist. Ausgerechnet ein Mitglied des Regierungsrats gerät in Verdacht, für den Todesfall verantwortlich zu sein. Als die Beweislage erdrückend wird, diskutiert der Grosse Rat die Aufhebung dessen Immunität. Der Schlagabtausch im Parlament eskaliert jedoch. Mitten in der Debatte läuft das betroffene Regierungsmitglied davon, weil es jede Schuld von sich weist und empört ist über die Anschuldigungen. Der Tötungsfall klärt sich schliesslich auf. Das Regierungsmitglied kommt dabei arg ins Schwitzen.

Personen

Regierungsrat

Bernardo Pulfmann, Erziehung

Bernadette Simmonesco, Finanzen

Andrin Rickermann, Volkswirtschaft

Johann-Jürg Käsermann, Polizei

Babette Eggimann, Bau, Verkehr, Energie

Jérôme-Paul Perrier, Gesundheit und Fürsorge

Chris Althaus, Justiz, Gemeinen, Kirchen

Grosser Rat

Erhard Angler, Grossratspräsident

Bendicht Schio, 1. Vizepräsident Grosser Rat

Pierro Brandenberger, Fraktionschef SVP

Miguel Aeberhard, Fraktionschef SP

Daniel Wydmar, Fraktionschef BDP

Adan Haaserberg, Fraktionschef FDP

Franca Schaffolter, Fraktionschefin GLP

Christelle Haselgrün, Fraktionschefin Grüne

Christhild Schneggener, Fraktionschefin EVP

Friedhelf Schnitter, Fraktionschef EDU

Marc Meyster, Grossrat SP, Polizeiverband

Staatskanzlei

Konrad Herspliger, Staatsschreiber

Renaud Krählinger, Vizestaatsschreiber

Marie-Anne Hofmann, Protokollchefin

Peterpaul Marti, Staatsarchivar

Kantonsverwaltung

Jörg Berner, Denkmalpfleger

Rathausverwaltung

Ronald Winterberger, stv. Leiter Rathausverwaltung

Hans Ramser, Rathausabwart

Staatsanwaltschaft

Ralph Mäder, Generalstaatsanwalt

Kriminalpolizei

Steffen Blattmann, Polizeikommandat

Tom Soltermann, Chef der Kriminalpolizei

Andrin Gaberthül, Leiter Gruppe Leib & Leben

Hansfred Aeschimann, Fahnder

Hans Kleinbächler, Fahnder

Das unglaubliche Ereignis

Es musste sich um einen bedauerlichen Unfall handeln. Die Einschätzung des Vorfalls schien anfänglich unbestritten zu sein. Ein Fassadenelement hatte sich am Rathaus gelöst und war hinuntergestürzt. Der Vorfall war umso tragischer, weil an diesem frühen Montagabend unglaubliches Pech im Spiel gewesen war. Wie häufig im Leben stand auch jetzt eine Person, diesmal der Rathausabwart, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, als es passierte.

Seit Mobiltelefone und Laptops nicht mehr wegzudenkende Arbeitsutensilien sind, pflegen sich im Rathaus aussergewöhnliche Ereignisse in Windeseile zu verbreiten. Das war auch diesmal der Fall. Aber nicht nur das.

Während sich die Polizei mit Vertretern von Regierung und Staatskanzlei Klarheit über die Ursache des Vorfalls zu verschaffen versuchte, waren die Fraktionschefs bereits einen Schritt weiter. Die ersten Schuldzuweisungen galten primär der nach ihrer Meinung personell überdotierten Denkmalpflege, die die letzten Restaurierungsarbeiten an der Fassade des Rathauses zu verantworten hatte. Erst in zweiter Linie erwog man, allenfalls den damals beauftragten Baumeister ins Spiel zu bringen.

Staatsschreiber Konrad Herspliger eilte unverzüglich von der Universität zurück ins Rathaus, als er in einer vorabendlichen Vorlesung telefonisch über den Vorfall unterrichtet worden war. Ein Taxi brachte ihn direkt vor das Rathaus.

Regierungsrätin Babette Eggimann (SP) sah den Staatsschreiber auf dem Rathausplatz aus dem Taxi stürzen. Sie liess ihren Chauffeur kurz anhalten und beugte sich aus dem Fenster.

«Was ist los? Warum bist du so pressiert?»

Konrad Herspliger wandte sich um. Er wies auf die grössere Menschenmenge, die in der frühen Abenddämmerung aus dem Innenhof zwischen Rathaus und Staatskanzlei quellte.

«Es ist etwas passiert. Anscheinend wurde unser Rathausabwart von einem herunterstürzenden Fassadenteil getroffen.»

«Das verstehe ich nicht. Wie können Fassadenelemente abbrechen …?»

Der Staatsschreiber verwarf die linke Hand, um anzudeuten, dass er vom Vorfall keine Ahnung und für Diskussionen keine Zeit habe.

«Wir in der kantonalen Baudirektion sind bestimmt nicht verantwortlich dafür … Wenn du mich fragst … Ich glaube, das war eher die Denkmalpflege», hörte er sie sagen.

Der Wagen fuhr an – und stoppte sogleich wieder. Herspliger hatte sich eigentlich schon abgewendet, als ihn die vorherige Stimme nochmals erreichte.

«Also, ich bin jetzt vier Tage weg. Du weisst, ich bin vom Bündner Baudirektor zu einem Jagdausflug eingeladen worden und werde weitab von der Zivilisation nicht erreichbar sein. Aber mich …», sagte sie mit einem missliebigen Blick auf den belagerten Innenhof, «… mich braucht es hier ja nicht auch noch.» Sie gab dem Chauffeur das Zeichen zum Weiterfahren.

Hinter dem mit Eisengittern abgeschlossenen Innenhof, genauer: neben Max Fueters Brunnenfigur «Knabe mit Peitsche» lag mitten im zerschellten Rest eines Gesteinsbrockens ein Toter in einer Blutlache. Offensichtlich war er von einem heruntergefallenen Fassadenstück getroffen worden. Eine eilends aufgestellte Notlampe versuchte, den leicht vernebelten Aussenraum etwas zu erhellen, da die fest installierten Scheinwerfer abgestellt oder ausgefallen waren.

Das spärliche Licht und der Nebel verströmtem eine gespenstische Atmosphäre vor den beiden grossen schwarzen Eisentüren, die 1898 Napoleons Truppen beim Raub des Berner Staatsschatzes nicht widerstanden hatten.

Das Fahrzeug der Sanitätspolizei Bern war bereits eingetroffen. Die Rettungssanitäter standen jedoch untätig beim Eisengitter her­um, weil es für sie nichts mehr zu tun gab.

Der Regierungspräsident, sämtliche Fraktionschefs, drei Grossratskommissionen in beschlussfähiger Stärke und ein gutes Drittel des Staatskanzleipersonals bevölkerten den Innenhof und versuchten fassungslos zu begreifen, was da an diesem nebligen frühen Abend passiert war. Deshalb musste sich Staatsschreiber Konrad Herspliger erst durch eine ansehnliche Menschenmenge hindurch kämpfen, bis er bei der Unfallstätte angelangt war.

«Es ist schrecklich.»

Das waren die ersten Worte, die er zu hören bekam.

«Hans Ramser ist es, unser Rathausabwart», hauchte ihm seine engste Mitarbei­terin Marie-Anne Hofmann zu und schnäuzte sich ins Taschentuch.

Konrad Herspliger war nicht weniger erschüttert, als er im feuchtnebligen Innenhof seinen Mitarbeiter mit zerschlagenem Kopf am Boden liegen sah. Ihm bot sich ein bizarres Bild, das so wenig zur ehrwürdigen Umgebung des Rathauses passte.

Einer, nämlich Ronald Winterberger, der praktische denkende stellvertretende Leiter der Rathausverwaltung, hatte die Unfallstelle sofort abgesperrt.

Der unbemerkt hinzu getretene Regierungspräsident Bernardo Pulfmann (Grüne), zugleich Erziehungsdirektor und damit verantwortlich für die Denkmalpflege, hörte, wie der Name seiner Dienststelle unter den Umstehenden als wahrscheinliche Verursacherin des Unfalls raunend herumgereicht wurde: Die Denkmalpflege habe wieder einmal gepfuscht.

«Ich bitte, keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen. Das muss zuerst genau abgeklärt werden», forderte der oberste Chef der Denkmalpflege und unterbrach sich selber plötzlich: «Was ist jetzt zu tun? Lebt Hans Ramser? … warum warten die Rettungssanitäter? … oder benötigen wir ein Beerdigungsinstitut? – oder braucht es sogar die Polizei? Ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus, mein Gott.»

Der unweit daneben stehende und wie schon erwähnt praktisch denkende stellvertretene Leiter der Rathausverwaltung mischte sich ein, zumal er ausgebildeter Samariter war und Defibrillatoren bedienen konnte.

«Vor dem Absperren habe ich mit dem Finger am Hals von Hans den Puls zu ertasten versucht. Ich habe nichts gespürt», sagte er trocken und schickte sich an, weiter hinten die Abschrankung besser zu fixieren.

Staatsschreiber Herspliger war nicht bekannt für übereilte Meinungsäusserungen. Vorerst verfolgte er wortlos die Bemerkungen des Regierungspräsidenten und den Hinweis von Ronald Winterberger. Während sich das Interesse der Anwesenden auf den Toten konzentrierte, suchte er mit den Augen die Fassaden ab nach Abbruchstellen. An den unteren Stockwerken bemerkte er keine Veränderung, und weiter oben war wegen dem recht dichten Nebel nicht mehr viel zu erkennen. Irgendetwas störte ihn allerdings an der Unfallstelle, als sich sein Blick wieder nach unten richtete. Dieses unbestimmte Gefühl behielt er jedoch für sich, weil er es nicht zu artikulieren vermochte.

Inzwischen war Vizestaatsschreiber Renaud Krählinger bleichgesichtig zu ihm heran­getreten. Sie nickten einander wortlos zu. Zusammen traten sie näher an die Leiche heran.

«Hast du die zertrümmerten Teile schon angeschaut?», raunte ihm Krählinger zu.

«Ja eben, mich stört irgendetwas, aber ich finde nicht heraus was», antwortete er, um gleich zurückzufragen: «Hast denn du etwas festgestellt?» Dazu musterte er seinen Stellvertreter, der nur Augen für das Bruchmaterial zu haben schien.

«Schau den grössten Brocken an», sagte Renaud Krählinger.

Die beiden Schreiber kannten das Rathaus und die angrenzende Staatskanzlei innen und aussen wie niemand sonst.

«Wir haben in dieser Form … doch keine Aufbauten, Verzierungen oder Figuren an den Fassaden … oder täusche ich mich», setzte der Vizestaatsschreiber nach.

Der Staatsschreiber wechselte den Standort, wohin ihm sein Stellvertreter folgte, und besah sich das fragliche Hauptstück von der gegenüberliegenden Seite aus.

«Komisch … Ja, du könntest recht haben.»

Jetzt knieten Herspliger und Krählinger nieder und nahmen sich unter der Absperrung hindurch je ein kleines Stück des abgestürzten Materials.

«Aber ich frage mich …», setzte der Vizestaatsschreiber an, «… ist das wirklich Sandstein, was da liegt?»

«Du, das ist wirklich kein Sandstein», sagte Staatsschreiber Herspliger. «Unser Sandstein hier ist doch eher graugrünlich … dieser Stein … dieser Stein da … ist irgendwie weisslich-grau.»

Und wieder schauten sich die beiden an, diesmal verblüffter als zuvor. Als sie die Beschaffenheit des Gesteins gleichzeitig mit ihren Fingern prüften und an der Oberfläche etwas kratzten, kam noch helleres Material zum Vorschein.

Und dann dauerte es genau drei Sekunden, bis sie wie aus einem Mund hervorstiessen:

«Das ist ja Gips.»

Der höherrangige Staatsschreiber fühlte sich verpflichtet, dem Regierungspräsidenten die Erkenntnis sogleich halblaut weiterzugeben.

«Du Bernardo, ich glaube, wir haben da ein Problem. Was da am Boden liegt, ist kein Sandstein, sondern harter Gips. Und wir mei-nen, an den Fassaden gebe es keine Aufbauten, Verzierungen oder Figuren aus Gips.»

Den umstehenden Leuten entgingen die Bemerkung des Staatsschreibers und das nachdenkliche Gesicht des Regierungspräsidenten nicht. Die Information verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

Bei SP-Fraktionschef Miguel Aeberhard, der sich beruflich mit viel Gestein herumzuschlagen hat, löste sie Bedenken aus. Der analytische Denker wollte voreiligen unwissenschaftlichen Mutmassungen gleich den Riegel vorschieben.

«Aufgepasst, meines Wissens bestehen hier die Fassaden nicht ausschliesslich aus reinem Sandstein. Für Abdeckungen oder aufgesetzte Verzierungen könnte durchaus irgendein heller Kunststein verwendet worden sein oder ein Material von gipsführenden Gesteinsschichten, etwa Anhydritstein, oder eben abgebundener, gehärteter Gips.»

Diese spontan geäusserte Behauptung löste unverzüglich eine Kontroverse aus.

SVP-Fraktionschef Pierro Brandenberger zeigte sich skeptisch.

«Das glaube ich nicht, der Aeberhard liegt ja meistens falsch.»

Dem widersprach augenblicklich SP-Grossrat und Polizeiverbandspräsident Marc Meyster, als er seine Meinung in die Runde warf. «Meine Damen und Herren, das stinkt zum Himmel, die Polizei muss her.»

Meyster war bekannt für seine rapide Meinungsbildung. Das hatte der früheren Regierungsrätin Dorothea Andrew den Vorwurf eingebracht, sie entscheide schneller, als andere denken könnten, Meyster selber, da war er selbstsicher genug, liess sich jedoch von solchen Qualifizierungen nie aus der Ruhe bringen, auch nicht, wenn er in Konjunkturflauten höhere Löhne für die Polizisten forderte.

Auf jeden Fall reagierte die gestikulierende Hundertschaft auf Meysters Einwurf mit immer lauter vorgetragenen Fragen.

Es war dem erst jetzt hinzugetretenen Grossratspräsidenten Erhard Angler vorbehalten, die nach dem ersten Blick auf den Toten unausweichliche Kardinalfrage zu stellen:

«Ist da», fragte er in nicht eben gut verständlichen Haslideutsch, «ein Mord passiert?»

Das genügte, um einen kleinen Aufruhr auszulösen. Die Leute schwatzten wild durcheinander. Sie vermuteten und behaupteten, aber waren dennoch entsetzt, was insgesamt eine eigenartige Stimmung erzeugte.

Regierungspräsident Pulfmann versuchte sich zunächst mit wenig Erfolg gegen das Palaver durchzusetzen. Erst als GLP-Fraktionschefin Franca Schaffolter mit ihrer unbekümmert lauten Stimme «Ruhe jetzt» rief, legte sich der Stimmenlärm.

«Danke», sagte Pulfmann zu ihr und fand nun endlich Gehör mit seiner hellen Stimme: «Ich bitte euch, den Innenhof zu verlassen. Wir müssen durch die Polizei abklären lassen, was hier passiert ist. Tretet bitte zurück, wir sollten den Hof freigeben.»

Als sich die meisten Leute der Aufforderung gehorchend murmelnd verzogen, überhörten sie die nachgereichten Worte: «Gedenkt bitte heute Abend des Toten und seinen Angehörigen.»

Die Fraktionschefs blieben stehen, weil sie sich als ad hoc eingesetztes Kontrollorgan des Parlaments verstanden und die weiteren Abklärungen aufmerksam zu verfolgen wünschten.

Wer geglaubt hatte, die übrigen Leute würden sich wieder ihrer eigentlich dringlichen politischen und administrativen Arbeit zuwenden, sah sich getäuscht. Der Menschenzug verzog sich einfach in das Rathaus und versuchte wenigstens durch die untersten Fenster zu erhaschen, was sich unten im Innenhof weiter abspielte.

Die Gewissheit

Noch bevor sich die Szene auflöste, hantierte der Staatsschreiber mit seinem Mobiltelefon und rief auf Geheiss des Regierungspräsidenten Polizeikommandant Steffen Blattmann an.

«Guten Tag Steffen. Wir haben ein Problem im Rathaus, also genauer gesagt im daneben liegenden Innenhof. Wir brauchen die Hilfe deiner Leute, wir haben hier einen Toten, den Rathausabwart. Zunächst glaubten wir, er sei von einem herabstürzenden Fassadenteil erschlagen worden. Aber wir sind verunsichert. Das zerschellte Stück besteht vermutlich nicht aus Sandstein, sondern nach unserer Laienmeinung aus Gips. Gips, so denken wir, ist aber nicht zwingend an der Fassade verwendet worden.»

Der Staatsschreiber nickte während des kurzen Gesprächs mehrmals.

«Ob es heruntergeworfen worden ist? … Das wissen wir nicht, es könnte aber sein … Unfall oder Mord, fragst du … Letzteres kann ich mir nicht vorstellen, wir wissen es aber nicht … Nein, wir haben nur den Gips als Anhaltspunkt … eben ungewöhnlich … Schickst du jemanden? … Ja, danke, wir sind froh, wenn ihr sofort kommen könnt …. Ja, gerne sofort … nein, nicht mit Blaulicht … Ja, der Regierungspräsident und ich warten hier, wohl noch einige andere auch … Danke, ich wünsche dir einen guten Abend.»

Keine drei Minuten später fuhr vom Mani-Matter-Stutz her ein Polizeiauto auf den Rathausplatz, kurz danach von der Kreuzgasse ein grauer Kastenwagen. Drei zivil gekleidete Polizisten und zwei Kriminaltechniker in Overalls stiegen aus. Beobachtet von vielen Augenpaaren hinter den Fenstern und von sich rasch nähernden Gaffern draussen, begaben sich vier Polizisten in den Innenhof. Der fünfte zog weiträumig ein Absperrband um den Schauplatz, das nur noch der herbeieilende Amtsarzt übertreten durfte.

Der Regierungspräsident, sekundiert von den beiden Staatsschreibern, die Polizisten und der Amtsarzt grüssten sich beim Eingang zum Innenhof und schritten zum Tatort. Die Fraktionschefs verzogen sich seitlich gegen das Staatskanzleigebäude. Grossratspräsident Erhard Angler, von Amtes wegen persönlich dazu befugt, postierte sich näher.

«Das ist eine böse Sache», liess sich Regierungspräsident Bernardo Pulfmann vernehmen und zeigte der Gendarmerie und dem Arzt den grausigen Fund.

«Da ist nichts mehr zu machen», stellte der Amtsarzt lakonisch fest und bestellte einen Leichenwagen, der zügig vorfuhr und den Leichnam aufnahm. Die Polizisten hatten zuvor den Amtsarzt gebeten, von der Leiche zurückzutreten, damit der Polizeifotograf von allen Seiten Bilder vom Tatort und der Leiche machen konnte.

Das Augenmerk wandte sich danach den inzwischen fotografisch ebenfalls festgehaltenen Trümmerteilen zu. Die Overallmänner schabten an einigen Stücken die Oberfläche weg. Sie schauten sich die Sache mit einem stark leuchtenden Vergrösserungsgerät an, besprachen sich und kamen gemeinsam zur Erkenntnis, dass es sich wirklich um Gips handeln müsse.