Zauberhafte Dorabella - Samsons 13. Kindermädchen - Ylva Karlsson - E-Book + Hörbuch

Zauberhafte Dorabella - Samsons 13. Kindermädchen E-Book und Hörbuch

Ylva Karlsson

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Beschreibung

12 Kindermädchen hatten Samson und Samuel schon. Aber keines war wie Dorabella. Die stellt das Leben der Brüder ganz schön auf den Kopf, denn bei ihr weiß man nie, was für einen verrückten Vorschlag sie machen wird. Ein Picknick im Park, obwohl es in Strömen regnet. Die Befreiung der Roboter aus einem eintönigen Kinderfilm. Ein Besuch bei der Meerjungfrau auf dem Buddelschiff … So viel Fantasie färbt ab, das merken auch die anderen Jungen. Samson ist gar nicht mehr der schüchterne Junge, der nie mitmacht, wenn es richtig lustig wird. Bloß die Eltern dürfen nichts von der Magie mitkriegen, sonst schicken sie Dorabella wieder weg! Ein zauberhaftes Kinderbuch mit Illustrationen von Leonard Erlbruch.

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Seitenzahl: 176

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Zeit:3 Std. 11 min

Sprecher:Martin Baltscheit
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Ylva Karlsson

ZAUBERHAFTE

DORABELLA

Samsons 13. Kindermädchen

Aus dem Schwedischen von

Birgitta Kicherer

Mit Bildern von Leonard Erlbruch

Carl Hanser Verlag

Die Übersetzung dieses Buches wurde gefördert

vom Kulturrådet – Swedish Arts Council

Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel

Ossians ovanliga nanny

bei HIPPO BOKFÖRLAG, Stockholm.

erscheint als Hörbuch bei audio media,

gelesen von Martin Baltscheit

ISBN 978-3-446-24863-2

© Text Ylva Karlsson 2012

© der deutschen Ausgabe Carl Hanser Verlag München 2015

Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer

Alle Rechte vorbehalten

Satz im Verlag

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und viele andere Informationen finden Sie unter:

www.hanser-literaturverlage.de

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

In Familien mit berufstätigen Eltern sind die Kinder in der Kita oder im Hort, bis Mama und Papa von der Arbeit nach Hause kommen. Das heißt, wenn Opa oder Oma sie nicht schon früher abgeholt haben.

Aber in manchen Familien, in der von Samson zum Beispiel, werden die Kinder von einem Kindermädchen abgeholt. Oder von einer Nanny, wie man auch sagt.

Das kann ziemlich nervig sein.

Oder auch ziemlich wunderbar.

Wunderbar ist es natürlich nur, wenn man Glück hat und genau die richtige Nanny bekommt.

INHALT

Das erste Kapitel,

in dem wir Samson und seinen kleinen Bruder kennenlernen und eine wichtige Person von einem Baum herunterklettert. Es ist ganz einfach das Kapitel, in dem alles anfängt

Das zweite Kapitel,

in dem die Fernbedienung für den Fernseher plötzlich eine neue Taste hat und mehrere Dinge passieren, die man eigentlich nur als magisch bezeichnen kann

Das dritte Kapitel,

in dem Dorabellas erstaunlicher Fahrradkorb zum ersten Mal seine Fähigkeiten unter Beweis stellt und Samson in ein ungewöhnlich interessantes Schaufenster schaut

Das vierte Kapitel,

in dem man erfährt, wie wichtig ausbruchsichere Bilderrahmen und sicherheitsgeprüftes Spielzeug sind – und dass es manchmal gut wäre, einen Taschenkalender zu besitzen

Das fünfte Kapitel,

in dem eine wunderbare Teekanne und eine einmalige Keksdose vorkommen sowie ein Kaleidoskop, das auch wunderbar ist und sogar noch ein bisschen mehr

Das sechste Kapitel,

ist eins, das man am liebsten weglassen würde. Wenn du das Buch je ein zweites Mal liest, kannst du es ja überspringen. Es handelt von einem Wochenende, einem durch und durch und ganz und gar missratenen Wochenende.

Das siebte Kapitel,

in dem Samson und Samuel die beste Schwimmschule der Welt besuchen. Ich wünschte, du wärst auch dabei gewesen!

Das achte Kapitel,

in dem Samson ein eigenes, wenn auch ziemlich friedliches Abenteuer erlebt

Das neunte Kapitel,

in dem Samson einen Brief und eine Warnung und eine wunderbare Glaskugel bekommt

Das zehnte Kapitel,

in dem der ungewöhnliche Schaukelstuhl so tut, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Schaukelstuhl (etwas, was magische Schaukelstühle ganz besonders gut können). Es ist aber auch ein Kapitel, in dem Samson und Samuel Dinge sagen, die sie nicht sagen sollten.

Das elfte Kapitel,

in dem der Montag sich alle Mühe gibt, das trübselige Wochenende wieder gutzumachen, was ihm aber nicht gelingt

Das zwölfte Kapitel,

in dem Samson alles zu viel wird

Das dreizehnte Kapitel,

in dem sich herausstellt, dass es ein Teppich ist, der an Samsons Geburtstag die Hauptrolle spielt

Das vierzehnte Kapitel,

in dem Dorabellas geräumiger Fahrradkorb sich als Lieferant von Leckereien selbst übertrifft

Das fünfzehnte Kapitel,

in dem Samuel auf die siebte Treppenstufe tritt, die Dunkelheit größer wird und ein gelber Hund auftaucht. Schuhu!

Das sechzehnte Kapitel,

das noch unheimlicher ist

Das siebzehnte Kapitel,

in dem Scherben zusammengefegt und Regenpfützen aufgewischt werden und Samson sein Paket auspackt

Das achtzehnte Kapitel,

welches das allerletzte Kapitel über Samson, Samuel, Dorabella und den Himbeervogel ist – jedenfalls in diesem Buch

DAS ERSTE KAPITEL …

… in dem wir Samson und seinen kleinen Bruder kennenlernen und eine wichtige Person von einem Baum herunterklettert. Es ist ganz einfach das Kapitel, in dem alles anfängt.

»Samson!«, rief Samuel, Samsons kleiner Bruder. »Samson, da im Baum sitzt eine Frau!«

Samson lief schnell ans Fenster.

Er sah keine Frau, nur Dohlen. Der ganze Ahorn unten im Hof war voller Dohlen. Auch die Dächer ringsum waren voll. Noch nie hatte er so viele Dohlen auf einmal gesehen. Und die auf den Dächern guckten alle zu dem Baum.

»Doch! Ehrlich!« Samuel fuchtelte so aufgeregt mit seinem Legoauto, dass Samson einen Schritt zurücktreten musste. »Ich hab eine Frau gesehen! Mit einem Schirm!«

Die beiden befanden sich im Schlafzimmer ihrer Eltern, die sich gerade umzogen, weil sie heute Abend ausgehen wollten.

»Ich weiß wirklich nicht, was wir da machen sollen«, seufzte Mama.

»Unglaublich, so was!«, sagte Papa. »Mitten im Schuljahr einfach aufzuhören!«

Samson wusste, worüber die Eltern sprachen.

Es ging um Emma.

Emma war Samsons und Samuels Kindermädchen. Sie holte die beiden regelmäßig vom Hort ab und passte auf sie auf, bis Mama oder Papa nach Hause kam.

Samson und Samuel hatten schon Tausende von Kindermädchen gehabt.

Oder sagen wir Hunderte.

Also genau genommen waren es zwölf.

Aber auch zwölf sind ganz schön viele. Stell dir mal zwölf verschiedene Menschen vor, dann wird dir das klar!

»So schnell einen Ersatz für Emma zu finden ist unmöglich!«, schimpfte Papa und starrte in den begehbaren Kleiderschrank. »Als hätte ich nicht schon genug um die Ohren! Mehr als jeden zweiten Freitag Abholen ist da beim besten Willen nicht drin. Und du holst sie ja sowieso schon einmal die Woche ab.«

»Hm«, machte Mama, die sich gerade für ein dunkelgrünes Kleid entschieden hatte. »Ich hab heute mit Charlotte geredet. Sie und Daniel haben eine ältere Dame als Nanny und sind sehr zufrieden. Das heißt, wenn sie bald nach Brüssel ziehen, könnten wir vielleicht …«

»So jemand ist bestimmt schon vergeben«, sagte Papa. »Sonst wär’s natürlich perfekt. Ältere Damen ziehen in aller Regel nicht mehr so schnell um, und den Kindern würde ein bisschen Kontinuität auch guttun. Wahrscheinlich würde eine ältere Dame auch für mehr Ordnung sorgen.«

Samson sagte nichts. Er sagte meistens nichts.

Oder höchstens zu Samuel.

Manchmal, wenn die Eltern abends gute Nacht gesagt hatten, kam Samuel in Samsons Zimmer geschlichen und kroch zu ihm ins Bett. Dann konnte es sogar vorkommen, dass Samson derjenige war, der am meisten redete.

Aber immer leise, flüsternd. Damit die Eltern nichts merkten. Sie mochten es nämlich nicht, dass Samson und Samuel im selben Bett schliefen.

Jetzt gerade sah Samson zu, wie Samuel mit seinem Legoauto erst auf dem Fensterbrett entlangfuhr und dann runter auf den Fußboden. Samuel hatte offensichtlich nicht mitbekommen, was Mama und Papa da besprachen.

»Ein Glück, dass Emma wenigstens heute noch kommen kann!«, sagte Mama und schaltete den Föhn ein. Papa ging ins blau gekachelte Badezimmer.

Mit Samsons Stimme verhielt es sich so: Ab und zu verschwand sie und blieb dann lange weg. In Emmas Gegenwart passierte das besonders oft. Dann wurde er erst ganz normal wütend wie andere Jungs auch, aber noch dazu wurde er stumm. Sonst hätte er Samuel auch verteidigt, wenn Emma wieder mal böse wurde. (Immerhin war er Samuels großer Bruder, auch wenn Samuel nicht sehr viel kleiner war als er.)

Emma wurde oft böse. Aber nicht auf Samson.

Allerdings war es auch nicht Samson, der immer direkt aus dem Haus auf die Straße rannte. Und er ließ auch keine rutschigen Puzzleteilchen und scharfkantigen Legosteine auf dem Fußboden herumliegen. Oder kletterte auf dem Klettergerüst bis ganz nach oben, um dann prompt runterzufallen. Samson stibitzte auch nicht Mamas Nagellack und schmierte damit ihr schönes Tischchen aus Marokko voll. Und er schnitt keine Sofakissen auf, um nachzuschauen, ob sich die Füllungen von blauen, roten und gelben Kissen unterschieden (was erstaunlicherweise der Fall war, wie man wusste, seit Samuel es ausprobiert hatte).

Vor allem wegen der Sache mit den kaputten Kissen war Emma richtig sauer geworden. Und Papa hatte sich mächtig über Emma aufgeregt, weil Federn und Schaumgummifussel durchs ganze Wohnzimmer und sogar ins Esszimmer geflogen waren. Aber vor allem hatten sie das schwarze und das weiße Sofa vollgeschneit und sich überall in den Teppichen festgesetzt. Pavel, der jeden Freitag zum Saubermachen kam, erzählte hinterher, er habe über eine Stunde gebraucht, um alles wegzukriegen.

Und jetzt würde Emma also aufhören. Sie würde nach Frankreich fahren und studieren, weil sie überraschend einen Platz für Nachrücker bekommen hatte, wie sie behauptete. Aber Samson hatte den Verdacht, dass es doch mit den Kissen zu tun hatte. Nur schade, dass er und Samuel den Schnee nicht noch ein bisschen durch die Gegend hatten pusten können, bevor Emma ins Wohnzimmer kam, das wäre nämlich lustig gewesen.

Mama saß inzwischen vor dem Spiegel und schminkte sich langsam und sorgfältig. Heute Abend war es ihr wohl wichtig, besonders hübsch auszusehen. Samuel stand neben ihr und befingerte sämtliche Döschen und Fläschchen. Aber vor allem die Fläschchen mit Nagellack.

Samson schaute aus dem Fenster, über den Balkon und an dem herbstgelben Ahornbaum vorbei. In manchen der Wohnungen auf der anderen Hofseite brannte Licht.

Eins der Fenster dort war voller Pflanzen. Sie bedeckten sämtliche Fensterscheiben, sogar die kleinen ganz oben.

Samson überlegte, wie es wohl wäre, dort zu wohnen. Vielleicht war das Licht in der Wohnung grün.

Er schloss die Augen.

Wenn er dort drüben wohnen würde, wäre er jemand ganz anderes. Ein anderes Kind. Er hätte schwarze lockige Haare, eine Brille und eine Menge Freunde. Und er hätte einen normalen Namen! Einen Namen, der kein bisschen komisch war.

Samson schaute oft fremde Fenster an.

Das Telefon klingelte.

Mama und Samuel spreizten hilflos ihre frisch lackierten Fingernägel, also nahm Samson den Hörer ab und reichte ihn Mama, die ihn mit steifen Fingern anfasste.

»Ja, hallo?«, sagte sie mit ihrer Telefonstimme. »Hallo, Emma!«

Dann sagte sie zweimal »Aha«. Beim zweiten Mal klang ihre Stimme enttäuscht. »Aha.«

»Ja, natürlich höre ich, dass es dir nicht gut geht. Nein, nein, keine Angst, das verstehe ich. Gute Besserung!«

Samson sah sie an. Mama schien den Tränen nah zu sein.

»Emma ist krank!«, rief sie in Richtung Bad. »Sie kann nicht kommen!«

Papa streckte den Kopf aus dem Bad. Er hatte Rasierschaum im Gesicht. Mama seufzte und begann, den Reißverschluss ihres Kleids aufzuziehen.

Da läutete es an der Tür.

Mama warf Samson einen erstaunten Blick zu. Dann zog sie den Reißverschluss an ihrem Kleid wieder zu und ging an die Tür, um aufzumachen.

Vor der Tür stand eine Frau. Sie trug Jeans, und ein langer roter Zopf fiel ihr über die Schulter. Ihr Gesicht war runzlig und, soweit Samson sehen konnte, ungeschminkt. Aber ihre Fingernägel waren rosa lackiert.

»Ja?«, sagte Mama fragend.

»Das ist sie«, flüsterte Samuel von so nah, dass Samsons Ohr davon nass wurde.

»Wer?«, fragte Samson.

»Die aus dem Baum.«

»Ich habe gehört, dass Sie eine Nanny brauchen«, sagte die Frau mit einer Stimme, die ruhiger und tiefer klang als die von Mama.

»Ja«, sagte Mama. Erst sah sie noch unschlüssig aus, doch dann hellte sich ihre Miene auf. »Ach ja! Charlotte und Daniel! Natürlich!«

Sie reichte der Frau die Hand und begrüßte sie.

»Dorabella«, sagte die Frau. »Dorabella Travers.«

Dann stellte sie ihren Regenschirm und ihre Tasche ab. Auf die Tasche waren Ahornblätter gestickt. Und eine Dohle. Und plötzlich kam es Samson so vor, als würde sich die Dohle bewegen. Als würde sie sich bücken und einen Legostein auf dem Fußboden so fest mit dem Schnabel anstupsen, dass er davonflog.

Samson schnappte vor Überraschung nach Luft. Er musste sich geirrt haben. Eine gestickte Dohle konnte sich nicht bewegen.

Dorabella drehte die Tasche mit dem Fuß so um, dass er den Vogel nicht mehr sehen konnte.

Dann schaute sie Samson an, und kurz glaubte er, sie würde ihm die Zunge rausstrecken. Aber sie lächelte nur ganz normal. »Das hier ist Samson, vermute ich«, sagte sie. »Und du musst Samuel sein.«

Samson sagte nichts. Samuel nickte erst verdutzt, dann sah er plötzlich sauer aus.

Mama lächelte zufrieden und nickte, als wäre sie zu einer Entscheidung gekommen.

»Ja«, sagte sie. »Ich würde natürlich verstehen, wenn Sie nur vorbeigekommen wären, um sich vorzustellen und so weiter. Aber könnten Sie vielleicht …? Wäre es möglich, dass Sie jetzt gleich anfangen?«

»Das sollte ich wohl«, sagte Dorabella.

Mama lächelte noch einmal.

»Wunderbar«, sagte sie. »Genial. Kommen Sie herein, liebe Dorabella! Ich zeige Ihnen schnell, wo Sie alles finden, dann besprechen wir das Praktische und …«

»Später«, sagte Dorabella ruhig. »Machen Sie sich jetzt lieber auf den Weg, damit Sie nicht noch zu spät kommen!«

Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die Wanduhr im Flur, und Mama riss entsetzt die Augen auf.

»Du liebe Güte! Ich dachte, wir hätten noch …« Damit verschwand sie zu Papa ins Schlafzimmer.

Nach knapp einer Minute waren sie wieder da, Papa mit seiner Krawatte in der Hand.

Samson wunderte sich genauso wie Mama. Gerade war es noch halb sechs gewesen, und jetzt war es plötzlich kurz vor halb sieben.

»Also, tschüss dann!«, sagte Mama, während sie in ihre Stiefel schlüpfte. »Lasst’s euch gut gehen! Im Kühlschrank stehen Fleischbällchen, Dorabella. Die Kinder können Ihnen ja alles zeigen, und unsere Handynummern sind für alle Fälle im Telefon gespeichert.«

Papa gab Samson und Samuel schnell einen Kuss. Er roch frisch rasiert.

Dorabella nickte.

»Wird schon alles gut gehen«, sagte sie ruhig. »Ich hab schon öfter Kinder gehütet.«

Mama lächelte. Papa lächelte auch. Sie sahen sehr zufrieden aus. Dann gingen sie.

Und Samson und Samuel waren mit Dorabella allein.

DAS ZWEITE KAPITEL …

… in dem die Fernbedienung für den Fernseher plötzlich eine neue Taste hat und mehrere Dinge passieren, die man eigentlich nur als magisch bezeichnen kann

»Aha!«, sagte Dorabella, die Samson mit einem forschenden Blick ansah. »Also Abendessen.«

Ohne nach dem Weg zu fragen, marschierte sie in die Küche und öffnete den Kühlschrank.

»Fleischbällchen wären eine Idee«, murmelte sie.

Samson spähte über ihre Schulter und deutete auf die Packung Fleischbällchen, die im Gefrierfach lag.

»Ihr kauft die fertig?«, fragte Dorabella und schloss den Kühlschrank wieder.

Samson nickte.

Dorabella verzog das Gesicht.

»Hört mal zu«, sagte sie. »Wenn wir den Abend mit solchen Möchtegernfleischbällchen anfangen würden, könntet ihr euch echt auf was gefasst machen. Schon beim Anblick von diesen Gummikugeln kriege ich Blähungen. Und wenn ich Blähungen habe, möchtet ihr nicht mehr mit mir im selben Zimmer sein, glaubt mir.«

Samson wusste gar nicht, wo er hingucken sollte. Er wusste nämlich ganz genau, dass Dorabella von Pupsen redete, und das war bei ihnen in der Küche absolut verboten.

Samuel stand in der Türöffnung und kicherte. Dann machte er wieder sein saures Gesicht.

»Aber sonst sind Fleischbällchen natürlich eine glänzende Idee«, fuhr Dorabella fort. Sie starrte den geschlossenen Kühlschrank an, schnalzte mit der Zunge, öffnete die Kühlschranktür wieder und holte Hackfleisch, Milch, Eier, eine kleine Zwiebel, eine Tüte Kartoffeln und noch ein paar Sachen mehr heraus. Die Kartoffeln stellte sie auf die Spüle und bat Samson, sie zu schälen.

Samson sagte nichts. (Wie du weißt, sagte er meistens nichts.) Aber er war sich fast sicher, dass das alles vorher nicht im Kühlschrank gewesen war. Jedenfalls kein Hackfleisch. Und auf gar keinen Fall das Preiselbeerkompott und ein Glas mit den sauren Gürkchen, die es sonst nur bei Opa gab.

Samson schielte zu Dorabella hin. In ihren krausen roten Haaren gab es ein paar einzelne graue Löckchen, und sie trug goldene Ohrringe. Sie war groß, größer als Mama, vielleicht sogar größer als Papa. Jedenfalls sah sie stärker aus.

Anfangs, als Dorabella draußen im Flur vor der Tür gestanden hatte, war sie Samson ungefähr so alt wie Oma vorgekommen. Aber so alt war sie wahrscheinlich gar nicht.

Dorabella formte die Fleischbällchen so schnell, dass er ihren Bewegungen kaum folgen konnte. Und als sie anschließend die Blusenärmel hochkrempelte, um sich die Hände zu waschen, sah er, dass auf einen ihrer Arme ein Hase tätowiert war. Auf der Innenseite des Arms war das, und es sah schön aus.

Zum Essen setzten sie sich an den Küchentisch. Samuel hatte drei kleine Plastikaffen geholt und sie neben seinen Teller gestellt. Samson sah, wie er verstohlen zu Dorabella rüberlinste und nur auf die Ermahnung wartete, Spielzeug habe auf dem Esstisch nichts verloren.

Aber Dorabella sagte nichts. Stattdessen kramte sie drei kleine Plastikhühner aus der Hosentasche und stellte sie neben ihren eigenen Teller.

Während des Essens unterhielten sich Dorabella und Samuel. Samson sagte nur ein paarmal Ja und Nein und Hm. Das war aber immer noch mehr, als er sonst zu sagen pflegte, wenn er mit Leuten zusammen war, die er nicht kannte.

»Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass weiße Mäuse immer rote Augen haben?«, fragte Dorabella.

Das hatte Samson tatsächlich.

»Wahrscheinlich ist das ziemlich lästig«, fuhr Dorabella fort. »Ein Albino zu sein ist überhaupt ganz schön anstrengend, hab ich gehört. Wisst ihr, was ein Albino zu sein bedeutet? Es bedeutet, dass man in der Haut und in den Haaren keine Pigmente, also keine Farbe hat. Und auch nicht in der Iris der Augen. Dort schimmert dann das Blut durch und färbt die Augen rot. Und kaum ist man in der Sonne, riskiert man einen Sonnenbrand. Wirklich sehr lästig. Aber wenn ich ehrlich bin, finde ich trotzdem, dass es interessant aussieht. Wenn ich zahme Mäuse hätte, hätte ich wahrscheinlich am liebsten weiße. Und ihr?«

»Ich hätte am liebsten welche, die Seiltanzen können«, sagte Samuel und klang überhaupt nicht sauer. Das mit den Plastiktierchen auf dem Esstisch schien eine gute Wirkung auf ihn zu haben.

»Ja, das wäre toll!«, sagte Dorabella. »Mäuse können fantastische Zirkusartisten sein. Ein Freund von mir hatte einen ganzen Zirkus, wo alle Artisten Mäuse waren. Aber eines Tages kam die Nachbarkatze, und was dann geschah, wollen wir uns lieber nicht vorstellen. – Und wie ist es bei dir, Samson, welche Farbe sollten deine Mäuse haben?«

Samson überlegte gründlich. Er versuchte sich die Mäuse vorzustellen. In einem kleinen Käfig. Aber er sah vor allem den Käfig.

»Du willst gar keine Mäuse haben, stimmt’s?«, fuhr Dorabella fort. »Und ich kann dich beruhigen, es ist auch nicht nötig, welche zu haben. Vielleicht fragst du dich ja, ob man lebendige Tiere überhaupt in einen Käfig sperren soll.«

Samson nickte.

»Wenn es so ist, brauchst du dir auch keine Mäuse zu wünschen«, sagte Dorabella und lachte.

Eigentlich mochte Samson es nicht, wenn man ihn ausfragte. Er wollte lieber in Ruhe gelassen werden und seinen eigenen Gedanken nachhängen. Außerdem war da die Sache mit seiner Stimme, die so oft einfach verschwand.

Aber das mit den Mäusen war interessant. Und er hätte gern mehr über den Zirkus von Dorabellas Freund erfahren.

Nach dem Essen wollte Samuel einen Film gucken. Dorabella nickte zustimmend. Samson folgte den beiden ins Wohnzimmer und zum Fernseher, weil er bestimmt beim Einschalten helfen musste. Opa musste er auch immer helfen, und ihr altes Kindermädchen, Emma, hatte es auch nicht richtig gekonnt. Mama war eigentlich die Einzige, die den Fernseher mit dem richtigen Ton und Bild und allem zum Laufen brachte, ohne dass es eine Ewigkeit dauerte.

Aber bevor Samson etwas tun konnte, hielt Dorabella schon die richtige Fernbedienung in der Hand und drückte in der richtigen Reihenfolge auf die Tasten. Als der Fernseher anging, startete auch schon der Film, und der Ton kam aus sämtlichen Lautsprechern, wie wenn Mama ihn einschaltete. Drei kleine Roboter marschierten über den Bildschirm, und Samuel sah sehr zufrieden aus. Samuel guckte immer denselben Film.

»Und Popcorn«, sagte er. »Ich meine, kann ich bitte Popcorn haben? Freitags krieg ich das immer.«

»Klingt vernünftig«, meinte Dorabella. »Man sollte immer eine Schüssel Popcorn parat haben, wenn man Filme guckt. Schließlich kann man nie wissen, wann man es braucht.«

Samson setzte sich neben Samuel aufs Sofa. Für den Film interessierte er sich nicht besonders, den fand er sogar ziemlich langweilig. Aber wenn man vor einem Bildschirm saß, brauchte man sich nicht zu unterhalten. Man wurde in Ruhe gelassen und konnte nachdenken, und das fand Samson gut.

Dorabella war seltsam. Sie sagte komische Sachen.

Samson wusste nicht, ob ihm das gefiel.

Aber sie war interessant. Und irgendwie total in Ordnung, da war er sich sicher.

Emma war manchmal ziemlich fies gewesen. Einmal hatte sie zum Beispiel behauptet, Samson hätte seine Handschuhe verschusselt, dabei hatte sie die selbst im Bus liegen lassen. So etwas würde Dorabella bestimmt nie tun.

Sie würde eher irgendwas erzählen, damit Papa nicht böse wurde, zum Beispiel dass ein Bär aufgetaucht sei und die Handschuhe geklaut habe.

Samson und Samuel saßen auf dem einen Sofa, und als Dorabella mit der Popcornschüssel aus der Küche kam, setzte sie sich aufs andere.

Das war auch seltsam, fand Samson. Eigentlich hätte sie nämlich in der Küche aufräumen sollen. Er wusste, wie ärgerlich Papa immer geworden war, wenn Emma vergessen hatte, die Spülmaschine einzuräumen.

»Ich hab mich schon immer gefragt«, sagte Dorabella nach einer Weile, »ob es die Figuren in so einem Film nicht schrecklich langweilig finden, dass sie jedes Mal, wenn der Film läuft, dieselben Sachen machen müssen.«

Da drehte sich einer der kleinen Roboter im Fernseher um und sah Dorabella an.

»Und ob!«, rief er. »Stinklangweilig sogar! Du ahnst gar nicht, wie satt wir das hier haben.«

Samson richtete sich kerzengerade auf. Er schluckte. Wie war es möglich, dass eine Zeichentrickfigur plötzlich mit jemandem sprach, der nicht im Fernseher war? Das konnte einfach nicht sein!

»Hab ich’s mir doch gedacht«, sagte Dorabella zu dem kleinen Roboter. »Und wie wär’s, wenn ihr dann was anderes machen würdet? – Samuel, kannst du bitte auf die grüne Taste drücken?«