Zauberbesen Hexenkessel - Missi St. Gabriel - E-Book

Zauberbesen Hexenkessel E-Book

Missi St. Gabriel

0,0

Beschreibung

Zauberbesen Hexenkessel, als zweites Buch der Autorin in dieser Art, ist eine Anthologie voller magischer, zauberhafter Kurzgeschichten. Vom Märchen bis hin zu fantastischen, wahren Erzählungen wird der Leser in andere Welten entführt. 13 Mal schmunzeln, wundern, abtauchen und Gänsehaut.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2016

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Missi St. Gabriel

Zauberbesen Hexenkessel

13 Geschichten aus dem Dunkel der Nacht

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Zauberbesen Hexenkessel

Der Märchen Wahrheit

Abkürzung

Hexenjagd

Abraxas

Was die Frau des Teufels frei hat

Ein seltsamer Verehrer

Ronjas Kobold

Der Schwarze Bote

Das letzte Paar Schuhe

Das Zauberbuch

Ein Haus mit Garten

Im dunklen Wald

Die Mühlenschenke

Rechtliche Hinweise

Impressum neobooks

Vorwort

Zaubernächte

Die Thomasnacht / Wintersonnwende

Am 21. Dezember solle das Haus rein gemacht werden. Mit Räucherwerk werden die bösen Geister aus den Räumen vertrieben, damit sie die "heilige Zeit" nicht stören.

In der Nacht könne man den Namen seines zukünftig Liebsten erfahren, indem man sich verkehrt herum ins Bett legt und den heiligen Thomas um seine Hilfe in diesem Fall bittet.

Mit etwas Glück träumt man dann von seiner großen Liebe.

Ein anderer Zauber besteht in beschriebenen Zetteln, die mit verschiedenen Namen versehen, gefaltet unter dem Kissen liegen müssen, auf dem man schläft. Es sind auch unbeschriebene Blätter darunter und am nächsten Morgen zieht man einen davon hervor. Er verrät den Menschen, mit dem man eine Beziehung im nächsten Jahr eingehen wird. Leere Zettel stehen dabei für Unbekannte.

Was früher heimlich gerne von den jungen Mädchen sehr sorgfältig ausgeführt wurde, ist in den heutigen Tagen in Vergessenheit geraten.

Dennoch ein schöner Zauber, den man gefahrlos nachmachen kann. Nur sollte man das Ergebnis nicht allzu ernst nehmen.

Die zwölf Raunächte

Mit der Wintergöttin Berchta als Schutzpatronin, die vom 25. Dezember bis 06. Januar im Jahr verankert liegen, stehen sie als Symbol für die zwölf Sternzeichen, die kommenden zwölf Monate und die fehlenden Tage zwischen Mond- und Sonnenkalender. Sie setzen sich aus den sechs letzten Tagen des alten Jahres und den sechs ersten des Neuen zusammen. Genauer betrachtet wird der Wandel sichtbar, den sie mit sich tragen.

In diesen Nächten, so sagt man, sind Träume wahrheitsdeutend und besonders für Orakel und Rituale geeignet, die sich mit Glück und Geld beschäftigen. Was in dieser Zeit geschieht, erlebt wird, oder einem als Idee im Kopf herumschwirrt, erfülle sich leichter als zu jeder anderen Zeit im Jahr.

Brauchtum erhält durch stete Wiederholung dieses Wissen am Leben. So finden in der Schweiz, in der letzten der Raunächte (vom 5. auf den 6. Januar), die Perchtenumzüge statt, mit denen die bösen Geister vertrieben werden. Rau, also wild, aber auch Rauch und pelzig, beschreibt das Aussehen der Gestalten.

24. Dezember

Alte Geschichten erzählen von sprechenden Tieren in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember. Als Weihnachtsnacht bezeichnet, können in ihr Dinge passieren, die als unglaublich betitelt werden dürfen.

Silvester

Die Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar ist die Nacht der stärksten Wahrheitswirkung. Bei Weissagungen in dieser Nacht geht es meist um Liebe, Ehe und Familie. Auch Glück und Geld werden gerne mit einbezogen. Der wohl bekannteste Zauberbrauch, als Blick in die Zukunft des kommenden Jahres, ist das Bleigießen, das auch heute noch gerne von vielen praktiziert wird. Die letzte Nacht, die uns ins Neue Jahr führt, wird gefeiert. Der bewusste Wandel aus der Vergangenheit in unsere Zukunft ist auch ein guter Anlass, für so ein Fest. Es ist die Nacht, in der wir durch "Gute Vorsätze" unser Leben in andere Bahnen lenken.

6. Januar

Spätestens an diesem Tag soll alle Dekoration aus dem vergangenen Jahr entfernt werden. Auch der festlich geschmückte Weihnachtsbaum findet den Weg nach draußen. Dieser Akt des Wegräumens übernimmt symbolisch das Ablegen der Vergangenheit. Es ist wieder Platz für Neues.

Zukunftsträume in den Raunächten

Träume, die in diesen Nächten in den Schlaf fließen, sollte man sich merken. Nicht selten erfüllen sie sich. Ob nun als Warnung, oder als Ansporn etwas zu erreichen, denn der Glaube versetzt bekanntlich Berge…

Zauberbesen Hexenkessel

schnell, bevor ich es vergesse,

brauen wir den Liebestrank.

Kessel, häng dich übers Feuer,

Herzkrautwurzen sind sehr teuer

und nicht frisch machen sie krank.

Dreizehn Tage wirst du speien,

vergisst die Hex sie ab zu seien,

und von Liebe keine Spur.

Wasser von dem Waldquellstein,

Zuckerblüten müssen rein,

Bienenhonig und zwar pur.

Eine Prise Muskatnuss,

Rosenwein, ein ganzer Guss,

Zimt und noch ein Anisstern.

Dieser Sud muss lange kochen,

reduziert bis auf die Knochen,

süß wie Sirup schmeckt er gern.

Besen rühr' den Trank im Kreise,

links herum, sonst ist's nicht weise,

Kessel brodelt mit im Takt.

Lange braucht es, bis es dick ist,

das Gebräu fester wie Schlick ist

und der Stiel vom Besen knackt.

Dampf steigt aus dem Kessel hoch,

mit ihm lockt dich ein Geruch,

Sehnsucht kriecht ins Herz hinein.

Blaue Farbe steht im Sud,

dieses Zeichen ist nicht gut,

rot wie Blut sollte er sein.

Chilifäden für die Schärfe,

die ich in den Kessel werfe,

heiß und innig soll sie werden.

Liebe für die Ewigkeit,

leicht und sanft und ohne Zeit,

mehr als alles hier auf Erden.

Dieser Trank ist nicht nur schwierig,

sonderbar und auch langwierig.

Fordert alles an Gefühl.

Denn für keinen ist er gleich,

was für einen grade reicht,

ist dem andren Herz zuviel.

Besen kippt jetzt aus dem Kessel,

Feuer greift wie eine Fessel,

hält den schwarzen Tiegel gut.

Leichter Knall und dann ein Tocken,

in dem Kessel liegt ein Brocken.

ein Kristall wie rotes Blut.

Alles was mir jetzt noch fehlt,

ist der Mann auf dieser Welt,

der den Liebestrank mit wert ist,

weil er richtig, nicht verkehrt ist.

Und dann löse ich den Stein,

für ihn in einem Becher Wein.

Ein einz‘ger tiefer Schluck und dann,

fängt für uns die Liebe an.

Der Märchen Wahrheit

Wenn ich die Geschichte meines Lebens erzählen müsste, dann würde sie mir niemand glauben. Deshalb versuche ich erst gar nicht, sie als wahr darzustellen. Stattdessen erzähle ich ein Märchen und da alle Märchen mit "Es war einmal" beginnen, beginnt auch diese Geschichte so.

Es war einmal...

...ein Bauer mit seiner Frau. Die lebten bescheiden und redlich in einem kleinen Haus. Schon lange wünschten sie sich ein Kind, doch sie wurde einfach nicht schwanger. Egal was die beiden auch unternahmen, es wollte sich kein Kindersegen einstellen.

Seine Frau weinte viel, weil sie den Wunsch, ihres geliebten Mannes nach einem Stammhalter, nicht erfüllen konnte. Und dem Bauern tat die Unglücklichkeit seiner Frau in der Seele so weh, dass er sich jedes Mal abwenden musste, wenn sie weinte.

Eines Tages hörte er in der Taverne von einer weisen Frau, die jede Krankheit heilen könnte. Unter vorgehaltener Hand flüsterten die Männer, sie sei sogar in der Lage, ungewollte Schwangerschaften einfach verschwinden zu lassen. So mancher hätte seine Magd, oder ein anderes heimliches Liebchen, schon zu ihr geschickt, um dieses Unglück abzuwenden.

Der Bauer dachte, wenn sie in der Lage sei solch Werk zu tun, dann müsse sie es auch auf umgekehrtem Wege zustande bringen.

Am nächsten Tag weinte seine Frau gar bitterlich, als er vom Felde nach Hause kehrte und er fasste den Beschluss, sich auf die Suche nach der Weisen zu machen, ob sie ihm nicht einen Rat wüsste.

So schnürte er ein Bündel und machte sich auf den Weg, die Heilerin zu finden. Wo genau sie sich befinden sollte, wusste er aber nicht. So folgte er seinem Gefühl und schlug die Richtung nach Westen ein.

Drei Tage und drei Nächte war er schon unterwegs und hatte jedermann gefragt, der seinen Weg kreuzte. Doch niemand konnte ihm Auskunft geben über eine weise Frau, die alle Krankheiten heilen könnte. Am Ende des vierten Tages kam er an ein Waldstück. Müde vom vielen Wandern setzte er sich unter eine große Lerche und schlief ein. Als er die Augen wieder öffnete, war es bereits tiefe Nacht. Die Sterne leuchteten vom Himmel und der Vollmond schien so hell, dass er alles um sich herum gut erkennen konnte. Eine Stimme drang durch die Nacht an sein Ohr. Sie summte eine seltsame Melodie voller Sehnsucht. Erstaunt darüber, stand er auf und sah in die Richtung, aus der sie kam. Zuerst konnte er nichts entdecken, denn der Wald, an dessen Rande er geschlafen hatte, war von dichtem Wuchs. Erst als die Sängerin aus dem Dickicht trat und beinahe vor ihm stand, vermochte er sie auszumachen. Sie lächelte ihn sanft an und ihre Augen leuchteten im hellen Mondschein so grün, wie sattes Gras. Rote, lange Haare fielen in sanften Wellen über ihre Schultern bis zu den Hüften herab und ihr Gesicht war rein und klar, wie das Wasser eines Waldquells.

"Was suchst du, Bauer, zu so später Stunde an meinem Wald?", fragte sie ihn.

"Ich suche eine weise Frau. Man sagt, sie könne jede Krankheit heilen." gab der Bauer zurück. Die Fremde betrachtete den Mann lange von allen Seiten, ehe sie ihm Antwort gab.

"Weder du, noch dein Weib, seid krank. Geh wieder nach Hause und freue dich deines Lebens."

"Das kann ich nicht, bis ich sie gefunden habe."

"So sage mir, warum suchst du Heilung, wo keine Krankheit ist?", fragte die Schöne.

Der Bauer genierte sich seines Anliegens und druckste ein wenig herum, bis er der jungen Frau von seinem Problem berichtete.

Verschämt wagte er nicht ihr in die Augen zu sehen. Er konnte nicht fassen, dieser Fremden davon erzählt zu haben, die in ihrer unschuldigen Jungend keine Kenntnis von derlei Dingen haben konnte.

"Nun, es ist nicht schwierig zu entfernen was schon vorhanden ist. Jedoch zu erschaffen, was noch nicht besteht, erfordert mehr als du mir geben kannst." Die Stimme der Frau veränderte sich, während sie sprach und der Bauer erkannte, dass sie die weise Frau war, die er gesucht hatte.

Er fiel auf die Knie vor ihr und nahm ihre Hände in die seinen.

"Schick mich nicht weg ohne einen Rat von dir, ich bitte dich. Alles würde ich tun und alles würde ich dir geben, machtest du nur wahr, was meine Frau und ich uns wünschten."

"Leben schaffen kann ich nicht. Doch du dauerst mich und so will ich dir ein Kind schenken, welches von seinen eigenen Eltern verstoßen wurde. Zieht es auf als euer eigenes. Doch du musst mir versprechen, ist der Junge sechzehn Jahre, so lasse ihn im Frühjahr ziehen wohin er will. Sonst wird ein Unglück über euch kommen."

Der Bauer versprach es und wollte ihr nach, um ihr in den Wald zu folgen.

"Bleib am Waldrand und tritt nicht einen Schritt hier herein. Sonst wirst du alles verlieren, was dir etwas bedeutet." warnte sie ihn. Der Mann schritt wieder zurück bis an die Lerche und die Frau verschwand, um wenig später mit einem Bündel wieder zu kommen. Darin war ein kleiner Junge gewickelt, den sie ihm überreichte. Blaue Babyaugen strahlten den frisch gebackenen Vater an und dieser hatte Tränen der Freude und des Glücks in den seinen. Er wollte sich bei ihr bedanken, doch sie war verschwunden. Wie Rauch, der sich im Wind zerstreut. Überglücklich trat er die Heimreise an und er und seine Frau erfreuten sich unbändig an dem kleinen Jungen. Sie nannten ihn Tycho, was "der Glückliche" bedeutet.

Tycho wuchs heran und machte seinen Zieheltern viel Freude. Er war ein schlaues Kerlchen, das viel fragte und alles wissen wollte. Als der Junge zehn war, gingen dem Bauern und seiner Frau die Antworten auf seine Fragen aus und sie beschlossen, ihn das Lesen lernen zu lassen. Der Junge lernte schnell und so brauchte es nur wenige Tage, bis er es beherrschte. Von da an las er alles, was er finden konnte und seine Eltern hatten ihre liebe Not, ihn immer wieder mit neuen Büchern und Schriften zu versorgen. Mit zwölf Jahren hatte Tycho bereits die Größe eines Mannes erreicht und mehr Wissen, als die Gelehrten in der Stadt. Trotzdem half er seinem Vater bei der Arbeit, wo er nur konnte, war ein fleißiges Kind und sich für keine Hilfe zu schade.

Eines Abends saß die Familie beim Abendbrot. Tycho war bereits fünfzehn und anders als sonst an diesem Tag gewesen, was seinen Eltern aufgefallen war.

"Mein Sohn, was ist mit dir? Was bedrückt dich?", fragte der Bauer.

"Ach Vater, ich weiß nicht wie ich es sagen soll. Doch ich frage mich die ganze Zeit, ob das schon alles ist, was das Leben für mich bereithält. Es zieht mich in die Ferne. Ich würde gerne die Welt sehen." Tycho seufzte und stocherte in seinem Essen herum.

Seine Eltern sahen sich erschrocken an. Sie hatten vergessen, welche Bedingung mit ihrem Sohn einherging. Jetzt, da die Zeit verronnen war, drängte sie sich wieder in den Vordergrund.

"Noch nicht, mein Sohn." sagte der Bauer. "Warte noch ein Weilchen, bis du älter bist."

Tycho wurde sechzehn und mit jedem Tag, der von da an verging, veränderte er sich mehr. Er zog sich in sich zurück, wurde blass und mager. Sorgenvoll betrachteten seine Eltern die Verwandlung. Es war nicht leicht für sie, ihren Jungen gehen zu lassen, doch noch schwerer ihn so zu sehen. Unter Tränen und Herzweh ließen sie ihn im Frühling ziehen.

Tycho reiste ohne Ziel durch das Land und es dauerte Monate, bis ihm bewusst wurde, dass er nach etwas suchte. Als er dieses Wissen erlangte, trieb es ihn voran, wie eine Feder ein Uhrwerk. Viele Tage lief er Querfeldein, bis er an einen Wald kam. Dort ließ er sich erschöpft unter einer Lerche nieder. Es war der gleiche Baum, unter dem auch sein Vater schon gesessen hatte und genau wie er, schlief er darunter ein. Tief in der Nacht erwachte Tycho, geweckt von einer sanften Melodie, die durch das Dickicht der Sträucher hindurch an sein Ohr drang. Neugierig stand er auf, um nach der Quelle zu suchen. Nebel kroch durch die Äste hindurch auf ihn zu und erstaunt beobachtete der Junge, wie sich eine Frauengestalt vor ihm manifestierte. Freundlich lächelte sie ihn an und ihre Augen waren grün, wie das Gras und ihr rotes Haar fiel in sanften Wellen über ihre schmalen Schultern. Ihr Gesicht strahlte rein und klar, so wunderbar, dass der Junge meinte, nichts schöneres hätten seine Augen je erblickt, als dieses Geschöpf.

"Was führt dich an den Rand meines Waldes?", fragte ihn die Schöne.

"Eine Suche." sagte der Junge. "Wer bist du?", fragte er sie dann.

"Mein Name ist Albandin." Sie lächelte ihn wieder an.

"Ich heiße Tycho."

"Nun, Tycho, auf welcher Suche befindest du dich denn?", wollte die Frau wissen. Der Junge überlegte. Diese Frage konnte er der geheimnisvollen Fremden nicht beantworten, denn er wusste es selbst nicht.

"Ich weiß es nicht, doch ich werde es erkennen, wenn ich es gefunden habe." antwortete er deshalb.

"Willst du mir denn Gesellschaft leisten auf meinem Weg, so lange du es noch nicht gefunden hast?", fragte sie ihn. Tycho überlegte einen Augenblick. Ihm fiel nichts ein, was ihn davon abhalten sollte und so willigte er ein, Albandin durch ihren Wald zu begleiten.

Sie gingen nebeneinander her und es war, als würden sie sich schon immer kennen. Tycho erzählte ihr von seinen Eltern, seiner Kindheit, seinen vielen Fragen und wie er aufgebrochen war, um zu suchen, was er selbst noch nicht kannte. Albandin war eine geduldige Zuhörerin und ihr Schweigen ließ ihn reden wie einen Wasserfall. Sie nickte nur hin und wieder und stimmte mit ihrem sanften Lächeln zu. Der Morgen graute bereits, als er aufhörte zu erzählen. Jetzt ging auch er still neben ihr her und Albandin wusste alles, was es über ihn zu erfahren gab. Nach einer Weile fragte er, ob der Weg noch lange wäre.

"Nein, wir sind gleich da. Denn der Weg ist immer so lang, wie es ihn braucht."

Vor ihnen tauchte ein kleines Häuschen auf und die Frau blieb stehen.

"Tycho, möchtest du nicht bei mir bleiben für ein Weilchen?", bot sie ihm an. Er merkte, wie müde er vom Laufen geworden war und nahm das Angebot gerne an. Während der letzten Stunden war sie ihm so vertraut geworden, als wäre sie ein Teil von ihm selbst. Und obwohl nur er geredet hatte, schien es ihm, als würde er sie bereits ein ganzes Leben kennen. Mit dem Schritt über die Schwelle überkam ihn ein Gefühl, wie zuhause angekommen zu sein. Ein seltsam vertrauter Geruch von Gewürzen und Kräutern lag in der Luft. Allerlei gebundenes Grün hing zum Trocknen von der Decke. Es schien ihm alles in diesem Raum bekannt und doch so neu und eigenartig, als stamme es aus einem Traum, den er vor langer Zeit einmal hatte.

Tycho blieb und half ihr, wo er nur konnte. Albandin lehrte ihn dafür ihr ganzes Wissen. Nach einem Jahr kannte er alle Pflanzen beim Namen und vermochte sie zu unterscheiden. Nach einem weiteren, wozu sie nutze waren. Und nach dem dritten Jahr konnte er jeden Trank und jede Salbe, die auch sie beherrschte, selbst herstellen. Gerne streifte er durch den großen Wald und beobachtete die Nymphen am Bach, wie sie scherzten und plantschten. Ihrem Gesang in der Abenddämmerung lauschend, saß er Stunden auf der kleinen Treppe vor der Tür des Häuschens. Albandin kümmerte sich gut um den Jungen. Sie zeigte ihm alles, was es innerhalb des Waldes zu sehen gab und hatte Antwort auf seine Fragen, was auch immer er wissen wollte. Nicht, wie es bei seinen Eltern gewesen war, an die er in letzter Zeit immer öfter dachte. Heimweh packte ihn plötzlich und von Zeit zu Zeit der Wunsch sie wieder zu sehen, der immer größer wurde.

Albandin bemerkte die Veränderung im Wesen des jungen Mannes, zu dem er in den letzten Jahren geworden war und ahnte, was ihn zu dieser neuen Traurigkeit bewegte. Doch schwieg sie dazu, bis er von selbst seine Wünsche vortrug.

"Nun, da ich dir nichts mehr lernen kann, kannst du gehen wohin du willst. Doch muss ich dir noch etwas über diesen Wald verraten, dessen du noch nicht gewahr wurdest." fing sie an zu sprechen. "Es mögen Jahre hier vergangen sein, jedoch außerhalb der Grenzen dieser Bäume sind es zig, die ins Land gestrichen sind. Wenn du also zu deinen Eltern zurückkehrst, werden sie alt sein und nichts wirst du mehr so vorfinden, wie du es in Erinnerung hast."

Tycho war das egal und er freute sich schon darauf, seine Zieheltern wieder zu sehen. Er verabschiedete sich von Albandin sehr herzlich und sie gab ihm ein Bündel mit, in dem sich verschiedene Kräutersäckchen befanden und auch ein Fläschchen Wasser von dem Nymphenquell, an dem er so oft gesessen hatte.

Die Welt erschien ihm noch so, wie er sie verlassen hatte, als er durch den Waldsaum auf das freie Feld schritt.

"Ach was sind schon dreißig Jahre, ist doch alles noch so, wie ich es zuletzt gesehen habe." sagte er zu sich selbst und trat voller Freude den Heimweg an.