Zehn Jahre und eine Hochzeitsnacht - Marie Ferrarella - E-Book

Zehn Jahre und eine Hochzeitsnacht E-Book

Marie Ferrarella

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Beschreibung

Als Brautausstatterin muss Gina ausgerechnet mit ihrem Ex Shane, einem renommierten Konditor, für eine Hochzeit zusammenarbeiten. Vor zehn Jahren hat sie ihre Verlobung gelöst, weil sie sich zu jung für die Ehe fühlte. Jetzt würde sie selbst gern „Ja, ich will“ flüstern …

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Seitenzahl: 175

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IMPRESSUM

Zehn Jahre und eine Hochzeitsnacht erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Marie Rydzynski-Ferrarella Originaltitel: „Bridesmaid for Hire“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 92 Übersetzung: Stefanie Rose

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Roman Rybalko / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751522069

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Sorgfältig hängte Gina das hellblaue Brautjungfernkleid in den Kleiderschrank ihres Gästezimmers. Es fügte sich nahtlos in ihre wachsende Sammlung anderer bodenlanger und knieumspielender Brautjungfernkleider ein, die sie auf den verschiedenen Hochzeitsfeiern getragen hatte, an denen sie teilgenommen hatte. Als professionelle Brautjungfer war es ihre Aufgabe, all die tausend kleinen und großen Dinge, die bei einer Hochzeitsfeier und ihrer Vorbereitung schiefgehen konnten, im Blick zu behalten und dafür zu sorgen, dass am großen Tag alles glatt lief. Dank Ginas Hilfe und ihrem manchmal beherzten Eingreifen hatten bereits mehr als ein Dutzend Frauen den „glücklichsten Tag ihres Lebens“ tatsächlich entspannt und unbeschwert erleben können – und in manchen Fällen hatte sie die Feier tatsächlich gerettet.

Ginas Mutter behauptete zwar immer, Brautjungfer zu sein wäre kein richtiger Beruf, aber immerhin konnte Gina gut davon leben. Und es war tausendmal besser als ihre vorherige Beschäftigung als Buchhalterin bei einem internationalen Unternehmen. Dort hatte sie zwar große Karrierechancen gehabt, aber der Job hatte ihr einfach nicht die Erfüllung gegeben, die sie jetzt empfand, wenn sie sich wieder einmal am Ende eines aufregenden Tages von einer strahlenden Braut verabschiedete.

Von ihrem üppigen Honorar konnte sie gut leben, auch wenn nicht immer gleich eine Hochzeit auf die nächste folgte. Obendrein durfte sie immer ihr Brautjungfernkleid behalten. Da sie es auch als ihren Job ansah, hier Modekatastrophen zu vermeiden, sofern sie rechtzeitig gebucht wurde, waren das auch alles Kleider, die wirklich tragbar waren und die ihr gefielen.

Gina schloss die Schranktür und setzte sich aufs Bett. Wie immer fühlte sie sich nach einer gelungenen Hochzeit erschöpft, aber zufrieden und stolz. Und ein klein wenig enttäuscht. Natürlich war Letzteres dumm und unnötig, und sie versuchte, es zu ignorieren, aber das war gar nicht so einfach. Immer, wenn Braut und Bräutigam winkend zu ihrer Hochzeitsreise aufbrachen, fragte Gina sich unwillkürlich, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie damals vor zehn Jahren, in dieser wilden, verrückten Nacht, keine kalten Füße bekommen hätte, sondern mit Shane durchgebrannt wäre, als er ihr in die Augen geblickt und aus heiterem Himmel gesagt hatte: „Lass uns heiraten.“

Ihre Antwort – „Spinnst du?“ – hätte vermutlich etwas diplomatischer ausfallen können. Aber Gina war eben völlig überrumpelt gewesen. Sie waren zwei Jahre locker miteinander ausgegangen und erst ein halbes Jahr lang fest zusammen gewesen. Der Gedanke, sich so plötzlich festzulegen, hatte ihr in dem Moment eine Heidenangst eingejagt. Dazu war sie noch nicht bereit gewesen.

Shane dagegen hatte ihre harsche Reaktion nicht gut verkraftet. Sie hatte ihre Worte bedauert, sobald sie sie ausgesprochen hatte, aber da war es schon zu spät gewesen. Aus heutiger Sicht hätte sie mit etwas Bedenkzeit vielleicht sogar Ja gesagt. Oder ihm wenigstens vorgeschlagen, die Sache etwas langsamer anzugehen. Aber in dem Augenblick hatte sie keinen klaren Gedanken fassen können. Sie hatten beide gerade erst das College abgeschlossen und standen am Anfang eines ganz neuen Lebensabschnitts. Sie mussten einen Job finden und so viele Dinge entscheiden, und das allein hatte ihr schon ganz schön zugesetzt. Ihre Beziehung zu Shane war immer ein sicherer Hafen gewesen, etwas, auf das sie sich stützen konnte. Sich auch in dem Punkt noch unter Druck gesetzt zu fühlen, war einfach zu viel für Gina gewesen.

Sie seufzte. Es war völlig sinnlos, darüber nachzudenken. Als sie den Mut gefasst hatte, sich bei Shane zu entschuldigen und ihm zu erklären, warum sie so heftig reagiert hatte, war es schon zu spät gewesen. Er war verschwunden. Er hatte einfach so seine Wohnung aufgegeben und war fortgegangen. Niemand wusste, wo er steckte.

Grüble nicht über Dinge nach, die du nicht ändern kannst, sagte Gina sich. Das macht es nicht besser.

Sie stand auf und ging in die Küche, wo sie sich eine halb volle Packung Eiscreme aus dem Kühlfach holte. Dann setzte sie sich im Wohnzimmer auf die gemütliche Couch vor ihren riesigen Flachbildschirm, um sich eine alte Staffel ihrer Lieblingscomedyserie am Stück anzuschauen. Sie brauchte heute Abend unbedingt etwas zu lachen.

Als gerade der Vorspann lief, klingelte ihr Handy. Vorwurfsvoll schaute Gina auf die Uhr. Entweder wollte ihr jemand Versicherungen verkaufen, oder es war ihre Mutter, die sie wie immer fragen würde, wie „die Hochzeit einer anderen“ gelaufen war und wann Gina anfangen würde, ihre eigene zu planen.

Leider brachte es nie viel, ihr zu erklären, dass sie heiraten würde, wenn sie jemanden fand, der am Altar auf sie wartete, denn dann würde ihre Mutter nur zum wohl hundertsten Mal darauf hinweisen, wie sehr sie und der Rest der Familie Shane gemocht hatten. Tatsächlich hatte Shane es geschafft, innerhalb kürzester Zeit alle für sich einzunehmen. Es sprach für ihn, dass das zehn Jahre her war, und ihre Mutter ihm immer noch nachtrauerte.

Nein, heute Abend hatte Gina wirklich keine Lust, mit ihrer Mutter zu reden.

Doch als sie nach dem Handy auf dem Couchtisch griff und das Display ablas, stellte sie fest, dass es weder ihre Mutter noch eine Versicherung war, sondern „Manetti’s Catering“. Der Name kam ihr bekannt vor, wahrscheinlich hatte sie im Rahmen einer Hochzeit schon mal mit der Firma zu tun gehabt.

Neugierig stellte sie die Eispackung weg und nahm den Anruf an.

„Hallo?“

„Hallo“, antwortete eine freundliche Frauenstimme am anderen Ende. „Spreche ich mit Gina Bongino?“

„Ja“, erwiderte Gina vorsichtig. „Hier ist Gina.“

Wenn sich das doch als Werbeanruf herausstellte, würde sie sofort auflegen.

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie so spät an einem Sonntag noch störe, aber sind Sie die Brautjungfer, die man mieten kann?“

„Die bin ich“, antwortete Gina, die noch immer nicht so recht wusste, ob das ein Telefonstreich war oder einen seriösen Hintergrund hatte.

„Oh, ein Glück“, sagte die Frau. „Sie kennen mich nicht, meine Liebe, ich bin Theresa Manetti. Ich habe eine Cateringfirma und beliefere viele Hochzeiten. Vor allem in letzter Zeit.“

„Jaaa?“, warf Gina fragend ein, um die Anruferin dazu zu bewegen, zum Punkt zu kommen. Sie hoffte natürlich, dass es um eine Hochzeit ging, bei der ihre Dienste benötigt wurden, aber möglicherweise war es auch umgekehrt, und Theresa hoffte, Gina würde sie weiterempfehlen.

„Ich will gleich zur Sache kommen“, sagte Theresa freundlicherweise. „Ich habe in drei Wochen einen Hochzeitsempfang zu beliefern, aber ich befürchte, dass er möglicherweise nicht stattfinden wird. Die zukünftige Braut steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch, und ich dachte mir …“ Theresa unterbrach sich und setzte neu an. „Jemand hat mir von Ihrem besonderen Service erzählt, den Sie anbieten. Dass Sie sich im Vorfeld und bei der Feier selbst um alle möglichen Notfälle kümmern, sodass die Braut sich entspannen kann.“

„Das ist richtig“, bestätigte Gina. Vielleicht führte das hier ja doch zu einem neuen Auftrag?

„Darf ich fragen, was genau Sie machen?“, fragte Theresa.

Gina nickte lächelnd. Diese Frage wurde ihr oft gestellt. Die wenigsten Menschen konnten sich vorstellen, wie nützlich eine Brautjungfer sein konnte, die emotional nicht involviert war und sich ausschließlich um die organisatorischen Dinge kümmern konnte.

„Im Grunde sorge ich dafür, dass am großen Tag alles genauso abläuft, wie es geplant war“, erwiderte sie. „Ich finde schnellstens Ersatz, wenn Fotograf, Friseur oder Kosmetikerin in letzter Minute absagen, wenn der Lieferwagen mit dem Blumenschmuck abgeschleppt wurde oder wenn die Kiste mit den Champagnergläsern kurz vor dem Empfang eine Treppe hinunterfällt und alles zu Bruch geht. Was auch immer schiefgehen kann, ich sorge dafür, dass es keine Katastrophe wird.“

„Nehmen Sie auch an der Hochzeit selbst teil?“, fragte Theresa.

„Normalerweise bleibe ich im Hintergrund“, erklärte Gina. „Aber wenn es die Situation erfordert, fülle ich die Rolle auch komplett aus. Es muss auch niemand wissen, dass ich angeheuert wurde, wenn die Braut das nicht wünscht.“

Die Anruferin seufzte erleichtert. „Sie schickt der Himmel.“

„Ich muss aber schon mit der Braut selbst sprechen“, warf Gina ein. „Ehrlich gesagt werde ich normalerweise von der Braut oder ihrer Familie engagiert, nicht von der Cateringfirma.“

„Keine Sorge, ich habe mit Sylvie schon darüber gesprochen, als ich davon hörte, dass Sie das anbieten. Und sie hat mich gebeten, bei Ihnen vorzufühlen. Die Hochzeit ist wie gesagt in drei Wochen, und im Moment scheint es, als ob alles, was schiefgehen kann, auch tatsächlich schiefgeht.“

Solche Situationen hatte Gina schon früher erlebt. „So lange Braut und Bräutigam auftauchen, lässt sich alles andere regeln“, versicherte sie beruhigend.

„Das hoffe ich“, sagte Theresa. „Die beiden sind ein so schönes Paar. Wie füreinander gemacht.“

„Das klingt doch gut“, sagte sie warm. „Ich brauche nur ihre Handynummer und ihre Adresse, dann rufe ich sie gleich morgen früh an“, versprach Gina.

Theresa gab ihr die Daten durch.

„Ich versichere Ihnen, ich werde alles Menschenmögliche tun, um Sylvies Hochzeit zu dem perfekten Tag zu machen, den sie verdient.“

„Da bin ich wirklich erleichtert“, sagte Theresa. „Und da wäre noch eine Sache …“

Unwillkürlich zuckte Gina zusammen. Eine solche Einleitung verhieß selten etwas Gutes. „Ja?“, fragte sie zurückhaltend.

„Mir fehlen in den nächsten Wochen ein paar Arbeitskräfte und …“

Gina unterbrach sie eilig. „Es tut mir leid, aber Cateringaufgaben sind nicht mein Kompetenzbereich. Vor allem, wenn ich mich bei der Feier auch noch um andere Dinge kümmern soll.“

„Oh, nein, das meinte ich nicht“, versicherte die Frau. „Es geht nur um die Bestellung der Hochzeitstorte. Sylvie möchte unbedingt eine Torte von diesem Tortenkünstler, von dem sie gehört hat – Cakes Created by Cassidy. Kennen Sie den vielleicht?“

„Nein, tut mir leid. Von dem habe ich noch nie gehört.“ Sie war gespannt, worauf das hinauslaufen würde.

„Macht nichts. Also, es geht darum: Eigentlich sollte ich mich darum kümmern, die Torte bei diesem Cassidy zu bestellen. Aber meine Assistentin ist diese Woche ausgefallen, und ich habe am Wochenende noch eine andere Hochzeit … Ich schaffe es einfach nicht. Wäre es möglich, dass Sie sich darum kümmern?“

Es sprach nichts dagegen, auch wenn es Gina etwas seltsam vorkam. „Will das Brautpaar die Torten nicht erst mal probieren?“ Bei ihren bisherigen Feiern hatten die Brautleute mindestens zehn Torten gekostet, bevor sie sich entschieden.

„Nein, das sollte ich ja eben machen. Sylvie hat wochenlang Diät gehalten, um in ihr Kleid zu passen, und sie würde sich einem Stück Torte nicht mal auf drei Meter nähern. Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, das zu übernehmen?“

„Ein Stück Torte von einem angesagten Tortendesigner zu probieren? Nein, kein Problem“, antwortete Gina lachend. Sie blickte sehnsüchtig zu ihrem schmelzenden Rumeis hinüber. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mrs. Manetti?“

„Nein, das ist im Moment alles.“

„Dann danke ich Ihnen sehr für Ihren Anruf und dass Sie an mich gedacht haben. Ich werde mich gleich morgen früh um alles kümmern. Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich mit Sylvie gesprochen habe.“

„Wunderbar. Ich freue mich drauf, Sie persönlich kennenzulernen, meine Liebe. Und entschuldigen Sie noch mal, dass ich Sie so spät abends gestört habe. Aber ich hatte kurz davor mit Sylvie telefoniert und musste schnell eine Lösung finden, bevor die Arme wirklich die Nerven verliert und die ganze Hochzeit absagt.“

„Wie haben Sie eigentlich von mir gehört?“, fragte Gina. Netzwerken war bei ihrem ungewöhnlichen Beruf besonders wichtig, und die Information war wertvoll.

„Virginia Gallagher hat mir von Ihnen erzählt. Sie heißt jetzt Price.“

„Die Gallagher-Price-Hochzeit? Die war vor mehr als einem Jahr!“

„Und Virginia lobt Sie immer noch in den höchsten Tönen. Sie ist eine Freundin meiner Tochter. Aber jetzt will ich Sie nicht länger aufhalten. Wir sprechen uns morgen wieder.“

Was für ein seltsamer Anruf, dachte Gina, als sie aufgelegt hatte. Aber ihre Arbeit war ja auch nicht gerade alltäglich. Vor allem, wenn man ihre Mutter fragte. Entscheidend war nur, dass sie einen neuen Auftrag hatte. Das war gut. Sehr, sehr gut.

Gina spürte, wie sich Vorfreude in ihr ausbreitete, wie immer, wenn eine neue Hochzeit anstand. Als sie nach der Eispackung griff, war ihr Eis allerdings zu einer dicken Suppe geschmolzen. Sie stand auf und brachte es in die Küche, wo sie den Behälter wieder verschloss – zum Glück hatte sie den Deckel noch nicht weggeworfen – und zurück ins Eisfach stellte. Und bei all dem pfiff sie fröhlich vor sich hin.

Ihr Telefongespräch mit Sylvie am nächsten Morgen verlief hervorragend. Wie Theresa gesagt hatte, war die junge Frau tatsächlich extrem angespannt und nervös, also sprach Gina besonders langsam und ruhig. Sie versprach Sylvie, dass alles perfekt laufen würde, und gab ihr ein paar Beispiele von Problemen, die sie bei anderen Hochzeiten erfolgreich gelöst hatte. Während des Gesprächs schien sich Sylvie merklich zu entspannen und ließ sich die Adresse von Ginas Webseite geben, damit sie nachlesen konnte, was andere Bräute über die potenziellen Katastrophen geschrieben hatten, die Gina erfolgreich verhindert hatte.

Als Gina das Gespräch beendete, war sie sich ziemlich sicher, dass Sylvie nicht mehr kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, sondern wieder eine normale, etwas aufgeregte Braut war. Sylvie hatte ihr auch sehr detaillierte Anweisungen bezüglich der mehrstöckigen Hochzeitstorte gegeben, die sie und der Bräutigam sich wünschten – wobei Gina ziemlich sicher war, dass der Bräutigam auch mit jeder anderen Torte zufrieden gewesen wäre, solange der Bäcker nicht Salz statt Zucker verwendete. Aber sie hatte Sylvie sogar versprechen müssen, sich gleich nach dem Telefonat auf den Weg zu machen, um die Torte bei dem gefragten „Tortenkünstler“ Cassidy zu bestellen, damit er nicht etwa zum gewünschten Datum schon ausgebucht war.

Es würde also ein produktiver Tag werden, dachte Gina, als sie nach ihrer Handtasche und ihrem Schlüsselbund griff. Auf dem Weg zu Cassidys Adresse fuhr sie bei Manetti’s Catering vorbei, um sich bei der Inhaberin für die Empfehlung zu bedanken. Der Laden lag in einem hochpreisigen Einkaufszentrum und sah schon von außen äußerst luxuriös aus. Gina beglückwünschte sich heimlich dazu, die Aufmerksamkeit eines so guten Kontaktes erregt zu haben. Wenn bei Sylvies Hochzeit alles gut klappte – und bisher hatte es noch keine Situation gegeben, die Gina nicht in den Griff bekommen hatte –, würde sie auf diese Weise in Zukunft vielleicht noch weitere Empfehlungen bekommen. Netzwerken war einfach alles.

Danach machte sich Gina auf zum „Tortenkünstler“. Cassidy hatte seinen Laden in einem kleineren, nicht ganz so noblen Einkaufszentrum am anderen Ende von Bedford. Sie überlegte kurz, ob sie vorher anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Es war immer besser, persönlich aufzutauchen, falls dieser Cassidy erst überzeugt werden musste, den Auftrag so kurzfristig anzunehmen. Menschen, die sich selbst als „Künstler“ betrachteten, waren oft temperamentvoll und mussten beruhigt werden, während sie andererseits extra viel Bestätigung fürs Ego brauchten. Beides ließ sich viel besser von Angesicht zu Angesicht bewerkstelligen.

Also fuhr sie zur Fairview Plaza, parkte auf dem ersten freien Parkplatz, den sie fand, und machte sich auf die Suche nach der Bäckerei, in der Cassidy Kunstwerke schuf, die man mit einer Kuchengabel essen konnte.

Der Laden war jedoch so klein und unscheinbar, dass sie ihn auf ihrer ersten Runde glatt übersah, weil sie nach einem Hingucker mit einem beeindruckenden Schaufenster Ausschau gehalten hatte. Stattdessen war der Laden ganz in Weiß gehalten, hatte einen einfachen blauen Schriftzug über der Tür und fiel zwischen seinen Nachbarn, einem großen Spielzeugladen und einem angesagten Geschäft für überteuertes Biogemüse, kaum auf.

Verblüfft betrachtete Gina den Laden von außen. „Entweder hat er tatsächlich kein Egoproblem oder die Miete ist hier wirklich günstig“, murmelte sie skeptisch. Es gab nicht einmal ein Schild mit den Öffnungszeiten an der Tür, sodass sie nicht wusste, ob offen oder geschlossen war. Vielleicht hätte sie doch vorher anrufen sollen.

Gina drückte gegen die Tür und stellte fest, dass sie aufging. Dabei erklang eine echte kleine Ladenglocke, was sie sehr viel charmanter fand als die digitalen Töne, die andere Läden oft benutzten, um die Ankunft von Kunden zu verkünden.

Vermutlich soll das nur davon ablenken, dass es hier Torten zu einem astronomischen Preis gibt, die man aus ein paar Fertigpackungen auch leicht selbst hätte backen können, dachte sie.

Der Laden schien leer zu sein, allerdings gab es im hinteren Teil eine halb offen stehende Tür, die wahrscheinlich in das Heiligtum führte, „in der der Künstler seine Magie schuf“.

„Hallo?“, rief sie. „Ist da jemand?“

Sie spitzte die Ohren und hörte hinter der Tür Geräusche. Die Angestellte, die die Aufträge annahm? Seltsam, dass sie nicht gleich beim Klingeln der Ladenglocke herausgekommen war.

Als sich immer noch nichts tat, rief sie etwas lauter: „Ich würde gern eine Torte bestellen, für eine Hochzeit in drei Wochen.“

Tatsächlich waren es nur noch zwei Wochen und fünf Tage, aber das würde sie erst preisgeben, wenn sie tatsächlich jemanden vor sich hatte. Die Geräusche, die sie vorhin gehört hatte, hatten jedenfalls aufgehört – aber noch immer ließ sich niemand blicken.

Sehr seltsam, dachte sie. Vielleicht war der Künstler nicht anwesend, und sie war dabei, einen Einbrecher zu überraschen?

Na gut, ein letzter Versuch. Wieder hob sie die Stimme: „Wenn das ein schlechter Zeitpunkt ist, komme ich gern später noch mal wieder. Ich sehe nirgendwo Öffnungszeiten, aber …“

Endlich öffnete sich die Tür hinten im Raum. Na also, dachte Gina. Sie setzte an, um etwas zu sagen, doch als sie die Person erkannte, die da in den Laden trat und auf sie zukam, blieb ihr jedes weitere Wort im Hals stecken. Sie brachte nicht einmal einen Laut hervor. Und nach ein paar Sekunden wurde ihr klar, dass sie sogar das Atmen vorübergehend eingestellt hatte.

Shane.

Das konnte doch nicht sein.

Oder?

Nein, das war ganz eindeutig Shane, der sich ihr gefühlt in Zeitlupe näherte.

Träumte sie etwa?

Am liebsten hätte sie geblinzelt, um zu prüfen, ob das Bild vor ihren Augen echt war, aber selbst dafür war sie noch zu erstarrt.

Atme, verdammt. Atme! wies sie sich selbst an.

„Hallo Gina.“

Weil sich der Raum um sie zu drehen begann, tastete Gina auf der Suche nach Halt nach der Ladentheke. Sie würde jetzt nicht ohnmächtig werden, auch wenn sich ihre Knie wie Pudding anfühlten.

„Shane?“, flüsterte sie ungläubig.

Der Mann sah aus wie Shane – allerdings wie eine attraktivere, verbesserte Version des Mannes, der zehn Jahre lang unverändert in ihrer Erinnerung gelebt hatte. Sein Gesicht war hagerer und schärfer geschnitten. Er wirkte nicht mehr so jungenhaft wie früher, sondern geradezu unverschämt männlich.

Seine Haare waren jedoch immer noch blond, und auch das durchdringende Blau seiner Augen hatte sich nicht verändert. Sein Blick ging ihr immer noch durch und durch, auch nach all dieser Zeit.

„Sag nicht, dass du mich nicht wiedererkannt hast“, bemerkte er.

Lieber Himmel, nein, dachte Gina. Sie würde niemals sein Gesicht vergessen, ganz gleich, was geschah. Ob es ihr gefiel oder nicht, es war ihr für immer ins Gedächtnis gebrannt.

Als ihr klar wurde, dass sie ihn immer noch anstarrte wie eine Erscheinung, räusperte sie sich und suchte nach Worten.

„Es tut mir leid …“, sagte sie schließlich, woraufhin er sie prompt unterbrach.

„Schön, das endlich von dir zu hören.“

Seinen Gesichtsausdruck konnte sie nicht deuten, aber sie machte sich auf ein unschönes Gespräch gefasst. Natürlich konnte sie ihm keinen Vorwurf machen – zumindest nicht aus seiner Sicht. Sie hatte ja versucht, ihn zu finden und sich zu entschuldigen. Er war derjenige gewesen, der sich einfach aus dem Staub gemacht hatte und verschwunden war.

„… aber ich habe mich wohl im Geschäft geirrt“, vollendete sie den Satz beherzt. „Ich suche einen Tortendesigner namens Cassidy.“

Als er ihre Stimme gehört hatte, war sich Shane sicher gewesen, dass er sich das einbildete. Er war in den Laden gegangen, um sich genau das zu beweisen – obwohl er Ginas Stimme immer und überall wiedererkannt hätte.

Und natürlich hatte er recht.

Sie war es.

Zehn Jahre lösten sich in Luft auf und für einen Augenblick fühlte er sich wieder wie damals: bis über beide Ohren verliebt.

Und dann holte ihn die Realität auf einen Schlag ein.

Im Augenblick zog er es vor, hinter der Ladentheke zu bleiben. Näher durfte er Gina im Moment nicht kommen, das war zu gefährlich. Sicher, er hatte sich von ihr gedemütigt gefühlt und er war wütend auf sie gewesen, aber es hatte ewig gedauert, bis er halbwegs über sie hinweggekommen war. Ein Jahr lang hatte er jede wache Minute an sie gedacht und jede Nacht von ihr geträumt.

Danach hatte zumindest diese wahnwitzige Sehnsucht langsam nachgelassen, doch erst nach einem ganzen weiteren Jahr war er wieder halbwegs in der Spur gewesen.